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Erste Hilfe und medizinische Versorgung in Offshore-Windparks

Schnittstelle Arbeits- und Notfallmedizin

Einleitung

Aktuelle Pläne der Bundesregierung sehen einen umfangreichen Ausbau der Offshore-Windenergie vor. So sollen bis zum Jahr 2030 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von rund 15 000 MW in Nord- und Ost-see installiert werden, was der Errichtung von 3000 Windenergieanlagen der 5-MW-Klasse entspricht (s. „Weitere Infos“: Bundesregierung 2014; Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2014a). Dabei liegen die zur Nutzung der Offshore-Windenergie in Deutschland ausgewiesenen Flächen überwiegend in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), das heißt außerhalb der 12-Seemeilen-Zone und somit im internationalen Vergleich weit von der Küste entfernt (s. „Weitere Infos“: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2014b).

Aktuellen Schätzungen zufolge werden künftig mehr als 1000 Menschen permanent in den deutschen Offshore-Windparks im Einsatz sein (Wehrmann 2014). Trotz größter Anstrengungen in der Primärprävention sind medizinische Notfälle unterschiedlicher Schweregrade nicht vollständig auszuschließen (Weinrich et al. 2013). Deren Bewältigung im Sinne einer lückenlosen Ver-sorgung des Notfallpatienten bedarf gerade im Offshore-Bereich einer besonderen Aufmerksamkeit. Zwar können als Grundlage zunächst die allgemein üblichen und etablierten Schemata bei der Bewältigung medizinischer Notfälle dienen, doch müssen zudem zeitliche, räumliche sowie ressourcen- und umweltbezogene Faktoren berücksichtigt werden, die insbesondere in ihrer Kombination einen wesentlichen Einfluss auf die Effektivität und Effizienz der Rettungskette und damit auf das Outcome für den Notfallpatienten haben (Weinrich et al. 2013).

Im Gegensatz zur Hochseeschifffahrt, die in großem Umfang in rettungsdienstlich nicht erschlossenen bzw. von Land aus nicht zeitnah erreichbaren Meeresgebieten stattfindet, kann im Falle der Offshore-Wind-parks in der deutschen Nord- und Ostsee generell davon ausgegangen werden, dass diese sich in einem für Rettungstransport-hubschrauber (RTH) erreichbaren Einsatzgebiet befinden, so dass die Zuführung pro-fessioneller medizinischer Hilfe und ein Ret-tungstransport zum Festland (Evakuierung) in angemessener Zeit grundsätzlich möglich ist (Weinrich et al. 2013).

In Abgrenzung zu den Arbeitsplätzen in der Offshore-Öl- und -Gasindustrie, bei denen die operative Tätigkeit auf einer Platt-form räumlich begrenzt und die Einrichtung sowie Erhaltung einer Notfallversorgung vor Ort in der Regel einfacher zu gestalten ist, decken die Offshore-Windparks aufgrund der räumlichen Anordnung der Windenergieanlagen sehr ausgedehnte Flächen in der Größenordnung von einigen 1000 Hektar ab. Der Windpark Meerwind Süd/Ost in der Nordsee umfasst z. B. eine Fläche von rund 42 km². Dies entspricht etwa dem Areal einer Stadt wie Wismar (Weinrich et al. 2013). Außerdem werden die Plattformen der Offshore-Öl- und -Gasindustrie in der Regel von einer großen Mannschaft betrieben, was insbesondere in der Betriebsphase der Offshore-Windparks nicht der Fall sein wird, so dass sich hier vollständig neue technisch-organisatorische Herausforderungen stellen (Weinrich et al. 2013).

Rahmenbedingungen

Grundsätzlich erfordern die spezifischen Be-dingungen bei Bau, Betrieb und Wartung von Windparks auf hoher See eine an die maritime Umwelt und die Arbeitsumgebung adaptierte Strategie des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Medizinische Notfälle in dieser Umgebung stellen die Betroffenen und Beteiligten vor besondere Herausforderungen. Im Hinblick auf eine effiziente Erste Hilfe und Notfallrettung sind spezi-fische Aspekte des Arbeitsumfeldes wie z. B. enge Räumlichkeiten, Arbeiten in großen Höhen und Tiefen, Schichtdienst, die Weitläufigkeit der Windparks sowie die zum Teil erhebliche Entfernung zum Festland zu berücksichtigen. Erschwerend kommt hinzu, dass die maritimen Umweltbedingungen direkten Einfluss auf die Zugänglichkeit der Windenergieanlagen und Plattformen sowie auf die generelle Einsatzfähigkeit luft- und wassergebundener Rettungseinheiten haben. Bei Eintritt eines Notfalls steht zudem in der Regel nur begrenzt Personal und Material für eine effiziente Notfallversorgung und Rettung zur Verfügung (Weinrich et al. 2013).

Das Meeresgebiet vom deutschen Festland aus gesehen ist nach dem Seerechtsübereinkommen (SRÜ), das den Status und die Rechtsnatur nationaler und internationa-ler Gewässer regelt, aufgeteilt ist in eine 12-Seemeilen-Zone und den darüber hinausgehenden Bereich, die auf 200 Seemeilen begrenzte „Ausschließliche Wirtschaftszone“ (AWZ). Die 12-Seemeilen-Zone, das so genannten Küstenmeer, gehört dabei zum Hoheitsgebiet des Küstenstaates, wäh-rend die „Ausschließliche Wirtschaftszone“ nicht zum herkömmlichen Hoheitsgebiet des jeweiligen Küstenstaats gehört und somit hoheitliche Befugnisse in diesem Gebiet nur eingeschränkt wahrgenommen werden dürfen.

Bezüglich Arbeitssicherheit und Gesund-heitsschutz gilt jedoch das Arbeitsschutz-gesetz. Im Hinblick auf Offshore-Windparks im Küstenmeer bedeutet dies, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung der Rettungskette in diesem Bereich – ungeachtet von gegebenenfalls vorhandenen Praktikabilitätsproblemen bei deren logistischer und operativer Umsetzung – wie bei jedem anderen Standort auf dem Festland darstellen. Für Offshore-Windparks, die in der AWZ errichtet und betrieben werden, stellt sich so-mit ein Rechtsrahmen dar, der komplex und vielschichtig ist.

Organisation der Rettungskette

Ausgangspunkt für weitere Überlegungen zur Organisation der Rettungskette im Off-shore-Windbereich bildet das Arbeitsschutz-gesetz (ArbSchG), das grundsätzlich bei Bau und Betrieb deutscher Offshore-Windparks im Bereich des Küstenmeeres sowie in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone anzuwenden ist. Zentrales Element im be-trieblichen Arbeitsschutz ist die Gefährdungs-beurteilung, welche der Arbeitgeber gemäß § 5 ArbSchG im Rahmen seiner unternehme-rischen Pflichten zu erstellen hat und die der Ermittlung erforderlicher Maßnahmen des Arbeitsschutzes dient. Dabei müssen insbesondere auch die weite Entfernung vom Festland, das Auftreten widriger Wetterbedingungen, die Weitläufigkeit der OWP und die häufig langen Rettungszeiten im Falle eines medizinischen Notfalls berücksichtigt werden.

Hinweise zur Durchführung einer Ge-fährdungsbeurteilung bietet für alle Windenergieanlagen on- und offshore beispielsweise die DGUV Information 203-007 (bis-her BGI 657) in ihrer jeweils aktuellen Fas-sung, wobei im Einzelfall den besonderen Erfordernissen im Offshore-Bereich Rechnung getragen werden muss. Gemäß Arb-SchG haben die Arbeitgeber dabei nicht nur die erforderlichen Maßnahmen für die Sicherheit und Gesundheit ihrer Beschäftigten bei der Arbeit (§ 3 Abs. 1 ArbSchG) zu treffen, sondern auch diejenigen zur Ersten Hilfe und Evakuierung der Beschäftigten (§ 10 Abs. 1 ArbSchG). Diese Maßnahmen werden insbesondere durch die DGUVVorschrift 1 (s. „Weitere Infos“) wie auch durch weitere Schriften der Unfallversicherungsträger konkretisiert.

Zur Ausgestaltung der Rettungskette sind daher insbesondere die Maßnahmen von Interesse, die den Bereich der Ersten Hilfe und der Evakuierung der Beschäftigten betreffen. Nach § 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG) ist der Betriebsarzt bei der Gefährdungsbeurteilung und der Or-ganisation der Ersten Hilfe im Betrieb einzubeziehen.

Schon in der Vorbereitung des eigentlichen Baus von Offshore-Anlagen werden Offshore-Tätigkeiten im Rahmen von Voruntersuchungen und der Verkehrssicherung durchgeführt. Der Bauphase selbst, die aufgrund ihres Charakters einen erhöhten Auf-wand personeller und materieller Ressourcen vor Ort begründet, schließt sich die Phase der Inbetriebnahme an, welche insbesondere im Hinblick auf die Netzanbindung sowie notwendige technische Prüfungen und Maßnahmen durchaus mehrere Monate in Anspruch nehmen kann. Während der Betriebsphase der Windparks, die normalerweise 20 Jahre beträgt, kann neben den üblichen Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten ein Großkomponententausch erforderlich werden, der bezüglich der Inanspruchnahme personeller und materieller Ressourcen ähnlich der Bauphase ist.

Medizinische Notfälle in Offshore-Windparks

Für medizinische Notfälle wird derzeit die luftgestützte Rettung mittels Hubschrauber favorisiert. Dies setzt voraus, dass der Hubschrauber am Notfallort landen kann (z. B. Hubschrauberlandeplattform auf einer Umspann- oder Wohnplattform) oder dass es auf der betreffenden Windenergieanlage eine entsprechend konfigurierte Windenbetriebsfläche gibt. Letzteres gibt dem Ret-tungsteam die Möglichkeit, auf die Anlage zu gelangen und den Patienten über diesen Weg an Bord des Hubschraubers zu befördern. Der Einsatz eines Hubschraubers unterliegt jedoch Einschränkungen, die im Wesentlichen durch Witterungsbedingungen, Sichtverhältnisse, Konfiguration der Strukturen im Offshore-Windpark sowie Größe des Hubschraubers bestimmt werden.

Auch die wassergestützte Rettung mittels Schiffen unterliegt technischen Limitationen. So ist beispielsweise das Anlegen an einer Windenergieanlage im herkömmlichen Sinne nicht möglich, sondern er-fordert eine spezielle Bauart des Schiffes und der Gründungsstruktur der Anlage bzw. spezielle Personentransfersysteme.

Bezüglich der spezifischen Aspekte des Arbeitsumfeldes ist festzuhalten, dass die Arbeiten auf Windenergieanlagen und anderen Strukturen eines Offshore-Windparks wiederkehrend in engen Räumlichkeiten, in Höhen sowie an hochgelegenen und tiefgelegenen Arbeitsplätzen stattfinden. Hierzu zählen z. B. die Turmsegmente, das Maschinenhaus, die Rotorblätter, die Außenanlagen sowie die Gründungstrukturen. Diese Arbeitsplätze sind mit spezifischen Unfall- und Verletzungsgefährdungen verbunden. Bei Eintreten eines medizinischen Notfalls unterliegen die Rettungskräfte im Rahmen der Notfallversorgung und der Patienten-rettung den gleichen räumlichen und ortsspezifischen Limitationen und Gefährdungen wie die dort arbeitenden Personen.

Eine vorläufige Auswertung von 319 me-dizinischen Vorfällen in deutschen Offshore-Windparks der Jahre 2008 bis 2012, die im Rahmen des Forschungsprojekts „Rettungskette Offshore Wind“ (ROW) durchgeführt wurde, zeigt 190 Verletzungen, 123 Akuterkrankungen und vier Todesfälle (Stuhr et al. 2015). Zwei medizinische Vorfälle konnten keiner der vorgenannten Kategorien zugeordnet werden.

In zwei Drittel der Fälle trat das Errich-terschiff als Unfall- und Erkrankungsort in den Vordergrund, was auf die vornehmlichen Bauaktivitäten im betrachteten Zeitraum zurückgeführt werden kann. Nachgeordnet fanden die medizinischen Ereignisse auf den Windenergieanlagen selbst, sonstigen Schiffen und Umspannplattformen statt. Vornehmliche Akuterkrankungsbilder waren Beschwerden der Atmungs- und Verdauungssysteme, Schmerzsymptomatiken, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Hautirritationen, Schlafstörungen wie auch weitere körperliche und psychische Befindlichkeitsstörungen.

Durch äußere mechanische Einflüsse („gestoßen an“, „getroffen von“, „geraten in“ etc.) bedingte Unfälle standen mit rund zwei Dritteln deutlich im Vordergrund, gefolgt von sog. SRS-Unfällen (Stolpern/Rutschen/Stürzen) mit etwa einem Viertel. Quantitativ nachrangig folgten Unfallereignisse mit elektrischem Hintergrund, Tauchunfälle, Ge-fahrstoffunfälle, thermisch bedingte Unfälle und Absturzunfälle. Handwerksarbeiten, Versatz- und Verladearbeiten sowie die allgemeine Fortbewegung standen primär mit dem Unfallgeschehen in Verbindung.

Bei den Verletzungsarten traten vor allem Kontusionen, Distorsionen, Schnittwunden, Augenverletzungen und Platzwunden auf. Nachrangig zeigten sich Verletzungen wie z. B. Knochenbruch, Verbrennung, Schürf-und Risswunde. Als verletzte Körperregionen waren primär die oberen und unteren Extremitäten (vornehmlich die Hand) sowie der Kopf betroffen.

In insgesamt 70 Fällen (22 %) wurde eine Evakuierung des Patienten durchgeführt, davon in 53 Fällen per Hubschrauber und in 17 Fällen per Schiff.

Erste Hilfe in Offshore-Windparks

Die Maßnahmen der Ersten Hilfe dienen der Überbrückung der Zeit vom Auffinden der verletzten beziehungsweise erkrankten Person bis zum Eintreffen professioneller (notfall-)medizinischer Rettungskräfte. Hierbei nehmen Offshore-Windparks eine besondere Stellung ein, da professionelle Rettungsteams aufgrund der Küstenentfernung und möglicherweise vorherrschender Wetterbedingungen erst nach einer längeren Zeit eintreffen können.

Eine im Rahmen des ROW-Forschungsprojekts durchgeführte Übersichtsanalyse der Konzepte zur Ersten Hilfe im nationalen und internationalen Kontext zeigt deutliche Unterschiede in Art und Umfang der Schu-lungsinhalte und -methoden. Dies gilt vor allem für zielgruppen- und gefährdungsspezifische Aspekte sowie für die auf der jeweiligen nationalen Ebene gültigen Regularien und vorherrschenden medizinischen Lehrmeinungen. Dennoch wird eine Grund-kenntnis in Erster Hilfe sowie das regelmäßige Auffrischen dieser Kenntnis für jede Person im Offshore-Bereich übergreifend empfohlen oder sogar verpflichtend vorge-geben.

Insgesamt erscheint im Offshore-Wind-bereich ein umfeldorientiertes und praxis-bezogenes Schulungskonzept mit zweck-mäßigen Lehrelementen und szenariobasierten Anwenderübungen in realistischer Umgebung unter telemedizinischer Begleitung das Mittel der Wahl.

Auf Basis dieser Erkenntnisse sowie der parallel aufgenommenen Facharbeit und konsentierten Ergebnisse der Projektgruppe „Rettung und Erste Hilfe Offshore“ (REH Offshore) des Fachbereichs Erste Hilfe der DGUV wurde Anfang 2014 eine Informationsschrift zur Ersten Hilfe in Offshore-Windparks nebst Weiterbildung zum „Ersthelfer-Offshore“ auf der Homepage des Fachbereichs Erste Hilfe der DGUV veröffentlicht (s. „Weitere Infos“: DGUV 2014). Sie gibt allen Verantwortlichen im Arbeitsschutz Hilfestellung bei der erforderlichen Planung und Umsetzung von Erste-Hilfe-Maßnahmen unter den besonderen Offshore-Bedingungen. Basierend auf der erhöhten Gefährdung und den Folgerisiken nach dem Eintritt eines medizinischen Notfalls beschreiben die neuen Empfehlungen Maßnahmen der (erweiterten) Ersten Hilfe durch speziell ausgerüstete und weitergebildete „Ersthelfer-Offshore“ ( Abb. 1).

  • Diese umfassen Maßnahmen bei
  1. Arbeitsunfällen und akuten Erkrankungen,
  2. erweiterte Erste-Hilfe-Maßnahmen ins-besondere zum Freihalten der Atemwege, zur Blutstillung, zur Immobilisation bei Frakturen und Schmerzlinderung
  3. sowie unterstützende Maßnahmen mittels Telekonsultation

und richten sich vor allem an die Ersthelfer, die in kleinen Teamgrößen in den Windenergieanlagen arbeiten. Die Maßnahmen müssen dabei angemessen und zugleich auch für den Ersthelfer leistbar, zumutbar und juristisch sicher sein. Zudem muss der Laienstatus der Ersthelfer berücksichtigt, die wenig oder keine Einsätze und insofern kaum Notfallerfahrung haben. Die zusätzliche teambezogene Erste-Hilfe-Ausstattung ist leicht transportierbar. Die Erstmaßnahmen sollen intensiv geübt, regelmäßig wiederholt sowie einfach anwendbar sein. Der „Ersthelfer-Offshore“ soll auch auf Worst-case-Situationen gut vorbereitet sein.

Rettungsdienstliche Weiterversorgung

Ein entsprechend seetauglicher und vollständig ausgestatteter Hubschrauber stellt derzeit die Rettungseinheit der Wahl dar. Dieser muss mit einer Rettungswinde ausgestattet sein, um dem rettungsdienstlichen Personal den Zugang zu einer Windenergieanlage zu ermöglichen. Im Rahmen der rettungsdienstlichen Weiterversorgung tritt dann professionell ausgebildetes Rettungsfachpersonal (Rettungsassistenten, Notfall-sanitäter, Notärzte) am Offshore-Aufenthaltsort des Patienten an die Stelle der zunächst ersthelfenden qualifizierten Laien.

Im Falle widriger Witterung für den Hub-schrauber (z. B. Seenebel) sollte im Sinne eines redundanten Rettungsweges eine geeignete wassergebundene Rettungseinheit (Schiff) vorgehalten werden. Zu berücksich-tigen ist hierbei, dass die Rettung aus Off-shore-Windparks weder zu den satzungsgemäßen Aufgaben der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) noch zu den originären Aufgaben des SAR-Dienstes (Seach and Rescue) gehört. Daher sind der maritime Such- und Rettungsdienst und auch die Seenotrettung von der betrieb-lichen rettungsdienstlichen Weiterversorgung in Offshore-Windparks abzugrenzen.

Die rettungsdienstliche Weiterversorgung in deutschen Offshore-Windparks übernehmen gegenwärtig Organisationen und Firmen, die bereits über Erfahrungen in einem oder mehreren Teilaspekt(en) dieser speziellen Rettungskette verfügen. Notfallannahme sowie Disposition und Alarmierung der Rettungseinheit erfolgen derzeit durch drei Notfallleitstellen. Zudem werden im Rahmen der staatlichen Daseinsvorsorge aktuell zwei Offshore-Notfall-Reaktionsteams vorgehalten, die in besonderen Ein-satzsituationen alarmiert und zugeführt wer-den können.

Arbeitsmedizinische Aspekte

Bei den für die Luftrettung relevanten Akut-erkrankungen in einem deutschen Offshore-Windpark findet sich mit ca. 56 % ein erhöhter Anteil von internistisch erkrankten Personen (Dethleff et al., einger.). In diesem Zusammenhang stellen Thibodaux et al. (2014) fest, dass unzureichende oder gar ausbleibende medizinische Eignungsuntersuchungen zu einer erhöhten Zahl medizinischer Evakuierungen von Offshore-Öl- und Gasstrukturen führen können. Deshalb fordern Thibodaux et al. seitens des Arbeitgebers obligatorische Eignungsuntersuchungen durchzuführen sowie Offshore-Programme zur medizinischen Prävention und zum Gesundheitsmanagement zu etablieren. Gerade durch die primär- und sekundärpräventiven Maßnahmen des betrieblichen Ge-sundheitsschutzes und der Arbeitsmedizinischen Vorsorge lassen sich bei Offshore-Tätigkeiten schon im Vorfeld viele Gesundheitsrisiken und -schäden verhüten.

Aufgrund der bislang publizierten Ergebnisse kann generell eine weiterführende Empfehlung zur Beurteilung der Gesundheit von Arbeitern in deutschen Offshore-Windparks oder auch zur Güte und Aussagekraft in der Vergangen-heit durchgeführter Eignungs- und Gesund-heitsuntersuchungen für Offshore-Mitarbeiter abgeleitet werden. Maßgebend sollte daher für die Zukunft die im Februar 2015 veröffentlichte AWMF-Leitlinie „Arbeitsmedizinische Eignungsuntersuchungen für Arbeitnehmern auf Offshore-Windenergie-anlagen und anderen Offshore-Plattformen“ der Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedi-zin und Umweltmedizin (DGAUM) sein. Zudem wird empfohlen, gemäß den aktuell beziehungsweise den künftig vorhandenen infrastrukturellen Einrichtungen in den deut-schen Offshore-Windparks (Plattformen, Hotelschiffe) Förderprogramme zur medizinischen Prävention und zum Gesundheitsmanagement für die Arbeitnehmer zu etablieren.

Fazit

Eine enge Einbindung des Betriebsarztes bei der Gefährdungsbeurteilung sowie der Organisation der Rettungskette in dem besonderen Umfeld von Offshore-Anlagen ist erforderlich. Eine detaillierte Analyse notfallmedizinischer Einsätze kann wertvolle Hinweise für die Gestaltung der Eignungs- und Gesundheitsuntersuchungen sowie weiterer Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren liefern.

Literatur

Dethleff D et al.: Air medical evacuations from the German North Sea wind farm Bard Offshore 1 – Traumatic injuries, acute diseases and rescue process times (2011–2013). Air Medical Journal (eingereicht)

Stuhr M, Dethleff D, Weinrich N, Nielsen MV, Hory D, Seide K, Jürgens C: Vorläufige Auswertung: Medizinische Ereignisse in Offshore-Windparks – Erste Informationen zu Unfallverletzungen und Erkrankungen. Flug Reisemed 2015; 22: 14–19.

Thibodaux DP, Bourgeois RM, Loeppke RR, Konicki DL, Hymel PA, Dreger M: Medical evacuations from oil rigs off the Gulf Coast of the United States from 2008 to 2012. J Occup Environment Med 2014; 56: 681–685.

Wehrmann AK: Offshore-Wind: Wer hilft im Notfall? neue energie 2014; 1: 46–51.

Weinrich N, Dethleff D, Stuhr M, Nielsen MV, Hory D, Seide K, Jürgens C: Medizinische Notfallversor-gung und Rettungskonzepte für Offshore-Windparks. In: Holbach G, Stanik C, Eckert C (Hrsg.): Maritime Lösungen für die Offshore-Windparkversorgung. Berlin: Universitätsverlag der TU Berlin, 2013.

Weitere Literatur kann beim ASU-Redaktionsbüro angefordert werden.

    Weitere Infos

    Die Bundesregierung (2014) Energie erzeugen. Maßnahmen im Überblick

    www.bundesregierung.de/Content/DE/StatischeSeiten/Breg/Energiekonzept/0-Buehne/maßnahmen-im-ueberblick.html

    Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2014a) Windkraft auf See

    www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/E/eeg-faktenblatt-windkraft-auf-see,property=pdf, bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf

    Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2014b) Windenergie. Windenergienutzung auf See

    www.erneuerbare-energien.de/EE/Redaktion/DE/Dossier/windenergie.html?cms_docId=69018

    Deutsche Gesetzliche Unfall-versicherung (2013) Unfall-verhütungsvorschrift – Grundsätze der Prävention DGUV Vorschrift 1

    publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/1.pdf

    Deutsche Gesetzliche Unfall-versicherung (DGUV) (2014). Erste Hilfe in Offshore Windparks.

    www.dguv.de/medien/fb-erstehilfe/de/documents/info_offshore.pdf

    Für die Autoren

    Dr. med. Markus Stuhr

    Abteilung für Anästhesie, Intensiv- und Rettungsmedizin

    Zentrum für Schmerztherapie

    BG Unfallkrankenhaus Hamburg

    Bergedorfer Straße 10

    21033 Hamburg

    m.stuhr@buk-hamburg.de

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