The Medical Service Supports Return to Work
Institution Medizinischer Dienst, Wurzeln im MDK
Die Medizinischen Dienste sind eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts, deren Aufgabe im Wesentlichen darin besteht, gutachtliche Stellungnahmen und Beratungen im Auftrag der gesetzlichen Kranken- (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (SPV) abzugeben. Sie wurden in Folge des MDK-Reformgesetzes im Jahr 2021 i. d. R. jeweils für ein Bundesland errichtet und traten die Rechtsnachfolge der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) an. Letztere waren Arbeitsgemeinschaften der jeweils in einem Bundesland tätigen gesetzlichen Krankenkassen. Mit dem MDK-Reformgesetz wurden die Medizinischen Dienste aus der Trägerschaft durch die GKV herausgelöst.
Die Medizinischen Dienste werden – unabhängig von ihrer tatsächlichen Inanspruchnahme – hauptsächlich durch eine Pro-Kopf-Umlage für die in ihrem Gebiet wohnenden Mitglieder der GKV finanziert. Diese Umlage muss jeweils hälftig von der GKV und der SPV getragen werden.
Die Medizinischen Dienste unterliegen der Aufsicht durch das Sozialministerium des jeweiligen Bundeslandes, durch die jeweiligen Landesdatenschutzbeauftragten und durch den Bundesrechnungshof.
Aufgaben nach § 275 SGB V, Begutachtung im Auftrag der Krankenkassen bei Arbeitsunfähigkeit (AU)
Während bei der Aufgabenerfüllung für die Pflegeversicherung die Feststellung der Pflegebedürftigkeit i. S. der Pflegegrade nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) XI im Vordergrund steht, geht es bei den Aufträgen der GKV meist um die Klärung, ob und inwieweit medizinische Voraussetzungen für Sach- oder Geldleistungen erfüllt sind oder um die Prüfung von Abrechnungen von Krankenhäusern.
Erheblichen Umfang im Rahmen der Beauftragung durch die GKV nimmt dabei die Begutachtung bei Arbeitsunfähigkeit ein. Letztere ist Voraussetzung für die Zahlung von Krankengeld. Die Begutachtungsaufgaben des Medizinischen Dienstes bei Arbeitsunfähigkeit werden in § 275 Absätze 1 Nr. 3 sowie 1a näher definiert:
„Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, …
(3) bei Arbeitsunfähigkeit
a) zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
b) zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.“
(1a) „Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen
a) Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt
oder
b) die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, dass die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von
einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.“
Aus § 275 Abs. 1 SGB V ergeben sich speziell bei Arbeitsunfähigkeit also zwei vom Gesetzgeber vorgegebene Ziele:
Im durch die Themenstellung dieses Artikels gegebenen Zusammenhang – also der Unterstützung des „Return to Work“ – spielt insbesondere die erstgenannte Alternative eine wesentliche Rolle.
Der Zweck dieser Regelung kann allerdings nur dadurch erreicht werden, dass die Beteiligten in ihren jeweiligen Aufgabenkreisen – entsprechend ihrer Rolle in der Gesundheitsversorgung – unter Beachtung ihrer spezifischen rechtlichen und personellen Möglichkeiten und Grenzen zusammenarbeiten. Der Medizinische Dienst ist bei Arbeitsunfähigkeit auf die Abgabe gutachtlicher Stellungnahmen gegenüber der GKV beschränkt. An Letztere darf und muss er das Ergebnis seiner Begutachtung und die wesentlichen Gründe für das Ergebnis übermitteln. Eine Beratung Versicherter durch den Medizinischen Dienst ist nur im Zusammenhang mit der Hilfsmittelversorgung gesetzlich vorgesehen. Im Übrigen fällt die Beratung der Betroffenen in das Aufgabenspektrum der Krankenkassen sowie vor allem der Behandelnden.
Der Medizinische Dienst darf ausdrücklich nicht in die vertragsärztliche Behandlung eingreifen. Dies gilt natürlich nicht für indirekte Eingriffe, die aus der Erledigung seiner gesetzlichen gutachtlichen Aufgaben folgen. Zulässig wäre zum Beispiel eine möglicherweise den Verlauf der Behandlung beeinflussende, von der Einschätzung der Behandelnden abweichende Beurteilung kurativer oder rehabilitativer Leistungen, um deren Einleitung es geht, oder auch eine abweichende Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit selbst.
Gegenüber Leistungserbringern ist der Medizinische Dienst befugt, ihnen das Ergebnis seiner gutachtlichen Stellungnahme mitzuteilen. Falls er zu einer anderen Einschätzung als ein Leistungserbringer kommt, ist er sogar zur Mitteilung des Ergebnisses seiner Stellungnahme an diesen Leistungserbringer verpflichtet. Schon die wesentlichen Gründe für seine Beurteilung darf er jedoch nur mit ausdrücklichem Einverständnis der Betroffenen an Leistungserbringer weitergeben.
Kommen Ärztinnen oder Ärzte beim Medizinischen Dienst im Rahmen ihrer gutachtlichen Beurteilung zu der Einschätzung, dass bestimmte Leistungen einer Sozialversicherung geeignet wären, die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen, so haben sie dies einschließlich der hierfür ausschlaggebenden Gründe der Krankenkasse mitzuteilen. Dabei kann es sich sowohl um Leistungen der Krankenkasse selbst handeln, wie beispielsweise vertragsärztliche oder vertragspsychotherapeutische Behandlung, Krankenhausbehandlung, Hilfsmittelversorgung etc., als auch um Leistungen anderer Träger wie zum Beispiel Teilhabeleistungen der Rentenversicherung.
Es ist dann Aufgabe der Krankenkasse zu entscheiden, ob und gegebenenfalls wie sie im Rahmen ihrer Beratungsverpflichtungen gegenüber Versicherten darauf hinwirken möchte, dass solche Leistungen tatsächlich angeboten und in Anspruch genommen werden.
Die trägerübergreifenden Bestimmungen des SGB I geben der GKV allerdings das Recht, von ihren Versicherten zu verlangen, sich Heilbehandlungen zu unterziehen. Voraussetzung hierfür ist, dass hierdurch eine Besserung des Gesundheitszustands erwartet oder eine Verschlechterung verhindert werden kann (§ 63 SGB I).
Kommen Versicherte einem solchen Verlangen nicht nach und wird deswegen nach Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert, so kann die GKV das Krankengeld bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen (§ 66 Abs. 2 SGB V). Solche Sanktionen setzen allerdings voraus, dass zuvor schriftlich auf diese Folge hingewiesen wurde, eine angemessene Frist für die Mitwirkung gesetzt wurde und dass die Mitwirkung zumutbar ist (§ 66 Abs. 3 SGB V).
Aufgaben nach § 74 SGB V
Auch in den Bestimmungen über die stufenweise Wiedereingliederung (§ 74 SGB V) spielt der Medizinische Dienst eine Rolle. Diese Vorschrift gibt zunächst den Vertragsärztinnen und Vertragsärzten auf, spätestens ab einer Dauer der Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen bei jeder weiteren Attestierung zu prüfen, ob Versicherte ihre Tätigkeit teilweise verrichten und hierdurch besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden können. Ist dies zu bejahen, sollen auf der AU-Bescheinigung Art und Umfang der möglichen Tätigkeiten angegeben werden. In geeigneten Fällen soll hierzu die betriebsärztliche Stellungnahme oder mit Zustimmung der Krankenkasse die Stellungnahme des Medizinischen Dienstes eingeholt werden.
Die Einbindung des Medizinischen Dienstes auf Initiative Behandelnder spielt allerdings in der Praxis keine Rolle. Ob dies daran liegt, dass Vertragsärztinnen und Vertragsärzte selbst kein Interesse an der Einholung einer MD-Stellungnahme haben oder ob es an der Zustimmung der Krankenkasse fehlt, entzieht sich der Kenntnis des Autors.
Häufig wird der Medizinische Dienst allerdings von Krankenkassen auf deren eigene Veranlassung hin nach § 275 Abs. 1 SGB V mit einer Einschätzung beauftragt, ob die Einleitung einer stufenweisen Wiedereingliederung zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit beitragen könnte und wie eine solche Wiedereingliederung zeitlich und inhaltlich zu gestalten wäre.
Aufgaben im Zusammenhang mit § 51 Abs. 1 SGB V
Erkrankten Beschäftigten wird durch die Zahlung von Krankengeld der Lebensunterhalt gesichert. Dem steht nach dem oben Gesagten die Pflicht der Versicherten gegenüber, an Leistungen mitzuwirken, die die Krankheitsfolgen für die Teilhabe am Erwerbsleben beseitigen oder abmildern können.
Das Krankengeld zielt jedoch in erster Linie auf die Sicherung des Lebensunterhalts bei vorübergehenden Gesundheitsproblemen ab. Für die Absicherung gegen dauerhafte Beeinträchtigungen sind Leistungen der Rentenversicherung vorrangig. Um diese Aufgabenteilung zwischen Kranken- und Rentenversicherung zu unterstützen, gibt § 51 Abs. 1 SGB V der Krankenversicherung ein Werkzeug an die Hand. Sie hat dadurch die Möglichkeit, auf eine Antragstellung Versicherter bei der Rentenversicherung hinzuwirken, wenn die Erwerbsfähigkeit nach ärztlichem Gutachten erheblich gefährdet oder bereits gemindert ist.
Vor Einführung des Sozialgesetzbuchs konnte die Krankenversicherung ihre Mitglieder nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) auch auffordern, einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu stellen. In Anwendung des Grundsatzes „Reha vor Rente“ kann eine Krankenkasse dies i. d. R. heute nicht mehr. Ihre Möglichkeiten sind darauf beschränkt, Versicherte aufzufordern, innerhalb einer Frist von zehn Wochen bei der Rentenversicherung einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder auf Leistungen zur Teilhabe am Erwerbsleben zu stellen. Allerdings gilt ein solcher Antrag auch als Antrag auf Rente, wenn eine Verminderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe nicht abzuwenden ist (§ 116
SGB VI).
Wegen der möglicherweise weitreichenden Folgen eines solchen Antrags muss die Krankenkasse vor einer fristbewehrten Aufforderung, einen Reha-Antrag zu stellen, eine Ermessensentscheidung unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls treffen. Als Grundlage hierfür benötigt sie ein ärztliches Gutachten, das – gestützt auf Befunde und unter Nennung von Diagnosen – eine eingehende Beurteilung des Leistungsvermögens und seiner Prognose enthält. Ein solches Gutachten könnte nach § 51 Abs. 1 SGB V zwar von jeder Ärztin oder jedem Arzt erstellt werden. In der Praxis wird mit derartigen Gutachten aber regelmäßig der Medizinische Dienst im Rahmen seiner Tätigkeit nach § 275 Abs. 1 SGB V
beauftragt.
Grenzen der Zusammenarbeit für den Medizinischen Dienst
Der Medizinische Dienst besitzt keine Befugnis, aus eigener Veranlassung auf die Rückkehr an einen Arbeitsplatz hinzuwirken. Ohne Auftrag einer Krankenkasse darf keine Befassung mit einer bestimmten Person erfolgen. So wäre es etwa unzulässig, allein aufgrund eines Hinweises Behandelnder, einer Betriebsärztin/eines Betriebsarztes oder eines Arbeitgebers an den Medizinischen Dienst gutachtlich tätig zu werden. Wenn eine gutachtliche Stellungnahme abgegeben wurde, ist der Adressat stets die Krankenkasse, die das Ergebnis und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis erhält.
Zu einer Übermittlung des Ergebnisses an beteiligte Behandelnde ist der Medizinische Dienst stets befugt, jedoch nur dann verpflichtet, wenn eine Meinungsverschiedenheit zwischen ihm und der/dem jeweiligen Behandelnden besteht. Die wesentlichen Gründe für das Begutachtungsergebnis dürfen allerdings nur dann an Behandelnde übermittelt werden, wenn Versicherte dem ausdrücklich zugestimmt haben (§ 277 Abs. 1
SGB V).
Einer Beteiligung des Medizinischen Dienstes an kollegialer Falldiskussion zur Ermittlung eines optimalen Wegs zurück in die Beschäftigung sind damit enge Grenzen gesetzt.
Dies gilt um so mehr für den Informationsaustausch mit Betriebsärztinnen und Betriebsärzten, sofern diese nicht als Leistungserbringer im Sinne des SGB V tätig sind. In diesem Fall gibt es keine gesetzliche Befugnis, in irgendeiner Richtung Informationen unmittelbar mit dem Medizinischen Dienst auszutauschen. Basis einer Informationsübermittlung könnte hier nur eine Einwilligung der Betroffenen sein.
Beispielfälle zur Unterstützung des „Return to Work“ bei Langzeit-Arbeitsunfähigkeit
Im Folgenden soll exemplarisch dargestellt werden, welche Rolle der Medizinische Dienst im Zusammenhang mit der Rückkehr ins Erwerbsleben spielen kann.
Fall 1: Stufenweise Wiedereingliederung
Frau M., 46 Jahre alt, erlitt beim Freizeitsport eine distale Radiusfraktur rechts. Diese wurde konservativ durch Ruhigstellung behandelt. Im Zuge der Behandlung bildete sich eine Muskelverschmächtigung des rechten Arms aus. Eine nach Ende der Ruhigstellungsphase vorhandene Bewegungseinschränkung des Handgelenks konnte mit Hilfe von Krankengymnastik wieder ausgeglichen werden. Drei Monate nach der Fraktur war die knöcherne Verletzung komplikationslos und in guter Stellung konsolidiert, jedoch bestand weiterhin eine Dekonditionierung mit einem verminderten Durchhaltevermögen bei Belastung des rechten Arms.
Frau M. steht in einem vollschichtigen Arbeitsverhältnis als Kassiererin in einem Lebensmittelgeschäft. Die Geschäftsinhaberin hatte ihr gesagt, sie solle sich gut auskurieren und erst wieder zur Arbeit kommen, wenn sie wieder ganz fit sei. So hat sie es auch ihrem Hausarzt berichtet, der nun – nach Abschluss der unfallchirurgischen Behandlung – weiter Arbeitsunfähigkeit bescheinigte.
Der Krankenkasse fiel auf, dass die AU-Dauer für die Diagnose ungewöhnlich lang war und beauftragte den Medizinischen Dienst mit einer gutachtlichen Stellungnahme dazu, ob hier Leistungen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einzuleiten seien.
Der Medizinische Dienst holte einen Bericht des Unfallchirurgen ein, dem er entnahm, dass die Frakturbehandlung zwei Wochen zuvor nach komplikationslosem Verlauf abgeschlossen worden war. Der Hausarzt berichtete jedoch, die Versicherte fühle sich nachvollziehbar noch nicht in der Lage, eine ganze achtstündige Arbeitsschicht an der Kasse durchzuhalten.
Der Medizinische Dienst hielt – gestützt auf diese Berichte – eine stufenweise Wiedereingliederung für angezeigt, um die Rückkehr an den Arbeitsplatz voranzubringen.
Aufgrund dieser Einschätzung holte die Krankenkasse bei Frau M. eine Einwilligung zur Durchführung des unterstützenden Fallmanagements nach § 44 Abs. 4 SGB V ein und nahm auf dieser Basis Kontakt mit dem Hausarzt und der Arbeitgeberin auf. So konnte sie die Beteiligten von der Notwendigkeit und Nützlichkeit der stufenweisen Wiedereingliederung überzeugen. Anhand eines vom Hausarzt aufgestellten Wiedereingliederungsplans erfolgte eine stufenweise Steigerung der täglichen Arbeitszeit als Kassiererin über einen Zeitraum von drei Wochen, ohne dass die Arbeitgeberin während dieser Zeit Arbeitsentgelt entrichten musste. Frau M. bezog während der stufenweisen Wiedereingliederung weiter Krankengeld. Im Anschluss an die Eingliederung nach § 74 SGB V nahm Frau M. ihre Tätigkeit in vollem Umfang wieder auf und die Arbeitsunfähigkeit war beendet.
Fall 2: Einleitung von Leistungen zur Teilhabe nach § 51 Abs. 1 SGB V
Herr S., 55 Jahre alt, ist vollschichtig als Personalsachbearbeiter einer Behörde tarifbeschäftigt. Schon seit drei Jahren klagt er über Kreuzschmerzepisoden von zunehmender Dauer. Seit vier Monaten wurde ihm Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Die hausärztliche und orthopädische Diagnostik ergab degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule – auch mit einer Bandscheibenprotrusion L5/S1 – jedoch ohne Lagebeziehung zu Nervenwurzeln und ohne klinische Warnzeichen für dringenden Behandlungsbedarf („red flags“).
Symptomatisch-analgetische sowie anschließend funktionell aktivierende Behandlung mittels Krankengymnastik führte zu subjektiver Linderung, jedoch setzen Schmerzen nach etwa einer Stunde Sitzen regelmäßig wieder ein.
Eine von der Krankenkasse veranlasste Begutachtung beim Medizinischen Dienst ergab im Einklang mit der Vordiagnostik eine verminderte Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule und Verhärtungen der paravertebralen Muskulatur bei pseudoradikulärer Symptomatik. Der Medizinische Dienst schätzte ein, dass bei Fortsetzung der bisherigen Entwicklung mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, dass die Ausübung der zuletzt ausgeübten überwiegend sitzenden Tätigkeit innerhalb eines Zeithorizonts von drei Jahren dauerhaft nicht mehr ohne wesentliche Einschränkungen möglich sei. Die Erwerbsfähigkeit sei daher erheblich gefährdet im rehabilitationsrechtlichen Sinn, also i. S. § 10 Abs. 1 SGB VI und § 51 Abs. 1 SGB V.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Schwerpunkt Orthopädie) und zur Teilhabe am Arbeitsleben (Bereitstellung eines höhenverstellbaren Schreibtisches) seien voraussichtlich geeignet, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit abzuwenden.
Auf Basis dieses Gutachtens forderte die Krankenkasse den Versicherten auf, innerhalb von zehn Wochen einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe bei der Rentenversicherung zu stellen. Sollte er dies nicht tun, könnte die Krankenkasse mit Ablauf der zehnwöchigen Frist die Zahlung von Krankengeld auch trotz fortbestehender Arbeitsunfähigkeit einstellen.
Herr S. beantragte vor diesem Hintergrund bei seiner gesetzlichen Rentenversicherung Leistungen zur Teilhabe. Bei der Antragstellung wurde er von seinem Hausarzt unterstützt. Er äußerte den Wunsch, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in einem ambulanten Rehazentrum in Wohnortnähe zu erhalten. Der Antrag wurde genehmigt. Herr S. konnte von den 15 Behandlungstagen der medizinischen Rehabilitation profitieren. Von der Reha-Einrichtung wurde sowohl die intensivierte Rehabilitationsnachsorge (IRENA) als auch die Ausstattung mit einem höhenverstellbaren Schreibtisch empfohlen und von der Rentenversicherung genehmigt. Auf diese Weise konnte Herr S. in Folge der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst und des nachfolgenden Zusammenspiels aller Beteiligten die Arbeit an seinem Arbeitsplatz wieder aufnehmen.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
Literatur
Gemeinsamer Bundesausschuss: Richtlinie über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung; Stand 15.12.2022 (BAnz AT 13.03.2023 B6).
Freudenstein R, Semioli F: Informationsflüsse bei der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst: Wer darf was erfahren? MedSach 2021; 117: 86–91.
doi:10.17147/asu-1-301887
Weitere Infos
Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) (Hrsg.): Begutachtungsanleitung Arbeitsunfähigkeit (AU) - Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes nach § 282 SGB V, Stand 20.12.2021
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