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Erfahrungen in der Schweiz

Lungenkrebsvorsorge durch Computertomographie-Screening bei asbestexponierten Personen

Drei Prozent aller Berufskrankheiten in der Schweiz entfallen auf Neoplasien, die 52,4 % der Berufs-krankheitskosten dort verursachen. Betrachtet man die asbestbedingten Todesfälle, finden sich diese in absteigender Anzahl vor allem in folgenden Branchen: Bauhaupt- und Ausbaugewerbe, Maschinen- und Anlagebau, Transport und Verkehr, Holzverarbeitung, Steine und Erden, Energie, Fahrzeugbau/-reparaturen u. a. Der Asbestimport hatte 1975 bis 1978 in der Schweiz seinen Höhepunkt. In Anbetracht der langen Latenzzeit zwischen Exposition und Manifestation einer asbest-bedingten Erkrankung ist mit einem Höhepunkt der Erkrankungen zwischen 2015 und 2020 zu rechnen. Prävention von Asbest-todesfällen geschieht heute auf der einen Seite durch technische Prävention (Mini-mierung der Asbestexposition), auf der an-dern Seite durch medizinische Prävention (Verringerung der Sterblichkeit durch Früherkennung von bösartigen Tumoren, Beratung betreffend andere Risikofaktoren wie Rauchen).

Das 5-Jahre-Überleben bei Lungenkrebs hängt vom Tumorstadium ab. Es liegt bei einem Tumorstadium IA bei über 70 %, bei einem Tumorstadium IV bei deutlich unter 10 %. Je früher ein Tumor entdeckt wird, desto besser sind die Heilungschancen.

Die Lungenkrebsvorsorge bei der Suva

Aufgrund der Ergebnisse der 2011 publi-zierten NLST-Studie (National Lung Screening Trial) kann bei Personen mit deutlich erhöhtem Lungenkrebsrisiko mit der Anwendung der Low-Dose-Spiral-Computer-tomographie das Sterblichkeitsrisiko gesenkt werden, indem diese Krebse in einem früheren Stadium als mit einer konventionellen Röntgenaufnahme erkannt werden können und eine Therapie allenfalls zu einer Heilung oder einem verzögerten Fortschreiten der Erkrankung führt.

Die Suva hat daher 2011 entschieden, ihren ehemals asbestexponierten Versicherten mit vergleichbarem Risiko, an einem Lungenkrebs zu erkranken, diese Untersuchungsmöglichkeit auf freiwilliger Basis anzubieten.

Neben der in der NLST-Studie gezeigten Evidenz zog die Suva unter anderem auch in Betracht, dass der Nutzen eines CT-Screenings in Anbetracht der langen Latenzzeit zwischen Exposition und Manifestation einer Neoplasie in den nächsten 5 bis 10 Jahren am höchsten ist und es sich bei der Exposition gegenüber Asbest im Gegensatz zum Rauchen nicht um ein selbstgewähltes Risiko handelt. Im Gegensatz zum Rauchen erhöht sich das Risiko, an einem Bronchialkarzinom zu erkranken, mit zunehmender Zeit seit dem ersten Kontakt mit Asbest. Die Machbarkeit eines solchen Projekts wurde bereits 2010 in einem Pilot bei Arbeitnehmenden in einer Firma mit hoher Asbestbelastung untersucht.

Eine Teilnahme am CT-Screening-Programm Asbest der Suva wird nach Prüfung durch den zuständigen Arbeitsarzt folgenden Personengruppen angeboten: ehemals asbestexponierte Personen im Alterskollektiv 55–75 Jahre, wenn sie einen Nikotinkonsum von 30 py und mehr (Kriterium A) oder eine Asbestfaserexposition von kumulativ 25 Faserjahren oder eine Asbestose oder eine Pleurafibrose aufweisen (Kriterium B). Ab 2013 werden auch ehemals asbestexponierte Personen dem Kriterium B zugeordnet, bei denen die Faserjahrexposition (FJ) und das Rauchen (py) zusammengezählt einen Wert von 30 und mehr ergeben (FJ+py30). Versicherte, die weder die Bedingungen für Kriterium A noch Kriterium B erfüllen, werden gemäß Kriterium C erfasst. Je nach Evidenzlage weiterer Studien kann diese Personengruppe zu einem späteren Zeitpunkt bezüglich Aufnahme ins CT-Screening-Programm Asbest noch einmal evaluiert und eine Teilnahme angeboten werden. Die CT-Untersuchungen erfol-gen in Analogie zur NLST-Studie jährlich.

Klinische Untersuchungen und Lungenfunktionskontrollen finden weiterhin in Zwei-Jahres-Intervallen resp. nach Vorgabe des zuständigen Arbeitsarztes statt. Anlässlich der klinischen Untersuchungen wird immer auch das Rauchverhalten erfragt und ein Rauchstopp thematisiert.

Falls der Versicherte keine Aufnahme ins CT-Screening-Programm Asbest wünscht, erfolgen die Vorsorgeuntersuchungen wie bisher alle zwei Jahre resp. nach Vorgabe des zuständigen Arbeitsarztes (klinische Untersuchung, Lungenfunktion, Thoraxröntgenbild).

Im erwähnten Alterskollektiv befinden sich ca. 3000 Personen aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge (AMV) sowie ca. 600 Personen mit einer anerkannten asbestbedingten Berufskrankheit, die via zuständige Suva-Agentur betreut werden.

Bis Ende 2012 erfüllte etwa ein Drittel des Alterskollektivs 55–75 Jahre entweder Kriterium A oder B. Ob mit der kumulierenden Betrachtung der Asbestfaserexposition und des Rauchens mehr Versicherte für die Aufnahme in das CT-Screening-Programm Asbest qualifizieren, wird sich im Verlauf zeigen.

Der Einschluss in das CT-Screening-Programm Asbest der Suva erfolgt nach eingehender schriftlicher Information der Versicherten mit der Möglichkeit einer persönlichen Beratung durch einen der Lungen-fachärzte der Abteilung Arbeitsmedizin der Suva.

Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass von den angeschriebenen Versicherten zwei Drittel die Aufnahme ins CT-Screening-Programm Asbest wünschten. Versicherte mit Kriterium A oder B waren bis Ende 2012 gleichermaßen vertreten.

Rückfragen seitens der Versicherten bei einem der Lungenfachärzte betrafen vor allem die Strahlenbelastung der CT-Untersuchungen, dann aber auch die Frage nach den Kosten der Untersuchung und deren Notwendigkeit. Einige der Rückfragen be-zogen sich auch auf rein administrative Aspekte.

Herausforderungen in der Umsetzung des CT-Screening-Programms stellen sich in Anbetracht des Mengengerüsts in organisatorischer Hinsicht vor allem seitens des Bereichs Arbeitsmedizinische Vorsorge (AMV) oder den Agenturen.

Auch die involvierten CT-Zentren sind hinsichtlich praktischer Organisation gefordert. Neben der korrekten Durchführung des CT’s („low dose“ ohne Verwendung von Kontrastmittel) muss die Information des mit dem CT-Screening-Programm betrauten Pneumologen vor Ort sichergestellt werden. Es muss auch sichergestellt werden, dass die betreuenden Ärzte (Hausarzt und Prophylaxearzt) ebenfalls immer informiert werden, insbesondere auch wenn Befunde außerhalb der Atemwege zufälligerweise dokumentiert werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle Beteiligten zu jedem Zeitpunkt auf dem gleichen Wissensstand sind und Doppelspurigkeiten vermieden werden. Nicht außer Acht gelassen werden darf, dass weder der Radiologe noch der mit dem CT-Screening betraute Pneumologe den Patienten und dessen Vorgeschichte kennen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, auch den Hausarzt einzubeziehen, zusätzlich.

Sind weitere Abklärungen nötig, werden diese je nach Art der weiteren Abklärung vom Pneumologen bzw. Radiologen am CT-Zentrum koordiniert. Die Konstellation Radiologe am CT-Zentrum und Pneumologe vor Ort gewährt eine schnelle Weiterabklärung bei positivem Befund im CT. Das hat zur Folge, dass die Versicherten rasch einer gezielten Therapie zugeführt werden können. Der Versicherte bleibt ansonsten weiter in der Betreuung des Haus-arztes.

Neben den Anforderungen im Ablauf gilt es auch den Qualitätsanforderungen ge-recht zu werden (Minimalkonsens hinsicht-lich Aufnahmetechnik sowie Qualitätsma-nagement [Möglichkeit eines „second look“, einheitliche Befundung, Qualitätssicherung durch Stichproben]). Qualitätssicherung be-inhaltet immer die technische sowie die dia-gnostische Seite, also Qualität der Aufnahme und der fachärztlichen Beurteilung. Es besteht dazu eine Zusammenarbeit mit einer Schweizer Arbeitsgruppe universitärer Tho-raxradiologen. Bis Ende 2013 waren es sechs entdeckte Lungenkrebse. Die Beurteilung, ob ein Lungenkrebs als Berufskrankheit anerkannt wird, erfolgt wie bisher nach den Helsinki-Kriterien.

Das CT-Programm Asbest der Suva wird analog dem Vorgehen in der NLST-Studie vorerst während 3 Jahren durchgeführt werden. In dieser Zeit wird die Datenlage aufmerksam verfolgt. Einige Fragen sind derzeit noch unbeantwortet;beispielsweise die Dauer eines Screenings, die Intervalle eines Screenings, der Benefit für Personen mit weniger hohen Risiken, die Kosten-Nutzen-Relation, der Effekt auf die Lebensqualität. Hier bleiben unsere eigenen weiteren Erfahrungen sowie weitere Studien abzuwarten.

Zusammenfassung

Aufgrund der Ergebnisse der 2011 publizierten NLST-Studie (National Lung Screening Trial) kann bei Personen mit einem deutlich erhöhtem Lungenkrebsrisiko durch die Anwendung der Low-Dose-Spiral-Computertomographie das Sterblichkeitsrisiko gesenkt werden, da Lungenkrebse bereits in einem früheren Stadium als mit einer konventionellen Röntgenaufnahme erkannt werden können. In der NLST-Studie wurden Personen im Alterskollektiv 55–74 Jahre untersucht. Die Suva hat daher 2011 entschieden, ihren ehemals asbestexponierten Versicherten im gleichen Alterskollektiv und mit einem vergleichbarem Risiko, an einem Lungenkrebs zu erkranken, diese Untersuchungsmöglichkeit auf einer freiwilligen Basis anzubieten. Neben der in der NLST-Studie gezeigten Evidenz zog die Suva unter anderem auch in Betracht, dass der Nutzen eines CT-Screenings in Anbetracht der langen Latenzzeit zwischen Exposition und Manifestation eines Krebses in den nächsten 5–10 Jahren am höchsten ist, und es sich bei der Exposition gegenüber Asbest im Gegensatz zum Rauchen nicht um ein selbst-gewähltes Risiko handelt.

Der Einschluss in das CT-Screening-Programm Asbest der Suva erfolgt nach eingehender schriftlicher Information der Versicherten mit der Möglichkeit einer persönlichen Beratung durch einen der Lungen-fachärzte der Abteilung Arbeitsmedizin der Suva.

In der Umsetzung des CT-Screening-Programms besteht eine enge Zusammen-arbeit mit Thoraxradiologen der Universitäts-spitäler, um Standards in der Durchführung und Befundung zu gewährleisten. 

    Weitere Infos

    National Lung Screening Trial: Questions and Answers

    https://www.cancer.gov/types/lung/research/nlst-qa

    Für die Autoren

    Dr. med. Susanna Stöhr

    Suva

    Abteilung Arbeitsmedizin

    Fluhmattstraße 1

    CH-6002 Luzern

    susanna.stoehr@suva.ch

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