Relevanz des BGM in Zeiten des demografischen Wandels
Aufgrund des demografischen Wandels und des damit verbundenen Fachkräftemangels steigt der Druck für Arbeitgeber, sich stärker für die Gesundheit der Mitarbeiter und insbesondere die der Auszubildenden zu engagieren. Eine Studie der DIHK aus dem Jahr 2018 verdeutlicht, dass es für Betriebe immer schwieriger wird, offene Ausbildungsstellen zu besetzen. So blieben Ausbildungsplätze in mehr als jedem dritten Unternehmen unbesetzt (DIHK 2018). Dies verstärkt die Problematik, ausreichend Fachkräfte über die Ausbildung des eigenen Nachwuchses zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund wird es immer wichtiger, frühzeitig präventive Maßnahmen für Auszubildende zu ergreifen. Außerdem generiert gesundheitsförderndes Engagement einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Arbeitgebern, um in Zeiten des Fachkräftemangels Talente zu gewinnen und langfristig zu binden bzw. arbeitsfähig zu halten (Meyer et al. 2015).
Während das Gesundheitsmanagement für die gesamte Belegschaft in vielen Betrieben häufig schon fest verankert ist, mangelt es oftmals an altersgerechten Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung für junge Mitarbeiter. Einige Studien zeigen, wie wichtig es ist, sich mit frühzeitiger Prävention auseinanderzusetzen, um das Gesundheitsverhalten positiv zu beeinflussen. Auf Basis dieser Erkenntnisse wird am Beispiel der SCHOTT AG erläutert, was bei der Realisierung eines systematischen Gesundheitsmanagements für diese Zielgruppe berücksichtigt werden sollte und wie ein solches Konzept aussehen kann.
Gesundheitslage bei jungen Erwachsenen
Junge Erwachsene sowie Jugendliche weisen häufig (noch) einen besseren Gesundheitszustand auf als ältere Menschen und sind am ehesten positiv und nachhaltig in ihrer Lebensweise beeinflussbar (TK 2017). Mit dem Einstieg in das Berufsleben über eine Berufsausbildung werden die jungen Menschen jedoch häufig mit neuen Lebensumständen und Herausforderungen konfrontiert, die sie psychosozial belasten und ihr Wohlbefinden sowie ihre Gesundheit beeinflussen können (Betz u. Brand 2017). Dazu gehören beispielsweise (Betz et al. 2017):
- Acht-Stunden-Tag in einem neuen sozialen Umfeld und gegebenenfalls lange Arbeitswege aufgrund der Abhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln bei jungen Azubis,
- Verlassen des Elternhauses bzw. Umzug in eine neue Stadt,
- eigenverantwortliche Lebensführung (z.B. selbstständiges Kochen, Einkaufen etc.),
- alters- und lebensphasenspezifische Probleme (z.B. emotionale und körperliche Entwicklung, Konflikte im Elternhaus).
Eine aktuelle Studie der Techniker Krankenkasse zeigt, dass die Fehlzeiten von Auszubildenden aufgrund von Depressionen sowie Anpassungs- und Belastungsstörungen bei der Altersgruppe 16 bis 25 Jahre seit dem Jahr 2000 um 108 Prozent gestiegen sind. Die Auszubildenden weisen zwar nur rund elf Fehltage pro Kopf und Jahr auf und sind seltener als die ältere Belegschaft von ernsthaften, langwierigen Krankheiten betroffen, es erfolgt jedoch fast doppelt so häufig eine Krankschreibung (TK 2017).
Wo genau die Defizite im Gesundheitszustand und Gesundheitsverhalten von Auszubildenden liegen, zeigt eine repräsentative Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zur Gesundheit von Auszubildenden im Fehlzeiten-Report 2015 (Badura et al. 2015). Im Rahmen dieser Erhebung gaben 1295 Auszubildende Auskunft zu ihrer gesundheitlichen Lage.
So bewertet die deutliche Mehrheit der Auszubildenden (83,6 %) ihren Gesundheitszustand als gut oder sehr gut. Zugleich beklagt sich allerdings über die Hälfte der Auszubildenden (56,5 Prozent) über häufige körperliche Beschwerden und 46,1 Prozent über psychische Beschwerden. Häufig auftretende körperliche Beschwerden sind Kopfschmerzen, Rückenschmerzen sowie Verspannungen ( Abb. 1). Einen Zusammenhang zwischen körperlichen Beschwerden und der Arbeitsplatzsituation vermuten die Auszubildenden besonders bei Rückenschmerzen, Reizung der Augen sowie Kopfschmerzen. Bei häufig auftretenden psychischen Beschwerden wurden vor allem Mattigkeit/Erschöpfung, Ausgebranntsein, Reizbarkeit und Schlafstörungen genannt ( Abb. 2). Die Ursache für Müdigkeit und Erschöpfung sieht jeder zweite Befragte in der Arbeit (Betz et al. 2015).
Neben subjektiven Indikatoren werden für die Bewertung des Gesundheitszustands auch objektive Indikatoren herangezogen, wie der Body-Mass-Index. Gemäß dieser Bewertung ist etwa ein Drittel der Auszubildenden übergewichtig (Betz et al. 2015).
Weitere Defizite im Gesundheitsverhalten sind besonders in den Bereichen Bewegung, Ernährung, Schlaf sowie dem Umgang mit Suchtmitteln – vor allem mit digitalen Medien – erkennbar. So ist rund ein Viertel der Auszubildenden kaum sportlich aktiv. Zu den problematischen Essgewohnheiten zählt neben Unregelmäßigkeiten im Essverhalten ein häufiger Konsum an Fast-Food-Produkten und zuckerhaltigen Lebensmitteln (Betz et al. 2015). Beeinträchtigungen bezüglich des Schlafverhaltens lassen sich vor allem auf das veränderte mediale Verhalten zurückführen. Eine aktuelle Studie zum „Medienkonsum und Schlaf bei Jugendlichen“ zeigt, dass der Medienkonsum der Jugendlichen bei ca. 8 Stunden pro Tag liegt. Am häufigsten wird das Smart-Phone genutzt, gefolgt von Fernsehen/DVD und PC/Tablet. Jugendliche, die insbesondere in den Abendstunden regelmäßig digitale Medien nutzen, schlafen weniger und schlechter, denn der hohe Anteil an Blaulicht in Smartphones und Tablets reduziert und unterdrückt das Schlafhormon Melatonin (Betz et al. 2017).
Gesundheitsmanagement für Auszubildende bei der SCHOTT AG
SCHOTT AG – Daten und Fakten
Die SCHOTT AG, Mainz, ist ein international führender Technologiekonzern auf den Gebieten Spezialglas und Glaskeramik. Das Unternehmen bietet ein breites Portfolio an Produkten und intelligenten Lösungen für Branchen wie beispielsweise die Hausgeräte- und Pharmaindustrie, Elektronik, Optik, Life Sciences sowie Automotive und Aviation. Die Muttergesellschaft SCHOTT AG hat ihren Hauptsitz in Mainz und ist zu 100 % im Besitz der Carl-Zeiss-Stiftung. SCHOTT hat weltweit ca. 15 500 Mitarbeiter und deutschlandweit rund 5600 Mitarbeiter inklusive 240 Auszubildende. Am Standort Mainz arbeiten insgesamt ca. 2800 Mitarbeiter. 135 davon befinden sich in Berufsausbildung, 84 im gewerblichen und 51 im kaufmännischen Bereich, wobei für die Zukunft eine Aufstockung geplant ist. Die kaufmännischen Ausbildungsberufe bei SCHOTT sind klassischerweise Industriekauffrau/-mann, Kauffrau/-mann für Büromanagement oder Fachinformatiker/-in. Im technischen Bereich sind unter anderem Elektroniker/-in, Industriemechaniker/-in und Mechatroniker/-in vertreten und im naturwissenschaftlichen Bereich wird der Beruf Physiklaborant/-in angeboten. Außerdem bildet SCHOTT duale Studenten (Maschinenbau, Elektrotechnik, Wirtschaftsingenieurwesen und Wirtschaftsinformatik) aus.
Auch SCHOTT begegnet dem demografischen Wandel auf verschiedenen Wegen. So gibt es beispielsweise den Arbeitskreis Demografie, eine Initiative aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern. Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter zu erhöhen, das Risiko von Arbeitskräftemangel und Know-how-Verlust zu minimieren sowie qualifizierten Nachwuchs sicherzustellen. Letzteres wird unter anderem über die Übernahmegarantie der Auszubildenden gewährleistet.
Ermittlung der Gesundheitslage bei den Auszubildenden der SCHOTT AG
Die Ausgangslage für die Implementierung eines Gesundheitsmanagements im Unternehmen ist die Ermittlung des aktuellen Gesundheitszustandes der Zielgruppe. Für diesen Zweck kann der Arbeitgeber auf verschiedene Quellen zugreifen. So können beispielsweise mit Hilfe von Befragungen, Gesundheitsberichten der Krankenkassen sowie arbeitsmedizinischen Untersuchungen wichtige Erkenntnisse gewonnen werden, die als Argumentationsgrundlage für die Entwicklung eines Konzepts zum systematischen Gesundheitsmanagement dienen. Die Fehlzeitenstatistik lässt gemäß dem allgemeinen Trend einen Anstieg des Krankenstandes der Auszubildenden sowohl im kaufmännischen als auch im gewerblichen Bereich erkennen. Im Rahmen der Einstellungsuntersuchungen vor Beginn der Ausbildung konnten in den letzten Jahren, häufiger als früher, gesundheitliche Beeinträchtigungen (Übergewicht, hoher Blutdruck, mangelnde Fitness usw.) festgestellt werden.
Außerdem hat SCHOTT in den Jahren 2014 bis 2016 an einer Studie der Abteilung für Sportmedizin, Prävention und Rehabilitation der Johannes Gutenberg-Universität Mainz teilgenommen. Im Rahmen der Studie mit dem Titel „Gesundheit von Auszubildenden im beruflichen Setting“ wurden die jungen Mitarbeiter zu Beginn ihrer Ausbildung und im Jahresrhythmus bis zum Abschluss im Hinblick auf ihre Anthropometrie untersucht und bezüglich ihres Lebenswandels einschließlich ihrer körperlichen Aktivität wiederholt befragt. An der Studie nahmen insgesamt 679 Auszubildende aus fünf unterschiedlichen Sektoren bei einer insgesamt sehr guten Teilnahmequote von über 75 % teil (Dreher et al. 2016).
Ein erstes Ergebnis der Erhebung ist, dass bereits zu Beginn der Ausbildung die Prävalenz von Übergewicht bei 21,3 % und die von Fettsucht bei rund 4,2 % lag. Auffällig war hierbei, dass sich bereits zu diesem Zeitpunkt der BMI und das Gesundheitsverhalten zwischen den fünf Sektoren deutlich unterschieden. Auszubildende des industriellen Sektors lagen mit einem durchschnittlichen BMI von 23,6 am zweithöchsten hinter den Auszubildenden in Laborberufen mit einem BMI von 25,2. Im Gegensatz zu den Sektoren Gesundheits- und Heilberufe, Öffentlicher Dienst und kommerzieller Sektor sind auch nur diese beiden Sektoren gleich im ersten Ausbildungsjahr von einem signifikanten Anstieg des BMI betroffen. Diesem Befund steht allerdings entgegen, dass der mitunter für das Risiko einer metabolischen, oder einer kardiovaskulären Erkrankung aussagekräftigere Parameter des Bauchumfangs sich nicht in diesen beiden Gruppen, wohl aber bei den Auszubildenden in den Gesundheits- und Heilberufen signifikant negativ entwickelte. Diese negative Entwicklung fand sich vorrangig in der Gruppe an Auszubildenden, die schon vor ihrer Berufsausbildung physisch inaktiv waren. Von Steigerungen des BMI hingegen waren vor allem auch Auszubildende betroffen, die zuvor physisch recht aktiv waren. Das kann damit zusammenhängen, dass sie mit der ausbildungsassoziierten Reduktion der Aktivität nicht gleichzeitig die Kalorienzufuhr reduzieren. Dies ist in Anbetracht des Alters, in dem alle noch gewohnt sind, von Jahr zu Jahr immer mehr essen zu können, nicht erstaunlich – im Gegenteil. Da die Eltern das Essverhalten nicht mehr durch ihren erzieherischen Einfluss unterstützen können, liegt es nun in der Verantwortung der Betriebe, darauf aufmerksam zu machen, dass das „immer mehr an Nahrung“ für den jetzt anstehenden Lebensabschnitt keine typische Option mehr sein sollte.
All diese Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit von systematischen, ausbildungsintegrierten Gesundheitsmaßnahmen. Wahrscheinlich wird es hier erfolgsversprechend sein, diese Maßnahmen sektorenspezifisch und an das jeweilige Kollektiv angepasst zu gestalten.
Zielgruppenspezifische Gesundheitsförderung
Das Gesundheitsbewusstsein der Auszubildenden unterscheidet sich stark von dem der älteren Belegschaft. So sind Argumente über langfristige, weit in der Zukunft liegende Folgen von gesundheitsschädigendem Verhalten nur wenig überzeugend. Für die Jugendlichen zählt in erster Linie das „Hier und Jetzt“ (Betz u. Brand 2017). Um neben der reinen Vermittlung von gesundheitsbezogenem Wissen eine Motivation für gesundheitsförderliches Verhalten zu erzeugen, müssen die Botschaften durch emotionale Komponenten verstärkt werden und Faktoren wie Spaß, Lebenslust, Wohlbefinden und Vitalität in den Vordergrund gestellt werden (Betz u. Brand 2017). Des Weiteren sollten die gesundheitsfördernden Maßnahmen individuell auf die Arbeits- und Lernbedingungen der Auszubildenden abgestimmt sein, um eine möglichst hohe Akzeptanz bei der jungen Zielgruppe zu erreichen (Betz et al. 2015).
Entwicklung eines Konzepts für ein ausbildungsintegriertes Gesundheitsmanagement
Bei der Ausarbeitung eines Konzepts für ein systematisches Gesundheitsmanagement ist es wichtig, alle relevanten Anspruchsgruppen frühzeitig miteinzubeziehen. Hierbei spielen die Ausbildungsleiter und vor allem die Ausbilder eine wichtige Rolle, denn zum einen hat ihr Führungsverhalten einen wesentlichen Einfluss auf das Wohlbefinden der Auszubildenden, zum anderen haben sie die Chance, die Auszubildenden in ihrem Gesundheitsverhalten langfristig zu unterstützen und durch ihre Vorbildfunktion positiv zu beeinflussen. Daher sollten die Ausbilder zu den relevanten Schwerpunktthemen geschult werden. Wichtigen Input können die Jugend- und Auszubildendenvertreter geben und auch Krankenkassen sollten mit ihren Erfahrungen und Angeboten eingebunden werden.
Bei SCHOTT sind in der Abteilung „Medizin und Prävention“ sowohl die Arbeitsmedizin als auch das Betriebliche Gesundheitsmanagement vereint. Diese Abteilung bietet im Rahmen des seit Jahren fest verankerten BGM unter dem Motto „Bleib gesund! Du bist mir wichtig.“ auch den Auszubildenden vielfältige Gesundheitsangebote an ( Abb. 3). So gab es schon in den letzten Jahren von den Auszubildenden mitgestaltete Gesundheitstage. Dabei fanden Kochkurse, Trainingseinheiten sowie Vorträge zu verschiedenen Gesundheitsthemen statt. Außerdem beteiligt sich das BGM bei den jährlichen Einführungswochen bzw. Methodenseminaren, bei denen sich alle deutschen Auszubildenden zu Beginn des ersten Lehrjahres versammeln. Ergänzend werden regelmäßig Suchtseminare angeboten, in denen es um die Entstehung von Abhängigkeitserkrankungen sowie deren Auswirkungen geht. Im Rahmen solcher Aktionen ist in der Vergangenheit deutlich geworden, dass Interesse und Wissen der jungen Menschen für das Thema Gesundheit vorhanden ist und in den letzten Jahren sogar zugenommen hat.
Die SCHOTT AG möchte das Thema Gesundheitsmanagement für Auszubildende nun noch systematischer gestalten, um nachhaltig Gesundheit und Leistungsfähigkeit der jungen Menschen in der Ausbildung und darüber hinaus zu erhalten. Dabei werden Maßnahmen in allen drei Kernbereichen Ernährung, Bewegung und Psychische Gesundheit entwickelt. Da nachhaltige Gesundheitsförderung nur durch regelmäßige Angebote gewährleistet werden kann, bietet die SCHOTT AG das in Abb. 4 gezeigte Design an.
Das Konzept sieht vor, dass die Auszubildenden bei SCHOTT während ihrer gesamten Ausbildungszeit je drei Workshops bzw. Vorträge zu den Modulen Bewegung, Ernährung und psychische Gesundheit durchlaufen. Im ersten Lehrjahr werden Grundlagen vermittelt, auf die in den Folgejahren aufgebaut wird. Das Angebot ist verpflichtend und kann bei Interesse durch die freiwillige Teilnahme an weiteren Workshops ergänzt werden. Die Seminare finden den Themen angemessen in kleineren, fachübergreifenden Lernteams statt und richten sich an alle Ausbildungsberufe des Unternehmens. Die Planung und Durchführung übernimmt das Betriebliche Gesundheitsmanagement in enger Zusammenarbeit mit den Ausbildungsleitern. Für die Umsetzung der Schulungsinhalte werden neben internen Dozenten auch über kooperierende Krankenkassen Referenten gewonnen. Darüber hinaus unterstützt der Sportverein TSV SCHOTT bei den Bewegungsaktivitäten und stellt seine Sportstätte zur Verfügung.
Erstes Lehrjahr. Ziel im ersten Lehrjahr ist es, ein Grundverständnis für die drei Themengebiete zu schaffen. Zum Einstieg findet ein Teamtraining mit verschiedenen Koordinations-, Kraft-, und Ausdauerübungen unter Anleitung eines Physiotherapeuten im Rahmen der Einführungswoche aller neuen Auszubildenden der deutschen Standorte in einer externen Tagungsstätte im Grünen statt. Am Standort wird das Modul „Bewegung“ in einem weiteren Training vertieft und durch eine persönliche Fitnessanalyse ergänzt. Im Modul „Ernährung“ werden in einem praktischen Workshop an verschiedenen Stationen Grundlagen gesunder Ernährung (Nährstoffe, Lebensmittelgruppen, Energiebilanz, Bewertung der Angaben auf der Verpackung usw.) thematisiert. Ziel dieses Moduls ist es, gesunde und ausgewogene Ernährung als einen wichtigen Baustein für das eigene Wohlbefinden zu erkennen. Für den Themenbereich „Psychische Gesundheit“ ist ein Workshop zum „Umgang mit digitalen Medien“ vorgesehen. Vor dem Hintergrund der ständigen Erreichbarkeit und den damit verbundenen körperlichen sowie psychischen Beeinträchtigungen (falsche Körperhaltung, Konzentrationsmangel, Unausgeglichenheit) wird es immer wichtiger, sich frühzeitig einen angemessenen Umgang mit elektronischen Medien anzueignen. Bei Schichtarbeitern wird besonders auf das Thema „Gesunder Schlaf“ eingegangen.
Zweites Lehrjahr. Im zweiten Lehrjahr erfolgen Aufbauseminare in den Bereichen Bewegung, Ernährung und Stress. Im Modul „Bewegung“ liegt der Fokus auf arbeitsplatzbezogenen Belastungen. Über Reflexion und Interaktion gilt es, diese (z. B. Schichtarbeit, Bildschirmarbeit) zu identifizieren und ergonomische Aspekte zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang wird auch die Wichtigkeit von alltäglicher, kontinuierlicher Bewegung thematisiert sowie von „aktiven Pausen“ während der Arbeitszeit. Der Baustein „Ernährung“ umfasst einen Kochkurs zum Thema „Schnelles und gesundes Kochen im Berufsalltag“. Da Auszubildende oft wenig Zeit zum Einkaufen und zum Kochen haben (besonders bei Schichtarbeit), werden ihnen hier Tipps und Tricks für die einfache Zubereitung gesunder Gerichte an die Hand gegeben. Für den Themenbereich „Psychische Gesundheit“ ist ein Workshop zum Thema „Stress und Resilienz“ vorgesehen. Resilienz zu fördern, ist besonders wirksam, denn sie hilft mit Belastungen besser umzugehen, Schutzfaktoren im Umgang mit Stress zu trainieren und mental gesund zu bleiben. Dabei liegt der Fokus vor allem auf der Bewältigung der Doppelbelastung von Schule (Prüfungsstress) und Arbeit.
Drittes Lehrjahr. Im dritten Lehrjahr erfolgen Speziallehrgänge zu den drei Schwerpunktthemen. Ein Seminar bzw. Workshop pro Modul ist verpflichtend, auf freiwilliger Basis können weitere Inhalte nach Interessenfeldern ergänzt werden. Bei dem Baustein „Bewegung“ ist ein besonderes Teamsport-Event mit verschiedenen Disziplinen für die Auszubildenden vorgesehen. Dies kann je nach Sportart auf dem Gelände des TSV SCHOTT stattfinden. Auf Wunsch der Auszubildenden können hier aber auch ausgefallene Sportarten wie z.B. Stand-Up-Paddling getestet werden. Im Modul „Ernährung“ findet ein Vortrag zum Thema „Diät-Mythen und deren Gefahr für die Gesundheit“ statt. Das Modul „Psychische Gesundheit“ legt den Fokus auf stoffgebundene und nichtstoffgebundene Süchte (wie Alkohol, Rauchen, Drogen etc. sowie Spielsucht, Internet-Sucht usw.) und wie diesen begegnet werden kann.
Neben diesen Modulen bietet die Abteilung „Medizin und Prävention“ nach wie vor jederzeit die Möglichkeit einer individuellen Beratung für private sowie berufliche Probleme. Den Mitarbeitern steht in diesem Zusammenhang auch ein unabhängiges und umfassendes Unterstützungsprogramm (EAP: Employee Assistance Program) zur Verfügung. Eine kontinuierliche arbeitsmedizinische Begleitung ist sichergestellt.
Digitale Angebote als Ergänzung
Um die Zielgruppe der Auszubildenden bestmöglich anzusprechen, ist es wichtig, die Angebote attraktiv und vielseitig zu vermitteln. Online-Trainings, die an jedem beliebigen Ort und jederzeit über das Smartphone aufgerufen werden können, stellen eine interessante Alternative zu den Präsenzveranstaltungen dar. SCHOTT nutzt für diesen Zweck die eigene SCHOTT App, die sich jeder Mitarbeiter auf sein Handy laden kann. Ziel dieser App ist es, die Kommunikation im Unternehmen zu erleichtern sowie mobiles Lernen zu fördern. Genau an diesem Punkt kann auch das Betriebliche Gesundheitsmanagement anknüpfen, um den Auszubildenden und auch anderen Mitarbeitern Angebote mobil zur Verfügung zu stellen. So können auf einfachem Wege wichtige Informationen und Lerninhalte (z.B. zur Gesunderhaltung am Arbeitsplatz wie richtige Sitzhaltung etc.) abgerufen werden. Da sich die Auszubildenden häufig durch Gleichgesinnte mehr beeinflussen lassen, sollte das Motto „Auszubildende lernen von Auszubildenden“ auf jeden Fall aufgegriffen werden. Im Kontext der digitalen Gesundheitsförderung können die Jugendlichen höherer Lehrjahre Videos oder Blogs für nachkommende Lehrjahre erstellen, in denen alltägliche Sportübungen, Kochvideos und Ähnliches gezeigt werden. Um spielerische Elemente im Training miteinzubeziehen und den Spaß daran zu wecken, bietet es sich außerdem an, kleine Wettbewerbe zu veranstalten. Bereits im letzten Jahr erreichte SCHOTT mit einer weltweiten Bewegungs-Challenge zahlreiche Mitarbeiter aller Altersklassen und sorgte für mehr Fitness und Teamgeist in der Belegschaft.
Ziele eines systematischen Gesundheitsmanagements
Ziel des Konzepts bei SCHOTT ist die nachhaltige Förderung der Gesundheitskompetenz der Auszubildenden in den Kernbereichen Ernährung, Bewegung und Psyche. Neben der Vermittlung gesundheitsrelevanter Informationen geht es in erster Linie darum, die Jugendlichen frühzeitig für gesundheitsförderliches Handeln zu motivieren und gesundheitsgefährdendem Fehlverhalten von Beginn an präventiv zu begegnen. Um dies zu erreichen, sollen die Jugendlichen ihre eigenen Fokusgebiete identifizieren, Selbstwirksamkeit erlernen sowie ein eigenverantwortliches Gesundheitsbewusstsein aufbauen. Neben diesen Zielen werden natürlich auch betriebswirtschaftliche Ziele verfolgt, denn eine frühzeitige Sensibilisierung der Auszubildenden für das Thema Gesundheit bzw. Gesundheitsförderung trägt mittel- bis langfristig zur Steigerung der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft bei, wodurch Krankheits- und Fehlzeitenkosten reduziert werden können. Des Weiteren ist die Rolle der Azubis als potenzielle Multiplikatoren nicht zu unterschätzen. So kann durch das frühzeitige Einbeziehen der jungen Mitarbeiter in die Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung die Akzeptanz und das Verständnis bezüglich der Rolle des betrieblichen Gesundheitsmanagements in den Folgejahren bei nachkommenden Mitarbeitern gesteigert werden. Durch die Maßnahmen und Angebote wird SCHOTT auch bei jüngeren Arbeitnehmern als Arbeitgeber wahrgenommen, dem eine besondere Fürsorge für seine jungen Beschäftigten wichtig ist und somit wird auch die Arbeitgeberattraktivität im Kampf um Talente gefördert. Insgesamt soll die Arbeitsfähigkeit der zukünftigen Arbeitskräfte erhalten und krankheitsbedingten Ausfallzeiten entgegengewirkt werden.
Evaluation der Gesundheitsförderungsmaßnahmen
Die Evaluation des Erfolgs ist wichtiger Bestandteil eines systematischen Gesundheitsmanagements. Auf Basis der anfangs definierten Ziele gilt es zu prüfen, ob die Maßnahmen die gewünschte Wirkung erzielen. Die Ergebnisevaluation bezieht sich dabei auf betriebliche Kennzahlen (z.B. sinkende Fehlzeiten) und die Verbesserung der Gesundheitskompetenz und des Wohlbefindens der Teilnehmer. Erfragt wird außerdem die subjektive Einschätzung der Auszubildenden in Bezug auf ihre Arbeitsfähigkeit und die Zufriedenheit mit den Inhalten der Module und den Referenten. Um Veränderungen erkennen zu können, sollte sowohl zu Beginn des ersten Lehrjahres als auch im dritten Lehrjahr eine Evaluation durchgeführt werden. Auf Basis dieser Ergebnisse werden die jeweiligen Module sowie deren Inhalte kontinuierlich überdacht bzw. an aktuelle Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppe angepasst.
Interessenkonflikt: Die Autorinnen geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
Literatur
Badura B, Ducki A, Schröder H, Klose J, Meyer M: Fehlzeitenreport 2015. Neue Wege für mehr Gesundheit – Qualitätsstandards für ein zielgruppenspezifisches Gesundheitsmanagement. Berlin, Heidelberg: Springer, 2015.
Betz M, Brand S: Gesundheitsbelastungen und -risiken bei Jugendlichen. Ansätze zur Gesundheitsförderung im Rahmen der Ausbildung. In: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB): Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis. Stuttgart, 2017, S. 26–29.
Betz M, Haun D, Böttcher M: Zielgruppenspezifische Gesundheitsförderung bei Auszubildenden. In: Badura B, Ducki A, Schröder H, Klose J, Meyer M (Hrsg.): Fehlzeitenreport 2015. Neue Wege für mehr Gesundheit – Qualitätsstandards für ein zielgruppenspezifisches Gesundheitsmanagement. Berlin, Heidelberg: Springer, 2015, S. 143–163.
Betz M, Preissler L, Koehler U: Medienkonsum und Schlaf bei Jugendlichen. In: Kerzel S, Paditz E (Hrsg.): Brücken bauen – Kinderschlafmedizin verbindet. Aktuelle Kinderschlafmedizin. Dresden: kleanthes, 2017, S. 146–151.
DIHK: Ausbildung 2018: Ergebnisse einer DIHK-Online-Unternehmensbefragung. Berlin, Brüssel: DIHK, 2018.
Dreher M, Simon P: Development of physical activity, BMI, and waist circumference (WC) during the first working year in different job sectors. Obesity Facts 2017; 10: 116.
Meyer M, Klose J, Schröder H: Zielgruppenspezifisches Gesundheitsmanagement: Ein Überblick. In: Badura B, Ducki A, Schröder H, Klose J, Meyer M (Hrsg.): Fehlzeitenreport 2015. Neue Wege für mehr Gesundheit – Qualitätsstandards für ein zielgruppenspezifisches Gesundheitsmanagement. Berlin, Heidelberg: Springer, 2015, S. 1–8.
Techniker Krankenkasse (TK): Gesundheitsreport: Gesundheit von Auszubildenden. Hamburg: TK, 2017.
Checkliste
Einführung eines ausbildungsintegrierten Gesundheitsmanagements für Azubis
Ist-Analyse des Gesundheitsstatus sowie Bedarfsanalyse bei der Zielgruppe
Schaffung zielgruppenspezifischer Angebote
Berücksichtigung arbeitsspezifischer Anforderungen
Einbeziehung emotionaler Komponenten (Freude, Teamgeist etc.)
Frühzeitige Einbeziehung sowie Schulung der Ausbildungsleiter/Ausbilder
Einbeziehung von Kooperationspartnern (Krankenkassen, Berufsgenossenschaften etc.)
Einbeziehung der Zielgruppe in die Umsetzung: „Azubis lernen von Azubis“
Zugang zu digitalen Angeboten (Online-Schulungen und Blogs)
Konsequente Evaluation der gesundheitsfördernden Maßnahmen
Weitere Infos
Informationen zum Thema Essstörung: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Informationen rund um das Thema Azubi Gesundheit
www.azubi-gesundheit.de/index.php
Gesundheitsseite mit Tipps und Selbsttests für Azubis
Für die Autorinnen
Dr. med. Margit Emmerich
Leitung Medizin und Prävention
SCHOTT AG
Hattenbergstraße 10
55122 Mainz