Die vom Ausschuss Arbeitsmedizin der Gesetzlichen Unfallversicherung (AAMED-GUV) erarbeitete 1. Auflage der neuen „DGUV Empfehlungen für arbeitsmedizinische Beratungen und Untersuchungen“ löst die sechste Auflage der weithin seit über 50 Jahren bekannten „DGUV Grundsätze für arbeitsmedizinische Untersuchungen“ ab. Sie wurden inhaltlich neu strukturiert, aktualisiert und um neue DGUV Empfehlungen ergänzt. Hauptzielgruppe sind wie bisher Betriebsärzte und Betriebsärztinnen, die damit weiterhin bei der inhaltlichen Gestaltung von arbeitsmedizinischen Beratungen und Untersuchungen unterstützt werden sollen.
Der Empfehlungscharakter wird im neuen Titel besonders betont. Bei den DGUV Empfehlungen wird zukünftig auf Nummerierungen verzichtet und lediglich die Bezeichnung genannt (z. B. aus dem DGUV Grundsatz G 20 „Lärm“ wird die DGUV Empfehlung „Lärm“).
Spätestens mit der Novellierung der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) im letzten Jahrzehnt hat sich ein fachpolitischer Paradigmenwechsel durchgesetzt. Die individuellen Rechte und Pflichten der Versicherten stehen bei allen Maßnahmen des Betriebsarztes oder der Betriebsärztin im Vordergrund. Die meisten DGUV Empfehlungen beschäftigen sich mit arbeitsmedizinischer Vorsorge und knüpfen an die ArbMedVV als Rechtsgrundlage an. Die Beratung der Versicherten hat in den einzelnen Empfehlungen deutlich an Gewicht gewonnen und gehört verpflichtend zur Durchführung der Vorsorge. Dem trägt auch der um das Wort „Beratungen“ erweiterte Titel Rechnung.
Die neuen Empfehlungen unterstützen die Intention des Verordnungsgebers, der die arbeitsmedizinische Vorsorge neu ausgerichtet hat. Sie bieten den Betriebsärztinnen und Betriebsärzten wichtige ergänzende Informationen zu den in der ArbMedVV beschriebenen Vorsorgeanlässen, unter Berücksichtigung der vom staatlichen Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAMed) veröffentlichten Arbeitsmedizinischen Regeln (AMR) und Arbeitsmedizinischen Empfehlungen (AME).
Die „DGUV Empfehlungen“ orientieren sich dabei an der Grobgliederung des Anhangs der ArbMedVV und behandeln zunächst „Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“, danach „Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen“, dann „Tätigkeiten mit physikalischen Einwirkungen“ und schließlich „sonstige Tätigkeiten“.
Die ArbMedVV fordert grundsätzlich eine Trennung von arbeitsmedizinischer Vorsorge und Untersuchungen, die dem Nachweis der gesundheitlichen Eignung für berufliche Anforderungen dienen. Beide sollen nicht zusammen durchgeführt werden, sofern nicht betriebliche Gründe dies erfordern.
Arbeitsmedizinische Vorsorge dient der frühzeitigen Erkennung und Verhütung von arbeitsbedingten Erkrankungen einschließlich Berufskrankheiten. Eignungsbeurteilungen dienen dagegen der Beantwortung der Frage, ob die vorhandenen physischen und psychischen Fähigkeiten und Potenziale der Beschäftigten erwarten lassen, dass die während der Beschäftigung zu erledigenden Tätigkeiten von ihnen ausgeübt werden können.
Auf den oben dargestellten Paradigmenwechsel und die strikte Trennung zwischen Vorsorge und Eignung soll auch durch die Trennung des Werkes in zwei Teile deutlich hingewiesen werden.
Im größeren ersten Teil geht es in den „DGUV Empfehlungen arbeitsmedizinische Beratungen und Untersuchungen“ um Fragen der arbeitsmedizinischen Vorsorge.
Der zweite Teil der DGUV Empfehlungen zielt beim Vorliegen von entsprechenden Rechtsgrundlagen auf Eignungsbeurteilungen ab. Hierzu gehören die DGUV Empfehlungen „Arbeiten in sauerstoffreduzierter Atmosphäre“, „Arbeiten mit Absturzgefahr“ sowie „Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten“. Die DGUV Empfehlung „Atemschutzgeräte“ erscheint in unterschiedlicher Ausrichtung sowohl im 1. als auch im 2. Teil des Buches. Die DGUV Empfehlung „Überdruck“ wurde in eine DGUV Empfehlung „Taucherarbeiten“ (1. Teil) und eine auf der DruckLV basierenden Empfehlung „Überdruck (Arbeiten in Druckluft und Taucherarbeiten)“ (2. Teil) überarbeitet.
Neu entwickelt wurde die DGUV Empfehlung „Natürliche optische Strahlung (Sonnenstrahlung)“, die sich im 1. Teil wiederfindet. Entfallen ist der bisherige DGUV Grundsatz G 22 „Säureschäden der Zähne“.
Alle Empfehlungen enthalten ein Diagramm, das die Abläufe bei der Durchführung von arbeitsmedizinischer Vorsorge bzw. im Einzelfall auch von Eignungsbeurteilungen darstellt.
Die hier vorliegenden Empfehlungen wurden im Ausschuss Arbeitsmedizin der Gesetzlichen Unfallversicherung (AAMED-GUV) in interdisziplinären Expertenteams aus Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmedizinern der betrieblichen Praxis und der Wissenschaft, Fachleuten diverser medizinischer und auch technischer Sachgebiete sowie Sachverständigen der Unfallversicherungsträger erarbeitet. Von gewichtiger Bedeutung ist, dass die Empfehlungen in enger Kooperation mit den Sozialpartnern und arbeitsmedizinischen Fachgesellschaften (z. B. mandatierte Vertreter der DGAUM) gestaltet wurden. Sie stellen insofern auch einen sozialpartnerschaftlich und wissenschaftlich getragenen Konsens dar.
Die Empfehlungen basieren auf dem allgemein anerkannten Stand der Arbeitsmedizin, besitzen jedoch keine Rechtsverbindlichkeit. Sie geben Hinweise im Sinne von „best practices“ und lassen den Betriebsärztinnen und Betriebsärzten den im Einzelfall erforderlichen Spielraum, die Beratungen und Untersuchungen so zu gestalten, wie es auf Grund der jeweiligen Gegebenheiten geboten erscheint.
Die Empfehlungen richten sich nicht nur an die Hauptzielgruppe der Betriebsärztinnen und Betriebsärzte, sondern auch an andere Akteure auf der betrieblichen Ebene.
Um das Verständnis zur Neuausrichtung zu fördern, wurde auch das einleitende erste Kapitel vollständig überarbeitet. Es soll helfen, die Inhalte juristisch korrekt einzuordnen, die Handlungssicherheit der Betriebsärztinnen und Betriebsärzte zu erhöhen und Missverständnisse zu vermeiden.
Mit der Veröffentlichung der 1. Auflage der „DGUV Empfehlungen für arbeitsmedizinische Beratungen und Untersuchungen“ ist im August 2022 zu rechnen.
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