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Teil 2: Wie können alltägliche Faktoren den Verlauf einer Epilepsie beeinflussen?

Diagnose Epilepsie

Einleitung

Im ersten Beitrag (ASU 5/2014) wurden definierte Auslöser für Reflexanfälle bzw. Reflex-epilepsien besprochen. Von diesen sind die unspezifischeren Faktoren, die das Auftreten eines Anfalls begünstigen, zu differenzieren. Überschneidungen bezüglich der Auslöser sind möglich. Wichtig für die Praxis ist zunächst herauszuarbeiten, ob es sich um in-dividuelle vermeidbare Auslöser für Reflexanfälle handelt oder ob ein Patient unter bestimmten Rahmenbedingungen dazu neigt, vermehrt Anfälle zu bekommen. Eine entsprechende Anzahl und Häufung von Anfällen in zeitlichem Zusammenhang mit bestimmten Ereignissen das Alltags und eine entsprechende Dokumentation sind Voraussetzung für eine Beurteilung. Es sei darauf hingewiesen, dass die Provokationsfakto-ren hohen interindividuellen Unterschieden unterliegen und eine Verallgemeinerung auf alle Epilepsiepatienten, womöglich mit entsprechenden Verboten, somit nicht gerecht-fertigt ist.

Diverse Studien zeichnen in Bezug auf die Häufigkeit der Provokationsfaktoren ein ähnliches Bild. Demnach stellen emotiona-ler Stress oder besondere psychische Belastungssituationen den häufigsten Provoka-tionsfaktor mit ca. 25–30 % dar, gefolgt von Schlafmangel bzw. Müdigkeit und fieberhaften Infekten. Bei Frauen mit Temporal-lappenepilepsien kommt eine Häufung (bis zu 28 %) im Zusammenhang mit den hormonellen Zyklusschwankungen vor. Dies wird auch als die so genannte „katameniale Anfallshäufung“ bezeichnet und tritt primär zum Zeitpunkt des Eisprungs oder dem Ein-setzten der Regelblutung auf.

Stress

In nahezu allen gesichteten Publikationen steht emotionaler Stress an erster Stelle der Faktoren, die das Auftreten von Anfällen begünstigen. Dabei sollte zwischen „normalem Alltagsstress“ oder besser gesagt normaler Anspannung und stark emotionalen Belastungssituationen differenziert werden, da offensichtlich eine normale Be-lastung und Anspannung, z. B. bei der Arbeit, eher vor Anfällen schützt. Erst zum Abend hin, wenn eine Entspannungsphase eintritt, steigt das Risiko wieder, einen Anfall zu erleiden. Dieses Phänomen wird auch gerne als „Feierabendepilepsie“ beschrieben. Da-mit wird eine Anfallshäufung vor allem am Abend oder in Ruhephasen bezeichnet, in welchen eine physiologische geistige Anspannung und Wachheit einer starken Entspannung weicht.

Beispiele für typische Ereignisse, die als emotionale Stresssituationen wirken, sind beispielsweise Trennungen, plötzliche Todes-fälle nahstehender Verwandter oder Haus-tiere oder auch einschneidende biografische Veränderungen, wie z. B.der Auszug aus dem Elternhaus. Viele dieser Faktoren sind kaum beeinflussbar, wobei aber das Bewusstsein der Betroffenen dafür geschärft werden kann, dass in diesen besonderen Zeiträumen zusätzliche Belastungsfaktoren nach Möglich-keit zu vermeiden sind. Eine vorübergehende Zusatzmedikation mit Clobazam kann gelegentlich hilfreich sein.

Schichtarbeit / Schlafrhythmus

In nahezu allen der insgesamt wenigen Pu-blikationen zum Thema anfallsprovozierender Faktoren, findet sich der Schlafentzug mit ca. 11,6 % und die Müdigkeit mit 9,5 % nach dem Faktor Stress (20,9 %) (Nakken et al. 2005) bei den Befragten an zweiter bzw. dritter Position, sogar noch vor den Auslösern „Flackerlicht“ (4,4 %), Fieber (5,1 %) oder Alkohol (5,7 %). Es scheint bei den Faktoren Schlafentzug, Flackerlicht und Menses zwischen „generalisierten“ und foka-len Epilepsien signifikante Unterschiede zu geben. Bei generalisierten Epilepsien sind der Schlafentzug und das Flackerlicht häufiger (19,5 % vs. 12 %, p Tabelle 1).

Arbeitsmedizinisch kommt also der Be-achtung von Schichtarbeit und in besonderem Maße von Wechselschichtarbeit mit Nachtschichten eine besondere Bedeutung zu. Dies sollte insbesondere bei den generalisierten Epilepsiesyndromen, wie dem Janz-Syndrom (juvenile Myoklonus-Epilepsie) oder idiopathisch generalisierten Epilepsien beachtet werden. Im Gegenzug kann ein Patient aber an der Schichtarbeit teilnehmen, wenn er bei entsprechend langer Beobachtungszeit nicht zu Anfällen durch den gestörten Schlafrhyth-mus neigt. Problematisch und unabhängig vom Schlafentzug kann es zu Problemen bei der sicheren und regelmäßigen Einnahme der Antikonvulsiva durch den veränderten Tagesrhythmus kommen. Dies kann im Vorfeld beachtet und ggf.bei Abweichungen optimiert werden, bevor ein Patient nicht mehr am Schichtdienst teilnehmen kann.

Bildschirmarbeit

Bei der Nutzung von Flachbildschirmen mit hohen Eigenfrequenzen stellt die Provokation eines Anfalls durch Bildschirmarbeit ohne Vorliegen einer Fotosensibilität eine extreme Rarität dar. Mit dem Abstand des Betrachters zum Bildschirm (50–100 cm), der Größe des Bildschirms und der Höhe der Eigenfrequenz (> 100 Hz) reduziert sich das Risiko weiter (Badinand-Hubert et al. 1998). Selbst bei nachgewiesenen Fotosensibilität sind eher Bilderabfolge, Hell-Dunkel-Kontraste, Umgebungsbeleuchtung und das mono- oder binokuläre Betrachten des Bildschirms als Provokationsfaktor entscheidend.

Die Eigenfrequenz der Bildschirme ist kein Risikofaktor. Eher denkbar ist, dass Anfälle durch schnelles Scrollen von Tabellen und Texten oder Betrachten schnell wechselnder Bilder provoziert werden könnten. Das bedeutet, dass Bildschirmarbeit nur in den seltensten Fälle und nur bei nachgewiesener Photosensibilität (5 % aller Epilepsie-patienten, wobei nur bei 70 % im EEG ein Nachweis unter Provokation gelingt und nur 10 % dieser Störungen nicht behandelbar sind) zu einer Einschränkung im Erwerbs-leben führen kann. Dies entspricht lediglich 0,35 % aller Epilepsiepatienten (Specht et al. 1998), wovon dann auch noch viele Kinder sind. Fazit: die Diskussion um das Risiko der Bildschirmarbeit entbehrt einer realen Gefahrengrundlage und ein pauschaler restriktiver Umgang oder gar ein Verbot von Bildschirmarbeit sind nicht gerechtfertigt.

Kaffee und andere Stimulanzien

In mehreren Arbeiten wird ein erhöhtes An-fallsrisiko bei exzessivem Konsum koffein- oder teeinhaltiger Getränke aber auch bei Soft-Drinks mit enthaltenen Stimulanzien beschrieben. Anzumerken ist, dass auch in diversen Mischanalgetika Koffein in hohen Dosen enthalten sein kann. Methylxanthin-derivate wie z. B. Theophylin, Pentoxyphylline und ephedrinhaltige Präparate (Spinella 2001) fallen ebenfalls in eine Gruppe von Medikamenten oder Stoffen, die mit einem erhöhten Anfallsrisiko assoziiert sein können. Es gibt anekdotische Hinweise und Einzelberichte, bei denen ein Zusammenhang mit dem Konsum von Ginko, Ginseng und Guarana und dem Auftreten von Anfällen vermutet wurde.

Neben dem direkten pharmakologischen Einfluss, beispielsweise infolge einer Interaktion mit Antikonvulsiva (Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Valproat, Topiramat) scheint aber auch ein direkter prokonvulsiver Effekt bei Koffeinmengen über 400 mg/kg zu bestehen, wie Chrociska-Krawczyk et al. (2011) in tierexperimentellen Untersuchungen feststellten. Pathophysiolo-gisch scheint dabei die Blockade von Adeno-sin-A1- und -A2a-Rezeptoren ausschlag-gebend zu sein, was zu einer erhöhten Erregbarkeit der Neurone führt.

Zusammenfassend sollte bei unerklärlicher Änderung der Anfallssituation bedacht werden, dass Medikamente – auch pflanz-liche – sowie Genuss- und Suchtmittel, die Stimulanzien enthalten, mit einer prokonvul-siven Eigenschaft assoziiert sein können. Besonders interessant erscheint den Autoren, wie sich der zunehmende Konsum der sog. Energy-Drinks auswirken wird. In diversen Kasuistiken wurde ein Zusammenhang mit dem hohen Konsum von Energy-Drinks, die meist eine Kombination von Taurin, Koffein, Guarano, Ginko u. a. Stimu-lanzien enthalten, und dem Auftreten von Anfällen vermutet (Iyadurai u. Chung 2007; Seifert et al. 2013). Auffällig dabei war, dass Anfälle besonders gerne dann auftraten, wenn die Energy-Drinks auf nüchternen Magen oder als Alkoholmischgetränk konsumiert wurden.

Alkohol

Alkoholkonsum beziehungsweise der Entzug bei chronischem Konsum stellt neben den bereits besprochenen Provokationsfaktoren einen typischen Auslöser dar und rangiert in der Untersuchung von Nakken et al. (2005) an vierter Stelle mit 5,7 % bei 1677 der befragten Patienten. Grundsätzlich zu unterscheiden ist allerdings, ob ein Anfall durch exzessiven Konsum i. S. einer Intoxikation ausgelöst wird oder durch einen Entzug bei chronischem Konsum. Häufiger sind die Anfälle, die durch einen Alkoholentzug bedingt sind. Diese zählen jedoch zu den bereits im ersten Teil dieser Serie genannten provozierten bzw. akut symptomatischen Anfälle und treten auch unabhängig von einer zugrunde liegenden Epilepsie auf.

Abzugrenzen sind Anfälle durch Alkohol bei Menschen ohne Epilepsie von Ereignissen durch Konsum von Alkohol bei bestehender Epilepsie und im Zusammenhang mit bestimmten Epilepsiesyndromen, wie beispielsweise der juvenilen Myoklonus-Epilepsie (JME), bei der das höchste Risiko für Anfälle im Zusammenhang mit Alkoholkonsum beschrieben ist.

Ferner ist bei Epilepsieerkrankten zu beachten, dass es durch chronischen oder episodischen Konsum großer Alkoholmengen zu zahlreichen Begleiterkrankungen und metabolischen Störungen kommen kann, die im Falle einer antikonvulsiven Therapie zu einem gestörten Metabolismus der Antikonvulsiva führen können. Gordon u. Devinsky (2001) untersuchten die Auswirkungen des Alkohol- und Marihuanakonsums auf Anfallshäufigkeit bei Epilepsiepatienten. Alkoholkonsum in kleinen Mengen (ein bis zwei Drinks pro Tag) stellt offensichtlich keinen Risikofaktor für das Auftreten eines Anfalls dar. Das Anfallsrisiko steigt in Abhängigkeit von der Dosis und ist bei entsprechender Konsummenge bzw. entsprechen-dem Promillegrad für das Auftreten eines Anfalls bei einer zugrunde liegenden Epilepsie relevant. Ein prinzipielles Alkoholkonsumverbot ist daher medizinisch nicht gerechtfertigt, sondern eine individuelle Beratung angezeigt. Es kann in der Beratungssituation hier auf das Prinzip „Qualität statt Quantität“ hingewiesen werden.

Drogen

Für einen Zusammenhang des Konsums von Marihuana hinsichtlich der Auswirkungen auf Epilepsie und Anfallsprovokation gibt es nach Gordon et al. (2001) nur eine geringe und sehr inhomogene wissenschaftliche Datenlage. Es werden sowohl anti- als auch prokonvulsive Eigenschaften beschrieben. Dabei scheinen niedere Dosen eher prokonvulsiv, höhere Dosen eher antikonvulsiv zu wirken. Insgesamt scheint der Konsum von Marihuana – nach dem aktuellen Kenntnisstand – keinen relevanten Einfluss auf das Auftreten von Anfällen zu haben. Auch das Risiko des Auftretens von Entzugsanfällen wird kontrovers diskutiert und es findet sich keine richtungsweisende Datenlage.

Unbestritten ist das erhöhte Risiko für epileptische Anfälle bei Konsum anderer illegaler Drogen wie Amphetamine und de-ren Derivate, Kokain und Morphine bzw. Opiate. Dies gilt sowohl bei Intoxikation, chronischem Konsum als auch bei Entzug. Im Falle eines ersten Anfalls sollte neben einem kausal durch Drogen induzierten Anfall immer an eine andere Ursache im Rahmen möglicher Begleiterkrankungen wie beispielsweise eine Herdenzephalitis, bei i.v.-Konsum im Rahmen einer Endokarditis, einer intrazerebralen Blutungen/SAB oder schwerer metabolischer Entglei-sungen, gedacht werden und eine entsprechende Diagnostik erfolgen.

Nikotin

Die Daten zum Einfluss des Rauchens auf eine Epilepsie und die Anfallshäufigkeit sind sehr uneinheitlich (Lingling et al. 2014). Es muss allerdings zwischen Nikotinexposition (z. B. Pflaster und Kaugummi) und dem Rauchen selbst differenziert werden. Beim Rauchen scheinen, wenn überhaupt, die Zusatzstoffe einen Einfluss zu haben. Es kommen Zusatzstoffe zum Einsatz, die sowohl prokonvulsive wie auch antikonvulsive Eigenschaften haben. Es gibt tierexperimentelle Untersuchungen, in denen Nikotinexposition antikonvulsiv wirkte. Einige Hinweise gibt es, die für eine erhöhte Inzidenz für Entwicklung einer Epilepsie bei langjährigem Konsum sprechen. Die Ursache ist allerdings nicht geklärt, beispielsweise, ob es sich um Folgen anderer, durch das Rauchen bedingter Erkrankungen handelt.

Sport

Neuere epidemiologische Studien aus den USA und Kanada zeigen, dass offensichtlich ein positiver Paradigmenwechsel bezüglich regelmäßiger sportlicher Betätigungen bei Menschen mit Epilepsie, im Vergleich zu früher, eingesetzt hat. Bisher zeigten die meisten Studien, dass Menschen mit Epilepsie überproportional weniger Sport treiben und körperlich weniger leistungsfähig sind als die Normalbevölkerung. Es scheint so zu sein, dass Epilepsiepatienten zunehmend mehr sportlich und körperlich aktiv sind, weniger Angst vor Anfällen beim Sport haben und weniger Restriktionen und Verboten ausgesetzt sind. Sport ist auch für diese Populationsgruppe mit einer besse-ren Lebensqualität verbunden und es gibt Hinweise, dass Sport sogar ein protektiver Faktor bezüglich Anfallskontrolle sein kann. Insbesondere Ausdauersport scheint bevorzugt ausgeübt zu werden.

Unterschiedlich scheint die Ausübung regelmäßigen Sports vom Kulturkreis, Einkommen und Bildungsgrad der Epilepsie-patienten zu sein. Dabei üben Menschen mit Epilepsie mit geringerer sozialer Bildung und geringerem Einkommen weniger häufiger Sport aus, als die mit Hochschulabschluss und höherem Einkommen (Ablah et al. 2009). Allerdings zeigt sich in der Normal-bevölkerung diesbezüglich dasselbe Bild, so dass die Epilepsie nicht der einzige Grund dafür zu sein scheint, weniger Sport zu treiben. In einer großen bevölkerungsbasierten Studie in Kanada wurde gezeigt, dass Epilepsiepatienten nicht signifikant weniger Sport betreiben als die Normalbevölkerung (Kevin 2010). Allerdings stehen eher Ausdauersportarten wie Walking, Fahrradfah-ren, Jogging, Aerobic und Gymnastik im Vordergrund als Gewichtheben, Eishockey und andere Mannschaftssportarten.

Die Ausübung von Sport ist grundsätz-lich empfehlenswert. Beachtet werden sollte jedoch, dass Sportarten mit sehr hohem Gefährdungsrisiko nicht oder nur eingeschränkt möglich sind. Hierzu zählen alle Flugsportarten, Tauchsport, teilweise auch Schwimmsport (beispielsweise in offenen Gewässern ohne Aufsicht) oder Klettersport. Eine entsprechende individuelle Beratung und Gefährdungsbeurteilung sollte erfolgen. Hilfreich in der Beurteilung kann dabei eine Orientierung an der Fahreignung oder an der BGI 585 sein. Generelle Verbote sind nicht gerechtfertigt.

Medikamente

Antidepressiva

Viel diskutiert werden die negativen Einflüsse auf die Anfallsbereitschaft diverser Medikamente. Eine ausführliche Aufarbei-tung würde den Rahmen dieser Veröffentlichung bei weitem überschreiten. Eine grobe Übersicht über die wichtigen Indikationsgruppen erscheint sinnvoll. Sehr kontrovers diskutiert wird der prokonvulsive Einfluss von Antidepressiva, zumal in den Fachin-formationen aller Antidepressiva entsprechende Warnhinweise aufgeführt sind. Es gibt aber inzwischen sehr gute, belastbare Daten, dass durch eine moderne antidepres-sive Pharmakotherapie der Verlauf einer Epilepsie günstig zu beeinflussen ist. Insbesondere auch vor dem Hintergrund der Lebensqualität, die bei Epilepsiepatienten, die nicht anfallsfrei sind, weniger durch die Anfälle eingeschränkt ist, als vielmehr durch assoziierte psychiatrische Komorbidität wie Depression und Angststörung, die bei Epilepsiepatienten bis zu 40 % betragen.

Ungünstig sind unbestritten die tetra- und trizyklischen Antidepressiva (TCA). Die moderneren Antidepressiva wie Noradrena-lin-Serotonin-Reuptake Hemmer (NSSRI), beispielsweise Venlafaxin und Duloxetin, scheinen geringere prokonvulsive Eigen-schaften zu haben als die TCA. Die günstigste Datenlage liegt für Serotonin-Reup-take Hemmer (SSRI), beispielsweise Citalopram/Eszitalopram, vor. Aus epileptologischer Sicht ist bei Vorliegen einer Epilepsie und einer klinisch manifesten Depression eine Pharmakotherapie mit einem SSRI zu empfehlen. Lithium als Phasenprophylakti-kum hat ein hohes prokonvulsives Potenzial. Als besonders günstig wäre zur Phasenprophylaxe Carbamazepin oder Valproat zu empfehlen, weil mit diesen Medikamenten sowohl eine Phasenprophylaxe als auch eine antikonvulsive Therapie erreicht werden kann ( Tabelle 2).

Neuroleptika

Die prokonvulsiven Eigenschaften von Neu-roleptika sind allgemein bekannt, wobei es auch in dieser Gruppe Unterschiede in der Potenz der prokonvulsiven Störwirkun-gen gibt. Insbesondere Clozapin ist davon betroffen. Danach folgen mit Abstand Haloperidol und Fluphenazin. Günstigere Eigenschaften scheinen dabei die neueren „atypischen Neuroleptika“ wie Olanzapin, Risperidon und Aripipramol zu haben. Das günstigste Profil bezüglich prokonvulsiver Eigenschaften scheint für Quietiapin zu be-stehen. Falls die Notwendigkeit einer Neuro-leptikatherapie besteht, sollte die prokonvulsive Potenz – soweit vertretbar – berücksichtigt werden (s. Tabelle 2).

Antiinfektiosa

Nicht zu unterschätzen ist der mögliche ungünstige Einfluss auf eine Epilepsie durch diverse Antibiotika. Zumal bereits schon durch einen fieberhaften Infekt die Gefahr für ein Anfallsrezidiv steigt. Entsprechende Warnhinweise in den Fachinformationen bestehen für Chinolone (Gyrasehemmer), Cephalosporine der neueren Generation (Chow et al. 2003) und Carbapeneme. Auch Penicillin G/V scheint weniger günstig zu sein wie Amoxicillin oder Piperacillin (Ruegg 2008). Bevorzugt eingesetzt werden können daher bei Epilepsiepatienten, soweit es mit dem angestrebten Wirkspektrum vereinbar ist, teilweise Makrolide oder Tetrazykline. Für einige liegen keine Angaben vor. Ob der Einsatz von Reserveantibiotika wie Amino-glykoside oder Vancomycin bei banalen In-fektionen berechtigt ist, ist vom mikrobiologischen Standpunkt und unter Berücksichtigung der Resistenzproblematik sicher nicht gerechtfertigt. Es erscheint den Autoren sinnvoll, eine entsprechende Nutzen-Risiko-Beurteilung vorzunehmen und, falls die Gabe eines potenziell prokonvulsiven Antibiotikums bei einem Epilepsiepatienten erforderlich ist, kann auch für den relevanten Zeitraum die bestehende antikonvulsive Therapie eskaliert werden indem die Basistherapie aufdosiert oder vorübergehend Clobazam zusätzlich verordnet wird.

Weitere Substanzen, die mit einem un-günstigen Profil in Verbindung gebracht werden, sind: Metronidazol, Isoniazid, Linozo-lid, Foscanet und die Antimykotika Amphotericin B und Fluconazol, zudem Chloroquin und Mefloquin (Ruegg 2008). Davon unabhängig sollte bei einigen der genannten Substanzen das phamakokinetische Interaktionspotenzial über das CYP-450-System beachtet werden. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn Patienten mit „älteren“ Anti-konvulsiva wie Carbamazepin, Phenytoin, Phenoparbital, Primidon, Vigabatrin (Induk-toren) und Valproat, Stiripentol (Inhibitoren) komediziert werden ( Tabelle 3).

Immunsuppressiva / Zytostatika

Neben dem Einfluss auf das CYP-450-System ist unter anderem durch Cyclosporin, Mycophenolat, Tacrolismus und Ifosfamid mit einem Anstieg des Anfallsrisikos zu rechnen.

Antikonvulsiva

Bemerkenswert ist, dass alle Antikonvulsiva in toxischen Dosierungen selbst Anfälle aus-lösen können. Diese Erfahrung machten die Autoren beispielsweise bei zwei Patienten im Falle einer Intoxikation mit Pregabalin bei Suchtpatienten, die aufgrund der eupho-risierenden Wirkung 2400 mg bzw. 3700 mg Pregabalin in Einmaldosierung einnahmen und dadurch einen Grand-mal-Anfall erlitten.

Fazit

Der Verlauf einer Epilepsie hängt von vielen individuellen exogenen und endogenen Ein-flussfaktoren ab. Nicht alle dieser Faktoren sind beeinflussbar. Dennoch kann eine genaue Beobachtung und die Kenntnis über die häufigsten Provokationsfaktoren dazu beitragen, den Krankheitsverlauf günstig zu gestalten und das Risiko für Anfälle und die Anfallshäufigkeit zu reduzieren. Daraus resultiert für die betroffenen Patienten unter anderem eine bessere Möglichkeit zur Teilhabe am Erwerbsleben und damit eine höhere Lebensqualität. 

Literatur

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    Fallbeispiel

    In einem Industriebetrieb wurde in einem Ge-tränkeautomaten Bier vorgehalten. Der Patient trank mit seinen Kollegen täglich während einer Schicht drei bis fünf Biere und zudem am Abend noch drei weitere Biere. Nachdem die Geschäfts-leitung und der Betriebsrat beschlossen hatten, den Automaten künftig nicht mehr mit alkoholhaltigem Bier zu bestücken, erlitt der Patient fünf Tage später während der Arbeit einen erstmaligen großen epileptischen Anfall. Die weitere diagnostische Abklärung ergab, dass keine Disposition für eine Epilepsie vorlag und es sich bei dem Ereignis um ein einmaliges, akut sym-ptomatisches Anfallsereignis im Rahmen eines Alkoholentzugs handelte. Der Patient sah bis zu diesem Zeitpunkt seinen Alkoholkonsum als nicht kritisch. Nach Rückgang eines mäßigen vegetativen Entzugssyndroms beabsichtigte er, eine Entwöhnungstherapie aufzunehmen.

    Für die Autoren

    Dr. med. Tobias Knieß

    Neurologische Klinik GmbH Bad Neustadt/Saale

    Von-Guttenberg-Straße 10

    97616 Bad Neustadt

    t.kniess.akut@neurologie-bad-neustadt.de

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