Begriffsbestimmung und Merkmale von E-Learning
Bevor empirische Befunde sowie Erfahrungen berichtet und Handlungsempfehlungen bezüglich des Einsatzes von E-Learning in der ärztlichen Aus -, Fort- und Weiterbildung gegeben werden, lohnt sich die Frage zu klären: „Was meint der Begriff E-Learning?“. Hierzu bieten Clark u. Meyer (2011) die nachfolgende Definition an: E-Learning (Electronic Learning) meint Unterricht vermittelt über ein digitales Gerät, wie einen Computer, Smartphone oder Tablet, welches das Lernen unterstützen soll.
Ausgehend von dieser ersten Definition lohnt es sich, weitere charakteristische Merkmale von E-Learning zu nennen, um den
Begriff inhaltlich weiter zu untermauern.
E-Learning enthält für das Lernziel relevante Inhalte. Dabei werden vielfältige Medienelemente eingesetzt, zum Beispiel Texte, Bilder, interaktive Aufgaben oder Videos, um Lerninhalte zu vermitteln. Es kommen unterschiedliche Lehrmethoden zum Einsatz, wie Übungen, Feedback oder Beispiele, um das Lernen zu fördern. E-Learning kann von einem Ausbildenden geleitet werden (synchrones E-Learning) oder für das Selbststudium im eigenen Tempo ausgelegt sein (asynchrones E-Learning). Übergeordnet hilft E-Learning den Lernenden beim Aufbau und der Vertiefung von Kenntnissen und Fähigkeiten.
Kurz zusammengefasst beinhaltet E-Learning Lerninhalte sowie Lehrmethoden, die, vermittelt über digitale Geräte, beim Lernen helfen.
E-Learning im aktuellen Bildungsgeschehen
Bezogen auf die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit E-Learning waren insbesondere die letzten beiden Jahrzehnte grundlegend. Die SARS-CoV-2-Pandemie wirkte ab dem Jahr 2020 wie ein Katalysator auf diese Entwicklung (➥ Abb. 1).
Das heutige Umfeld der medizinischen Aus-, Fort- und Weiterbildung unterscheidet sich wesentlich von dem vor rund 20 Jahren und davor. Damals spielte das Internet noch eine weit weniger dominante Rolle. Online-Lernmanagementsysteme, auf denen E-Learning angeboten werden kann, sind mittlerweile ein fester Bestandteil des Bildungsgeschehens (Huynh 2017). Auf diese bereits seit Anfang der 2000er Jahre aufkeimende Entwicklung traf die SARS-CoV-2-Pandemie, die weltweit in kürzester Zeit zu weitreichenden Veränderungen des sozialen und beruflichen Lebens führte. Eine dieser Veränderungen betraf medizinische Fakultäten sowie ärztliche Fort- und Weiterbildungsinstitutionen, die abrupt gezwungen waren, ihre Lehrpläne umzustrukturieren und auf digitale Unterrichtsformate wie E-Learning umzustellen; die Formulierung „emergency remote teaching“ (Notfall-Fernunterricht) beschreibt diesen Umstand treffend (Stoehr et al. 2021).
Medizinstudierende von heute sind sehr an innovativen Lehrmethoden wie Online-Lernen, vernetztem Lernen oder simulationsbasiertem Lernen interessiert und besitzen zu einem hohen Anteil (97 %) bereits die technischen Geräte, die hierfür notwendig sind (Stoehr et al. 2021).
Erfahrungen mit E-Learning, gesammelt in der Lehre an der Universitätsmedizin Mainz sowie an zwei Ärzteakademien, zeigen, dass diese sowohl aus der Perspektive von Lehrenden als auch von Lernenden positiv wahrgenommen werden und als effizientes Werkzeug zur Förderung selbstgesteuerten Lernens in der medizinischen Aus-, Fort- und Weiterbildung eingesetzt werden kann. Einfache Aktualisierung, Überarbeitung und Standardisierung von Lerninhalten, die automatische Nachverfolgung und Dokumentation von Lernaktivitäten sowie die Integration von Lernerfolgskontrollen sind Beispiele für positive Aspekte auf Seite der Lehrenden. Gute Zugänglichkeit der bereitgestellten Informationen, Kontrolle über Lernpfade, -zeitpunkte und -geschwindigkeit sowie die Integration von personalisiertem Feedback während der Bearbeitung von Lerneinheiten stellen Vorteile auf der Seite der Lernenden dar (Huynh 2017).
Zu beachten ist, dass nicht alle Lerninhalte gleichermaßen geeignet sind, in Form von E-Learning abgebildet zu werden. Eine Untersuchung von Stoehr et al. (2021), bei der Medizinstudierende aus zwölf verschiedenen Ländern befragt wurden, zeigte, dass aus Studierendenperspektive bestimmte Unterrichtsformate wie Vorlesungen (91 %) oder Seminare (57 %) besser geeignet erschienen. Als nicht geeignet bewertet wurden der Unterricht am Krankenbett (12 %) sowie praktische Übungen (9 %). E-Learning sollte dementsprechend aus Lernendenperspektive hier nicht anstelle bisheriger Formate eingesetzt werden.
Für die medizinische Aus-, Fort- und Weiterbildung bedeutet dies, dass anzustreben ist, Curricula in Form von Blended Learning zu konzipieren, also einer an Lerninhalten und Lernendenpräferenzen orientierten Kombination aus E-Learning und Präsenzveranstaltungen.
Technische Aspekte sowie erfahrungsbasierte Empfehlungen bei der Umsetzung von E-Learning
Wie viele Bildungsinstitutionen verfügte zu Beginn der Pandemie auch das Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Mainz bereits über eigene Angebote auf Online-Lernmanagementsystemen. Technischer Ausgangspunkt im Jahr 2020 war, dass (asynchrones) E-Learning vor allem im HTML-Format umgesetzt und gestaltet wurde. Durch den sprunghaften Anstieg der Nachfrage wurde deutlich, dass es Sinn ergab, die bisherige Vorgehensweise zu optimieren und vor einer Ausweitung der E-Learning-Angebote alternative Möglichkeiten der Gestaltung abzuwägen. Unter Berücksichtigung von Best-Practice-Beispielen aus der Privatwirtschaft erfolgte ein Wechsel in der Gestaltung der E-Learning-Angebote durch die Nutzung eines professionellen Authoring-Tools (Software zur Erstellung von Online-Hilfen und anderen Informationsprodukten). Dadurch konnten deutliche Verbesserungen in Qualität, Quantität und Produktionsgeschwindigkeit erreicht werden. Auf technischer Ebene ging dieser Wechsel bei der Gestaltung von E-Learning mit einem Wechsel des Zielformats von HTML auf SCORM einher. SCORM steht für „Sharable Content Object Reference Model“ und beschreibt ein Standardformat für E-Learning, das heutzutage gängige Online-Lernmanagementsysteme (z. B. ILIAS, Moodle, Olat) verarbeiten können. Die beschriebene Vorgehensweise bei der technischen Umsetzung von E-Learning wird vor dem Hintergrund der gesammelten Erfahrungen als empfehlenswert eingestuft.
Exkurs zu E-Learning spezifischer Didaktik am Beispiel pädagogischer Agenten
Präsenzlehre und E-Learning unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich technischer Aspekte, auch die jeweils spezifischen Aspekte der Didaktik sind zu berücksichtigen. Da es den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde und auch nicht deren Ziel ist, erschöpfend auf didaktische Spezifika von E-Learning einzugehen, soll als Anstoß ein besonders relevanter Aspekt herausgegriffen und thematisiert werden: der Einsatz pädagogischer Agenten. In traditionellen Lehrveranstaltungen gibt es unterrichtende Personen, die auch durch ihre Präsenz lernförderlich wirksam werden. Diese lernstützende persönliche Ebene kann und sollte auch in E-Learning nutzbar gemacht werden, was eine Übersetzung in das digitale Format erforderlich macht. Mit pädagogischen Agenten sind Erzählfiguren gemeint (➥ Abb. 2), die Lernende über die verschiedenen Module eines E-Learnings hinweg begleiten (Clark u. Mayer 2011). Lernende werden von pädagogischen Agenten im Stil einer Konversation direkt angesprochen, vorzugsweise durch integrierte Voice-Over-Elemente oder alternativ in Form von Sprechblasen. Aus psychologischer Perspektive bieten pädagogische Agenten Identifikationsmöglichkeiten mit den Erzählfiguren, geben Lernenden das Gefühl einer sozialen Gesprächssituation und machen damit Lernerfahrung persönlicher, was den Lernerfolg unterstützt.
Der Einsatz pädagogischer Agenten im Stil einer Konversation mit den Lernenden verbessert nachweisbar Lernergebnisse und -erlebnisse von E-Learning (Clark u. Meyer 2011). Für weiterführende Informationen zum Einsatz pädagogischer Agenten in E-Learning stellt das Stichwort „Personalization Principle“ einen guten Ausgangspunkt für Recherchen dar.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
Literatur
Clark RC, Mayer RE: E-Learning and the science of instruction: Proven guidelines for consumers and designers of multimedia learning. San Fransisco, CA: Pfeiffer, 2011.
Huynh R: The role of E-Learning in medical education. Acad Med 2017; 92: 430).
Mynbayeva A, Sadvakassova Z, Bakhytkul Akshalova B: Pedagogy of the Twenty-First Century: Innovative Teaching Methods. In: Cavero OB, Llevot-Calvet N (eds.): New Pedagogical Challenges in the 21st Century – Contributions of Research in Education. IntechOpen, 2017.
Ruiz JG, Mintzer MJ, Leipzig RM: The impact of E-learning in medical education. Acad Med 2006; 81: 207–212.
Stoehr F, Müller L, Brady A et al.: How COVID-19 kick-started online learning in medical education –
The DigiMed study. In: Saqr M. (ed.): PLOS ONE 2021; 16: e0257394.
doi:10.17147/asu-1-233035
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