Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Berufsgenossenschaft die Verletztenrente des Klägers herabsetzen durfte, weil er mit einer mikroprozessorgesteuerte Oberschenkelprothese, einem sog C-Leg, versorgt wurde. Der als Schüler verunfallte Kläger erhielt eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 v.H. nach einem Polytrauma mit Verlust des linken Beines im Bereich des Oberschenkels, narbenbedingte Sensibilitätsstörungen im Bereich des Oberschenkelstumpfes, Phantomschmerzen nach Oberschenkelamputation sowie leichten Leistungseinschränkungen und Wahrnehmungsbeeinträchtigung nach Schädel-Hirn-Trauma.
Nach erfolgreicher Prothesenversorgung hob die Beklagte den Rentenbescheid vom 05. 07. 2001 wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nach § 48 SGB X teilweise auf und gewährte dem Kläger ab dem 01. 08. 2007 nur noch eine Verletztenrente nach einer MdE von 60 v.H. Zur Begründung führte sie aus, durch die Versorgung mit der C-Leg-Prothese sei eine deutliche Funktionsverbesserung des linken Beines eingetreten, die zu einem flüssigeren Gangbild und einer Erhöhung der Gang- und Standsicherheit geführt habe. Dem Kläger sei nunmehr das sichere Gehen und Stehen sowie das Treppensteigen weitestgehend ohne Gehhilfe möglich. Dadurch habe sich seine Mobilität einschließlich des Wirkungsbereichs verbessert.
Das Sozialgericht hatte die Bescheide der Beklagten aufgehoben und das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Rente seien nicht erfüllt, weil keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Die Unfallfolgen sowohl auf neurologischem und neuropsychiatrischem als auch auf chirurgischem Fachgebiet bestünden unverändert fort. Die Gebrauchsvorteile der prothetischen Versorgung mit einem C-Leg führten zu keiner geringeren MdE. Bei einem Verlust der Gliedmaßen sei der objektive funktionelle Körperschaden unabhängig von dem Erfolg der prothetischen Versorgung für die Bewertung der MdE zugrunde zu legen, denn eine entsprechende Prothese könne den Körperschaden derzeit nicht vollständig kompensieren. Dies entspreche der herrschenden Auffassung in der unfallrechtlichen Literatur. Nur wenn ein Hilfsmittel einen physiologisch vollwertigen Ersatz darstelle bzw. Ausgleich schaffe, sei es gerechtfertigt, allein die verbleibenden Funktionseinbußen der Bemessung der MdE zugrunde zu legen. Die verbleibenden Funktionseinschränkungen bei prothetischer Versorgung würden unabhängig von der konkreten Art der Versorgung im Sinne einer Durchschnittsbewertung berücksichtigt. Dies führe zu einer Gleichbehandlung und Verwaltungsvereinfachung.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügte die Beklagte die Verletzung der §§ 73 und 56 SGB VII i.V.m. § 48 SGB X. Die signifikante Verbesserung der Körperfunktionen des Klägers durch seine Versorgung mit dem C-Leg begründe eine wesentliche Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 48 SGB X, denn die Gebrauchsvorteile dieser Prothese gegenüber einer konventionellen Versorgung im Erwerbsleben würden die Bewertung der MdE auf chirurgischem Fachgebiet mit nur 50 v.H. rechtfertigen. Nach den gemäß § 56 Abs. 2 SGB VII für die Höhe der MdE maßgebenden Bestimmungsfaktoren seien Funktionsverbesserungen durch Heil- oder Hilfsmittel zu berücksichtigen. Die vom LSG zugrunde gelegten, in verschiedenen Handbüchern genannten MdE-Erfahrungswerte könnten Verwaltung und Gerichte nicht normähnlich binden.
Dem konnte sich das Bundessozialgericht (BSG) nicht anschließen. Es wies die Revision als unbegründet zurück. Es sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das LSG entschieden habe, die Versorgung des Klägers mit einer mikroprozessorgesteuerten Oberschenkelprothese bewirke keine geringere MdE als die im Jahre 2001 festgesetzte.
Keine Änderung von mehr als 5 v.H.
Durch die Versorgung des Klägers mit einer C-Leg-Prothese im Jahre 2006 sei keine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X gegenüber den Verhältnissen im Jahre 2001 eingetreten. Nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Nach § 73 Abs. 3 SGB VII ist eine Änderung in der Höhe der MdE nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 v.H. beträgt. Ob eine Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X eingetreten ist, ist durch Vergleich der Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Verwaltungsaktes mit den zum Zeitpunkt des Erlasses des aufhebenden Verwaltungsaktes bestehenden Verhältnissen zu ermitteln. Die tatsächlichen Verhältnisse änderten sich zwar im März 2006 insoweit, als der Kläger zu diesem Zeitpunkt eine neue Oberschenkelprothese erhielt und sich dadurch seine Mobilität und Koordination verbesserte sowie sein Aktionsradius vergrößerte. Diese Änderung sei aber nicht wesentlich gewesen und begründete kein Recht der Beklagten, eine Verletztenrente in geringerer Höhe nach einer MdE von nunmehr nur noch 60 v.H. festzusetzen.
Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG sei schon keine Änderung der auf dem Arbeitsunfall beruhenden Gesundheitsstörungen des Klägers eingetreten gewesen, denn sein Gesundheitszustand hätte sich weder auf dem neurologischen und neuropsychiatrischen noch auf dem chirurgischen Fachgebiet verändert, insbesondere nicht verbessert.
MdE-Bewertung ist Tatsachenfeststellung
Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse sei nur insoweit erfolgt, als der Kläger anstelle der bisherigen Prothese ab März 2006 mit einer mikroprozessorgesteuerten Prothese, einem sog. C-Leg, versorgt worden war und sich dadurch nach den ebenfalls unangegriffenen Feststellungen des LSG seine Mobilität und Koordination verbessert hatte. Durch den Gebrauch des C-Legs konnte der Kläger weitgehend ohne Gehhilfen gehen, sein Aktionsradius hatte sich vergrößert.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt damit zum einen von den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und zum anderen von dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten ab. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten.
Die Bemessung des Grades der MdE ist daher nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine tatsächliche Feststellung, die das Tatsachengericht unter Berücksichtigung der gesamtem Umstände des Einzelfalls gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen richterlichen Überzeugung trifft. Die der Feststellung der MdE zugrunde liegende, vom LSG gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens unter Einschluss der Beweisaufnahme nach der Überzeugungskraft der jeweiligen Beweismittel frei vorzunehmende Würdigung des Sachverhaltes könne das Revisionsgericht auf Rüge grundsätzlich nur darauf prüfen, ob das Tatsachengericht bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen und ob es das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt hat.
Tabellenverwendung unbedenklich
Das LSG habe jedoch zutreffend entschieden, dass die durch die Änderung der prothetischen Versorgung erfolgte Verbesserung der Mobilität, der Koordination und des Aktionsradius des Klägers keine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X sei. Diese Verbesserungen durch die prothetische Versorgung begründeten nach den gängigen MdE-Tabellen zu § 56 Abs. 2 SGB VII keinen Anspruch der Beklagten auf Festsetzung einer Verletztenrente in geringerer Höhe als nach einer MdE von 70 v.H.
Gegen die Anwendung der gängigen MdE-Tabellen als solche durch das LSG bestünden keine revisionsrechtlichen Bedenken. Zwar habe der Senat bereits entschieden, dass die Bindungswirkung der tatsächlichen MdE-Feststellung gemäß § 163 SGG nicht in vollem Umfang für die Überprüfung der in den MdE-Tabellen abstrakt niedergelegten MdE-Tabellenwerte gilt. Die Anwendung der den MdE-Tabellenwerten zugrunde liegenden allgemeinen bzw. wissenschaftlichen Erfahrungssätze unterliegt vielmehr jeweils der revisionsrechtlichen Überprüfung dahingehend, ob diese Tabellenwerte offensichtlich falsch sind und ob sie dem neuesten Stand der Wissenschaft entsprechen.
Wie die nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats revisionsrechtlich überprüfbaren allgemeinen (generellen) Tatsachen, die für die Feststellung von Berufskrankheiten von Bedeutung sind, sind auch die MdE-Tabellenwerte allgemeine (generelle) Tatsachen, die für die Bestimmung des Inhalts einer Rechtsnorm – nämlich des in § 56 Abs. 2 SGB VII verwendeten Begriffs der MdE – und damit für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle relevant sind. Bei einer Vielzahl von Unfallfolgen haben sich im Laufe der Zeit für die Schätzung der MdE Erfahrungswerte herausgebildet. Sie sind in Form von Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und dienen als Hilfsmittel für die MdE-Einschätzung im Einzelfall. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber ein in sich stimmiges Beurteilungsgefüge.
MdE-Tabellen bezeichneten typisierend das Ausmaß der durch eine körperliche, geistige oder seelische Funktionsbeeinträchtigung hervorgerufenen Leistungseinschränkungen in Bezug auf das gesamte Erwerbsleben und ordnen körperliche oder geistige Funktionseinschränkungen einem Tabellenwert zu. Die in den Tabellen und Empfehlungen enthaltenen Richtwerte gäben damit auch allgemeine Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher Beeinträchtigungen auf die Erwerbsfähigkeit aufgrund des Umfangs der den Verletzten versperrten Arbeitsmöglichkeiten wieder und gewährleisten, dass die Verletzten bei der medizinischen Begutachtung nach einheitlichen Kriterien beurteilt werden.
MdE-Tabellenwerte nicht erkennbar falsch
Wende ein Tatsachengericht solche allgemein akzeptierten MdE-Tabellen an, sei revisionsrechtlich die Prüfung des BSG darauf beschränkt, ob diese Tabellenwerte erkennbar falsch sind, etwa weil sie dem Stand des medizinischen Wissens oder des Erfahrungswissens anderer einschlägiger Wissenschaftsgebiete (wie hier beispielsweise auch der Arbeitsmarktforschung) widersprächen. Es sei bei Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs nicht erkennbar, dass die von dem LSG angewandten MdE-Tabellenwerte nicht mehr dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechen und deshalb als wissenschaftlich unhaltbar der Rechtsfindung nicht zugrunde gelegt werden durften.
Das LSG habe für die MdE auf chirurgischem Fachgebiet den in den Standardwerken derzeit für eine Oberschenkelamputation gängigen MdE-Tabellenwert von 60 v.H. zugrunde gelegt, wobei überwiegend nicht danach differenziert wird, ob eine Versorgung mit einer mikroprozessorgesteuerten Prothese anstelle einer herkömmlichen Prothese möglich oder erfolgt ist (vgl. Schönbergeret al. 2010, S. 691; Mehrhoff et al. 2012; Nehls 2014; vgl auch im Ergebnis eine Differenzierung nach Versorgungsqualität ablehnend: Schwerdtfeger 2001). Bei seiner Entscheidung habe das LSG auch berücksichtigt, dass bislang die gängigen Tabellenwerte zur Einschätzung der MdE bei der Amputation der unteren Gliedmaßen nicht grundsätzlich geändert wurden. Das LSG sei mithin zumindest im Ergebnis davon ausgegangen, dass es nach wie vor dem Stand des Erfahrungswissens in der unfallmedizinischen Literatur entspricht, bei Amputationen die Qualität der prothetischen Versorgung für die Einschätzung der Höhe der MdE nicht zu berücksichtigen, weil die derzeit gängigen Tabellenwerke keine Differenzierung nach der Qualität der Hilfsmittelversorgung enthalten. Dies ist entgegen der Auffassung der Beklagten revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, weil nicht feststellbar ist, dass die vom LSG zugrunde gelegten MdE-Tabellenwerte nicht mehr dem neuesten Stand der unfallmedizinischen Wissenschaft entsprechen oder offensichtlich falsch sind.
Aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisstand
Ein medizinischer Erfahrungssatz entspreche in der Regel dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand, wenn er von allen oder den meisten in dem entsprechenden Fachgebiet Kundigen vertreten wird. Er kann aber auch dann den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen, wenn er nicht von allen im jeweiligen Erkenntnissystem Handelnden geteilt wird und auch abweichende Auffassungen vertreten werden. Deshalb kann allein aus dem Vorliegen unterschiedlicher Auffassungen bei den im entsprechenden Fachgebiet Kundigen nicht geschlossen werden, dass ein Erfahrungssatz falsch ist oder nicht mehr dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entspricht.
Zwar werde vereinzelt in der unfallmedizinischen Literatur bei einer Bemessung der MdE für Beinamputationen eine Differenzierung nach der Hilfsmittelqualität und für den Fall der bestmöglichen Versorgung, z.B. mit einer mikroprozessorgesteuerten Prothese, ein geringerer MdE-Wert vorgeschlagen (vgl. Ludolph u. Schürmann 2016; Schürmann 2014; Becker 2008; Koss 2004; Plagemann 2004). Allein aufgrund dieser Literaturmeinungen könne jedoch nicht festgestellt werden, dass die vom LSG zugrunde gelegten Erfahrungssätze nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen oder offensichtlich falsch sind.
Es erscheine damit durchaus möglich, dass der Tabellenwert für die MdE bei einer Amputation im Oberschenkelbereich niedriger angesetzt werden könnte, wenn eine heute technisch mögliche, verbesserte Prothesenversorgung zu geringeren Funktionseinschränkungen führt und deshalb den Verletzten mehr Betätigungsfelder im Erwerbsleben offen stehen. Eine dahin gehende generelle Änderung der MdE-Tabellenwerte ist in der entsprechenden unfallmedizinischen Literatur bisher jedoch nicht erfolgt. Allenfalls werden – wie jetzt auch in neuesten Auflagen der unfallmedizinischen Standardwerke (vgl. z.B. Schönberger et al. 2017) – unterschiedliche Tabellenwerte unkommentiert und gleichrangig wiedergegeben, ohne dass erkennbar oder Stellung dazu bezogen wird, welche der beiden Auffassungen den nunmehr aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wiedergibt.
Verbesserte Erwerbsmöglichkeiten nicht erkennbar
Für den Senat sei auch sonst nicht feststellbar, dass der von der unfallmedizinischen Literatur zugrunde gelegte Tabellenwert einer MdE von 60 v.H. bei Versorgung mit einer mikroprozessorgesteuerten Prothese offensichtlich falsch sei und ein geringerer MdE-Wert bei Versorgung mit einem C-Leg anzusetzen wäre. Der bisherige MdE-Tabellenwert von 60 v.H. bestimme sich zwar anhand der Amputationshöhe und knüpft damit an die Strukturverletzung an, berücksichtigt aber – da der Erfolg der prothetischen Versorgung und damit die verbliebene Funktion maßgeblich von der Amputationshöhe abhängen – pauschalierend das Ausmaß der Funktionsstörungen.
Damit findet die Möglichkeit einer prothetischen Versorgung bereits jetzt Eingang in die MdE-Bemessung. So setzten die MdE-Werte nach einigen Tabellenwerken voraus, dass „der Zustand des Stumpfes sehr gut ist und dass der Verletzte gut passende orthopädische Hilfsmittel tragen kann“ (vgl. Nehls 2014; Ricke 2016). Für den Senat ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die prothetische Versorgung mit einem C-Leg die Funktionsstörungen bei einer Oberschenkelamputation derart kompensieren könnte, dass unter Berücksichtigung der in § 56 Abs. 2 SGB VII ausdrücklich genannten Anforderungen des Arbeitsmarktes nunmehr Erwerbsmöglichkeiten in einem Umfang eröffnet würden, dass deshalb ein MdE-Wert von 60 v.H. den Umfang der verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens offensichtlich fehlerhaft beschreibt.
Rechtsgrundlagen der MdE verbesserungsbedürftig
Kritisch anzumerken bleibt, dass aufgrund der Regelungsstruktur des § 56 Abs. 2 SGB VII prinzipiell unklar bleibt, welche medizinischen Referenzgrößen und welche arbeitsmarktpolitischen bzw. soziologischen Erkenntnisse die Verfasser der MdE-Tabellen in ihre Überlegungen grundsätzlich einzustellen haben. Es würde einen Gewinn an Rechtssicherheit und -klarheit darstellen, wenn der Gesetzgeber selbst in § 56 Abs. 2 SGB VII eine Delegation zum Erlass von MdE-Tabellen aussprechen würde, die den Kriterien des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG genügen würde. Dabei wäre der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber auch berufen, die allgemeinen Maßstäbe und das Verfahren der Erstellung der MdE-Tabellen – wie es etwa durch die Versorgungsmedizin-Verordnung für die Bestimmung des Grades der Behinderung i.S. von § 69 Abs. 1 S. 5 SGB IX und im sozialen Entschädigungsrecht für den Grad der Schädigungsfolgen nach § 30 Abs. 1 BVG geschehen ist – zu normieren.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
Literatur
Becker J: Aktuelle Fragen zur Beurteilung von Implantaten und Prothesen – Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit – aus rechtlicher Sicht. MedSach 2008; 4: 142, 145 f.
Koss M: Muss eine Funktionsverbesserung durch Heil- und Hilfsmittel sich auf die MdE-/GdB-Beurteilung auswirken? – aus medizinischer Sicht. MedSach 2004; 3: 92, 93.
Ludolph E, Schürmann J: Neubewertung der MdE bei unfallchirurgisch-orthopädischen Arbeitsunfall- und BK-Folgen in der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV). MedSach 2016; 2: 60, 68.
Mehrhoff F, Ekkernkamp A, Wich M (Hrsg.): Unfallbegutachtung, 13. Aufl. München: C.H. Beck, 2012, S. 193.
Nehls J et al. In: Podzun H (Hrsg.): Der Unfallsachbearbeiter, Stand Juni 2014, US 0500, München: C.H. Beck, 2014, S. 38.
Plagemann H: Muss eine Funktionsverbesserung durch Heil- und Hilfsmittel sich auf die MdE-/GdB-Beurteilung auswirken? – aus Sicht eines Anwalts,. MedSach 2004; 3: 94, 96.
Ricke: SGB VII § 56 – Voraussetzungen und Höhe des Rentenanspruchs. Kasseler Komm, SGB VII, Stand Juni 2016, § 56 RdNr. 70.
Schönberger A, Mehrtens G, Valentin H:, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2010, S. 691.
Schönberger A, Mehrtens G, Valentin H: Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2017, S. 725, 727.
Schürmann J: Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nach Hilfsmittelversorgung oder Medikation. Trauma und Berufskrankheit 2014: 204, 207 ff.
Schwerdtfeger U: Muss die Einschätzung zur MdE bei verbesserter Orthopädietechnik überdacht werden? Trauma und Berufskrankheit 2001; 3: 353, 354 ff.