Die Rechtsansprüche des Spenders bestehen unabhängig von seinem eigenen Versicherungsstatus. Sie können weitreichen-der sein, als die von gesetzlich Versicherten. Der umfassende Sozialschutz – auch des ansonsten nicht Kranken- oder Unfallver-sicherten – ist nicht gebunden an den Trans-plantationserfolg und beginnt selbst dann bereits bei Voruntersuchungen zu einer beabsichtigten Spende, wenn es nicht zu einer späteren Entnahme von Organen oder Gewebe kommt.,,
Lohnfortzahlung
Im Zuge der Transplantationsnovelle wurde mit § 3a Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ein spezieller Entgeltfortzahlungstatbestand für Lebendspender geschaffen, der bei spen-denbedingter Arbeitsverhinderung ansetzt. Er fordert mithin nicht notwendigerweise krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und greift für die Gesamtdauer von 6 Wochen z. B. auch bei Arbeitsabwesenheiten zur Durchführung von Vor- oder Nachuntersuchungen.
Mit einem Erstattungsanspruch des Ar-beitgebers gegen die (gesetzliche oder private) Krankenversicherung des Empfängers von Organen oder Geweben trägt § 3a Abs. 2 EFZG dem Umstand Rechnung, dass die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers infolge einer Organspende nicht Ausdruck des vom Arbeitgeber zu tragenden allge-meinen Krankheitsrisikos des Arbeitnehmers ist. Folglich wird der Arbeitgeber auch nicht mit den Kosten der Entgeltfortzahlung belastet. Er erhält das fortgezahlte Bruttoarbeitsentgelt einschließlich der von ihm zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge erstattet.
Leistungsansprüche aus der gesetzlicher Krankenversicherung des Empfängers
Nach Ablauf des 6-Wochen-Zeitraums bzw. für nicht abhängig Beschäftigte sichert § 44a SGB V den lohnersetzenden Unterhaltsbedarf von Lebendspendern umfassend. Anspruchsberechtigt sind Nichtkrankengeld-versicherte, Nichtversicherte und Privatversicherte gleichermaßen. Entgegen dem Wortlaut ist der Krankengeldanspruch nicht zwingend abhängig vom Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit im engeren Sinne des Begriffes. Vielmehr ist entsprechend dem systematischen Zusammenhang mit § 27 Abs. 1a SGB V jede spendenbedingte Arbeitsverhinderung anspruchsauslösend.
Der Krankengeldanspruch des Lebendspender ist besserstellend so modifiziert, dass grundlegend eine volle Erstattung des ausgefallenen Nettoarbeitsentgeltes oder des Arbeitseinkommens gewährleistet ist. Durch flankierende Regelungen ist zudem sichergestellt, dass der eigene Versicherungsschutz in der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung keine Unterbrechung oder Schlechterstellung z. B. in Vorversicherungs- oder Wartezeiten erfährt. Die Sozialversicherungsbeiträge sind in diesem Zeitraum alleine von der Krankenkasse des Spendenempfängers zu tragen.
Über § 27 Abs. 1a SGB V ist zwar für die Krankenbehandlung eines Spenders einschließlich der Vor- und Nebenleistungen kein eigener Versichertenstatut erforderlich, jedoch wird sein ggf. höherer Leistungsanspruch aus eigener (Privat-)Versicherung für Sachleistungen zum Maßstab erhoben. Damit ist geregelt, dass die zahlungspflichtige Krankenkasse des Empfängers auch die Kosten zu übernehmen hat, soweit sie über den Leistungskatalog der gesetzlichen Kran-kenversicherung hinausreichen (z. B. Leistungen für Zweibettzimmer oder Chefarztbehandlung). Zu erstatten sind zudem die erforderlichen Fahrtkosten sowie Leistungen der medizinischen Rehabilitation. Von Zuzahlungen ist der Spender vollständig befreit.
Leistungsansprüche aus der privaten Krankenversicherung des Empfängers
Die Absicherung von Personen, die Organe oder Gewebe an einen privat krankenversicherten Empfänger spenden, wird sichergestellt durch die Selbstverpflichtungserklä-rung des Verbandes der Privaten Krankenversicherung. Darin verpflichtet sich die PKV, im Falle einer Organ- und Gewebe-spende nach den §§ 8, 8a TPG zugunsten eines privat krankenversicherten Organempfängers die aus der Spende entstehenden Kosten des Organspenders (ambulante und stationäre Behandlung, Rehabilitationsmaßnahmen, Fahr- und Reisekosten sowie nachgewiesenen Verdienstausfall inklusive der Sozialversicherungsbeiträge) in Höhe des tariflichen Erstattungssatzes zu erstatten. Dies gilt unabhängig vom Versicherungs-status des Spenders, also auch für nicht oder anderweitig krankenversicherte Personen und ohne Beachtung vertraglich vereinbarter Selbstbehalte.
Leistungsansprüche aus der gesetzliche Unfallversicherung
Treten in Folge einer Spendenentscheidung Gesundheitsschäden ein, die nach den der-zeit anerkannten medizinischen Erfahrungs-sätzen nicht notwendig allein schon durch die operative Organentnahme verursacht werden, besteht eine vorrangige Leistungspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung. § 11 Abs. 5 S. 2 SGB V stellt dies klar und gilt selbstverständlich auch für Unfälle auf Wegen, die durch die Spende bedingt sind.
Wesentlich wurde aber mit dem Transplantationsänderungsgesetz der bereits seit dem 30. 04. 1963 in der Unfallversicherung bestehende Spenderschutz aus § 2 Abs. 1 Nr. 13b SGB VII durch ausdrückliche Erweiterung auf Voruntersuchungen und Nachsorgemaßnahmen ergänzt und mit § 12a SGB VII auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt. In Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung des Bundesozialgerichts, die das geplante, willentliche Herbeiführen der Einwirkung – also das Fehlen der Unfreiwilligkeit und Unvorhersehbarkeit im Sinne des Unfallbegriffs – als unschädlich für die Entschädigung etwaiger Folge- oder Begleitschäden der Entnahmeoperation ansah, wird der Arbeitsunfall i. S. d. §§ 7 und 8 SGB VII nunmehr fingiert. § 12 a SGB VII lautet:
- 1. Als Versicherungsfall im Sinne des § 7 Absatz 1 gilt bei Versicherten nach § 2 Absatz 1 Nummer 13 Buchstabe b auch der Gesundheitsschaden, der über die durch die Blut-, Organ-, Organteil- oder Gewebeentnahme regelmäßig entstehenden Beeinträchtigungen hinausgeht und in ursächlichem Zusammenhang mit der Spende steht. Werden dadurch Nachbehandlungen erforderlich oder treten Spätschäden auf, die als Aus- oder Nachwirkungen der Spende oder des aus der Spende resultierenden erhöhten Gesundheitsrisikos anzusehen sind, wird vermutet, dass diese hierdurch verursacht worden sind. Dies gilt nicht, wenn offenkundig ist, dass der Gesundheitsschaden nicht im ursächlichen Zusammenhang mit der Spende steht; eine Obduktion zum Zwecke einer solchen Feststellung darf nicht gefordert werden.
- 2. Absatz 1 gilt auch bei Gesundheitsschä-den im Zusammenhang mit den für die Spende von Blut oder körpereigenen Organen, Organteilen oder Gewebe erforderlichen Voruntersuchungen sowie Nachsorgemaßnahmen. Satz 1 findet auch Anwendung, wenn es nach der Vor-untersuchung nicht zur Spende kommt.
Im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität stärkt die nur begrenzt widerlegbare Beweisvermutung die Rechtsposition des Spenders bei Folgeschäden, deren Spenden-zusammenhang nicht mit dem allgemei-nen Einwand der labilen Prädisposition des Spenders verneint werden darf. Die Vermu-tungsregel entspricht weitgehend dem § 63 Abs. 2, S. 2 SGB VII zur Frage des Zusammenhanges von Berufserkrankung und Tod. Daher wird man die diesbezügliche Rechtsprechung zur Offensichtlichkeit heranziehen dürfen, nach der zwar eine Obduktion nicht veranlasst werden darf, vorhandene Befunde indes beigezogen und bewertet werden dürfen.
Eine besonders nachhaltige Bedeutung gewinnt die Verschiebung der Beweislast auf den Unfallversicherungsträger aus dem Umstand, dass ausdrücklich die spendenbedingte Erhöhung des Erkrankungs- und Lebensrisikos mit in die Leistungspflicht einbezogen ist und der zeitliche Abstand zwischen Gesundheitsschaden und Spende ohne versicherungsrechtliche Bedeutung ist. Zudem wird man mit der bisherigen Rechtsprechung dem Leistungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht entgegenhalten dürfen, es handele sich bei dem Gesundheitsschaden um einen üblichen Folgeschaden, der bei der Organentnahme als typisches Risiko mit dem Eingriff einhergehe und daher nicht unerwartet, sondern von der Eingriffseinwilligung umfasst sei. Denn der Unfallversicherungsschutz soll gerade eingreifen, wenn eine rechtmäßige Organspende zu weiteren (üblichen oder unüblichen) Gesundheitsschäden führt, die über die mit der Organentnahme notwendig bzw. zwingend verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen hinausgehen. Vergleichbar mit der Situation von Nothelfern bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr, die sich in Erfüllung ihrer humanen Pflichten gefährlichen Situationen mit dem Bewusstsein einer vorhersehbaren Beeinträch-tigung ihrer körperlichen Integrität aussetzen, würde ein Ausschluss „üblicher“ (aber nicht zwingend erforderlicher) Gesundheitsschäden den Schutzzweck des § 2 Abs. 1 Nr. 13b SGB VII ungerechtfertigt verkürzen.
Es bleibt zu hoffen, dass das Wissen um umfassenden sozialen Schutz, finanzielle Absicherung und gesicherte Nachsorge den potenziell spendenbereiten Bürger bei seiner nicht leichten Entscheidung zur Lebend-organspende wenigstens insoweit von etwaigen Zukunftssorgen befreit.
Fußnoten
1 TPGÄndG v. 21. 07. 2012 BGBl. I S. 1601 (Nr. 35); Geltung ab 01. 08. 2012
2 vgl. dazu das Organ- und Gewebehandelsverbot des § 17 TPG
3 §§ 8, 8a TPG
4 vgl. Greiner, Krankengeld und Entgeltfortzahlung bei Organ- und Gewebespenden, NZS 2013, 241, 245
5 Bei gesetzlich versichertem Spendenempfänger begrenzt durch die Beitragsbemessungsgrenze in der GKV
6 Zum Wortlaut der dem Bundesminister für Gesundheit unter dem 9. Februar 2012 übermittelten Selbstverpflichtungs-
erklärung vgl. BT-Drucksache 17/9773, 17. Wahlperiode, 23.05.2012, S. 38
7 s. Vorläufervorschrift § 539 Nr. 10 RVO vom 30. 10. 1963, BGBl. I S. 241
8 vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 15. 05. 2012 – B 2 U 16/11 R
9 vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss), BT-Drucksache 17/9773, 17. Wahlperiode, 23. 05. 2012, S. 42
10 Urteil des Bundessozialgerichtes vom 15. 05. 2012 – B 2 U 16/11 R
Autor
Reinhard Holtstraeter
Rechtsanwalt
Lorichsstraße 17
22307 Hamburg