ASU: Die Firma ebm-papst hat ihren größten Standort in Mulfingen/Hohenlohe, einem Gebiet mit besonders vielen Coronafällen. Sie stellen unter anderem Komponenten für Beatmungsgeräte her; ein Produktionsstopp aufgrund von Corona-Infektionen wäre in diesen Zeiten fatal. Bisher konnten Sie das vermeiden. Wie haben Sie das erreicht?
Hauke Hannig: Wir haben die Gefahr des Coronavirus bereits im Januar sehr ernst genommen und waren stets im engen Austausch mit unserem Geschäftsführer von ebm-papst in China, Thomas Nürnberger. Von ihm haben wir viele Tipps zum Schutz unserer Beschäftigten übernommen und umgesetzt. Um das Ansteckungsrisiko so weit wie möglich zu minimieren, haben wir eine Task Force eingerichtet und dort umgehend Hygienemaßnahmen und Maßnahmen zur Kontaktbegrenzung beschlossen und eingeführt. Unsere obersten Prioritäten bei ebm-papst sind, die Gesundheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen, den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten und die Versorgung unserer Kundschaft sicherzustellen. Dadurch, dass unsere Ventilatoren und Antriebe in vielen systemrelevanten Geschäftsfeldern zum Einsatz kommen, zum Beispiel in Beatmungsgeräten der Medizintechnik, der IT-Industrie und Energieversorgung oder der Lebensmittelindustrie, konnten wir per Sondergenehmigung in vielen Ländern unsere Gesellschaften offen halten.
ASU: Sie haben früh den Handlungsbedarf erkannt, nicht zuletzt auch, weil Sie ein Tochterunternehmen in China haben. Wie schnell wurden Sie von den Kolleginnen und Kollegen gewarnt?
Hauke Hannig: Bereits Mitte Januar berichtete der Geschäftsführer von ebm-papst China, dass sich das Virus verbreitete, strenge Quarantäneregeln eingeführt wurden und viele Menschen starben. Wir haben daraufhin im Februar eine Corona Task Force ins Leben gerufen, die sich täglich mit Thomas Nürnberger und anderen Gesellschaften austauschte. Die Lage wurde in diesem Gremium analysiert, bewertet und Maßnahmen beschlossen. Als die Fälle in Deutschland anstiegen, waren wir gut vorbereitet, aktivierten direkt eine Mitarbeiterhotline und veröffentlichten erste Hygieneempfehlungen im Unternehmen.
ASU: Wie setzt sich Ihr Krisenstab zusammen? Welche Rolle spielen hier die Betriebsärztinnen und -ärzte?
Hauke Hannig: Der Krisenstab besteht aus der Gruppengeschäftsführung, Standortvertretern, dem Betriebsrat sowie Vertreterinnen und Vertretern der Fachbereiche Unternehmenskommunikation, Personal, Logistik, Produktion, Gesundheitsmanagement und Sicherheit. Auch unser Betriebsarzt in der Zentrale in Mulfingen nimmt regelmäßig an den Sitzungen teil und berät das Gremium aus medizinischer Sicht. Hierdurch trafen wir teilweise Entscheidungen, die noch weitreichender waren als die der Gesundheitsämter. So definierten wir beispielsweise die Familie als Einheit. Das heißt, wenn ein Familienmitglied Kontakt zu einem Infizierten hatte und eine häusliche Quarantäne beginnen musste, galt dies auch für unseren Beschäftigten. Dieser wurde dann für 14 Tage bezahlt freigestellt. Der Krisenstab tagt jeweils in Mulfingen und die Teilnehmenden sind in begrenzter Anzahl vor Ort oder wählen sich mobil ein.
ASU: Sie haben sich dazu entschieden, Corona-Tests bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern selbst durchzuführen. Warum?
Hauke Hannig: Als sich das Coronavirus weiter ausbreitete und Testkapazitäten knapp wurden, haben wir im Krisenteam entschieden, potenziell infizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst zu testen. So sollten lange Wartezeiten für Testabstriche vermieden und gleichzeitig das Risiko für weitere Ansteckungen im Unternehmen minimiert werden. Uns ist es weiterhin auch sehr wichtig gewesen, unseren Beschäftigten schnell Gewissheit zu geben, ob sie mit dem Virus infiziert sind. So führten wir Ende Februar an allen drei deutschen Standorten mehrmals pro Woche die Möglichkeit ein, sich bei einem begründeten Verdacht schnell, unkompliziert und kostenlos testen zu lassen. Bislang wurden so rund 250 Tests durchgeführt.
ASU: Wie ist das in Ihrem Unternehmen organisiert? Wer führt diese Tests durch und wo werden diese Tests ausgewertet?
Hauke Hannig: Die Tests werden von unseren Betriebsärztinnen und -ärzten in der Regel auf dem Firmengelände durchgeführt. Sie haben Kontakt zu Laboren, in denen die Tests umgehend ausgewertet werden, so dass wir schnell reagieren und entsprechende Maßnahmen beschließen können. Neben den Tests hat unser Personalbereich zusammen mit dem Gesundheitsmanagement eine Corona-Hotline eingeführt. An diese kann sich jeder Beschäftigte mit Fragen, Bedenken oder Ängsten jederzeit wenden.
ASU: Gab es bereits positive Testergebnisse bei Ihnen im Betrieb? Wie gehen Sie in einem solchen Fall vor?
Hauke Hannig: Uns ist es durch unsere Maßnahmen gelungen, dass sich das Virus im Unternehmen nicht verbreitet hat. Insgesamt haben sich in der gesamten ebm-papst Gruppe mit rund 15.000 Beschäftigten fünfzehn aus den deutschen Standorten mit dem Virus infiziert. Keine dieser Personen hatte sich im Betrieb angesteckt, sondern ausnahmslos im privaten Umfeld. Besonders unsere Region Hohenlohe war einer der Hotspots in Baden-Württemberg. In Italien, China und USA – die besonders stark vom Coronavirus betroffen sind – wurde bisher keiner unserer Beschäftigten positiv getestet.
Wenn eine oder einer unserer Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter Symptome oder Kontakt zu einem Infizierten (berücksichtigt sind hierbei auch die Familienmitglieder eines Haushalts) über unsere Hotline meldete, startete die Quarantäne. Sofern keine Testmöglichkeiten durch das Gesundheitsamt verordnet wurden oder die Wartezeit zu lange war, ermöglichten wir unbürokratisch einen Corona-Test. Sofern ein Test positiv war, startete auch eine vierzehntägige Quarantäne für Personen des direkten Umfeldes.
ASU: Welche Schutzmaßnahmen nehmen Sie außerdem im Betrieb vor, damit es nicht zu Ansteckungen kommt? Verfügen Sie über eine dezidierte Pandemieplanung?
Hauke Hannig: Konkret sehen die Schutzmaßnahmen von ebm-papst folgendermaßen aus: Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Produktion und Verwaltung sind mit einem Mundschutz ausgestattet, wir haben durchgängig A- und B-Teams gebildet, um Begegnungen auszuschließen. Meetings wurden digital abgehalten, der Mindestabstand überall auf 1,5 m festgelegt – selbst in der Kantine, wo die Tische und Stühle entsprechend weit auseinandergerückt wurden. Unsere Maßnahmen waren vorsichtiger als es die Empfehlungen der Gesundheitsämter verlangt haben. So haben wir auch die Familien als Einheit bewertet. Das bedeutet: Gab es in der Familie einen Kontaktfall mit einem Infizierten, musste auch unser Beschäftigter die häusliche Quarantäne antreten und wurde auf Kosten der Firma freigestellt. Um eine eventuelle Infektion frühzeitig zu erkennen, wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gebeten, täglich ihre Temperatur zu überprüfen. Auch der Weg zur Arbeit wurde bedacht: In den Werksbussen wurden alle frühzeitig mit Mundschutz ausgestattet. Den Angestellten der Verwaltung wurde umgehend Homeoffice ermöglicht. Auch die Auszubildenden wurden berücksichtigt: Sowohl technische als auch gewerbliche Auszubildende haben die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten. Dabei werden sie von ihren Betreuerinnen und Betreuern im Unternehmen unterstützt und können Projekte über eine digitale Lernplattform bearbeiten.
ASU: Die Corona-Pandemie bringt ja auch psychische Belastungen der Beschäftigten mit sich. Wie gehen Sie mit deren Sorgen und Ängsten um?
Hauke Hannig: Um unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Sorgen und Ängste zu verringern, setzen wir auf intensive und offene Kommunikation über die Situation und Lage von ebm-papst. Über unterschiedliche Kanäle wie Intranet oder E-Mail-Newsletter informieren wir die Belegschaft kontinuierlich und bieten eine Dialogmöglichkeit. Über unsere eingerichtete Hotline können die Kolleginnen und Kollegen stets Kontakt aufnehmen.
ASU: Die ganze Welt hofft auf eine baldige Verfügbarkeit eines Impfstoffes gegen COVID-19. Können Sie sich vorstellen, dass in Ihrem Unternehmen Schutzimpfungen durchgeführt werden?
Hauke Hannig: Das würde ich nicht ausschließen und wird sicher zu gegebener Zeit diskutiert werden. Wir haben bereits im Grippebereich immer wieder Schutzimpfungen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeboten.
ASU: Welche Lehren können Sie jetzt schon aus der aktuellen Pandemie ziehen und was müssen Unternehmen aus Ihrer Sicht künftig beachten?
Hauke Hannig: Eine der Lehren, die wir daraus ziehen werden, ist sicher das vermehrte digitale Arbeiten – also mobiles Arbeiten. Viele Beschäftigte können nun von zu Hause arbeiten, was vor der Krise weniger möglich war. Besprechungen über Videokonferenzen funktionieren sehr gut, was sich sicher auf die Anzahl von Dienstreisen, unter anderem ins Ausland, auswirken wird. Und leider wird sich unsere ebm-papst Kultur des Händeschüttelns sicher nach Corona reduziert
haben.
ASU: Vielen Dank für das Gespräch!