Unsere Augen müssen vor schädlichen Einwirkungen und Überbeanspruchung geschützt werden. Dazu zählen neben den Beleuchtungsfaktoren auch die mechanischen und chemischen Risiken sowie die UV-Strahlung. Vor dem Hintergrund der längeren Lebensarbeitszeiten spielen die alternsbedingten Veränderungen des Sehvermögens eine zunehmende Rolle.
Arbeitsumgebungsbedingungen
Bei den Arbeitsumgebungsbedingungen ist neben trockener Raumluft oder Zugluft die Arbeitsplatzbelichtung ein wesentlicher Aspekt für die Belastung des Sehorgans Auge und die Beschäftigten insgesamt. Die aktuelle Arbeitsstättenverordnung fordert (mit Ausnahmetatbeständen), dass der Arbeitgeber als Arbeitsräume nur solche Räume betreiben darf, die „möglichst ausreichend Tageslicht erhalten und die eine Sichtverbindung nach außen haben“.
Der Tageslichtanteil wird üblicherweise durch die Baurichtmaße der jeweiligen Landesbauordnungen bestimmt (Fensterfläche im Verhältnis zur Grundfläche des Raumes). Die alternative Berechnung eines Tageslichtquotienten ist sehr aufwändig und nur durch wenige Spezialisten möglich. Auch sind die Ergebnisse nur durch Fachleute interpretierbar. Das Verfahren wird daher sehr selten herangezogen. Der Tageslichteinfall muss reguliert werden können, um zu hohe Leuchtdichten, Blendung und Reflexion zu vermeiden.
Zu den wichtigsten Parametern der künstlichen Beleuchtung gehören neben der Beleuchtungsstärke, also dem in Lux (lx) zu messenden Anteil des am beleuchteten Objekts auftreffenden Lichtstroms, die Lichtfarbe und die Farbwiedergabe.
Für die konkrete Tätigkeit können außerdem eine geeignete Lichtverteilung im Blickfeld, d.h. insbesondere für Büroarbeitsplätze eine hohe Gleichmäßigkeit (mindestens 60% der mittleren Beleuchtungsstärke im Bereich des Arbeitsplatzes), und die Reflexionsfreiheit wichtig sein. Manchmal sind hier auch Gründe für Zwangshaltungen zu finden, die von Beschäftigten gar nicht mehr als solche wahrgenommen werden.
Für die Beleuchtungsstärke finden sich im Anhang der Arbeitsstättenregel (ASR) ASR A 3.4 „Beleuchtung“ Mindestwerte für verschiedene Arbeitsräume, Arbeitsplätze und Tätigkeiten sowie Tätigkeiten im Freien (s. „Weitere Infos“).
Ältere Menschen benötigen tendenziell höhere Beleuchtungsstärken für die gleiche Sehaufgabe. Diese können ohne individuelle Besonderheiten allein altersbedingt bis um den Faktor 2 höher sein als die angegebenen Mindestwerte. Die Folgen schlechten Sehens wie das Vermeiden bestimmter Tätigkeiten, Fehlerhäufung, langsameres Arbeiten, Ermüdung oder Verspannungen bei älteren Beschäftigten werden häufig nicht mit der Beleuchtung in Verbindung gebracht, die hier erhebliche Beiträge liefern kann.
Lichtqualität
Die Lichtqualität selbst wird selten thematisiert. Selbst das „Tageslicht“ im Raum wird durch das Fensterglas verändert, am deutlichsten erkennbar bei Scheiben, die auch wärmedämmende Eigenschaften haben. Hier können Lichtbanden fehlen, die für die zirkadiane Steuerung unseres Organismus von Bedeutung sein können. Noch deutlicher wird dies bei der Gestaltung der Beleuchtung mittels Leuchtdioden (LED), die sowohl aus designtechnischen als auch aus energetischen Gründen auf dem Vormarsch ist. Eine einzelne LED hat ein sehr enges Lichtspektrum, das stark vom dem einer klassischen Glühlampe, die dem Sonnenlicht am ähnlichsten ist, abweicht.
Nur durch eine gute Kombination unterschiedlicher LED in einem Leuchtmittel wird ein akzeptables Licht erzeugt, dass eine angemessene Farbtemperatur sowie einen geeigneten Farbwiedergabeindex besitzt Abb. 1.
Lichtfarbe
Die Farbtemperatur ist ein Maß, um einen jeweiligen Farbeindruck einer Lichtquelle quantitativ zu bestimmen und wird über den Vergleich mit der Temperatur eines so genannten Planck’schen Strahlers festgelegt. Daraus leitet sich die Bewertung in der Einheit Kelvin (K) ab. Die Farbtemperatur wird in drei Bereiche unterteilt:
- Warmweiß 2700–3300 K
- Neutralweiß 3300–5300 K
- Kaltweiß/Tageslichtweiß >5300 K
Warme Lichtfarben wirken beruhigend und eignen sich gut für gemütliche Wohnsituationen, kühle Lichtfarben mit höherem Blauanteil (über 3300 K) wirken aktivierend und empfehlen sich immer dort, wo Konzentration und Sachlichkeit gefragt sind. Die in letzter Zeit zunehmend eingesetzten Leuchtmittel mit tageslichtweißem Licht auch über 6000 K führen zu einer erhöhten „Wachheit“, wie sie das Sonnenlicht in den Morgenstunden auslöst.
Biologische Wirkungen
Neben der Sehwirkung hat Licht auch biologische Wirkungen auf unser Hormonsystem. Durch den erhöhten Blaulichtanteil im Tageslichtweiß wird der Melatoninspiegel gesenkt. Die Wirkung rein blauen Lichts auf die Ausschüttung von Melatonin wie auch auf den zirkadianen Rhythmus ist etwa 25-mal stärker als die von herkömmlicher künstlicher neutralweißer Beleuchtung. Welche Auswirkung die Melatoninsuppression über lange Zeiträume, unabhängig vom Tageslauf, auf das Hormonsystem und die Funktionen des menschlichen Körpers hat, wird derzeit erst untersucht. Auch der hohe Blaulichtanteil von vielfach genutzten Smartphones, Tablets und Fernsehern spielt hier eine Rolle.
Die am Markt angebotenen Leuchtmittel unterscheiden sich bei gleicher Lichtstärke auch innerhalb der Palette eines Herstellers nicht unerheblich in der Zusammensetzung des emittierten Lichtspektrums. Die Auswahl sollte daher auch unter arbeitsmedizinischen Aspekten getroffen werden.
Farbwiedergabe
Die Lichtfarbe sagt nichts über die Farbwiedergabe aus. Licht gleicher Temperatur (gleicher Kelvinzahl) kann eine verschiedene spektrale Zusammensetzung haben, also von Farben unterschiedlich reflektiert werden. Die Farbwiedergabe wird mit dem Index Ra bezeichnet und beschreibt die Erkennbarkeit von Farben. Um die Auswirkungen dieses Indexes zu verdeutlichen, sei auf den äußerst geringen Farbwiedergabeindex von orange leuchtenden Natriumdampfniederdrucklampen erinnert, die im öffentlichen Straßenraum aus energetischen Gründen eingesetzt werden, ein Erkennen von Warnzeichen aber sehr erschweren. In der ASR A 3.4 finden sich Angaben zu Mindestwerten der Farbwiedergabe Ra.
Die Diskussion der blendfreien Aufstellung von PC-Monitoren, der Anordnung von Bildschirmgeräten im Raum oder des beleuchtungsinduzierten Schattenwurfs auf Treppen würden den Rahmen dieses Artikels sprengen. Diese Aspekte sind jedoch eng mit dem Thema Sehen verknüpft.
Die Nutzung mobiler Endgeräte wie Smartphones oder Tablets mit meist hochspiegelnden Displays ist ein nicht zu bremsender Trend. Neben allgemeinen ergonomischen Problemen muss hier auf die Verwendung von entspiegelnden, kontrasterhaltenden Folien gedrängt werden, falls keine geeigneten Geräte mit entsprechenden Displays verfügbar sind.
Softwareergonomie
Gutes Sehen und gute Erkennbarkeit beschränken sich nicht nur auf die Hardware. Die Gestaltung von Bildschirminhalten durch Software beeinflusst die Belastung durch Sehanforderungen. Auch wenn die Aspekte der nunmehr in die Arbeitsstättenverordnung übernommenen Anforderungen nur für bürotypische Bildschirmarbeitsplätze verbindlich sind, so können auch Leitwarten oder Maschinendisplays dem Grunde nach mit den gleichen ergonomischen Grundregeln beurteilt werden.
Einerseits sind die z.T. an die Hardware gekoppelten Größen wie Spiegelungen, Auflösung, Farben oder Kontraste im Zusammenspiel mit den Bildschirminhalten für deren Erkennbarkeit und die Belastung der Mitarbeiter bei der Sehaufgabe von Bedeutung. Andererseits wird dem systematischen Aufbau, der Erkennbarkeit aktuell für den Benutzer bedeutsamer Hinweise und Eingabefeldern zwar zunehmend Rechnung getragen, doch werden die Aspekte der Softwareergonomie bei Investitionen selten durch Arbeitsschutzfachleute beleuchtet und diskutiert.
Eine ungünstige Gestaltung von Bildschirmmasken durch geringe Kontraste, z.B. aufgrund farblich oder mit Graustufen hinterlegten Feldern, fehlende Möglichkeiten, Schriftgrößen oder Farbeinstellungen anzupassen, für das Auge ungünstige Farbkombination wie Flächen mit intensivem Blau und Rot in der gleichen Maske oder auch zur Bildschirmauflösung nicht passende Zeichengrößen sind nur einige Aspekte der Softwareergonomie, die das Sehen, genauer die Erkennbarkeit der aufzunehmenden Information, stark beeinflussen. Schlechte Erkennbarkeit wiederum fördert Unsicherheit, ist fehlerträchtig ist und ein vermeidbarer Stressor. Somit ist die Software für die Sicherheit und den Schutz der Gesundheit an Bildschirmarbeitsplätzen und anderen Bildschirmgeräten im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung sinnvollerweise vor der Beschaffung zu beurteilen.
Hilfsmittel und Schutz
Ein Artikel zum Thema Sehen, ohne den Aspekt der Bildschirmbrille zu streifen, wäre unvollständig. In Heft 12/2016 wurde das Thema auch unter rechtlichen Aspekten beleuchtet. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass neben der klassischen Schutzbrille gegen mechanische, chemische oder biologische Gefährdungen oder der Bildschirmbrille auch für andere Anwendungen spezifische Brillen angeboten werden (s. Infokasten).
Da die Schutzwirkung von Brillen nur bei der Nutzung dieser persönlichen Schutzausrüstung (PSA) eintrifft, ist es sinnvoll, Modelle mit hoher Trageakzeptanz auszuwählen. Es ist dabei zu beachten, dass dies stark vom Nutzerkreis und dessen Modetrends abhängt.
Fazit
Gutes Sehen hat sowohl Auswirkungen auf die Arbeitsqualität als auch auf den gesamten Organismus der Beschäftigten. Darum beschränkt sich die Prävention unter dem Aspekt „Sehen“ nicht nur auf die (Schutz-)Brille und die Beleuchtung von Tischen und Treppen.
Info
Schutzbrillen für spezifische Anwendungen
- Die Musikerbrille, die den Hauptlesebereich auf das Notenpult konzentriert, aber auch das Erkennen des Dirigenten erlaubt,
- Die einfachen Schutzbrillen mit vorgeprägtem Leseteil, die es ermöglichen, Beschäftigten, die eine Lesebrille benötigen, kostengünstig mit einer angemessenen Sehhilfe zu versorgen, um einen Wechsel von der Schutzbrille auf die (meist private Lesebrille) bei Leseaufgaben in kritischen Bereichen zu vermeiden,
- Korrektionsschutzbrillen, die bei hohen Sehanforderungen statt der privaten Brille in Verbindung mit Überbrillen zum Einsatz kommen und aufgrund wegfallender Reflexionen zwischen den gleichzeitig getragenen Brillen eine erhebliche Entlastung darstellen,
- Schutzbrillen mit erhöhtem UV-Schutz für Mitarbeiter im Freien, insbesondere in Freibädern oder im Bereich reflektierender Flächen.
Weitere Infos
ASR A 3.4 „Beleuchtung“
BAuA Broschüre „Gutes Sehen im Büro“
www.baua.de/de/Publikationen/Broschueren/A93.html
DGUV Information 215-210 „Natürliche und künstliche Beleuchtung“
publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/215-210.pdf
DGUV-Information 215-410 „Bildschirmarbeitsplätze“
publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/215-410.pdf
DGUV-Information 211-040 „ Einsatz mobiler Informations- und Kommunikationstechnologie an Arbeitsplätzen“
publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/211-040.pdf
DGUV Information 215-450 „Softwareergonomie“
publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/215-450.pdf
DGUV-Broschüre „Tageslicht am Arbeitsplatz – leistungsfördernd und gesund“
Autor
Dipl.-Ing. Tilman Teuscher
Leitende Sicherheitsfachkraft Stuttgart
Mitglied im Ausschuss für Arbeitsstätten