Büroangestellte sitzen 70.000 Stunden im Laufe ihres Lebens am Schreibtisch. Monotones Sitzen stresst den Bewegungsapparat und die Psyche. Ein Bewegungsmotivator kann dem effektiv entgegenwirken.
Täglich behandeln Orthopäden Patienten mit Beschwerden im Wirbelsäulenbereich, die auf mangelnde Mobilität zurückzuführen sind. Von den Ärzten wird erwartet, dass sie die Arbeitsfähigkeit schnellstmöglich wiederherstellen, bei Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes. Der Kostendruck wiederum erfordert, dass der Patient selbst zum Behandlungserfolg beiträgt. Größter Gegner dabei ist der sog. „innere Schweinehund“.
Erfahrungsgemäß werden Informationen zum ergonomischen Sitzen wenig gelesen und in der Krankengymnastik erlernte Übungen nicht konsequent oder gar nicht durchgeführt – bis der Patient aufgrund myofaszialer Verspannungen erneut nach 3–6 Monaten in der Praxis erscheint. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, müssen Büroarbeiter – vor allem auch präventiv – immer wieder an ein bewusstes Verhalten erinnert werden. Wegweiser kann ein ergonomischer Navigator sein, der der Bewegung am Arbeitsplatz auf die Sprünge hilft.
Sitz-Sensorik am Bürostuhl
Büromöbelhersteller versuchen, die Ergonomie am Arbeitsplatz zu verbessern, etwa mit aktiven Sitzflächen für Drehstühle und mit höhenverstellbaren Schreibtischen. Zweifellos ein Fortschritt, doch leider wird die bewegungsfördernde Technik meist unzureichend oder gar nicht angewendet. Aus medizinischer Sicht ist es wünschenswert, jedem Mitarbeiter im Büro ein Tool an die Hand zu geben, das regelmäßig appelliert, in Bewegung zu bleiben und vorhandene Möglichkeiten zu nutzen. Der Büromöbelhersteller Inwerk hat bei der Entwicklung eines solchen Produkts genau an dieser Stelle angesetzt.
Tracking für dynamisches Sitzen und Stehen
Das Sitz-Sensorensystem MasterMove® integriert das Tracking dynamischen Sitzens und Stehens am Bürostuhl. In einem Kästchen lässt es sich an der Unterseite jedes Drehstuhlmodells befestigen. Da es nicht als Wearable am Körper getragen wird, sondern dauerhaft am Stuhl „klebt“, ist sein Einsatz denkbar einfach. Der Anwender muss es nicht Tag für Tag neu in Betrieb nehmen.
Das batteriebetriebene System arbeitet mit mehreren Sensoren, Speichermedium, Signalgeber, Drahtlos-Verbindungsmodul und App. Es überwacht das Sitzverhalten wie ein persönlicher Coach, der permanent daneben steht und dem nichts entgeht. Wie ein Schrittzähler addiert es die Anzahl aller Bewegungen (Moves) im Sitzen, misst aber auch deren Intensität hinsichtlich Beschleunigung, Drehwinkel und Neigungswinkel. Die Daten werden via Bluetooth auf das Smartphone übertragen und analysiert. Daraus errechnet das System das persönliche Bewegungsprofil, erkennt den Handlungsbedarf und kommuniziert, was der Anwender tun sollte, bevor der Körper sich schmerzgeplagt meldet. Es werden konkrete, individuelle Empfehlungen zur Sitzhaltung, zur Stuhleinstellung und zum Haltungswechsel am höhenverstellbaren Schreibtisch gegeben.
Tracking räumlicher Rahmenbedingungen
Auch die äußeren Einflüsse im Büro sind ergonomisch und psychisch relevant, denn sie triggern häufig einen weiteren Stressfaktor neben der Arbeitsbelastung. Das Sensorensystem misst zusätzlich Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Lautstärke im Raum, meldet sich bei Überschreitung der definierten Grenzwerte und gibt Hinweise zu lüften oder leiser zu sprechen. Das funktioniert wie das Bewegungs-Tracking dauerhaft automatisch, ohne dass ein Handgriff nötig wäre.
Signifikante Bewegungsförderung
Mit dem System MasterMove®, das in Kürze in den Handel kommt, kann jeder seine Bewegungsintensität selbständig kontrollieren und optimieren, weil kontinuierlich daran erinnert wird. Durchgeführte Studien zeigen eine signifikante Verbesserung des Sitzverhaltens. Die Datenanalyse ermöglicht nicht nur Ad-hoc-Empfehlungen am Arbeitsplatz. Über die App kann ein betreuender Mediziner in die Lage versetzt werden, präventive und therapeutische Empfehlungen individuell auf den Nutzer anzupassen, ohne dass eine persönliche Vorstellung notwendig ist.
Dieses Sensorsystem eröffnet ein neues Kapitel der Büro-Ergonomie. Perspektivisch bietet es die Chance, Ausfalltage, Heilmittel- und Schmerzmittelverordnungen deutlich zu reduzieren, was nicht nur im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebots zu begrüßen ist.
Quellen
[1] Beweg Dich, Deutschland! – Techniker Krankenkasse TK Bewegungsstudie 2016, S. 38
[2] Deutsche Krankenversicherung DKV Report 2016, S. 1