Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems (MSE) sind ein Problem in Deutschland. Das zeigt schon ein Blick in die Statistik. Danach klagt jeder Zweite in Deutschland über Rückenschmerzen. Rund ein Viertel aller Arbeitsunfähigkeitstage entfallen auf Erkrankungen des Bewegungsapparats. Über 20 000 Menschen jährlich scheiden wegen derartiger Erkrankungen vorzeitig aus dem Erwerbsleben aus. Die Unternehmen kommt das Ganze teuer zu stehen: Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zufolge beträgt der MSE-bedingte Ausfall an Bruttowertschöpfung rund 16 Milliarden Euro jährlich.
Grund genug für die gesetzliche Unfallversicherung, den Rücken in den Fokus ihrer neuen, dreijährigen Präventionskampagne zu nehmen. Als Partner haben Berufsgenossenschaften und Unfallkassen die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau sowie die Knappschaft gewonnen. Das Motto der Kampagne: „Denk an mich. Dein Rücken“.
Arbeitsteilung: Dach- und Trägerkampagnen
Traditionell geht die gesetzliche Unfallversicherung arbeitsteilig vor: Die gemeinsame Dachkampagne sorgt für die zentralen Broschüren und Plakate sowie den medialen Rahmen durch Presse- und Medienarbeit. Berufsgenossenschaften und Unfallkassen ergänzen dies durch branchen- und zielgruppenbezogene Aktivitäten, die die spezifischen Bedürfnisse ihrer Mitgliedsbetriebe und Branchen erfüllen. Wer als Arbeitsmediziner oder Betriebsarzt unternehmensbezogene Aktionen zum Kampagnenthema plant, sollte also auf jeden Fall auch die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse kontaktieren.
Ganzheitlicher Ansatz
Im Unterschied zu anderen Kampagnen zur Rückengesundheit verfolgt „Denk an mich. Dein Rücken“ einen ganzheitlichen Ansatz, der Verhaltens- und Verhältnisprävention umfasst. Ziel der Kampagne ist es, Arbeitsbedingungen zu verändern, in denen der Rücken entweder über- oder unterfordert wird. Dass hier noch Potenzial besteht, zeigen Daten der BAuA. Danach bewegt noch immer fast ein Viertel aller Beschäftigten schwere Lasten im Beruf. Fast 15 % arbeiten in Zwangshaltungen. Umgekehrt bewegen sich Millionen Menschen kaum noch im Job, weil sie wesentliche Teile ihrer Arbeitszeit vor dem Computer verbringen. Ein Verhalten, das viele nahtlos in der Freizeit fortsetzen: Mehr als die Hälfte der Deutschen treibt in der Woche weniger als zwei Stunden oder gar keinen Sport. Hinzu kommen psychische Belastungen wie hohe Arbeitsanforderungen, Zeitdruck und geringe soziale Unterstützung, die zur Entstehung und Chronifizierung von Rückenbeschwerden beitragen können.
Das Kommunikationskonzept
Die Kommunikation der Kampagne soll weder mit erhobenem Zeigefinger daher kommen noch die Schmerzvermeidung in den Mittelpunkt stellen, denn im Idealfall sollen primärpräventive Aktivitäten schon vor dem Auftreten erster Beschwerden greifen. Daher wird mit einem Augenzwinkern der Rücken zum Protagonisten der Kampagne gemacht. Er bringt sich selbst in Erinnerung, und zwar bevor es zwickt und zwackt. Er erinnert mit dem Slogan „Denk an mich. Dein Rücken“, platziert auf einem gelben Post-it als Logo, dass wir jeden Tag ein wenig für unseren Rücken tun sollten. Die Bildsprache der Motive zur Kampagne zeigt Menschen in alltäglichen Arbeits- und Schulsituationen, die gerade auf diese Weise angesprochen werden. Das Post-it mit der Erinnerung „Denk an mich. Dein Rücken“ prangt auf ihrem Rücken. Dazu eine Headline, die die Leistung dieser Menschen wertschätzt.
Medien
Alle Kampagnenmotive stehen in gängigen Anzeige- und Posterformaten zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Broschüren, die auf die Kampagne und ihr Thema aufmerksam machen und das Interesse an einem gesunden Rücken wecken sollen. Sie geben Hinweise auf weiterführende Informationen der Kampagne und benennen Ansprechpartner, die in Sachen Rückenprävention weiter helfen. Zielgruppen dieser kurzen Informationen sind Unternehmerinnen und Unternehmer, Beschäftigte, Betriebsärztinnen und -ärzte sowie Eltern und Lehrerinnen und Lehrer. Die Broschüre für Beschäftigte ist auch in so genannter „leichter Sprache“ verfügbar.
Bewegte Bilder sind ebenfalls vorhanden: Ein zweiminütiger Kampagnentrailer führt motivierend in das Kampagnenthema ein. Auch ein neuer Napo-Film setzt den Slogan „Denk an mich. Dein Rücken“ auf unterhaltsame Weise um: Napos Rücken bringt sich immer wieder charmant in Erinnerung. Und schließlich gibt es eine Reihe von Werbemitteln im Kampagnen-Look, die ebenfalls eine Erinnerungsfunktion erfüllen.
Internet
Zentrale Informationsplattform ist der Internetauftritt http://www.deinruecken.de. Medien und Materialien zur Kampagne sind dort recherchierbar und stehen zum Download zur Verfügung. Der Werbemittelkatalog sowie der Katalog der Veranstaltungsmodule mit Reservierungskalender und Kontaktformular sind ebenfalls dort zu finden. Das so genannte Unternehmerportal bietet konkrete Hinweise für die Gefährdungsbeurteilung und die betriebliche Prävention. Links auf weiterführende Informationen, insbesondere einzelner Berufsgenossenschaften oder Unfallkassen werden besonders nutzerfreundlich, weil thematisch gegliedert und mit einer kurzen Inhaltsbeschreibung versehen, angeboten.
Veranstaltungsmodule
Ein weiteres Herzstück der Präventionskampagne „Denk an mich. Dein Rücken“ sind die Veranstaltungsmodule für Aktions- und Gesundheitstage in Schulen und Betrieben. Schon bei früheren Kampagnen hat sich der Einsatz von Eventmodulen wie zum Beispiel Simulatoren bewährt. Belastungen oder Präventionsmöglichkeiten werden so erfahrbar und erlebbar und daher auf besonders nachhaltige Weise vermittelt. Alle Module der DGUV werden kostenlos entliehen; für einige Module ist eine vorherige Einweisung erforderlich. Eine personelle Betreuung beinhaltet das Angebot nicht, kann aber im Einzelfall (auf eigene Rechnung) dazu „gebucht“ werden.
Wichtige Multiplikatoren: Betriebsärzte und Arbeitsmediziner
Betriebsärzte spielen bei der Prävention von Rückenerkrankungen eine besondere Rolle. Sie sind Berater und Mittler zwischen Arbeitsschutzverantwortlichen und Beschäftigten. Neben der Gefährdungsbeurteilung spricht eines der Kampagnenziele daher explizit Betriebsärzte an: Erhöht werden soll die Zahl der Betriebe, die arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen nach dem Grundsatz G 46 durchführen. Hierzu bietet die DGUV Betriebsärzten während des Kampagnenzeitraums vergünstigte Fortbildungen an.
Aus den Vorsorgeuntersuchungen nach G 46 oder G 37 „Bildschirmarbeitsplätze“ erwachsen den Arbeitsmedizinern konkrete Handlungsoptionen: Durch Anwendung dieser Vorsorgekonzepte verfügen Betriebsärztinnen oder Betriebsärzte auch in Fragen von Muskel-Skelett-Belastungen über ein valides Instrument, um ihre Beratungskompetenz gegenüber Arbeitgeber und Beschäftigten zu stärken. Es ermöglicht ihnen, Fehlbeanspruchungen am Arbeitsplatz und Funktionseinschränkungen des Muskel-Skelett-Systems frühzeitig zu erkennen. Sie können den individuellen Bedarf von Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen feststellen und Maßnahmen empfehlen. Der Betriebsarzt unterstützt den Arbeitgeber bei der Optimierung der betrieblichen Rahmenbedingungen.
Informationen zur Beurteilung von Risiken und Identifizierung von besonders gefährdeten Beschäftigten enthält die „Handlungsanleitung für die arbeitsmedizinische Vorsorge“ BGI/GUV-I504-46.
Weitere Informationen zur Kampagne finden sich im Netz unter http://www.deinruecken.de. Hier können unter anderem Veranstaltungsmodule für betriebliche Gesundheitstage und Aktionen bestellt werden. Berufsgenossenschaften und Unfallkassen ergänzen das Angebot um branchenspezifische Kampagnenmaterialien.
Info
Folgende Veranstaltungsmodule sind bei der DGUV zu entleihen:
- Der komplett ausgestattete Büroarbeitsplatz vermittelt die korrekte Nutzung ergonomischer Büromöbel. Wie stelle ich den Stuhl richtig ein? Ist der Abstand zum Bildschirm der richtige usw.? Jeder kann lernen, wie es richtig gemacht wird.
- Mithilfe des vom Institut für Arbeitsschutz (IFA) neu entwickelten CUELARückenmonitors ist es möglich, Rückenbelastungen bei verschiedenen Tätigkeiten anschaulich darzustellen. Dazu können Interessierte eine mit Sensoren ausgestattete Jacke anziehen und bestimmte beispielhafte Situationen aus dem Alltag (z. B. Ausladen einer Getränkekiste aus dem Kofferraum, Anheben einer Last vom Boden) nachahmen. Dazu erhalten Sie „online“ eine Darstellung der in den verschiedenen Situationen auftretenden Bandscheiben-Druckkräfte und erkennen sofort, welche Vorgehensweise den Rücken mehr oder weniger belastet.
- Ein Vibrationssimulator simuliert kurze Fahrten mit dem Gabelstapler, einem Ackerschlepper oder einer Baumaschine. Die Probanden erleben bei der realistischen Simulationsfahrt, welchen Unterschied es macht, ob der Sitz auf Größe und Gewicht des Fahrers richtig eingestellt wurde oder nicht.
- Das Multi-Media-Quiz kann in kleineren und größeren Gruppen den Einstieg in das Thema „Rückenprävention“ erleichtern; Seminare und Aktionstage können mit kurzen Quiz-Runden aufgelockert werden. Leichte Multiple-Choice-Fragen werden mit Hilfe von Abstimmungsgeräten beantwortet. Bis zu vier Gruppen spielen gegeneinander. Der Moderator kann Fragen für eine bestimmte Zielgruppe auswählen oder auch eigene Fragen und Antwortoptionen generieren.
- Ein ebenfalls eher spielerisches Aufgreifen des Themas Bewegungsmangel und fehlende Koordinationsfähigkeit ist mit der Wii fit und der Wii balance möglich. Viel Spaß und Spannung bei und durch Bewegung vermitteln sie alle mal.
- Der Alterssimulationsanzug GERT vermittelt, wie schwierig das Leben im Alter werden kann. Die Sinne sind eingeschränkt, die Bewegung durch Gewichte an Armen und Beinen erschwert. Jeder merkt gleich: Es macht Sinn, sich möglichst lange rückengesund, fit und beweglich zu halten.
- Zeitdruck und Stress können ebenfalls verspannte Muskeln und damit Rückenbeschwerden verursachen. Mit HRV-Biofeedback testen Sie die Entspannungsfähigkeit der Probanden und geben Hinweise, dass Entspannung trainierbar ist und die Entspannungsfähigkeit verbessert werden kann.
- Mal eben aus dem LKW oder von der Maschine gesprungen? Die auftretende Rückenbelastung ist enorm. Gemessen wird sie mit einer Sprungwaage, die direkt aufzeigt, wie hoch die Belastung beim Sprung aus dem Fahrzeug ist.
- Der so genannte 3D-VestibularmotorikKoordinationsparcours ist ein Stationsparcours mit fünf Stationen. An jeder Station können verschiedene Bewegungsübungen ausgeführt werden, die mit entsprechenden Karten erläutert sind. Ziel der Übungen ist die Stabilisation, Koordination und Kräftigung des gesamten Haltungs- und Bewegungsapparates. Mit dem Parcours wird Bewegung und Training angeregt. Die Nutzung ist allein oder in der Gruppe möglich und bedarf keiner Anleitung. Nicht einmal sportliche Kleidung ist erforderlich. Unternehmen und Bildungseinrichtungen können – ggf. vor einer eigenen Anschaffung – den Parcours kostenlos testen.
- Bei der Fotoaktion werden Fotoaufsteller verliehen, die einen attraktiven (weiblichen oder männlichen) Rücken zeigen – natürlich mit Kampagnenlogo. Ein Foto mit dem eigenen Gesicht auf diesen Rücken schwört auf die Kampagne ein. Der Fotoaufsteller wird mit Kamera und Drucker oder ohne Zusatzausrüstung für Fotos mit der eigenen Kamera oder dem Handy entliehen.
Präventionsziele der Kampagne „Denk an mich. Dein Rücken“:
- Mehr Betriebe sollen Arbeitsplätze, -stätten und -abläufe ergonomisch optimieren.
- Zahl und Qualität der Gefährdungsbeurteilungen mit Schwerpunkt Rücken sollen sich erhöhen.
- Mehr Betriebe sollen arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen nach dem Grundsatz G 46 durchführen.
- Die Präventionskultur in Unternehmen und Schulen soll verbessert werden.
- Mehr Versicherte sollen Angebote zur Prävention von Rückenbeschwerden wahrnehmen.
- Die individuelle Gesundheitskompetenz der Versicherten soll zunehmen.
- Mehr Schulen sollen das Konzept „Gute gesunde Schule“ umsetzen.
- Unternehmen und Einrichtungen sollen konkrete Präventionsprodukte angeboten werden (Umsetzung von Forschungsergebnissen für die Praxis).
Weitere Infos
Präventionskampagne „Denk an mich. Dein Rücken“
Für die Autoren
Elke Rogosky
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)
Projektleiterin der Präventionskampagne „Denk an mich. Dein Rücken“
Alte Heerstraße 111
53757 Sankt Augustin