Sachverhalt
Im hier entschiedenen Fall hatten alle zehn Mitarbeiter der Einkaufsabteilung „Herren“ am 26.02.2015 die Büroarbeit vorzeitig um 16.30 Uhr beendet und gemeinsam einen Ausflug zur Eisbahn gemacht. Die Klägerin, Leiterin des Einkaufsbereichs „Herren“, war beim Betreten der Eisfläche ins Rutschen gekommen, hatte das Gleichgewicht verloren und sich beim Abstützen das Handgelenk gebrochen.
Nach Mitteilung der Klägerin war die gemeinsame Aktivität mit Besuch der Eishalle von ihr als teambildende Maßnahme geplant worden. Es sollte gemeinsam etwas unternommen werden. Vorschläge seien aus dem Mitarbeiterkreis der Abteilung „Herren-Einkauf“ gekommen. Die Kosten für den Ausflug seien von ihr als Vorgesetzte getragen worden. Die Initiative dieses Ausflugs sei von ihr ausgegangen, obgleich das Ziel von den Mitarbeitern ausgewählt worden sei. Sonstige Treffen im privaten Rahmen fänden nicht statt. Private Beziehungen bestünden nicht, auch duze man sich nicht. Bei dem Treffen habe nicht die Sportart im Vordergrund stehen sollen, sondern eine gemeinsame Aktivität mit anschließendem gemütlichem Zusammensitzen.
Innerer Zusammenhang zur vertraglichen Tätigkeit?
Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung des Unfalls der Klägerin als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, ein Arbeitsunfall liege gem. § 8 Abs. 1 SGB VII vor, wenn ein Unfall stattgefunden habe, der mit der den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit in einem inneren Zusammenhang gestanden habe. Grundsätzlich stünden betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien unter Versicherungsschutz. Die Teilnahme an einer solchen Veranstaltung könne der versicherten Beschäftigung nur zugerechnet werden, wenn u.a. folgende Voraussetzungen erfüllt seien:
- Der Arbeitgeber will die Veranstaltung als eigene betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung zur Förderung der Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander und ihrer Bindung zum Unternehmen durchführen.
- Die Einladung richtet sich an alle Betriebsangehörigen oder bei organisatorisch eigenständigen Abteilungen an alle Abteilungsmitarbeiter.
- Die Teilnahme soll grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens oder der betroffenen Abteilung offen stehen und objektiv möglich sein. Es reicht nicht aus, dass nur den Beschäftigten einer auserwählten Gruppe die Teilnahme angeboten oder zugänglich ist.
Gemeinschaftsveranstaltung?
Die Berufsgenossenschaft verneinte diese Voraussetzungen. Zum einen erfülle der Teamleiter aus einer Gruppe von 10 Personen (Unterabteilung) keine Arbeitgeberfunktion für die Firma K GmbH, da die angesprochene Gruppe viel zu klein sei. Für eine versicherte betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung in Großunternehmen sei in der Regel auf die Abteilungsebene abzustellen. Auch sei die Initiative nicht vom Unternehmen selbst ausgegangen. Vielmehr sei der Wunsch aus der Runde der Arbeitnehmer gekommen, die sich im privaten Rahmen treffen wollten. Es liege nicht in der Hand des Unternehmens, den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung von sich aus auf sonst unversicherte Tätigkeiten und Aktivitäten auszuweiten.
Der Inhalt der versicherten Tätigkeiten eines Beschäftigten ergebe sich aus dem zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis, wonach der Arbeitnehmer zur Leistung der versprochenen Dienste verpflichtet sei. Diese Dienste seien die versicherte Tätigkeit. Die Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen liege daher in der personalen Grundbeziehung zwischen Dienstverpflichtetem und Dienstherren sowie dem für den Unternehmenserfolg in der Regel erforderlichen arbeitsteiligen Zusammenwirken der Beschäftigten. Nicht jede Pflege gesellschaftlicher Beziehungen, auch wenn sie für die jeweilige Niederlassung oder das Unternehmen insgesamt wertvoll sei, stehe unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Gegen den Versicherungsschutz spreche auch die gewählte Sportart. Diese sei nicht vorrangig darauf angelegt, den Mannschaftsgeist zu stärken. Auch der Zeitpunkt des Ausflugs zur Eisbahn in der Freizeit sei ein starkes Indiz dafür, dass es sich um eine reine Freizeitveranstaltung handeln sollte. Auch wenn die Arbeit eine halbe Stunde früher beendet worden sei, habe die Veranstaltung dennoch außerhalb der üblichen Arbeitszeiten stattgefunden. Der Veranstaltung sei daher ein Freizeitcharakter zuzumessen.
Dies sah die Klägerin anders. Die Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 SGB VII lägen vor, da der Arbeitgeber die Veranstaltung zur Förderung der Zusammengehörigkeit gewollt habe. Sie habe als Leiterin der Herreneinkaufsabteilung (somit beauftragter Stellvertreter der Unternehmensleitung) einen Betriebsausflug zur Eisbahn veranstaltet. Allen Mitarbeitern der Abteilung sei die Veranstaltung zugänglich gewesen und ohne Ausnahme sei aufgrund ihrer dienstlichen Anordnung als Vorgesetzte daran teilgenommen worden. Die Firma K veranstalte keine gemeinsame Betriebsveranstaltung aufgrund der bundesweit ca. 480 Filialen. Daher befürworte die Unternehmensleitung solche abteilungsinternen Veranstaltungen. Die Arbeitgeberfunktion werde erfüllt, da durch ihre Person sowohl in der Außendarstellung mit Handlungsvollmacht in einem Einkaufsvolumen von 20 Millionen Euro das Unternehmen auf ausländischen Geschäftsreisen und bei Lieferantenbesuchen repräsentiert werde, als auch in der Innendarstellung, da sie als Zentraleinkäuferin für die Abteilung, die Mitarbeiter, die Führung, die Einstellung, Beurteilung, Urlaubsplanung und alle anderen Belange zuständig sei.
Die Kosten für den Ausflug seien von ihr als Vorgesetzte getragen worden. Die Initiative dieses Ausflugs sei von ihr ausgegangen, obgleich das Ziel von den Mitarbeitern ausgewählt worden sei. Die Zeit sei kein Indiz dafür, dass es sich um eine Freizeitveranstaltung gehandelt habe. Die übliche Arbeitszeit in der Abteilung sei bis 18.00 Uhr, wobei einige Mitarbeiter üblicherweise bis 19.00 Uhr arbeiteten. Die Öffnungszeit der Eisbahn sei von 15.00 bis 20.00 Uhr.
Motivation des Teams keine versicherte Beschäftigung?
Das Sozialgericht Detmold sah die Voraussetzungen einer versicherten Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nicht als gegeben. Eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigte liege vor, wenn die Verletzte zur Erfüllung eines Arbeitsverhältnisses eine Tätigkeit verrichtet, die dem Unternehmenszweck dient. Es komme objektiv auf die Eingliederung des Handelns der Verletzten in das Unternehmen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen bringen soll. Eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII werde daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen oder die Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern sie nach den besonderen Umständen ihrer Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, sie treffe eine solche Pflicht.
Insoweit sei zunächst festzustellen, dass sich die Teilnahme der Klägerin am Eislaufen nicht aus ihren arbeitsvertraglich geschuldeten Pflichten ergab. Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt als Leiterin der Einkaufsabteilung „Herren“ beschäftigt. Die aktive Teilnahme am Eislaufen gehörte offenkundig nicht zu ihren arbeitsvertraglichen Pflichten und die Klägerin durfte eine solche Pflicht nach den Umständen ihrer Beschäftigung auch nicht vertretbar annehmen. Selbst wenn man unterstellt, dass es zu den arbeitsvertraglichen Pflichten der Klägerin als Teamleiterin gehört, ihr Team zu motivieren und für ein gutes Betriebsklima in ihrem Team zu sorgen, kann man hier allenfalls eine Verpflichtung der Klägerin gegenüber ihrem Arbeitgeber hinsichtlich der Organisation von teambildenden Maßnahmen, nicht aber hinsichtlich der aktiven Teilnahme beim Eislaufen feststellen, bei dem sich der Unfall ereignete. Eine etwaig bestehende Pflicht zur Vornahme von Organisationshandlungen umfasse nicht eine, wenn auch nur vermeintliche, Verpflichtung zur Teilnahme.
Gemeinschaftsveranstaltung nicht vom Arbeitgeber getragen
Eine den Versicherungsschutz als Beschäftigte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII begründende Tätigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch die Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung, z.B. einer betrieblichen Weihnachtsfeier. Die in die Arbeitsorganisation des Unternehmens eingegliederten Beschäftigten unterstützen durch ihre von der Unternehmensleitung gewünschte und ggf. sogar geforderte Teilnahme das von ihr dadurch zum Ausdruck gebrachte Unternehmensinteresse, die betriebliche Verbundenheit zu fördern. Der Schutzzweck der Beschäftigtenversicherung rechtfertigt es, die Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung als Bestandteil der geschuldeten versicherten Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zu betrachten.
Beim Eislaufen am 26.02.2015 habe es sich jedoch auch nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung im Sinne der BSG-Rechtsprechung gehandelt. Um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung in diesem Sinne annehmen zu können, sei zunächst erforderlich, dass die Veranstaltung „im Einvernehmen“ mit der Unternehmensleitung stattfand. Die Unternehmensleitung müsse nicht selbst Veranstalter sein; es genügt, dass sie die Veranstaltung billigt und fördert. Veranstalter – im Auftrag der Unternehmensleitung – können auch der Betriebsrat oder eine Gruppe bzw. einzelne Beschäftigte des Unternehmens sein. Die Billigung der Unternehmensleitung müsse sich nicht nur auf die wegen der Durchführung erforderlichen betrieblichen Änderungen (z.B. der Arbeitszeit, das Benutzen betrieblicher Räume) erstrecken, sondern die Durchführung als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung als solche müsse von ihr gewollt sein, da mögliche Unfälle bei solchen Veranstaltungen Auswirkungen auf die von dem Unternehmen zu zahlenden Beiträge haben. Bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen in einzelnen organisatorischen Einheiten des Unternehmens, insbesondere wenn das Unternehmen über mehrere Betriebsstätten oder Dienststellen verfügt, genüge es, wenn die Leitung der jeweiligen organisatorischen Einheit oder z.B. Dienststelle als Veranstalter seitens des Unternehmens fungiert.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hätte das erforderliche „Einvernehmen mit der Unternehmensleitung“ gefehlt. Die „teambildende Maßnahme“ am 26.02.2015 sei weder von der Unternehmensleitung noch von der dem Team der Klägerin übergeordneten Einkaufsleiterin als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung angeregt oder organisiert worden und die Beschäftigten des Teams oder deren Teamleiterin, die Klägerin, seien von der Unternehmensleitung auch nicht mit der Durchführung dieser Veranstaltung beauftragt worden. Die Einkaufsleiterin habe den Ausflug zur Eisbahn am 26.02.2015 zwar ausdrücklich zur Verbesserung des Betriebsklimas begrüßt und der Arbeitgeber der Klägerin habe mitgeteilt, die Unternehmensleitung begrüße gemeinsame Aktivitäten. Dadurch sei die Maßnahme jedoch allenfalls zustimmend zur Kenntnis genommen worden, was nach der Rechtsprechung des BSG jedoch noch nicht ausreiche, um sie damit zur betrieblichen, von der Unternehmensleitung getragenen Gemeinschaftsveranstaltung zu erklären. Die Initiierung der Organisation des Ausflugs zur Eisbahn lediglich durch die Teamleiterin reiche nicht aus, der Maßnahme den Charakter einer von der Unternehmensleitung getragenen betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung zu geben.
Keine Kostenübernahme des Unternehmens
Gegen die Annahme einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung spreche hier schließlich auch, dass die Teilnehmer an dem Ausflug zur Eisbahn keine Zeitgutschrift erhalten haben und der Arbeitgeber der Klägerin dem Gericht mitgeteilt habe, gemeinsame Aktivitäten zur Förderung eines guten Arbeitsklimas und des Zusammengehörigkeitsgefühls des Teams würden „im Anschluss der Arbeitszeit“ begrüßt. Außerdem werde der eher private Charakter der Veranstaltung auch insbesondere dadurch deutlich, dass die Klägerin – und nicht etwa das Unternehmen – die Kosten der Veranstaltung getragen hat.
Soweit die Klägerin vorgetragen habe, die Maßnahme habe der Teambildung und der Förderung der Zusammengehörigkeit der Mitarbeiter gedient, reiche auch dies nicht aus, um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung und damit Versicherungsschutz zu begründen. Nicht jede der privaten Sphäre zuzurechnende, aber im weitesten Zusammenhang mit der Beschäftigung stehende Verrichtung falle in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung der Beschäftigten. Private Veranstaltungen könnten, auch wenn sie betriebsbedingt oder betriebsdienlich sind, den Versicherungsschutz nicht begründen, selbst wenn sie von der Unternehmensleitung geduldet oder bewilligt werden. Auch die Pflege gesellschaftlicher Beziehungen sei, selbst wenn sie dem Unternehmen wertvoll ist, grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen.
Schlussbemerkung
Das Urteil des Sozialgerichts Detmold ist rechtskräftig. Es handelt sich nach dem mitgeteilten Sachverhalt eher um einen Sonderfall, der wesentlich deshalb zur Verneinung einer Gemeinschaftsveranstaltung Anlass gab, weil die Unternehmensleitung offensichtlich der Verbesserung des Arbeitsklimas und der Unternehmensbindung von Mitarbeitern wenig Bedeutung beimaß. Die Ablehnung des Versicherungsschutzes unter dem Gesichtspunkt der Gemeinschaftsveranstaltung ist danach vertretbar.
Streitgegenstand war indes nicht der Unfallschutz eines Mitarbeiters der Abteilung bei einem vermeintlichen Betriebsausflug, sondern der Versicherungsschutz der Abteilungsleiterin und Organisatorin der Teambildungsmaßnahme. Ihr persönliches Engagement zur Steigerung von Motivation und Leistung ihres Teams bleibt in der gerichtlichen Würdigung unterbelichtet. Man kann ja wohl kaum daran zweifeln, dass Motivation und Leistungsförderung zum Kernbereich ihrer arbeitsvertraglichen Aufgabe als Vorgesetzte gehören. Damit standen ihre Handlungen zur Organisation und Durchführung der Teambildungsmaßnahme sehr wohl im inneren, sachlichen Zusammenhang mit ihrer versicherten Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Wenngleich sicherlich keine Verpflichtung zum „Mitmachen auf dem Eis“ bestand, war ihre persönliche Teilnahme doch im Sinne des Ziels sinnvoll und angemessen. Auch wird man der Vorgesetzten im Rahmen einer Motivationsmaßnahme einen angemessenen Handlungsspielraum dafür zuzubilligen haben, wie sie ihre Führungsmaßnahme gestaltet. Eine Ablehnung ihres Versicherungsschutzes für die Durchführung der Führungsmaßnahme – auch während des Aufenthalts auf dem Eis – wäre also nur hinzunehmen, falls die Klägerin nach den besonderen Umständen ihrer Beschäftigung nicht annehmen durfte, dass ihr Handeln dem Unternehmenszweck diene, es mithin nicht im wohlverstandenen Unternehmensinteresse sei. Die unerwartet betriebswidrigen Folgen der verletzungsbedingten Arbeitsunfähigkeit sind bei dieser Überlegung selbstverständlich außer Acht zu lassen.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
Weitere Infos
Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung: § 2 Versicherung kraft Gesetzes