Global findet durch die disruptive Technologie – die Digitalisierung – und damit auch hinsichtlich des Gesundheitswesens in Deutschland ein tiefgreifenden Wandel statt. Nur über 12 Jahre nach Einführung der Smartphones ist die Nutzung sozialer Medien für viele Millionen Menschen weltweit selbstverständlich geworden – so auch für Ärztinnen und Ärzte, Medizinstudierende sowie Patientinnen und Patienten. Die Digitalisierung nimmt zunehmend und sichtbar Einfluss auf die Gestaltung von Prozessen und Arbeitsabläufen sowie auf die Kommunikation sowohl zwischen den Ärzten selbst, aber auch vor allem auf die Beziehung zwischen Ärzten und Patienten. Diese Entwicklungen der letzten Jahre haben auch ärztliches Handeln verändert. Der Einsatz von Informationstechnologie im Gesundheitswesen hat hier nicht nur technischen Charakter, um diese Veränderungen handhabbar zu machen. Vielmehr verändert der zunehmende Einsatz telematischer Instrumente und Methoden wiederum auch die ärztliche Berufsausübung. Zielgenaue Bereitstellung von entscheidungsrelevanten Informationen haben auch Auswirkungen auf bzw. bilden die Grundlage für die Steuerungskompetenz im Gesundheitswesen.
Ziel der Bundesärztekammer ist es, Ärztinnen und Ärzte auf diese Veränderung vorzubereiten und diese Veränderungen möglichst im Sinne einer Verbesserung des Arzt-Patienten-Verhältnisses, der Verbesserung der Qualität der Behandlung und der Erhöhung der Berufszufriedenheit von Ärztinnen und Ärzten zu gestalten. Dazu ist die Stärkung des Einflusses der Ärztekammern und der Bundesärztekammer auf die Entwicklung der Telematik und Telemedizin im Gesundheitswesen notwendig. Eine Übersicht über die Aufgabenbereiche der Bundesärztekammer im Bereich Telemedizin und Telematik wird im Folgenden dargelegt.
Telemedizin ist ein Sammelbegriff für verschiedenartige ärztliche Versorgungskonzepte, die als Gemeinsamkeit den prinzipiellen Ansatz aufweisen, dass medizinische Leistungen der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in den Bereichen Diagnostik, Therapie, Prävention und Gesundheitsförderung sowie Rehabilitation und bei der ärztlichen Entscheidungsberatung über räumliche Entfernungen (oder zeitlichen Versatz) hinweg erbracht werden. Hierbei werden Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt. Die nähere Einordnung des Begriffs Telemedizin in das gesamte Spektrum so genannter eHealth-Methoden ist durch die AG Telemedizin der Bundesärztekammer erstellt worden (s. „Weitere Infos“).
Telemedizinische Patientenversorgung
Telemedizinische Methoden finden einen zunehmend breiteren Einsatz in der Patientenversorgung in Deutschland. Das Spektrum dieser modernen Versorgungsformen umfasst mittlerweile nahezu alle medizinischen Fachgebiete. So werden beispielsweise Schlaganfallpatienten in mehreren Bundesländern auf so genannten Tele-Stroke-Units behandelt, wenn keine reguläre Stroke Unit in erreichbarer Nähe ist. In vielen weiteren medizinischen Fachgebieten werden telemedizinische Verfahren wissenschaftlich untersucht oder pilothaft erprobt. Einen Überblick über die vielfältigen Projekte bietet das Deutsche Telemedizin-Portal, das im Rahmen der eHealth-Initiative des Bundesministeriums für Gesundheit unter enger Mitarbeit der Bundesärztekammer aufgebaut wurde (s. „Weitere Infos“). Interessierten Ärztinnen und Ärzten sowie Patientinnen und Patienten oder Initiatoren von Telemedizin-Projekten bietet das frei zugängliche Portal Informationen an.
Der 118. Deutsche Ärztetag 2015 in Frankfurt hat in der Entschließung „Ärztliche Positionen zu Einsatzgebieten telemedizinischer Patientenversorgung“ Versorgungsszenarien benannt, in denen telemedizinische Methoden aus der ärztlichen Perspektive heraus relevanten Nutzen in der Patientenversorgung stiften können (s. „Weitere Infos“).
Zuvor hatte sich bereits der 113. Deutsche Ärztetag 2010 in Dresden in einer grundsätzlichen Entschließung mit telemedizinischer Patientenversorgung auseinander gesetzt und einen 12-Punkte-Katalog („Voraussetzungen für gute Telemedizin “, s. „Weitere Infos“) definiert. In dieser Entschließung werden zunächst in Leitsätzen grundsätzliche Aussagen zur telemedizinischen Patientenversorgung festgehalten:
- Telemedizinische Anwendungen stellen in vielen Bereichen einen Mehrwert für Patienten dar .
- Telemedizinische Anwendungen sind unterstützender Anteil ärztlichen Handelns und sollen ärztliches Handeln nicht ersetzen .
- Die Telematikinfrastruktur wird dabei helfen, einen Teil der Umsetzungsbarrieren für telemedizinische Methoden abzubauen.
- Telemedizin ist eine wichtige Zukunftsaufgabe für die Ärzteschaft und muss aktiv gestaltet werden, da in diesem Bereich ureigene ärztliche Prinzipien berührt werden.
Des Weiteren ist ein Katalog aufgeführt, der die Voraussetzungen zusammenstellt, die telemedizinische Projekte einerseits selbst erfüllen müssen und die andererseits als Rahmenbedingungen notwendig sind, um medizinisch sinnvolle, innovative Strukturen dauerhaft in der Patientenversorgung verankern zu können.
Einsatz von Telematik und Telemedizin im Gesundheitswesen
Ergebnisse einer Repräsentativbefragung von niedergelassenen und Krankenhausärzten im April/Mai 2010 durch das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Bundesärztekammer (eHealth-Bericht) sowie Statements von Dr. Franz Bartmann, Vorsitzender des Ausschusses „Telematik“ der Bundesärztekammer, und BÄK-Vizepräsident Dr. Frank Ulrich Montgomery sind im Internet verfügbar (s. „Weitere Infos“).
Fernbehandlung
Diese Technologien bergen Chancen und Risiken in sich. Die Ärzteschaft konzentriert sich auf die Chancen unter Überwindung der Hemmnisse. Durch die Fernbehandlung kann der Aktionsradius von Ärzten deutlich erweitert werden. Wo die Probleme durch einen Ärztemangel drängend sind, wie in der Schweiz, ist beispielsweise die Fernbehandlung als Lösungsoption bereits etabliert. Auf diese Weise haben auch Menschen in abgelegenen Gebieten der Schweiz durch die Telemedizin Zugang zur Gesundheitsversorgung und zur Prävention. Seit 2018 ist die Fernbehandlung auch in Deutschland möglich.
Vor dem Hintergrund des zunehmenden Einsatzes telemedizinischer Methoden in der Patientenversorgung hat die Bundesärztekammer bereits im Jahr 2015 Hinweise und Erläuterungen zur Fernbehandlung (§ 7 Absatz 4 der Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte – MBO-Ä) veröffentlicht (s. „Weitere Infos“). In dem Papier wird der Passus zur Fernbehandlung detailliert erläutert und ausgelegt. Ärztinnen und Ärzte können sich hier informieren, welche telemedizinischen Versorgungsmodelle mit der aktuellen Berufsordnung für Ärzte vereinbar sind .
Der Druck, sich dieser neuen technologischen Errungenschaft fachgerecht zu bedienen, wird immer größer. Wenn nicht die Ärzteschaft diesen Prozess für Ärzte gestalten will, dann übernehmen es andere. Diese Warnung von Sascha Lobo (deutscher Blogger, Buchautor und Journalist, der sich mit digitalen Technologien auseinandersetzt) auf dem 120. Deutschen Ärztetag (DÄT) 2017 hat die Ärzteschaft verstanden. Mit überwältigender Mehrheit der Abgeordneten hat der 121. Deutsche Ärztetag 2018 in Erfurt eine Neufassung des § 7 Absatz 4 der (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte beschlossen und damit den berufsrechtlichen Weg für die ausschließliche Fernbehandlung von Patientinnen und Patienten geebnet.
Ärztinnen und Ärzte beraten und behandeln Patientinnen und Patienten im persönlichen Kontakt. Sie können dabei Kommunikationsmedien einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, „wenn dies ärztlich vertretbar ist und erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patienten auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird“, heißt es dort.
Damit setzt die Ärzteschaft ein deutliches politisches Zeichen und hat einen wichtigen Schritt unternommen, um den Patienten mit der Fort- und Weiterentwicklung telemedizinischer, digitaler, diagnostischer und anderer vergleichbarer Möglichkeiten eine dem anerkannten Stand medizinischer Erkenntnisse entsprechende Versorgung anbieten zu können. Mit der Neuregelung der MBA-Ä wird klargestellt, dass digitale Techniken die ärztliche Tätigkeit unterstützen sollen. Sie dürfen aber nicht die notwendige persönliche Zuwendung von Ärztinnen und Ärzten ersetzen. Der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt stellt weiterhin die wichtigste Arzt-Patienten-Beziehung dar.
Der Vorstand der Bundesärztekammer hat zudem eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit den Ergebnissen des Deutschen Ärztetages befasst. Derzeit erarbeitet die mit Juristen und Medizinern besetzte Arbeitsgruppe Hinweise und Erläuterungen zur neu gefassten Vorschrift. Ein ergänzender FAQ-Katalog für den Internetauftritt der BÄK ist ebenfalls in Arbeit. Es obliegt nun den (Landes-)Ärztekammern, diese Regelung in ihre jeweilige rechtsverbindliche Berufsordnung zu übernehmen. Der Umsetzungsprozess in den Ländern ist noch nicht abgeschlossen. Bislang haben 13 Kammern eine Regelung zur ausschließlichen Fernbehandlung über Kommunikationsmedien in ihrer Berufsordnung getroffen.
Notfalldatenmanagement auf der eGK
Als eine der ersten freiwilligen, medizinischen Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) soll zukünftig die Bereitstellung „medizinischer Daten des Patienten, soweit sie für die Notfallversorgung erforderlich sind“ (§ 291a SGB V), unterstützt werden. Die Bundesärztekammer wurde im Sommer 2010 von den Gesellschaftern der gematik (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH, s. auch „Weitere Infos“) mit der Projektleitung für ein sog. „Notfalldatenmanagement auf der elektronischen Gesundheitskarte“ beauftragt. Die Bundesärztekammer verantwortet damit die sachgerechte Konzeption und Umsetzung. Hierbei erhalten gesetzlich Versicherte die Möglichkeit, dass notfallrelevante Informationen von ihrem Arzt auf die elektronische Gesundheitskarte gespeichert werden. Im Projekt wurden die Anforderungen an ein bedarfsgerechtes Notfalldatenmanagement zunächst aufgenommen, dann analysiert und bewertet. Die Arbeitsergebnisse wurden vom Vorstand der Bundesärztekammer und dann auch im März 2011 von der Gesellschafterversammlung der gematik abgenommen.
Grundlagen für das Projekt „Notfalldatenmanagement“ waren bereits vorliegende Ergebnisse aus Feldtests im Jahr 2008 und eine Workshopreihe mit Ärzten aus dem stationären und ambulanten Sektor. Hinzu kamen intensive Diskussionen und Abstimmungen mit Gremien der Bundesärztekammer und weiteren Institutionen wie dem Bundesgesundheitsministerium, dem Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Verbraucherschutzverbänden und Patientenvertretern. Zudem wurde festgestellt, dass Ärzte in allen Versorgungssektoren, wie im ambulanten und stationären Sektor, im Öffentlichen Gesundheitsdienst, Arbeitsmedizin in der Arbeitswelt und in der Rehabilitation Zugriff auf den Notfalldatensatz der eGK haben müssen.
Das Konzept
Die fachliche Grundlage und die Basis für die Konzeption des Notfalldatenmanagement sind in einem Arbeitskonzept zum Notfalldatenmanagement zusammengefasst (s. „Weitere Infos“). Hier werden die relevanten Einsatzszenarien, die beteiligten Akteure und die Inhalte des Datensatzes beschrieben. Basierend auf dem Arbeitskonzept wurde ein so genanntes Lastenheft zum Notfalldatenmanagement entwickelt, das insbesondere für die technische Umsetzung der Anwendung relevant ist (s. „Weitere Infos“).
Vernetzung im Gesundheitswesen (Telematikinfrastruktur)
Im deutschen Gesundheitswesen gibt es seit vielen Jahren auf der Basis von gesetzlichen Vorgaben ausdifferenzierte technische Datenaustausch- und Kommunikationsverfahren z.B. zwischen Ärzten, Praxen, Krankenhäusern, Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen etc. Diese Verfahren dienen oftmals Zwecken der Abrechnung oder der Qualitätssicherung ärztlicher Leistungen.
Mit der Einführung der § 291 ff. des Sozialgesetzbuch V im Jahr 2003 wurden die Partner der Selbstverwaltung (Spitzenverband der Krankenkassen, Kassen(zahn)ärztliche Bundesvereinigung, Bundes(zahn)ärztekammer, Apothekerschaft) vom Gesetzgeber beauftragt, eine vernetzte Plattform für die sichere Kommunikation und den Austausch sensibler medizinischer Daten im Gesundheitswesen aufzubauen, die sog. Telematikinfrastruktur. Für den Aufbau und den Betrieb dieser technischen Plattform wurde in Form der oben bereits erwähnten „gematik“ eine GmbH der Selbstverwaltungspartner gegründet.
Die Telematikinfrastruktur soll primär Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Apotheker und Krankenhäuser miteinander verbinden, um ihnen die Möglichkeit zu geben, auf abgesichertem elektronischem Weg miteinander zu kommunizieren. Dabei ist die Zielsetzung der medizinischen Anwendungen der Telematikinfrastruktur, patientenbezogene medizinische Informationen zum Zwecke der Versorgung zu übermitteln.
Sicherheit von Gesundheitsdaten
Informationstechnologie ist in der Patientenversorgung nicht mehr wegzudenken. Der Schutz von Patientendaten ist dabei sehr wichtig, um ein intaktes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient sicherzustellen. Unter dem Begriff „Sicherheit von Patientendaten“ wird allgemein ihre Vertraulichkeit, also ihre Geheimhaltung verstanden. Genauso wichtig sind aber auch Aspekte, wie die Authentizität und die Integrität von Patientendaten. Um die Sicherheit von Patientendaten zu gewährleisten, müssen diese sowohl in der elektronischen Kommunikation als auch bei ihrer Speicherung und Verarbeitung in der Arztpraxis geschützt werden. Die Voraussetzung dafür ist eine vertrauenswürdige, geschützte IT-Infrastruktur in der Arztpraxis.
Ärztliche Schweigepflicht, Datenschutz und -verarbeitung in der Arztpraxis
In der Arztpraxis ist der Umgang mit Informationen von und über Patientinnen und Patienten immanenter Bestandteil ärztlicher Tätigkeit. Nicht nur im Zuge der fortschreitenden „Digitalisierung im Gesundheitswesen“ (vgl. Pressemitteilung des 120. Deutschen Ärztetages 2017 zur Digitalisierung, s. „Weitere Infos“) sind Ärztinnen und Ärzte daher gehalten, den Schutz von Patienteninformationen sicherzustellen. Neben der ärztlichen Schweigepflicht, die der Wahrung des Patientengeheimnisses dient, sind Bestimmungen des Datenschutzrechts zu beachten.
Datenschutzfragen zur Telemedizin
In der Fachtagung „Datenschutz in der Medizin“ im Jahr 2015 hat die Bundesärztekammer in einem Vortrag praktische Empfehlungen zur IT-Sicherheit und zum Technischen Datenschutz in telemedizinischen Szenarien vorgestellt (s. „Weitere Infos“).
Elektronischer Arztausweis
So wie sich der neue, elektronische Personalausweis in den letzten Jahren durchgesetzt hat, so wird im Gesundheitswesen der elektronische Arztausweis (eArztausweis) zunehmend Verbreitung finden. Denn er ist das Instrument, das seinem Inhaber die Zugehörigkeit zum Beruf „Arzt“ auch in der elektronischen Welt attestiert. Dies ist notwendig, da der Gesetzgeber vorgegeben hat, dass ein Zugriff auf die Daten der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) grundsätzlich nur durch Berechtigte erfolgen darf. Je nach Anwendung sind dies z.B. Ärzte oder Apotheker. Daher müssen diese Berechtigten mit einem entsprechenden elektronischen Ausweis ausgestattet sein. Im Vergleich zu allen anderen elektronischen Heilberufsausweisen (z.B. für Apotheker, Rettungsassistenten) verfügt der eArztausweis über die umfassendsten Zugriffsrechte und Möglichkeiten.
Die Übersicht der fünf Funktionen des eArztausweises (s. Infokasten nächste Seite) zeigt, dass der eArztausweis zukünftig integraler Bestandteil der ärztlichen Berufsausübung werden wird. Neben den bereits definierten Einsatzgebieten, werden weitere Anwendungen folgen, die den eArztausweis benötigen, beispielsweise die Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit oder die Abbildung der Organspendeerklärung auf der eGK. Auch jenseits des Gesundheitswesens bieten sich weitere Einsatzmöglichkeiten an. Es ist auch denkbar, dass der eArztausweis in der digitalen Welt zur Eröffnung eines Online-Bankkontos nutzbar ist.
Umfassender Einsatz von digitalen Medien
Interaktive, gemeinschaftliche Internet-Plattformen wie soziale Netzwerke, Wikis, Chaträume und Blogs machen passive Internetnutzer zu aktiven Teilnehmern. Sie bieten Möglichkeiten für Zusammenkünfte, zum Teilen und Verbreiten persönlicher Informationen unter Freunden, Verwandten, Kollegen usw. einschließlich gesundheitsbezogener Informationen. So verwenden beispielsweise Patienten diese neuen Möglichkeiten, um Erfahrungen miteinander zu teilen oder auch um medizinischen Rat einzuholen. Von ärztlicher Seite lassen sich soziale Medien auch für gesundheitliche Aufklärung oder für Informationen zur öffentlichen Gesundheit nutzen sowie für die ärztliche Ausbildung, Weiter- und Fortbildung und für die Forschung. Soziale Medien werden auch bei der direkten oder indirekten berufsbezogenen Werbung eingesetzt.
Bei der Nutzung sozialer Medien im gesundheitsbezogenen Kontext sind aufgrund des vertrauensvollen Arzt-Patient-Verhältnisses und der Anforderungen des Datenschutzes an die in höchstem Maße schützenswerten gesundheitsbezogenen Informationen bestimmten Aspekten besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Der Austausch über soziale Medien kann das Arzt-Patient-Verhältnis auch ungünstig beeinflussen und mit datenschutzrechtlichen Problemen und weiteren juristischen Fragestellungen einhergehen. Dieser Gefahren müssen sich Ärzte bei der Nutzung sozialer Medien bewusst sein. Ärzte müssen alle Maßnahmen ergreifen, um die Vertraulichkeit der individuellen Arzt-Patienten-Beziehung und den Datenschutz zu gewährleisten.
Hierzu hat sich die Ärzteschaft anlässlich des 115. Deutschen Ärztetags mittels Beschluss VI-07 für die Erarbeitung von Empfehlungen für Ärzte in sozialen Medien ausgesprochen. Basierend auf dieser Empfehlung und einer weiteren Empfehlung des Weltärztebundes zu diesem Thema wurde von der Bundesärztekammer eine Handreichung für Ärzte und Medizinstudierende zur Verfügung gestellt. Die Empfehlung der Bundesärztekammer für Ärzte und Medizinstudenten zur Nutzung sozialer Medien (s. „Weitere Infos“) soll für die Besonderheiten der Online-Kommunikation sensibilisieren und Konflikten mit beruflichen und ethischen Standards vorbeugen. In zehn Fallbeispielen wird geschildert, wo mögliche Probleme für Ärzte und Medizinstudierende liegen und wie man ihnen begegnen kann. Die Empfehlung richtet sich ebenso an Neulinge wie an erfahrene Nutzer sozialer Medien.
Fazit
Die weltweit in allen Lebensbereichen eingreifende Digitalisierung ist nicht aufzuhalten, deswegen wird aus der Ärzteschaft heraus im Gesundheitswesen aktiv gestaltet. Der zunehmende Einsatz telematischer Instrumente und Methoden ändert auch die ärztliche Berufsausübung. Die zielgenaue Bereitstellung von entscheidungsrelevanten Informationen hat auch Auswirkungen auf bzw. bildet die Grundlage für die Steuerungskompetenz im Gesundheitswesen. Ziel der Bundesärztekammer ist es, Ärztinnen und Ärzte auf diese Veränderung vorzubereiten und diese Veränderungen möglichst im Sinne einer Verbesserung des Arzt-Patienten-(Beschäftigten-)Verhältnisses, der Verbesserung der Qualität der Behandlung und der Erhöhung der Berufszufriedenheit von Ärztinnen und Ärzten zu gestalten. Dazu ist die Stärkung der Gestaltungskompetenz der Ärztekammern und der Bundesärztekammer auf die Entwicklung der Telematik und Telemedizin im Gesundheitswesen notwendig.
Interessenkonflikt: Die Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
Literatur
Bartmann FJ, Blettner M, Heuschmann U (Hrsg.): Telemedizinische Methoden in der Patientenversorgung. (Report Versorgungsforschung, Band 4, Reihen-Hrsg.: Fuchs C, Kurth B-M, Scriba PC). Köln: Deutscher Ärzteverlag, 2012.
Info
Telematik im Gesundheitswesen bezeichnet die Verbindung von Telekommunikation und Informatik mit der Zielsetzung, den Akteuren im Gesundheitswesen (Ärzte, Krankenhäuser, Apotheken, weitere Leistungserbringer und Kostenträgern) relevante Informationen umfänglicher, schneller und für den jeweiligen Nutzungskontext aufbereitet zur Verfügung zu stellen. Zunehmende Spezialisierung ärztlicher Tätigkeit und damit einhergehende auch sektorübergreifende Behandlungswege führen zu mehr ärztlicher „Arbeitsteilung“ und zu mehr dezentraler Datenhaltung am jeweiligen Behandlungsort.
Info
Telemedizin ist ein Sammelbegriff für verschiedenartige ärztliche Versorgungskonzepte, die als Gemeinsamkeit den prinzipiellen Ansatz aufweisen, dass medizinische Leistungen der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in den Bereichen Diagnostik, Therapie und Rehabilitation sowie bei der ärztlichen Entscheidungsberatung über räumliche Entfernungen (oder zeitlichen Versatz) hinweg erbracht werden. Hierbei werden Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt.
Info
Die Telematikinfrastruktur folgt einer Reihe von Kernprinzipien, die sie von anderen technischen Netzwerken unterscheidet und dadurch der besonderen Sensibilität beim Umgang mit medizinischen Daten Rechnung trägt: hoher Datenschutz, Freiwilligkeit, Akzeptanz bei Ärzten und Patienten, Versichertenstammdatenmanagement, Notfalldatenmanagement, Kommunikation, Leistungserbringer, qualifizierte elektronische Signatur (QES), elektronische Fallakte, Arzneimitteltherapiesicherheitsprüfung, elektronische Organspendeerklärung auf der eGK.
Info
Funktionen des elektronischen Arztausweises
- 1. Wie sein klassischer Vorgänger – der Arztausweis in Papier – dient er als Sichtausweis (beispielsweise um sich in einer Apotheke als Arzt auszuweisen).
- 2. Mit ihm ist es möglich, sich in der elektronischen Welt als Arzt auszuweisen (z.B. bei Portalen von Kammern, Arztnetzen). Bisherige relativ unsichere Anmeldeverfahren wie „username/password“ können ersetzt und auf ein höheres Sicherheitsniveau angehoben werden.
- 3. Der Inhaber kann mit dem eArztausweis eine elektronische Unterschrift (qualifizierte elektronische Signatur – QES) erstellen. Diese Signatur ist der händischen Unterschrift in der Papierwelt gleichgestellt. Mit ihr können Arztbriefe für Kollegen oder auch Abrechnungsunterlagen für die Kassenärztliche Vereinigung rechtssicher elektronisch unterschrieben und versendet werden.
- 4. Der eArztausweis ist in der Lage, medizinische Daten, die mit ihm versendet werden, zu ver- und entschlüsseln. Damit steigt das Datenschutzniveau bei der Übertragung personenbezogener medizinischer Daten deutlich.
- 5. Mit dem eArztausweis kann auf die Patientendaten zugegriffen werden, die auf der eGK abgespeichert sind. Dies bezieht sich absehbar auf die Anwendungen „Notfalldaten“ und „Medikationsplan“.
Weitere Infos
Alle im Folgenden genannten PDFs sind auf der Homepage der Bundesärztekammer unter dem Stichwort Telemedizin/Telematik zu finden (s. Link unten):
Telemedizinische Methoden in der Patientenversorgung – Begriffliche Verortung
Ärztliche Positionen zu Einsatzgebieten telemedizinischer Patientenversorgung
Voraussetzungen für gute Telemedizin
Der Einsatz von Telematik und Telemedizin im Gesundheitswesen – Ergebnisse einer Repräsentativbefragung von niedergelassenen und Krankenhausärzten im April/Mai 2010
Hinweise und Erläuterungen zu § 7 Absatz 4 MBO-Ä (Fernbehandlung), Stand 11.12.2015
Arbeitskonzept zum Notfalldatenmanagement
Lastenheft zum Notfalldatenmanagement
Datenschutzfragen zur Telemedizin, Vortrag an der Fachtagung Datenschutz in der Medizin – Update 2015, Hamburg, 03.02.2015
Statement und Präsentation Dr. Bartmann zur Vorstellung des eHealth-Reports der Bundesärztekammer
Statement Prof. Dr. Montgomery zur Vorstellung des eHealth-Reports der Bundesärztekammer
Pressemitteilung des 120. Deutschen Ärztetages 2017 zur Digitalisierung
Empfehlung der Bundesärztekammer für Ärzte und Medizinstudenten zur Nutzung sozialer Medien
E-Health-Gesetz – neue Anwendungen für Ärzte und Versicherte kommen
Bundesärztekammer: Telemedizin und Telematik
https://www.bundesaerztekammer.de/aerzte/digitalisierung-in-der-gesundheitsversorgung/
Deutsches Telemedizin-Portal
https://www.informationsportal.vesta-gematik.de
gematik (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH)
Autorin
Dr. med. Annegret Schoeller
Bereichsleiterin Dezernat 1 Versorgung und Bevölkerungsmedizin
Bundesärztekammer
Herbert-Lewin-Platz 1
10623 Berlin