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Neue Arbeitsbedingungen erfordern neue Fähigkeiten

Resilienz nennen Psychologen die Fähigkeit, Widrigkeiten und Herausforderungen zu meistern – und an ihnen sogar zu wachsen. Diese Widerstandskraft lässt sich erlernen, ist das Team um Akademieleiterin Sylvia Kéré Wellensiek überzeugt. Wie Resilienz im Unternehmen gefördert werden kann, um Burnout vorzubeugen, wurde viel-schichtig an den Tischen besprochen.

Die gute Nachricht: Die Fähigkeit, sich selbst gut durch den Alltag zu steuern, kann man lernen. Gefragt sind dafür Kompetenzen, die weder im Kindergarten, noch in der Schule, in Ausbildungen oder im Studium gezielt vermittelt werden. Es geht um Selbst-vertrauen, souveräne Selbststeuerung, innere Festigkeit, hohe Stressresistenz, Flexibilität, Freude an Neuerungen, Vertrauen in Wandel, klare Werteverankerung, kreatives Denken sowie einfühlsame Kommunikations- und Beziehungsfähigkeit. All diese Fähigkeiten lassen sich mit einem Wort umschreiben: Resilienz.

Individuelle und organisationale Resilienz

Im wirtschaftlichen Kontext bezeichnet Re-silienz die Fähigkeit, schnell auf veränderte Anforderungen zu reagieren und sich diesen erfolgreich anzupassen. Der Begriff wird sowohl für Individuen als auch für ganze Organisationen verwendet. Denn zwischen der Stärke und Wirksamkeit einzelner Organisationsmitglieder und der Reaktionsfähigkeit der Organisation als Ganzes be-steht eine große Abhängigkeit. Um Unternehmens-Resilienz zu entwickeln und lang-fristig zu stabilisieren, muss folglich auf verschiedenen Ebenen gedacht, geplant und gehandelt werden.

Grundsätzlich lassen sich präventive Re-silienzfaktoren auf drei Ebenen fördern: auf der individuellen Ebene, womit die persön-liche Grundhaltung jedes einzelnen Organisationsmitglieds gemeint ist. Auf der sozialen Ebene, also dem Zusammenspiel der einzelnen Teams. Und schließlich auf der strukturellen Ebene, durch Überprüfung der Organisationsentwicklung, der Prozesse, der Informationsströme, der Kommunikationskultur und des Qualitätsmanagements. Bei der Entwicklung einer Resilienz-Strategie für eine Organisation kommen viele bewährte Maßnahmen und Instrumente zum Einsatz oft mit einer etwas anderen Gewichtung als üblich.

Eine Veränderung hin zu einem resilienten Unternehmen wird in erster Linie durch die Entwicklung der Mitarbeiter sowie der Führungskräfte angestoßen. Arbeitnehmer müssen heute ständig mit vielschichtigen und drängenden Veränderungsprozessen zurechtkommen. Wie Bergführer müssen sie auf unterschiedliche Einflussfaktoren und komplexe Situationen reagieren. Zudem sind insbesondere Führungskräfte auf der Bereichsleiterebene, aber auch Abteilungs-, Projekt-, Team- oder Gruppenleiter oftmals Stoßdämpfer zwischen den verschiedenen Anspruchsgruppen und Beteiligten einer Organisation. Ein zentraler Aspekt der Resilienzstärkung auf individueller Ebene ist daher, Menschen zu Eigenverantwortung und hoher Selbstständigkeit zu motivieren. Kern dieser speziellen Form der Potenzialerweiterung ist es, Menschen dazu zu verhelfen, ihre Stärken besser kennenzulernen und dadurch ihre Selbstwirksamkeit systematisch zu erweitern.

Resilienzfaktoren im Überblick

Das Konzept der Resilienz gründet auf drei Einflussgrößen. Wie widerstandsfähig ein Mensch ist, hängt demnach von angeborenen Eigenschaften ab, von Fähigkeiten, die der Einzelne in Interaktion mit seiner Umwelt erwirbt und Faktoren, die er in seiner Umwelt vorfindet. Die Stärkung persönlicher Resilienz setzt daher an den folgenden drei Ebenen an.

  1. 1.Die persönliche Grundhaltung. Damit ist die Verbindung jedes Menschen zu sich selbst gemeint. Das Selbstvertrauen, das ein Mensch durch seine Biografie hindurch entfalten konnte, ist in vielen Fällen ausschlaggebend dafür, wie er sich erlebt und nach außen hin auftritt. Diese Grundeinstellung zur eigenen Person beeinflusst letztlich alle Gefühle, Gedanken und Handlungen, ob im privaten oder beruflichen Bereich. An allen Gesprächstischen wurden Themen besprochen, wie: Der aufmerksame Blick auf Energieräuber und -spender. Ein achtsamer, wertschätzender Umgang mit mir und anderen, Selbstwirksamkeit und Humor, und nicht zuletzt eine klare Kommunikation.
  2. 2.Die sozialen Ressourcen. Hierbei geht es um den Kontakt, den jeder Einzelne zu anderen Menschen und seiner Umgebung aufbaut. Fast alle Resilienz-Studien weisen darauf hin, dass es für Menschen in guten wie in schlechten Zeiten wertvoll ist, über vitale Verbindungen zu vielen verschiedenen Menschen zu verfügen. Man könnte zwar meinen, dass uns Beziehungsfähigkeit in die Wiege gelegt wurde. Doch wie gut wir auf andere zugehen und ins Gespräch kommen können, wie wir Nähe und Distanz steuern, Konflikte austragen und anderen Menschen gegenüber Wertschätzung ausdrücken können, hat mit frühen Prägungen und Erfahrungen in unserer Herkunftsfamilie zu tun. Zum Feld der sozialen Ressourcen zählt auch das Gefühl der Zugehörigkeit zu einem größeren Ganzen. Dieser Halt und die Einbindung im Netzwerk von Familie, Freunden und Kollegen wurde auch im Café als maßgeblich aufgeführt.
  3. 3.Die arbeitsbezogenen Ressourcen. Diese Ebene bezieht sich auf die Bedingungen, die die Qualität eines Arbeitsplatzes aus-machen. Durch die Burnout-Diskussion ist der Eindruck entstanden, dass die heutigen Arbeitsformen Menschen vornehmlich aussaugen und beschädigen. Doch dies ist keine Zwangsläufigkeit. Der Beruf kann eine große Bereicherung für das Lebensglück eines Menschen sein. Wesentliche Faktoren sind hierfür klare Unternehmenswerte, eine sinnvolle Tätigkeit, Fairness im beruflichen Umgang, Respekt und soziale Gerechtigkeit. Ge-rade Führungskräfte besitzen verschiedene Möglichkeiten und Handlungsspielräume, um auf diese Einflussgrößen gestalterisch einzuwirken. Denn die sog. „Resilienz-Falle“, sich selber oder von anderen durch wieder gewonnene Wi-derstandskraft „ausgebeutet“ zu werden, wurde in den Caféhaus-Gesprächen mit großer Aufmerksamkeit diskutiert.

Den Einzelnen stärken

Um Resilienz zu entwickeln, müssen diese drei Einflussgrößen in den Blick genommen und jeweils individuell bearbeitet und gestärkt werden. Voraussetzung dafür ist eine aufmerksame Selbstreflexion.

Die Resilienz-Kompetenz auf der Ebene arbeitsbezogener Ressourcen zu stärken, bedeutet letztlich, persönliche Spielräume und Handlungsfelder wahrzunehmen und zu gestalten. Es geht hierbei um Fragen wie: Was ist machbar innerhalb dieser Arbeitsstruktur? Welche Felder sind unveränderbar? Was sind unrealistische Ziele? Die Themen Macht und Ohnmacht, und der realistisch, machbare Umgang tauchten an den Tischen auf. Durch die konsequente Ausrichtung auf Bereiche, die beeinflussbar sind, können sich neue Prioritäten und Gestaltungsmöglichkeiten ergeben.

Unternehmens-Resilienz fördern

Widerstandskraft kann sowohl mit Einzelpersonen als auch in Teams trainiert werden. Neben der Stärkung der einzelnen Teammitglieder geht es hierbei auch um die Auflösung teamspezifischer Belastungen und Blockaden. Eine klare Auswertung fungiert als Basis für eine Strategieentwicklung. Die direkte Umsetzung des Gelernten ist das primäre Ziel der Resilienzarbeit. Denn nur durch praktische Erfahrung vergrößern sich das Selbstbewusstsein, die innere Kraft und die Handlungsfähigkeit eines Menschen.

Vitale Partner im Alltag

Wer sich den enormen Anstieg psychosozialer Erkrankungen vor Augen hält, ahnt, dass gute Führung mehr denn je gefragt ist. Denn wenn Mitarbeiter ständig gefordert sind, unter Strom zu agieren, sind für sie (selbst-)erfahrene Mentoren an ihrer Seite wichtig, die Fallgruben und Stolpersteine kennen und dabei helfen, diese zu umgehen. Sie brauchen resiliente Führungskräfte. Um dieser anspruchsvollen Rolle gerecht werden zu können, müssen Vorgesetzte zum einen Verständnis und Unterstützung von Seiten der Geschäftsführung erfahren, schließlich stehen sie selbst unter starkem Druck. Zum anderen benötigen sie fundierte Schulung.

Für Führungskräfte ist es etwa wichtig zu lernen, ihre verschiedenen Aufgabenfelder zu betrachten und realistisch auszubalancieren. Um keine Kraft zu verschwenden, ist es zudem wesentlich für sie, zwischen veränderbarer und unveränderbarer Welt zu unterscheiden und sich auf die beeinflussbaren Handlungsspielräume zu konzentrieren. Letztlich gilt: Menschen, die sich selbst vertrauen, können auch anderen besser vertrauen. Und dies ist Voraussetzung, um offen miteinander ins Gespräch zu kommen und gemeinsam und kreativ nach Lösungen zu suchen.

Es geht weiter!

Der 2. ASU-Präventionskongress ist bereits in Planung: Dieser findet am Donnerstag, den 16.06. und Freitag, den 17.06.2016 wiederum in der Filderhalle in Leinfelden-Echterdingen statt. Thematisch wird sich der Kongress erneut mit aktuellen Themen betrieblicher Präventionsarbeit auseinandersetzen und dabei neue Lernformate anbieten.

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    Autor

    Klaus Isemann

    HBT Akademie GbR

    Eichenstraße 19

    82396 Fischen am Ammersee

    isemann@hbt-akademie.de