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Gelingende Integration am konkreten Beispiel

Das Bunte Haus der Jugend

Vorstellung des Hauses und des Konzepts

Das „Bunte Haus der Jugend“ der Johanniter in Elstal ist ein Verbundprojekt unterschiedlicher stationärer Angebote des SGB VIII mit Spezialisierung auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und junge Volljährige bei gemischter Belegung auch mit deutschstämmigen und männlichen wie weiblichen Bewohner/innen. Es verfügt über eine Kapazität von 23 Plätzen auf drei Stationen, die einem übergreifenden Ansatz folgend von den Jugendlichen durchlaufen werden. Entsprechend beginnt die Aufnahme mit dem Einzug in das 2. OG. Das Team ist besonders geschult und geübt, die Bedarfe von Neuankömmlingen zu erkennen und zu bearbeiten. Die Mitarbeitenden werden in ihrer Arbeit durch die in unserem Haus tätige Psychologin im Clearingverfahren unterstützt. Weitere Ressourcen wie die Kooperation mit der örtlichen Volkshochschule, die Inhouse-Deutschkurse sowie bedarfsweise Alphabetisierungskurse anbietet, werden genutzt. Auch die Beantragung von Asyl und die Suche nach freien Schulplätzen finden hier statt.

Nach dem Durchlaufen der Phase ersten Ankommens und bei Vorliegen freier Kapazitäten wechseln die Jugendlichen in die Regelgruppe des 1. OG. Dort erleben sie eine klassische Rund-um-die-Uhr-Betreuung, die das Heranführen in den Alltag beinhaltet und von der Vermittlung eines Gefühls von Sicherheit begleitet ist. In dieser Zeit zeigen sich oft verdeckte Probleme, welche die jungen Menschen erfahrungsbasiert mit sich tragen. Medizinische Indikationen mit der Folge langwieriger Heilungsprozesse, das Aufbrechen von Traumata und weitere Themen, die nur in einer Umgebung, in der Menschen sich sicher und geborgen fühlen, transparent werden können, prägen das Alltagsgeschehen dieser Gruppe. Gleichzeitig findet hier die Grundsteinlegung erfolgreicher Integration statt. Werte und Normen der hiesigen Mehrheitsgesellschaft werden erklärt, gelebt und durch geeignete Aktivitäten wie beispielsweise Ausflüge nahegebracht. Gemeinsame Feste mit Kooperationspartnern wie der theologischen Hochschule im gleichen Ort bringen Kulturen und Religionen einander näher. Auf diese Weise können Verständnis, Respekt und Akzeptanz vermittelt und gelernt werden.

Beim Deutlichwerden einer ausreichend stabil entwickelten emotionalen und kognitiven Reife des jungen Menschen besteht schließlich die Möglichkeit, in die Verselbständigungsgruppe des EG umzuziehen. Hier erfahren die Jugendlichen mehr Begleitung als Betreuung. Entsprechend ist auf dieser Station nur nachmittags und abends Personal anwesend, wobei sich die Bewohner bei akutem Bedarf außerhalb dieser Zeiten an die Mitarbeitenden des 1. und 2. OG wenden können. Die Jugendlichen des EG bekommen ihr Essengeld ausgezahlt, gehen alleine einkaufen, übernehmen das Kochen und Putzen, stehen selbstständig auf und gehen zur Schule oder zur Ausbildung. Die Suche eben dieser Ausbildung ist ein großes Thema dieser Station. Sowohl der Abschluss der Schule, als auch der gemeinsame Besuch von Ausbildungsmessen, das Erstellen von Bewerbungsschreiben oder die Begleitung zu Vorstellungsgesprächen nehmen großen Raum ein. Das eigenständige und eigenverantwortliche Leben wird gemeinsam geplant.

Multiprofessionalität des Teams

Die Notwendigkeit einer umfassenden und zielführenden Abdeckung der verschiedenen Bedarfe der Jugendlichen resultiert in einer multiprofessionellen Zusammensetzung des Mitarbeiterteams. So verfügt die Einrichtung über pädagogische Fachkräfte wie Erzieher und Sozialarbeiter, die teilweise spezialisierte Weiterbildungen aufweisen. Zur Erweiterung der fachlichen Kompetenz befindet sich eine Psychologin im Einsatz. Daneben gibt es eine Integrationsmanagerin, deren zentrale Aufgabe es ist, die Jugendlichen noch differenzierter in deren verschiedenen Lebensbereichen zu vernetzen, um so eine erfolgreiche Integration zu unterstützen. Zur Optimierung des Zusammenwirkens der Mitarbeitenden dient die regelmäßige Durchführung externer Supervision. Eine Verwaltungsfachkraft vervollständigt das Team. Das Haus wird von der pädagogischen Einrichtungsleitung geführt.

Kooperation mit anderen Institutionen

Kooperation ist für das Bunte Haus eine Selbstverständlichkeit. Es werden erhebliche Ressourcen investiert, um sich so weit wie möglich zu vernetzen und Kontakte zu pflegen. Die ersten Ansprechpartner sind meist staatliche Institutionen, beginnend bei den fallführenden Jugendämtern, als Teil der örtlichen Aufsichtsstruktur, dann das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport sowie die Ausländerbehörde etc.

Hier darf nicht verschwiegen werden, dass sich die Zusammenarbeit nicht in allen Fällen so gestaltet, wie es für beide Parteien wünschenswert ist. Die Flüchtlingsbewegung 2015 hat die staatlichen Institutionen überlastet. Der einzelne Mitarbeiter konnte trotz Kompetenz und Einsatz bis an die Belastungsgrenze kaum gegen diesen Ansturm ankommen.

Im Bereich des Gesundheitswesens sind auch die Anforderungen hoch. So ist bis heute noch nicht ausreichend geklärt, wer die Kosten für Krankenbehandlungen übernimmt. Ebenso verhält es sich z. B. mit Beiträgen für Sportvereine oder Fitnessclubs. Das Ergebnis sind weite Fahrtwege und große Hemmnisse bei der Integration in den umliegenden Sozialraum.

Dabei finden sich immer wieder herausragende Beispiele, wie die so genannten „stillen Helden“, die dort unbürokratisch genau da helfen, wo eine Notlage herrscht – und dies auch mit finanziellem Einsatz.

Ein weiterer wichtiger Partner ist die bereits erwähnte theologische Hochschule am Ort, die u. a. hilft, interreligiösen Dialog ganz neu zu denken. Ebenso ist hier die Volkshochschule zu nennen, die mit einer erstaunlich unbürokratischen, zupackenden Art hilft, den zentralen Grundstein der Integration zu legen: das Erlernen der deutschen Sprache.

Medizinische und psychologische Bedarfe und Betreuung von jungen Flüchtlingen

Herauszustellen ist der massiv unterschiedliche medizinische Zustand junger Flüchtlinge, der oft am Herkunftsland fest gemacht werden kann. Diese Verknüpfung liegt in den Fluchtursachen und Merkmalen von Herkunftsländern begründet und darf keinesfalls pauschalisiert werden. Sie erleichtert jedoch eine erste Einschätzung. Jugendliche aus afrikanischen, speziell westafrikanischen Ländern fliehen oft aufgrund von Armut oder lokalen ethnischen Konflikten. Dabei haben sie i. d. R. lange Fluchtwege, Aufenthalte z. B. in lybischen Lagern und die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer überstehen müssen. Gesundheitlich sind sie, gemessen an westeuropäischen Standards, häufig altersuntypisch schlecht gestellt. So besuchen sie teilweise in Deutschland zum ersten Mal einen Zahnarzt.

Hingegen stammen Jugendliche aus den Krisengebieten des Nahen Ostens aus Ländern mit ehemals intakten, durch Kriege zerstörten Infrastrukturen und gehörten dort nicht selten zur Mittelschicht. Ihre Flucht geschah i. d. R. über die Balkan-Route und war oft gut organisiert. Sie sind gesundheitlich besser gestellt und es liegt ihnen gedanklich näher, bei Problemen einen Arzt aufzusuchen, wie beispielsweise bei Hautproblemen oder für Zahnkorrekturen.

In Anbetracht dieser unterschiedlichen Fluchtgeschichten ergeben sich entsprechend heterogene psychologische Bedarfe. Sehr verbreitet mag noch die Sorge um die Zurückgelassenen wie Eltern oder andere nahe Angehörige sein. Die jeweiligen Traumata weisen jedoch individuell verschiedene Bezüge auf. So steht einem kindlichen Positiverleben von Heimat, die man aus Angst, aber auf einer recht sicheren Route verlassen hat, ein Negativerleben von Heimat als einem Ort entgegen, der nicht nähren konnte, verbunden mit einem langen, schmerzhaften Fluchtprozess. Die individuelle Realisation dessen hilft erheblich beim Umgang mit Fragen von Identität, Heimat, Integration.

Fazit

Neben der medizinischen und psychosozialen Versorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge liegt es in der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung, sie erfolgreich zu integrieren mit dem Ziel, ihnen später ein selbstbestimmtes Leben in unserer Gesellschaft zu ermöglichen. Dazu gehören in erster Linie die Beherrschung der deutschen Sprache, das Verstehen der kulturellen Gegebenheiten in Deutschland und zudem eine Ausbildung, um eine berufliche Perspektive zu ermöglichen. Damit verknüpft ist auch die Versorgung mit eigenem Wohnraum und Möglichkeiten der unmittelbaren Teilhabe an unserer Kultur sowie die Einbindung in das soziale Umfeld. Um dieses Ziel zu erreichen müssen viele Akteure, jeder an seiner Stelle tätig werden und kooperieren. Das bunte Haus der Jugend will seinen Beitrag leisten, indem es hierzu die Grundlagen legt.

Wer aus diesem Bereich kommt, kennt die Hemmnisse, die auf dem ohnehin steinigen Weg der Integration lauern. Umso mehr erfreuen wir uns sehr an den Erfolgen, die wir erreichen können, sowie an den Interessen, die wir wecken können. Ob die Ausbildung als Hotelfachmann für einen Bewohner, die Begeisterung für IT-Technik bei einem anderen, die Bereitschaft einer Bewohnerin, nach nächtelangen Gesprächen, doch den Schulabschluss zu erlangen, oder die Stärke eines Bewohners, Schule und Ausbildung zu absolvieren, obwohl die Familie in der Heimat möglichst schnell und viel Geld zugesandt bekommen will. Diese Beispiele geben Zuversicht und Motivation, weiterzumachen.

Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

    Info

    Gesonderte Unterstützungsleistung für minderjährige Unbegleitete (u.a.)

    • Hinführung zu Sprach- und Integrationskursen
    • Unterstützung bei der Identitätsfindung im neuen gesellschaftliche und kulturellen Kontext
    • Erarbeitung einer realistischen Lebensperspektive, die sowohl auf einen Verbleib als auch auf die Rückkehr ins Herkunftsland vorbereitet
    • Hinführung zu geeigneten Schul- und Ausbildungsangeboten unter Berücksichtigung einer möglichen Anwendung im Herkunftsland

    Info

    Überblick über die Betreuungsangebote

    • Training sozialer Kompetenzen
    • Minderung von Verhaltensauffälligkeiten
    • Erlernen von alltagspraktischen Fähigkeiten
    • Betreuung und Unterstützung bei Lern- und Arbeitstechniken für die schulische und berufliche Entwicklung
    • Förderung des Selbstbewusstseins
    • Förderung der Selbstwirksamkeit
    • Förderung von Krisenbewältigung und Erlernen von Konfliktlösungsstrategien
    • Integrationsarbeit und Begleitung im Asylverfahren

    Autor

    Jan Eckhoff

    B.A. Psychologie, kand. M.A. pädagogische Psychologie

    Stationäre Jugendhilfeeinrichtung

    „Buntes Haus der Jugend“

    Nauener Straße 9

    14641 Wustermark-Elstal

    buntes-haus.brbnw@johanniter.de

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