Sachverhalt
Berufsgenossenschaft und Versicherter streiten um die Anerkennung von Unfallfolgen und Verletztenrente nach einem Arbeitsunfall vom 03.09.2000. Der 1980 geborene Kläger und Berufungsbeklagte wurde als Profispieler bei einem Eishockeyspiel in eine Schlägerei verwickelt und dabei mit Fäusten ins Gesicht geschlagen.
Nach einem HNO-ärztlichen Bericht vom 05.10.2000 wurden eine Septumdeviation nach rechts, Schleimhauteinrisse im Bereich des vorderen Septumdrittels und Blutung aus dem rechten Nasengang festgestellt. Ausdrücklich wurde im Befund aufgenommen: „keine Septumfraktur, kein Hämatom“ und darauf hingewiesen, dass unabhängig vom Unfall eine Septumdeviation nach rechts bekannt sei. Ferner wurde die dislozierte Nasenbeinfraktur als Unfallfolge eingestuft. Mit der Endrechnung wurden u.a. eine direkte Laryngoskopie, eine Endoskopie (Nasen-/Rachenraum) und eine Binokular-Mikroskopie abgerechnet.
Dr. G., Facharzt für HNO-Heilkunde, teilte am 28.08.2012 mit, dass beim Kläger eine nasale Obstruktion bei Septumquerstand, äußere Schiefnase nach rechts, Septumleiste links bei Zustand nach mehreren Nasenbeinfrakturen vorlägen und die Nasenatmung behindere. Bei der HNO-fachärztlichen Begutachtung durch Dr. S. gab der Kläger an, er habe seit dem Unfall vom 03.09.2000 eine behinderte Nasenatmung, insbesondere in der rechten Nasenseite. Die rechte Seite sei immer verstopft und er habe fast täglich Nasenbluten, obwohl sein Blutdruck normal sei. Er erwache häufig in der Nacht, da er keine Luft bekäme, ferner habe er im Winter häufig Nebenhöhlenentzündungen sowie Hals- und Rachenentzündungen, da er vermehrt über den Mund atme. Der Geruchs- und Geschmacksinn sei eingeschränkt.
Zusammenfassend führte der Dr. S. in seinem Gutachten vom 31.12.2012 aus, es bestehe eine deutlich sichtbare Schiefnase nach rechts mit einer Verdickung des knöchernen Nasenrückens. Laut D-Arzt-Befund vom 05.10.2000 rühre die Septumdeviation nicht vom Nasentrauma her, sondern habe bereits vorher bestanden. Da damals kein axiales Computertomogramm der Nasennebenhöhlen bzw. der Nasenhaupthöhle angefertigt wurde, könnte es sein, dass eine häufig begleitend aufgetretene Septumfraktur hier klinisch übersehen worden sei. Mit Wahrscheinlichkeit sei durch das Unfallereignis die knöcherne Schiefnase und möglicherweise auch eine Septumdeviation rechts verursacht worden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die Nasenbeinfraktur und die Behinderung der Nasenatmung rechts mit leichter Hyposmie werde nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit auf 20 v. H. geschätzt.
Der Beratungsarzt konnte sich dem hinsichtlich MdE und Unfallfolgen nicht anschließen. Die Folgen aus drei Unfällen müssten voneinander getrennt werden. Bis zur Begutachtung des Klägers am 31.12.2012 durch Dr. S. seien keinerlei Beschwerden von Seiten der Nase dokumentiert. Nachgewiesen sei eine Nasenbeinfraktur. Explizit sei zum Zeitpunkt des Unfallereignisses bei der Erstuntersuchung die Septumdeviation als vorstehend festgestellt worden. Eine frische Septumverletzung sei nach dem Unfallereignis nicht diagnostiziert worden. Die rechtsseitige Nasenatmungsbehinderung bei vorbestehender Septumdeviation lasse sich nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis vom 03.09.2000 zurückführen. Es könne daher keine unfallbedingte MdE für die Nasenatmungsbehinderung angenommen werden. Die angegebene Geruchseinschränkung sei am ehesten durch die Septumdeviation auf der rechten Seite und damit durch die Einengung der rechten Nasenhaupthöhle erklärbar.
Mit Bescheid vom 06.08.2013 wurde ein Anspruch auf Rente wegen des Versicherungsfalls vom 03.09.2000 abgelehnt. Als Folgen des Versicherungsfalles wurde eine folgenlos verheilte Fraktur des Nasenbeins anerkannt. Ausdrücklich nicht anerkannt wurden eine Nasenscheidewandverkrümmung mit eingeschränkter Nasenatmung, chronisch geschwollene (hypoplastische) Nasenmuscheln, kleinknotige (follikuläre) Körnchenbildung (Granulationen) im Bereich der Rachenhinterwand, Minderung der Geruchswahrnehmung (Hyposmie) rechts. Nach Auffassung der Beklagten war eine frische Septumdeviation nicht nachgewiesen. Das gegen die Ablehnung gerichtete Widerspruchsverfahren blieb erfolglos.
Schadensentstehung durch Verschlimmerung eines Vorschadens?
Im Klageverfahren trug der Kläger über seinen Bevollmächtigten vor, auch eine Schadensanlage bzw. ein Vorschaden schließe eine wesentliche Verursachung eines unfallbedingten Gesundheitsschadens nicht von vornherein aus. Denn nach dem Schutzzweck der Norm werde der einzelne Betroffene durch die Rechtsordnung in dem Gesundheitszustand geschützt, in dem er sich bei Eintritt des schädigenden Ereignisses befunden habe. Maßgebend sei also, ob bei diesen Betroffenen angesichts einer individuellen gesundheitlichen Struktur zum Schädigungszeitpunkt das Schädigungsereignis für die Entstehung des Schadens von wesentlicher ursächlicher Bedeutung gewesen sei, auch wenn dieses bei einem Gesunden nicht zu einem solchen Gesundheitsschaden geführt hätte. Viele Menschen hätten bereits von Natur aus ein verschobenes Septum, ohne jedoch unter Atemeinschränkungen zu leiden, weil die Deviation durch ein ausreichendes Gesamtvolumen des Naseninneren ausgeglichen werde. Erfolge dann eine Veränderung der äußeren Architektur der Nase, so komme es zu einer Einengung dieses Gesamtvolumens, was zu einer Nasenatmungsbehinderung führen könne.
Das Sozialgericht hat Dr. H., Facharzt für HNO-Heilkunde als Sachverständigen ernannt, der in seinem Gutachten vom 22.05.2015 die Septumdeviation auf den Unfall vom 03.09.2000 zurückführte. Bezüglich der unterschiedlichen Bewertung zum Gutachter Dr. S. hat dieser ausgeführt, dass das Bild der Septumdeviation für eine traumatische Ursache spreche und ein anderes Trauma vor dem Unfall nicht bekannt sei. Damit sei auch die kompensatorische Nasenmuschelhyperplasie links als Unfallfolge zu bewerten.
Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. H. hielt dem entgegen, dass eine Septumdeviation zwei mögliche Ursachen haben könne. Zum einen häufig Wachstumsstörungen und zum anderen Verletzungen. Auch bei traumatischen Ursachen seien häufig das Geburtstrauma und Traumen der Nase im Kindesalter zu berücksichtigen. Eine zeitliche Zuordnung des Septumbefundes explizit auf das Nasentrauma vom 03.09.2000 könne nicht mit der geforderten Wahrscheinlichkeit erfolgen.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.07.2016 hat das Sozialgericht Regensburg eine erhebliche Septumdeviation mit der Folge einer behinderten Nasenatmung, eine Nasenmuschelhyperplasie sowie eine Minderung der Geruchswahrnehmung als Folgen des Versicherungsfalles vom 03.09.2000 festgestellt. Bezüglich des Vorliegens der Septumdeviation als Vorschaden bzw. deren Verursachung sei die Beklagte beweispflichtig. Dabei hätten sowohl der Vorschaden als auch die Alternativursache im Vollbeweis von der Beklagten dargelegt zu werden. Dieser Beweis sei der Beklagten nicht gelungen. Die Septumdeviation sei dagegen im Vollbeweis nachgewiesen.
Nachweis einer Septumfraktur als Erstschaden?
Mit ihrer Berufung rügt die Beklagte, eine Septumverletzung sei z.B. nachzuweisen durch eine Septumfraktur oder ein Septumhämatom, die hier jedoch ausgeschlossen seien. Derartige Verletzungen führten regelmäßig zu umfassenden HNO-ärztlichen Behandlungen, die hier ebenfalls nicht stattgefunden hätten. Eine Septumverletzung sei damit als Primärschaden nicht voll bewiesen, weitere Kausalitätsüberlegungen bzw. Einschätzungen im Gutachten könnten damit unterbleiben. Das Sozialgericht habe die BSG-Rechtsprechung bezüglich des Vollbeweises fehlerhaft angewandt. Aus dem fehlenden Nachweis alternativer Ursachen folge nicht automatisch ein Zusammenhang zwischen Gesundheitserstschaden und den aktuellen gesundheitlichen Einschränkungen. Ein derartiger Zusammenhang müsse positiv nachgewiesen sein. Unstreitig sei, dass eine unfallbedingte verschobene Nasenbeinfraktur vorgelegen habe.
Die Klägerbevollmächtigte hat darauf hingewiesen, dass die Beklagte das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht „voll durchdrungen“ habe. Es sei völlig unverständlich, weshalb die Beklagte eine Septumdeviation nicht im Vollbeweis zugestehe. Die Beklagte verwechsle das Tatbestandsmerkmal Gesundheitsschaden mit der haftungsbegründenden Kausalität. Dadurch werde bereits der falsche Beweisgrad durch die Beklagte herangezogen. Denn für den Nachweis des Zusammenhangs zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden genüge die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Dr. H. habe in seinem Gutachten vom 22.05.2015 eine traumatische Deviation nachgewiesen. Zum Vollbeweis einer vorbestehenden Septumdeviation komme man jedoch nicht. Beim Unfallereignis vom 03.09.2000 sei es nachweislich zu einer Nasenpyramidenfraktur mit Abweichung der knöchern-knorpeligen Nasenpyramide und dem daran anzusetzenden Septumanteils gekommen. Dies lasse sich der Röntgendokumentation des CT vom 22.03.2007 entnehmen. Wichtig sei in diesem Zusammenhang, dass Nasenfrakturen mit einer sehr festen bindegewebigen Narbe ausheilten und sich ohne Kalkeinlagerung stabilisierten, so dass die Frakturlinien auch später noch radiologisch erkennbar blieben.
Eine vorbestehende Septumdeviation lasse sich nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachweisen. Die von Dr. P. im Rahmen der klinischen Untersuchung vom 03.09.2000 festgestellte Septumdeviation sei vielmehr hinreichend wahrscheinlich auf das Ereignis vom 03.09.2000 zurückzuführen. Auf der ersten Stufe der haftungsbegründenden Kausalität müsse von einem medizinischen Sachverständigen der Zusammenhang der versicherten Einwirkung in Bezug auf den Gesundheitsschaden anhand des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes dargestellt werden. Komme der Sachverständige danach zu dem Ergebnis, dass eine gefährdende Einwirkung – mit hinreichender Wahrscheinlichkeit – vorgelegen habe, sei weiter zu prüfen, ob konkurrierende Ursachen im Vollbeweis vorliegen. Würden keine konkurrierenden Ursachen im Vollbeweis festgestellt, sei die versicherte Ursache aufgrund der Geeignetheit regelmäßig die wesentliche Ursache. Seien gutachterlich hingegen konkurrierende Ursachen festgestellt worden, seien diese auf der zweiten Stufe in der rechtlichen Abwägung zu berücksichtigen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen habe das Sozialgericht Regensburg richtig einen Ursachenzusammenhang festgestellt. Die Faustschläge seien generell geeignet gewesen, eine Nasenpyramidenfraktur und eine Septumdeviation hervorzurufen. Die generelle Eignung der versicherten Wirkursache könne demnach als positiv mit dem Grad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Etwaige konkurrierende (Wirk-)Ursachen in Form eines Vorschadens oder einer wachstumsbedingten Formänderung des Septums, seien von der Beklagten nicht im dafür erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen worden. Die hier einzig bewiesene Wirkursache sei das Unfallereignis vom 03.09.2000.
Der Gutachter im Berufungsverfahren, Priv.-Doz. Dr. med. E., Chefarzt der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, führte zusammenfassend aus, dass aufgrund einer ergänzenden radiologischen Stellungnahme zum CT vom 22.03.2007 (Dr. H., Chefarzt der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie) eindeutig eine Fraktur des Nasenseptums zu sehen sei. Ein Nasenbeinbruch sei unstreitig. Hieraus sei abzuleiten, dass eine Nasenseptumfraktur stattgefunden habe. Eine Nasenscheidewandfraktur im knöchernen Bereich sei dadurch charakterisiert, dass sich häufig ein Einriss im Bereich der Schleimhaut und in einer radiologischen Untersuchung eine Verschiebung der Fragmente finde. Dabei sei anzumerken, dass sich bei einer Fraktur die Fragmente übereinander schieben könnten, so dass eine Veränderung auf der einen wie auf der anderen Seite der Scheidewand zu sehen sei. Im Krankenhaus F-Stadt sei dieses klassische Verletzungsmuster beschrieben worden, aber eine Röntgenaufnahme wurde nicht durchgeführt. Diese wurde leider erst am 22.04.2007 erstellt. Im HNO-ärztlichen Bericht vom 05.10.2000 sei berichtet worden, dass bei der Erstuntersuchung eine bekannte, d.h. alte Septumdeviation nach rechts vorgelegen hätte. Das sei eine nicht belegte Behauptung, zumal gleichzeitig eine Verletzung des Septums beschrieben werde. Der Vollbeweis durch die Klinik F-Stadt sei nicht erbracht, da eine radiologische Untersuchung zu diesem Zeitpunkt unterlassen worden sei. Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sei eine Septumfraktur mit Nasenatmungsbehinderung und Trockenheit im Bereich der Nase auf das Unfallereignis zurückzuführen. Die Geruchsstörung sei nicht auf den Unfall zurückzuführen. Vorschäden seien nicht nachgewiesen. Die MdE werde auf 10 v. H. eingestuft.
Beweiswert der Erstbefundung?
Die Beklagte beharrte auf ihrer Auffassung, als Vorerkrankung sei zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung bereits im Vollbeweis eine Septumdeviation nach rechts nachgewiesen. Eine substanzielle Septumschädigung im Sinne eines Septumhämatoms oder einer Septumfraktur sei ausdrücklich ausgeschlossen worden, der Vollbeweis für eine traumatische frische Septumverletzung sei nicht erbracht. Im Befundbericht vom Unfalltag sei die Septumdeviation nach rechts als vorbestehend beschrieben sowie im Rahmen des Unfallereignisses eine Septumfraktur ausgeschlossen worden. Der Kläger habe seit 2000 eine ganze Reihe von Schädeltraumen mit Verletzungen im Gesichtsschädel gehabt. Dabei seien Verletzungen der Nase nicht sicher auszuschließen, insbesondere bei Frakturen der medialen Kieferhöhlenwand. Der Sachverständige Dr. E. könne mit einer Befundung 17 Jahre nach dem Unfallereignis sowie anhand von Röntgenaufnahmen, die Jahre nach dem Unfallereignis vom 03.09.2000 erstellt wurden, nicht die Untersuchungsbefunde am Unfalltag negieren und sämtliche jetzt vorliegenden Befunde eindeutig auf das Unfallereignis festmachen.
Daraufhin hat der Senat mit Schreiben vom 05.10.2018 unter Darlegung der Grundsätze der Kausalität sowie der Beweisregeln in der gesetzlichen Unfallversicherung eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. E. angefordert. Er wurde dabei auf die anlässlich der Erstuntersuchung abgerechneten Untersuchungsmethoden verwiesen. In seiner ergänzenden Stellungnahme hat der Sachverständige nunmehr ausgeführt, im Vollbeweis sei gesichert, dass am 03.09.2000 durch die Einwirkung auf die Nase des Klägers eine Septumfraktur und Septumdeviation vorgelegen habe. Ferner sei im Vollbeweis nachgewiesen, dass bereits vor dem Unfall eine Septumdeviation nach rechts vorlag. Da aus Sicht des Sachverständigen der Vollbeweis nicht angetreten werden könne, dass die Septumfraktur durch das Unfallereignis am 03.09.2000 hervorgerufen worden sei, sei im Umkehrschluss dann anzunehmen, dass der Vollbeweis dafür vorliege, dass vor dem Unfall eine Septumdeviation vorgelegen habe. Am 03.09.2000 habe der Kläger eine Verletzung im Bereich der Nase erlitten. In einem CT der Nasennebenhöhlen vom 22.03.2007 habe sich eine eindeutige Septumfraktur gezeigt.
Vollbeweis des Gesundheitsschadens keine Zeitfrage
Dem widersprach mit weiterem Schreiben vom 03.04.2019 die Beklagte bereits aus zeitlicher Perspektive. Ein konkreter Primärschaden eines bestimmten Organs müsse zeitnah zu dem Unfall als Tatsache voll bewiesen sein. Dafür spreche auch die Bezeichnung als Erst- oder Primärschaden.
Der Senat, der die Berufung der Beklagten für begründet erachtete, sah zunächst entgegen der Auffassung der Beklagten den Vollbeweis einer Septumdeviation für erbracht. Durch die CT-Untersuchung des Klägers vom 22.03.2007 sei nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. E. und Dr. H., Fachärzte für HNO-Heilkunde, sowie der radiologischen Stellungnahme von Dr. H. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Septumdeviation gesichert. Das knöcherne Nasenseptum weise eine Deviation mit Stufenbildung und umschriebener hyperostotischer Sklerosierung im mittleren Drittel auf. Das Nasenseptum wirke hier verkürzt im Sinne einer alten posttraumatischen Einstauchung, die in Fehlstellung knöchern konsolidiert sei.
Soweit die Beklagte versuche, den Vollbeweis durch den Vortrag zu erschüttern, die Septumdeviation sei nicht unfallzeitpunktnah festgestellt worden sei, sei dies nicht mit den Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu vereinbaren. Die Feststellung einer Gesundheitsstörung als Gesundheitserstschaden bzw. Folge eines Arbeitsunfalls setze nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in einem ersten Schritt voraus, dass die Gesundheitsstörung selbst im Beweismaßstab des Vollbeweises bewiesen ist. Erst in einem zweiten Schritt sei diese Gesundheitsstörung auf ihren ursächlichen Bezug zum Unfallereignis i.S.d. §8 Abs. 1 SGB VII zu qualifizieren.
Nach Auffassung des Senats sei der lange zeitliche Abstand zwischen dem Unfallereignis und der Feststellung der angeschuldigten Septumdeviation nicht eine Frage der im Vollbeweis zu sichernden Gesundheits(erst)störung, sondern der Zurechnung im Rahmen der Kausalität. Das von der beklagten Berufsgenossenschaft postulierte Erfordernis, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen, dass der Gesundheits(erst)schaden bereits in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall eingetreten ist, findet weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung des BSG eine Grundlage und würde in allen Fällen, in denen – wie häufig – der sichere Nachweis einer Gesundheitsstörung erst Wochen oder Monate nach dem Unfallereignis gelingt, die Beweiserleichterung hinsichtlich der Kausalität im Sinne des Nachweises mit hinreichender Wahrscheinlichkeit konterkarieren.
Erstschadensprüfung ist Zurechnungsfrage
Für einen Arbeitsunfall ist nach der Legaldefinition der §§7 Abs. 1 und 8 Abs. 1 SGB VII in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Bedingung für die Feststellung eines Arbeitsunfalls. Im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität ist weiter zu prüfen, inwieweit neben dem Gesundheitserstschaden noch weitere Unfallfolgen letztlich wesentlich durch das Unfallereignis verursacht wurden.
Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses, das Unfallereignis, der Gesundheitserstschaden, etwaige weitere Unfallfolgen sowie etwaige Vorschäden mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Sinne des Vollbeweises bewiesen sein. Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Gesundheitsschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie Folgeschäden (haftungsausfüllende Kausalität) ist demgegenüber hinreichende Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – ausreichend.
Vorliegend sei indes die beim Kläger als Gesundheitsstörung gesicherte Septumdeviation nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als Gesundheitserstschaden nachzuweisen. Die etwaig darauf beruhenden weiteren Unfallfolgen, die Nasenscheidewandverkrümmung mit eingeschränkter Nasenatmung, chronisch geschwollene Nasenmuscheln, follikuläre Körnchenbildung sowie die Minderung der Geruchswahrnehmung, seien daher ebenfalls nicht als Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls festzustellen. Zu Recht habe die Beklagte als Folgen des Unfalls lediglich eine folgenlos verheilte Fraktur des Nasenbeins festgestellt.
Dr. H. wie auch Dr. E. hätten in ihren Gutachten den Befund einer auf ein Trauma zurückzuführenden Septumdeviation festgestellt, die nicht dem klinischen Bild einer rein wachstumsbedingten Störung entspräche. Dem schließe sich der Senat an. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei damit zwar die Gesundheitsstörung Septumdeviation im Vollbeweis gesichert. Ob diese Gesundheitsstörung aber im Sinne eines Gesundheitserstschadens oder einer weiteren Unfallfolge in einem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis stehe, sei nachfolgend im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität zu prüfen.
Erste Stufe der Kausalprüfung
Nach den von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelten Grundsätzen ist dazu zunächst eine Kausalitätsprüfung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn durchzuführen (1. Stufe). Diese beruht auf der Äquivalenztheorie, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolgs ist, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Die Zurechnung auf der 1. Stufe setzt voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Verrichtung objektiv (mit-)verursacht wurde. Für Einbußen des Verletzten, für die die versicherte Tätigkeit keine (Wirk-)Ursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und hat der Unfallversicherungsträger nicht einzustehen. (Wirk-)Ursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Die Bedingung muss den Erfolg tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine bloß im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein.
Wie die Sachverständigen Dr. H. und Dr. E. in ihren Gutachten ausführen, war das Unfallereignis vom 03.09.2000 mit der nachgewiesenen dislozierten Nasenbeinfraktur grundsätzlich geeignet, die nachgewiesene Septumdeviation zu verursachen. Dies ist jedoch nach der Rechtsprechung des BSG nicht im Sinne der conditio sine qua non ausreichend. Danach muss das schädigende Ereignis nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele. Der Gutachter Dr. S. führe in seinem Gutachten vom 31.12.2012 dagegen wesentlich differenzierter aus, dass nur „möglicherweise“ auch die Septumdeviation rechts, darüber hinaus das sensible Defizit im Bereich der linken Schläfe und des Unterlids, als Folge des Unfallereignisses zu sehen sind. Die bloße Möglichkeit erfülle aber nicht die Voraussetzungen der Zurechnung im naturwissenschaftlichen Sinn.
Zweite Stufe der Kausalprüfung
Bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles könne sich der Senat nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon überzeugen, dass das Ereignis vom 03.09.2000 wesentliche Ursache der nachgewiesenen Septumdeviation gewesen sei.
Dabei spreche für einen wesentlichen Zusammenhang, dass eine dislozierte Nasenbeinfraktur durch das Ereignis vom 03.09.2000 zweifelsfrei entstanden ist (wird ausgeführt). Gegen eine Zurechnung spreche jedoch, dass der einzige zeitnah zum Unfallereignis behandelnde HNO-Arzt Dr. P. ausdrücklich keine Septumfraktur, sondern lediglich einen Schleimhauteinriss festgestellt hat und angibt, dass eine Septumdeviation nach rechts bereits am 05.10.2000 bei der Untersuchung im Sinne eines Vorschadens bekannt war. Dies sei auch schlüssig, weil die durchgeführten Untersuchungen (direkte Laryngoskopie, eine Nasen-/Rachenraum-Endoskopie und eine Binokularmikroskopie) geeignet seien, eine frische Septumdeviation nachzuvollziehen. Ein weiterer Befundbericht der HNO-Klinik im Klinikum F-Stadt vom 14.11.2018 habe nochmals bestätigt, dass kein Hinweis auf eine frische Septumfraktur bestand und die letzte Behandlung nach Reposition der Nasenbeinfraktur am 07.09.2000 erfolgte.
Gegen einen Zusammenhang spreche weiter, dass die positiven Gutachten von Dr. E. und Dr. H. weit über zehn Jahre nach dem Unfallereignis erstellt wurden. Der erste radiologisch gesicherte Befund einer Septumdeviation liegt durch ein Nasennebenhöhlen-CT vom 22.03.2007 vor. Aufgrund dieses langen zeitlichen Abstands zum Unfall 2000 lasse sich nur sehr eingeschränkt eine gesicherte Aussage zum Kausalzusammenhang abgeben. Eine zeitliche Zuordnung des Septumbefundes explizit auf das Nasentrauma vom 03.09.2000 sei nicht mit der geforderten Wahrscheinlichkeit möglich. Der Kläger habe seit 2000 weitere Schädeltraumen mit Verletzungen im Bereich des Gesichtsschädels gehabt. Insoweit könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass im Rahmen dieser Verletzungen über den nachgewiesenen Vorschaden hinaus eine weitere Septumdeviation aufgetreten ist.
Ferner spreche gegen eine Zurechnung im Sinne der wesentlichen Bedingung, dass der Kläger als Leistungssportler nach dem angeschuldigten Ereignis 2000 bis zum Jahr 2016 professionell Eishockey spielen konnte. Im Zeitraum von September 2000 bis 31.12.2012 seien offensichtlich keine so schwerwiegenden Beeinträchtigungen oder Einschränkungen der Atmung beim Kläger aufgetreten, die ihn zu weiteren fachärztlichen Konsultationen oder Behandlungen bezüglich der vorliegenden Septumdeviation veranlassten. Dies sei umso verwunderlicher, als der Kläger im Zeitraum bis 2012 in der Regionalliga, der Landesliga, der Oberliga und der zweiten Bundesliga professionell als Leistungssportler spielte. Zutreffend weise Dr. H. auch darauf hin, dass traumatische Ereignisse, die häufig zu einer Septumdeviation führen, insbesondere das Geburtstrauma und auch Traumen im Kindesalter sind. Insoweit wäre auch erklärbar, weshalb sich der Kläger nicht mehr an ein traumatisches Ereignis vor dem Unfall 2000 erinnert. Es bestünden jedoch auch Zweifel, dass ein professioneller Eishockeyspieler, der jedenfalls seit 1992 bis zum Unfallereignis in verschiedenen höherwertigen Eishockeyligen spielte, kein anderes geeignetes Unfallereignis erlitten haben solle. So ergebe sich aus den beigezogenen Befundberichten, dass der Kläger 2003 ein Gesichtsschädeltrauma, 2005 aufgrund
eines Schlages einen Implantatverlust des Zahnersatzes, 2010 ein Trauma suborbital rechts und der Unterlippe sowie im Dezember 2011 eine erneute Jochbeinfraktur links erlitten habe. Auch aus diesen Unfällen bestehe grundsätzlich die Möglichkeit einer Septumverletzung. Bei Abwägung dieser für und gegen einen wesentlichen Zurechnungszusammenhang sprechenden Umstände gehe der Senat davon aus, dass mehr gegen als für einen Zurechnungszusammenhang spreche.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.