Gesundheitsexperten dagegen bewerteten viele der geplanten Regelungen positiv: So betonte Anne Bunte, Gesundheitsamtsleiterin in Gütersloh und als Einzelsachverständige geladen, dass es mit dem Gesetz eine Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes gebe. Man bekomme weiterhin Befunde per Post, Arztpraxen sendeten Namen von Patienten per Fax.
„Es braucht nun klare Rahmenbedingungen der Bundesebene“, so Bunte. „Jeder Schritt der Digitalisierung ist ein wichtiger für uns.“ Sie forderte auch, dass es nicht zu kleinteilige Regelungen zur Bekämpfung des Virus seitens des Bunds geben dürfe. „Das ist der Bevölkerung nicht mehr zu vermitteln.“
Die Regelungen in dem Gesetzentwurf berücksichtigen neue Erkenntnisse über das Coronavirus und setzen einen Rahmen für künftige Impfprogramme. Hier sollen gesetzliche (GKV) wie – nun auch – die private Krankenversicherung (PKV) an den Kosten beteiligt werden. „Wir werden unseren Teil dazu beitragen“, erklärte Florian Reuther vom PKV-Verband.
Ein entsprechender Änderungsantrag zum Gesetz sieht dies auch vor. Laut Marktanteil bei den Krankenversicherungen würde sich die PKV mit zehn Prozent an den Impfkosten beteiligen müssen. Die Bundesärztekammer (BÄK) sprach von überwiegend angemessenen Maßnahmen vor dem Hintergrund der aktuell dynamischen pandemischen Lage.
Kritisch gesehen werde die geplante Erfassung von Daten im Rahmen der Coronaimpfungen. Die BÄK regte die Einrichtung eines nationalen Impfregisters an, um Impfdaten zeitnah und umfassend auszuwerten und zur Verfügung zu stellen. Positiv bewertete es die BÄK, zum Schutz von Risikogruppen in Heimen FFP-2-Masken auszugeben.
Epidemiologe Gérald Krause vom Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig warb als Einzelsachverständiger vehement dafür, die Indikations- und Grenzwerte für die Bewertung der Infektionslage in der Bevölkerung nicht zu starr festzuschreiben. „Kein Grenzwert ist der Richtige“, sagte er bei der Anhörung.
Im Gesetz solle man auf Schwellenwerte verzichten, denn für eine Bewertung müsse man immer mehrere Indikatoren zusammen betrachten. Er warb auch dafür, dass der Informationsaustausch zwischen dem Öffentlichen Gesundheitsdienst, dem Robert-Koch-Institut sowie den Landesbehörden deutlich beschleunigt werden müsse.
Dabei stehe der Paragraf 11 im Weg, durch den die wesentlichen Daten nicht übermittelt werden könnten. Hier müsse der Verzug von etwa zwei Tagen zwischen Infektionsfeststellung und Meldung verringert werden. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) erklärte, viele der jetzt geplanten Regelungen seien sinnvoll, gleichwohl gebe es erheblichen zusätzlichen Handlungsbedarf.
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So deute sich eine Überlastung der ambulanten Versorgungsstrukturen an. Auch seien Bedürfnisse von Patientengruppen, die nicht den großen Versorgungssektoren zuzuordnen seien, unter dem Druck der ersten Pandemiewelle weitgehend übersehen worden, etwa Menschen mit Bedarf an ambulanter Intensivversorgung oder Patienten, die ihre Pflege selbst organisieren.
Der Caritasverband mahnte, im bevorstehenden Winter müssten Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung ergriffen werden. Der Verband sprach sich für eine Modernisierung des IfSG aus mit dem Ziel, Risikogruppen besonders zu schützen. Die Juristin Andrea Kießling von der Ruhr Universität Bochum kritisierte die geplanten Änderungen im Infektionsschutzgesetz.
Der neue Paragraf 28a genüge den Vorgaben von Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz nicht. Die Vorschrift lasse keinerlei Abwägung der grundrechtlich betroffenen Interessen erkennen. Gerichte würden die Vorschrift höchstwahrscheinlich nicht als Rechtsgrundlage akzeptieren. Ähnliche Bedenken äußerten auch andere Rechtsexperten. © bee/aerzteblatt.de