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Selbstbericht über einen Einsatz in Baku

Der Seniorenexpertendienst (SES)

Der SES hat seinen Sitz in Bonn; finanziert wird er vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Er wird weltweit durch Büros und durch rund 200 Repräsentanten in 93 Ländern vertreten.

2017 wurde die Möglichkeit für junge Experten (ab 30 Jahre) geschaffen. Die Konditionen sind vergleichbar mit denen der Experten im Rentenalter.

Übernommen wird die (ausgezeichnete) Organisation der Mission: Kosten der Reise, der Unterkunft und Verpflegung sowie eine kleine Aufwandentschädigung. Kostenträger ist der Auftraggeber. Die Missionen dauern in der Regel nicht länger als 4 Wochen. Es besteht die Möglichkeit, nach der Mission einen kurzen Urlaub (privat finanziert) anzuhängen.

Ich hatte mich 2013 beim SES mit meinen medizinischen Qualifikationen in die Datenbank aufnehmen lassen und jahrelang keine Missionen bekommen. 2016 erhielt ich den ersten Auftrag für eine Mission nach Kasachstan, dann eine Mission in Bolivien und nun eine Mission in Aserbeidschan (Baku), über die im Folgenden berichtet wird.

Auftraggeber

Der Auftraggeber war das Central Customs Hospital, ein mittelgroßes privates Krankenhaus in der Innenstadt von Bakumit ca. 250 Beschäftigten. Es handelt sich um ein vorwiegend chirurgisch orientiertes Krankenhaus. Innere Abteilungen bestehen nicht. Außer zwei großen chirurgischen Abteilungen, in denen auch Herz- und Lebertransplantationen durchgeführt werden, gibt es eine Neugeborenenabteilung, eine ästhetisch-chirurgische Abteilung und mehrere Ambulanzen. Infizierte Patienten werden in ein anderes Krankenhaus verlegt.

Das Krankenhaus war ursprünglich als Hotel konzipiert und gebaut worden, wurde aber kurze Zeit später zum Krankenhaus umgebaut. Aus dieser Nutzungsänderung resultierten die teilweise gravierenden strukturellen Defizite.

Die Einsatzanfrage

Gewünscht waren eine Unterstützung bei der Verbesserung der Krankenhaushygiene und die Einführung von Maßnahmen der Infektionsprävention.

Das Vorgehen

In einem Erstgespräch wurden vom Auftraggeber die bestehenden Probleme benannt, wobei es sich um organisatorische und ausstattungstechnische Defizite handelte. So waren schwer behandelbare Infektionen bei Patienten aufgetreten. Außerdem bestanden strukturelle Probleme, insbesondere bei der Reinigung, Desinfektion und Sterilisation der chirurgischen Materialien.

Ein organisiertes Meldesystem für Arbeitsunfälle gab es nicht und auch Statistiken über berufsbedingte Unfälle oder Auftreten von Berufskrankheiten waren nicht vorhanden.

Für die drei Wochen meines Aufenthalts wurde das folgende Vorgehen verabredet:

  • Erste Woche: Rundgang durch das Krankenhaus
  • Zweite Woche: spezielle Einsatzbereiche
  • Dritte Woche: Schulungen des Personals
  • Erfahrungen mit dem Auftraggeber

    Der Transport vom und zum Flughafen Baku war sehr gut organisiert und mir wurde eine Wohnung in Baku in der Nähe des Krankenhauses zugewiesen. Die Verpflegung wurde von der Kantine organisiert.

    Die Einsatzumstände waren optimal, da ein großes Interesse an einer Verbesserung sowohl der Krankenhaushygiene als auch der Infektionsprävention bestand.

    Es war jederzeit möglich, Probleme oder Lösungsansätze kurzfristig in der Chefarztkonferenz zu erläutern. Die anschließenden Diskussionen verliefen ausnahmslos konstruktiv.

    Das Krankenhaus verfügte über eine moderne Präsentationstechnik. Die Organisation der Vorträge war vorbildlich, die Zuhörer waren über die Inhalte informiert und bei allen Präsentationen war eine Übersetzerin vor Ort.

    Aktivitäten und Ergebnisse

    Zur Vorbereitung meines Aufenthalts in Baku hatte ich drei ins Russische übersetzte Präsentationen mitgenommen:

  • Verhütung blutübertragbarer Infektionen
  • Verhütung luftübertragbarer Infektionen
  • Verhütung von Kontaktinfektionen
  • Erste Woche

    In der ersten Woche erfolgte die systematische Vorstellung aller relevanten Personen inklusive dem geschäftsführenden Direktor, Mitarbeitern der Abteilung für Chirurgie und aller Funktionsbereiche. Eine gute Zusammenarbeit bestand auch mit dem Reinigungsdienst. Alle Funktionsbereiche, inklusive aller Räume und Nebenräume, wurden besichtigt.

    Es fiel sofort auf, dass praktisch keine Möglichkeiten zur Händedesinfektion bestanden! Desinfektionsmittelspender an den Wänden waren überhaupt nicht vorhanden.

    Sofort wurde die Chefarztkonferenz einberufen und das Problem dargestellt. In der Zeit meiner Tätigkeit wurde damit begonnen, überall Desinfektionsmittelspender anzubringen.

    Aufwändig war das Anziehen von blauen Überschuhen im Eingangsbereich. Beim Ausziehen der Überschuhe bestand die Möglichkeit der Rekontamination der Hände mit Bodenkeimen. Außerdem gab es große Probleme bei der Entsorgung der Überschuhe (➥ Abb. 1). Daher empfahl ich, die Überschuhe abzuschaffen, was zunächst eine heftige Diskussion auslöste, danach aber befolgt wurde.

    Schwierige Zustände herrschten im OP. Die Schleuse war vollkommen unzureichend, die bauliche Situation problematisch. Der Umgang mit chirurgischen Instrumenten war mangelhaft; nach der Reinigungsprozedur waren beispielsweise noch sichtbare Verschmutzungen an den Instrumenten erkennbar. Für den gesamten OP-Bereich stand nur eine Maschine zur Reinigung der Instrumente zur Verfügung (➥ Abb. 2).

    In einer zeitnah einberufenen Chefarztkonferenz wurde die Problematik dargestellt und verschiedene Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen: die Anschaffung neuer Spülmaschinen, ein veränderter Ablauf der Instru­mentenreinigung sowie eine Reorganisation des Operationsbetriebes.

    Es wurde an mich der Wunsch herangetragen, die Reorganisation mit zu übernehmen. Aufgrund des engen Zeitplans konnte diesem Anliegen nicht nachgekommen werden. Die Reorganisation sollte mit einem SES-Experten (zum Beispiel einem OP-Pfleger) erfolgen, der zwischenzeitlich bereits bei SES angefragt wurde.

    Zur Verbesserung der Reinigung der Instrumente wurde der Ablauf des Processings neu organisiert und eine zusätzliche OP-Schwester mit dieser Aufgabe betraut. Mehrere Schulungen erfolgten am Reinigungsplatz, leider unter sehr beengten Bedingungen. Außerdem wurde die Anschaffung zweier weiterer Spülmaschinen beschlossen.

    Zweite Woche

    In der zweiten Woche lag der Schwerpunkt auf der Handhabung von Chemikalien, dem Reinigungsdienst und der Wäscherei.

  • Da der Reinigungsdienst über keine ausreichenden Reinigungsmöglichkeiten für die Bodenwischer verfügte, wurde damit begonnen, neue Waschplätze dafür einzurichten.
  • Das Gefahrstoffmanagement war riskant: Chemikalien wurden in nicht gekennzeichneten Trinkflaschen aufbewahrt. Hygienische Probleme gab es bei deren Reinigung (die Reinigung wurde grundsätzlich mit einem starken Universalreiniger durchgeführt).
  • Die Chefarztkonferenz beschloss nach der Darstellung der Problematik die Änderung des Umgangs mit Chemikalien, eine neue Reinigungstechnik sowie die Einführung neuer Tenside zur Reinigung in der Wäscherei. Hygienisch problematisch und ergonomisch äußerst schwierig war hier die Sortierung der Schmutzwäsche. Der Chefarztkonferenz wurde die Möglichkeit eines berührungsfreien Einfüllvorgangs vorgestellt – sofort wurde die Beschaffung neuer Wäschesäcke und eine Änderung der Waschroutine beschlossen.
  • Dritte Woche

    In der dritten Woche erfolgte die Vorstellung und Schulung des Konzepts bei 150 Krankenschwestern und 30 Beschäftigten im Reinigungsdienst (Thema: „Infektionsprävention für Beschäftigte im Gesundheitsdienst).

    Die Schulungen von je 50 Krankenschwestern erfolgten an aufeinander folgenden Tagen mit sehr guter Resonanz, obwohl die Veranstaltungen im islamischen Fastenmonat Ramadan stattfanden (➥ Abb. 3).

    Nachhaltigkeit des Einsatzes

    Zur Verankerung der in den zahlreichen Veranstaltungen vorgeschlagenen Maßnahmen wurde von mir ein schriftliches Konzept erarbeitet und mit dem geschäftsführenden Direktor des Krankenhauses ausführlich diskutiert. Der Maßnahmenkatalog wurde anschließend vom geschäftsführenden Direktor und den Chefärzten erörtert und übernommen (Originalton: „Wenn er schon extra herkommt, sollten wir seine Vorschläge annehmen”).

    Die Umsetzung der Vorschläge wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Erste Impulse wurden von mir gesetzt, aber gerade im problematischen OP-Bereich wird die Reorganisation mindestens ein Dreivierteljahr benötigen. Mit Einverständnis der Klinik werde ich in einem Jahr die Umsetzung des Konzepts beurteilen.

    Möglichkeiten einer zukünftigen ­Zusammenarbeit

    Eine Verankerung der Infektionsprävention für Beschäftigte im Gesundheitsdienst ist dringend erforderlich, was in der Hand des Auftraggebers liegt.

    In Deutschland werden händeringend Fachkräfte (auch Ärzte und Fachärzte) gesucht, so dass ein Austausch mit dem Peoples Hospital Baku und medizinischen Institutionen in Deutschland meines Erachtens sehr hilfreich wäre.

    Zu bedenken sind dabei jedoch die Sprachschwierigkeiten zwischen Aserbeidschan und Deutschland. Während Englisch von den Beschäftigten teilweise gut gesprochen wird, gibt es nur wenige Personen, die über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen. Für diesen Personenkreis wäre aber ein Austausch mit Deutschland wünschenswert.

    Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

    Abb. 2:  Reinigungsplätze für OP-Instrumente – früher waren Gummistiefel erforderlich! Rechts der verbesserte Reinigungsplatz
    Foto: privat
    Abb. 2:  Reinigungsplätze für OP-Instrumente – früher waren Gummistiefel erforderlich! Rechts der verbesserte Reinigungsplatz
    Abb. 3:  Die Schulungen und Vorträge wurden vom Personal gut angenommen
    Foto: privat
    Abb. 3: Die Schulungen und Vorträge wurden vom Personal gut angenommen

    Autor

    Prof. Dr. med.Frank Haamann
    privat

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