Der öffentliche Dienst unterliegt in Bezug auf das Arbeitsrecht bestimmten Besonderheiten. Dies hat im Wesentlichen damit zu tun, dass die Verwaltungen von Bund und Ländern oftmals hoheitliche Aufgaben wahrnehmen und regelmäßig auch ermächtigt sind, in die Grundrechte der Bürger einzugreifen.
Die Ausübung hoheitlicher Befugnisse als ständige Aufgabe ist grundsätzlich nur Angehörigen im öffentlichen Dienst zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst und Treueverhältnis stehen (Art. 33 Abs. 4 GG). Das Beschäftigungsverhältnis dieser Beamten begründet sich nicht aus einem Arbeitsvertrag, vielmehr werden Beamte förmlich ernannt (vgl. § 8 BeamtStG). Das Beamtenverhältnis unterscheidet sich in vielfacher Form vom Beschäftigungsverhältnis eines Arbeitnehmers. Hier sei nur die Verpflichtung zur Unparteilichkeit (Ausnahme: politische Beamte), die Verpflichtung zum aktiven Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, die Verschwiegenheitspflicht und die Verpflichtung zu einer dem Beruf angepassten Verhaltensweise genannt (vgl. §§ 33 ff. BeamtStG). Weiterhin sind Beamte auch grundsätzlich keine Versicherten im Sinne des SGB VII („Gesetzliche Unfallversicherung“).
Im Folgenden soll nun dargestellt werden, ob und wann der in öffentlich-rechtlichen Vorschriften geregelte Arbeitsschutz (ArbSchG, ArbMedVV, ASiG) auch für Beamten Anwendung findet. Hierbei ist hervorzuheben, dass bereits die europarechtlichen Vorgaben die öffentlichen Tätigkeitsbereiche explizit in die Arbeitsschutzvorschriften mit einbeziehen (vgl. Art. 2 RL 89/391/EWG).
Arbeitsschutzgesetz
Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) gilt explizit auch für Beamte (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 ArbSchG). Dies entspricht auch den europarechtlichen Vorgaben (Art. 2 Abs. 1 RL 89/391/EWG). Somit sind vom Grundsatz her die Vorschriften des ArbSchG unmittelbar auch auf Beamte anzuwenden ohne dass es einer weiteren Prüfung bedarf (z.B. Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG, Unterweisung nach § 12 ArbSchG).
Die Besonderheit des öffentlichen Dienstes erfordert aber auch, dass hier ggf. Ausnahmen zulässig sein müssen. So wäre es z.B. realitätsfern, im Krisenfall von der Polizei die unbedingte Einhaltung entsprechender Arbeitsschutzvorschriften zu fordern. Auch die europarechtlichen Vorgaben werden diesem Aspekt gerecht, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst entgegenstehen (Art. 2 Abs. 2 RL 89/391/EWG). Allerdings ist in diesen Fällen dafür Sorge zu tragen, dass unter Berücksichtigung der Ziele der RL 89/391/EWG eine größtmögliche Sicherheit und ein größtmöglicher Gesundheitsschutz der Beschäftigten gewährleistet bleiben.
Von dieser Möglichkeit der Ausnahmeregelungen hat der deutsche Gesetzgeber Gebrauch gemacht. Für bestimmte Tätigkeiten im öffentlichen Dienst besteht die Möglichkeit, durch entsprechende rechtliche Regelungen festzulegen, dass Vorschriften des ArbSchG ganz oder zum Teil nicht anzuwenden sind, sofern öffentliche Belange dies zwingend erfordern (vgl. § 20 Abs. 2 ArbSchG).
Durch diese Regelung ist dem Umstand Rechnung getragen, dass die strikte Anwendung des ArbSchG (und der aufgrund des ArbSchG erlassenen Rechtsverordnungen, z.B. der ArbMedVV) mit der ordnungsgemäßen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben in Konflikt kommen könnte (BT-Drs.13/3540, S. 21).
Eine derartige Ausnahmevorschrift wäre im Bereich des Bundes z.B. die „Verordnung über die modifizierte Anwendung von Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes für bestimmte Tätigkeiten im öffentlichen Dienst des Bundes im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung“.
Entsprechende Regelungen finden sich aber auch auf Ebene der Bundesländer (z.B. Arbeitsschutzverordnung Bayern).
Sofern aufgrund der entsprechenden Rechtsgrundlagen Ausnahmen von der Anwendung des ArbSchG (und der aufgrund des ArbSchG erlassenen Rechtsverordnungen) zulässig sind, so gelten diese Ausnahmen nicht nur für die Beamten, sondern auch für die Arbeitnehmer (z.B. Schreibkräfte bei der Polizei).
Bei Vorschlägen zur Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes (§ 17 ArbSchG) ist ferner bei Beamten zu beachten, dass diesbezüglich die entsprechenden Vorschriften des Beamtenrechtes (z.B. § 125 BBG, Art. 7 BayBG) zu beachten sind. Im Wesentlichen ist hier der „Dienstweg“ einzuhalten.
Anwendung der ArbMedVV
Bei der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) handelt es sich um eine Rechtsverordnung, die aufgrund des ArbSchG erlassen wurde und die im Geltungsbereich des ArbSchG anzuwenden ist (vgl. § 1 Abs. 2 ArbMedVV). Somit ist der Begriff des „Beschäftigten“ in der ArbMedVV deckungsgleich mit dem Begriff des „Beschäftigten“ im ArbSchG, so dass auch Beamte als Beschäftigte nach der ArbMedVV einzustufen sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 ArbSchG).
Für Beamte des Bundes gilt dies unmittelbar.
Bei Beamten der Länder, Gemeinden und sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen gilt allerdings die Besonderheit, dass die aufgrund § 18 ArbSchG erlassenen Rechtsverordnungen nur dann Anwendung finden, soweit das Landesrecht dies ausdrücklich vorsieht (§ 20 Abs. 1 ArbSchG). Für den Bereich der ArbMedVV ist hier allerdings festzuhalten, dass mittlerweile alle Bundesländer die ArbMedVV auch für ihre Länderbeamte gelten lassen.
Die oben beschriebenen Ausnahmeregelungen nach § 20 Abs. 2 ArbSchG gelten aber auch hier, sofern öffentliche Belange dies erfordern.
So könnte z.B. festgelegt werden, dass der Betriebsarzt beim Verfassungsschutz nur eingeschränkt Auskunft zu den tatsächlichen Arbeitsplatzverhältnissen erhält. In Bayern sind die näheren Voraussetzungen für ein Abweichen vom ArbSchG (und den entsprechenden Rechtsverordnungen) in Dienstvorschriften festgelegt (§ 3 Abs. 2 Satz 2 ArbSchV).
Unfallverhütungsvorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung
Grundsätzlich sind die Unfallversicherungsträger befugt, im Rahmen des autonomen Satzungsrechtes Unfallverhütungsvorschriften über Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Verhütung von Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren zu erlassen (vgl. § 15 Abs. 1 SGB VII). Allerdings sind Beamte in der Regel keine Versicherten nach dem SGB VII, so dass die Unfallverhütungsvorschriften (z.B. DGUV V1, DGUV V2) unmittelbar nicht zur Anwendung kommen können. Der Staat ist allerdings verpflichtet, im Rahmen seiner Fürsorgeverpflichtung (vgl. § 45 BeamtStG) auch einen entsprechenden Schutz zu gewährleisten. Die Versorgung der Beamten im Falle eines Dienstunfalls sind im Beamtenversorgungsgesetz (vgl. § 31 BeamtVG) geregelt. „Berufskrankheiten“ nach der Berufskrankheitenverordnung sind beamtenrechtlich auch zu den „Dienstunfällen“ zu zählen (§ 31 Abs. 3 BeamtVG).
Arbeitssicherheitsgesetz
Das Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz – ASiG) findet keine unmittelbare Anwendung auf den öffentlichen Dienst (§ 16 ASiG). Es ist lediglich ein „gleichwertiger arbeitsmedizinischer und sicherheitstechnischer Arbeitsschutz“ zu gewährleisten.
Diese Ausnahme ist eher der damaligen Zeit geschuldet (Inkrafttreten des ASiG 1973) als dass sie wirklich noch besondere Bedeutung in der heutigen Zeit hätte. Es gab 1973 schon die Überlegungen, die öffentliche Verwaltung unmittelbar in den Geltungsbereich des ASiG einzubeziehen (vgl. BT-Drs. 7/1085, Seite 8).
§ 16 ASiG ist als Rahmenvorschrift für den öffentlichen Dienst zu verstehen. Diese Rahmenvorschrift bedeutet allerdings nicht, dass die zu treffenden Regelungen dem ASiG gleichartig sein müssen. Sie müssen lediglich so ausgestaltet sein, dass das Ziel des ASiG (in Form der entsprechenden Einbindung eines Betriebsarztes bzw. einer Fachkraft für Arbeitssicherheit) gleichwertig erreicht werden kann (BVerwG v. 25.01.1995 – BVerwG 6 P 19.93).
Sofern es sich bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst um Versicherte nach dem SGB VII handelt, so ist der zuständige Unfallversicherungsträger nach § 15 SGB VII ermächtigt, hier auch entsprechende Unfallverhütungsvorschriften zu erlassen.
Für Beamte müssen die zuständigen Verwaltungsstellen einen dem ASiG gleichwertigen Schutz gewährleisten. Das ASiG regelt nicht, in welcher Form die entsprechenden Regelungen erlassen werden müssen. Dies kann somit durch Gesetz, Rechtsverordnung oder in einer sonstigen verpflichtenden Form geschehen. Der Bund hat diesbezüglich z.B. die „Verordnung zur Regelung der Unfallverhütung in Unternehmen und bei Personen, für die die Unfallkasse des Bundes nach § 125 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 und Abs. 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch Unfallversicherungsträger ist“ (BUV) erlassen.
Weiterhin gibt es z.B. in Bayern die „Richtlinie über die Gewährleistung eines arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Arbeitsschutzes in der staatlichen Verwaltung des Freistaates Bayern“, die entsprechend festlegt, wann und in welchem Umfang ein Betriebsarzt und eine Fachkraft für Arbeitssicherheit eingebunden werden muss.
Autor
Patrick Aligbe
Aligbe Sicherheitsrecht
Sauerbruchstraße 10
81377 München