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Arbeiten mit Multipler Sklerose

Das PDF dient ausschließlich dem persönlichen Gebrauch! - Weitergehende Rechte bitte anfragen unter: nutzungsrechte@asu-arbeitsmedizin.com.

Friederike Kafsack

doi:10.17147/asu-1-426476

Working with Multiple Sclerosis – a practical example of company integration management

In today’s working world, it is essential to take the needs of employees with health restrictions seriously. Especially, chronic diseases such as multiple sclerosis pose particular challenges for companies. However, effective company integration management (BEM) can make a decisive contribution to maintaining the ability of these employees to work and at the same time promoting their integration into the team. The following article describes the practical example of a rail vehicle mechanic who had been living with restrictions due to multiple sclerosis since 2014 and highlights the measures taken to maintain his professional performance.

Kernaussagen

  • Das vorliegende Beispiel zeigt nicht nur die Notwendigkeit eines bewussten Umgangs mit gesundheitlichen Einschränkungen im Betrieb, unter anderem, um die Sicherheit der Mitarbeitenden und die Sicherheit Dritter zu gewährleisten, sondern auch die positive Wirkung eines gut strukturierten betrieblichen Eingliederungsmanagements, das von Menschen begleitet wird, die – wie in diesem Fall – teilweise einen „langen Atem“ haben müssen.
  • Der individuelle Ansatz ist hier der Schlüssel zum Erfolg und essenziell für das Wohl der Mitarbeitenden und des Unternehmens.
  • Arbeiten mit Multipler Sklerose – ein Praxisbeispiel zum betrieblichen Eingliederungsmanagement

    In der heutigen Arbeitswelt ist es unerlässlich, die Bedürfnisse von Beschäftigten mit gesundheitlichen Einschränkungen ernst zu nehmen. Vor allem chronische Erkrankungen wie Multiple Sklerose stellen Unternehmen vor besondere Herausforderungen. Ein effektives betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) kann jedoch entscheidend dazu beitragen, die Arbeitsfähigkeit dieser Beschäftigten zu bewahren und gleichzeitig ihre Integration ins Team zu fördern. Der folgende Artikel beschreibt das Praxisbeispiel eines Schienenfahrzeugmechanikers, der seit 2014 mit Einschränkungen aufgrund von Multipler Sklerose lebte, und beleuchtet die Maßnahmen, die zur Aufrechterhaltung seiner beruflichen Leistungsfähigkeit getroffen wurden.

    Herausforderungen durch Multiple Sklerose

    Der Mitarbeiter war als Schienenfahrzeugmechaniker in der Komponentenwerkstatt eines Verkehrsunternehmens tätig. Generatoren, Magnetschienenbremsen etc. müssen hier bewegt und aufgearbeitet werden.

    Im Jahr 2014 wurde bei ihm erstmals eine primär chronisch progrediente Multiple Sklerose diagnostiziert. Seit 2017 verschlechterte sich sein Zustand merklich, was zu erheblichen Einschränkungen in seinem beruflichen Alltag führte.

    Der Mitarbeiter litt unter verschiedenen Symptomen, darunter einer Fußheberschwäche rechts, die mit einer speziellen Orthese versorgt wurde, einer deutlich beinbetonten Tetraparese sowie einer leichten Dysarthrie. Diese Symptome führten zu einer merklichen Beeinträchtigung seiner Mobilität und damit auch zu Herausforderungen bei der Ausübung seiner beruflichen Aufgaben.

    Initiierung des betrieblichen Eingliederungsmanagements

    Unter anderem angesichts der zunehmenden Gangstörung wurden im Jahr 2019 erste BEM-Gespräche mit Beteiligung von Führungskraft, Schwerbehindertenvertretung, Personalabteilung, Betriebsrat, Betriebsarzt und Gesundheitsmanagerin geführt. Ziel dieser Gespräche war es, gemeinsam geeignete Maßnahmen zu finden, um den Mitarbeiter in seiner beruflichen Tätigkeit zu unterstützen.

    Anpassungen und Unterstützungsmaßnahmen

    Zu den ersten Maßnahmen gehörten eine verstärkte Kontrolle der Stolperfallen am Arbeitsplatz sowie die Bereitstellung von mehr Zeit für die Begrenzung seiner Aufgaben. Zudem wurde die Einengung der Tätigkeiten auf einen bestimmten Teilbereich beschlossen, um die Wege während der Arbeit kurz zu halten und körperlich schwere Arbeiten ausnehmen zu können. Der Mitarbeiter wurde in dieser Zeit mehrfach betriebsärztlich gesehen, um – auch unter Hinzuziehung von fachärztlichen Befunden –
    das Leistungsvermögen einschätzen zu können.

    Beteiligung des Integrationsamtes

    Im Jahr 2020 wurde das Integrationsamt in die Gespräche einbezogen, da der Mitarbeiter einen Grad der Behinderung von 50 erlangte. Dies brachte mehrere wesentliche Unterstützungsmaßnahmen mit sich: So wurde beispielsweise ein E-Scooter mit Transportmöglichkeit für den Rollator finanziert, um dem Mitarbeiter ein sicheres Bewegen auf dem weitläufigen Werksgelände zu ermöglichen (➥ Abb. 1). Darüber hinaus wurde ein Türöffner an den Toiletten installiert und eine Rampe zur Kantine errichtet. Zudem konnte ein eigener Pausenraum in der Nähe des Arbeitsplatzes eingerichtet werden, um dem Mitarbeiter eine angenehme Rückzugsmöglichkeit während seiner Pausen zu bieten; somit entfiel für ihn der weite und nicht ebenerdige Weg in den weiter entfernten allgemeinen Pausenraum. Die Antragstellung, Kostenübernahmeerklärung und weitere notwendige bauliche Maßnahmen (unter anderem wurde noch eine Überdachung mit Ladestation für den E-Scooter in der Nähe des Behindertenparkplatzes gebaut) zogen sich über einen Zeitraum von über einem Jahr und waren nur unter der engagierten Mitarbeit von mehreren Personen möglich.

    Individuelle Gefährdungsbeurteilung

    Um die Sicherheit des Mitarbeiters weiter zu gewährleisten, wurde durch die Betriebsärztin, gemeinsam mit dem Beschäftigten und der Führungskraft eine individuelle Gefährdungsbeurteilung erstellt. Bestimmte Tätigkeiten wie das Bedienen der Dreh- und Fräsmaschinen, die Bedienung des Ultraschallbades und des Induktionswärmegerätes wurden wegen der Verletzungsgefahr von seinem bisherigen Einsatzbereich ausgenommen.

    Ein automatischer Drehmomentschlüssel konnte die mangelnde Kraft in den oberen Extremitäten ausgleichen. Ein höhenverstellbarer Werktisch (steht allen Beschäftigten zur Verfügung) ermöglichte in Kombination mit einem speziellen Arbeitsstuhl mit Rollen ein weitestgehendes Arbeiten im Sitzen.

    Für das Staplerfahren und Deckenkranbedienen ist im Instandhaltungswerk eine Eignungsuntersuchung vorgesehen. Hier wurde von der Betriebsärztin eine Nichteignung bescheinigt, um auch Dritte nicht zu gefährden.

    Trotz dieser recht weitgehenden Einschnitte in seine Tätigkeit konnte der Mitarbeiter für den Betrieb wertvolle Arbeit leisten und weiter in den Betrieb integriert werden.

    Interessenkonflikt: Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

    Chronische Erkrankungen wie Multiple Sklerose stellen Unternehmen vor besondere Herausforderungen

    Foto: Gerhard Seybert - stock.adobe.com

    Chronische Erkrankungen wie Multiple Sklerose stellen Unternehmen vor besondere Herausforderungen

    Kontakt

    Dr. Friederike Kafsack
    Fachärztin für Arbeitsmedizin; ias Aktiengesellschaft; Wendenstraße 8–12; 20097 Hamburg

    Foto: privat

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