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Gesundheitsangebote der SVLFG

Hintergrund

In wohl keiner anderen Sozialversicherung sind prozentual so viele ältere Menschen ver-sichert, wie in der SVLFG. Mehr als 50 % ihrer Krankenkassenversicherten sind Alten-teiler, also Rentner. In der Rentenversicherung für die Landwirte kommen auf einen Beitragszahler mehr als zwei Rentenempfänger. Über 40 % der neuen Unfallrenten (aufgrund eines schweren Unfalls) erhalten Personen, die 60 Jahre und älter sind. Der Agrarbereich ist der demografischen Entwicklung der Allgemeinheit um Jahre vor-aus. Das bedeutet, die SVLFG muss die Her-ausforderungen jetzt bewältigen und kann nicht darauf warten, was die Allgemeinheit tut. Für die Politik müsste es aber interessant sein, auf die Landwirtschaft, Forstwirtschaft und den Gartenbau zu schauen – wie sie die Herausforderung der Gesellschaftsüberalterung angeht und meistert. Vielleicht ist sie in dem einen oder anderen Bereich sogar Modell.

Die befragt, die es angeht – Befragungsaktion 55plus

Um maßgeschneiderte Gesundheitsange-bote für ihre Versicherten entwickeln zu kön-nen, musste die SVLFG mehr über diese erfahren. Dazu hat sie ihre Versicherten befragt, die 55 Jahre und älter sind. Zusammen mit den Landfrauen im Bayerischen Bauernverband (BBV) startete sie in Bayern eine große Befragungsaktion – 55plus.

Mit der Aktion 55plus sollten z. B. die fol-genden Fragen beantwortet werden:

  • Warum arbeiten Land- und Forstwirte bis ins hohe Alter?
  • Wie gesund/krank sind sie?
  • Wie stellen sich die Menschen im Alter von 55plus ihre Zukunft vor?

Insgesamt haben die Ortsbäuerinnen über 8000 Fragebögen auf den Betrieben verteilt. Ihrem Engagement ist es auch zu verdanken, dass fast 40 % der Fragebögen zurückgesandt wurden. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Regionen wurde in einer weiteren Studie überprüft (s. Beitrag von Hetzel in diesem Heft).

Sturzprävention als Gesundheitsangebot

Die Befragten sind bis ins hohe Alter aktiv. Sie räumen auf, gehen nachschauen, rechen zusammen, sie misten und füttern. Sie sind also viel auf den Beinen. Das ist zum einen gesund; zum anderen aber ist es meist ein Sturz, der den Oberschenkelhals brechen lässt und aus dem bis dahin mobilen Altenteiler einen Pflegefall macht. Das will die SVLFG verhindern. Sie hat sich deshalb zusammen mit dem Deutschen LandFrauenverband, dem Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart mit seinem Medizinischen Forschungsinstitut und dem Deutschen Turner-Bund zum Ziel gesetzt, flächendeckend auf dem Land Sturzpräventionskurse anzubieten. Die Landfrauen organisieren die Kurse vor Ort in den Dörfern. Getragen von den Sportvereinen führen entsprechend ausge-bildete Übungsleiter die Kurse vor Ort durch. Dieses bürgerschaftliche Engagement macht es möglich, ein qualitativ hochwertiges Angebot im ländlichen Raum, im nahen Umfeld der Zielgruppe, stattfinden zu lassen – das Angebot kommt zum Menschen.

„Wer regelmäßig übt, ganz gezielt bestimmte Muskelpartien stärkt und Gleichgewicht und Koordination schult, stürzt we-niger und wenn doch, sind die Verletzungsfolgen meist nicht so gravierend“, sagt Prof. Dr. Clemens Becker, Chefarzt der Geriatrie am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart und Sprecher der Bundesinitiative Sturzprävention.

An dieser Erkenntnis setzt das Sturzpräventionsangebot „Trittsicher durchs Leben“ an. An sechs Abenden erlernen die Teilnehmenden Kraft- und Balanceübungen nach dem so genannten Ulmer Modell. Dieses wissenschaftlich evaluierte Training kann nachweislich zur Sturzprophylaxe beitragen. Dabei werden spezielle Übungen mit Gewichtsmanschetten an Armen und Beinen absolviert. Zusätzlich werden auf Luftkis-sen die Körperbalance und die Fähigkeit, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, geschult. Sicht- und erlebbarer Erfolg: Muskelaufbau, Erlangen einer aufrechten Körperhaltung und jede Menge Spaß.

„Seitdem ich den Kurs besucht habe, kann ich wieder viel leichter die Treppe zum Melk-stand rauf und runter gehen“, so die Rückmeldung einer Allgäuer Bäuerin.

Im Rahmen des § 20 SGB V werden die Kurse von der Krankenkasse bezuschusst. Das positive Ergebnis strahlt auf alle Zweige der landwirtschaftlichen Sozialversicherung aus: Weniger Sturzunfälle bei mithelfenden Rentnern entlasten die Unfallversicherung, Reduzierung von sturzbedingten Pflegefällen entlastet die Kranken- und Pflegeversicherung, weniger sturzbedingte Reha-Maß-nahmen bei aktiven Landwirten entlasten die Rentenkasse der SVLFG. Im Rahmen eines vom Bundesministerium für Forschung und Bildung geförderten Projektes zu muskuloskeletalen Erkrankungen (Koordination Priv.-Doz. Dr. Kilian Rapp von Robert Bosch-Krankenhaus in Stuttgart) sollen auch die ökonomische Effekte einer systematischen Sturzprävention innerhalb der SVLFG gemessen werden.

Entlastung für pflegende Angehörige

Die Befragung 55plus ergab, dass im Agrarbereich etwa dreimal so häufig Angehörige zu Hause gepflegt werden, wie im anderen Teil der Bevölkerung. Die Pflegearbeit wird zusätzlich zur anderen Arbeit erledigt – vor allem von den Frauen. Dies führt dazu, dass sie körperlich und seelisch stark belastet sind. „Wir sind eure Kranken von morgen“, sagte eine Bäuerin, die seit vielen Jahren ihren Schwiegervater pflegt.

Um diesen Menschen zu helfen, bietet die SVLFG Trainings- und Erholungswochen für pflegende Angehörige an. Dort lernen sie Tipps und Tricks zur Pflege; aber auch, wie sie etwas für sich selbst tun können. Die Bewertung einer Teilnehmerin: „Diese Zeit für sich selbst ist sehr, sehr wichtig – und einmal nicht Ansprechpartner für jede Kleinigkeit zu sein. Diese Woche ist ein Geschenk.“ Die SVLFG hat aufgrund der Befragung ihr Angebot noch ausgeweitet. Auch wurden Pflegeberater ausgebildet, die die Pflegepersonen und ihre Angehörigen zu Hause beraten.

Die Versicherten der SVLFG haben die Möglichkeit, zwischen neun Seminareinrichtungen in ganz Deutschland zu wählen. Interessant ist, dass dieser Personenkreis große Entfernungen auf sich nimmt, um an der Trainings- und Erholungswoche teilnehmen zu können.

Betriebsübergabe – ein Gesundheitsthema

Die Betriebsübergabe ist im Agrarbereich ein Thema für fast jeden Zweiten über 55 Jahre. „Ist die wirtschaftliche Zukunft des Betriebes geklärt? Was ist rechtlich zu beachten?“ Derartige Fragen bilden häufig nur die Spitze eines Eisbergs. Unter der Oberfläche verber-gen sich weitere Fragen: „Werde ich nach der Übergabe noch gebraucht? Wie sieht mein Leben nach der Übergabe aus?“ Diese und viele weitere ungeklärte Fragen gehen zu Lasten der Gesundheit.

Dass die Betriebsübergabe ein Gesundheitsthema ist, hat die Befragung 55plus ein-drucksvoll aufgezeigt. Deshalb bietet die SVLFG ihren Versicherten ein spezielles Seminar dazu an. Gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat die SVLFG unter Partizipation (Telefonbefragung und Fokusgruppe) des Endverbrauchers (potenzielle Betriebsübergeber) ein viertägiges Seminar entwickelt, bei dem die emotionale Seite der Übergabe im Mittelpunkt steht. Überwiegend nehmen Ehepaare teil. Geleitet werden die Seminare von Diplom-Sozialpädagoginnen, die auch Einzel- und Paargespräche anbieten. Sehr bewegend ist der Bausstein „Die Jungen zu Wort kommen lassen“. Der Baustein bietet den Teilnehmern die Möglichkeit, mit potentiellen Übernehmern zu diskutieren, die aber nicht die eigenen Kinder sind. Die potenziellen Übernehmer legen dabei z. B. ihre Erwartungen an die Eltern dar. Insbesondere die männlichen Seminarteilnehmer sind er-staunt und berührt, wenn ihnen gesagt wird, dass ihre Nachfolger sich nichts sehnlicher wünschen als das Lob des Vaters. Einer der jungen Diskussionsteilnehmer, dessen Eltern bei einem früheren Seminar dabei waren, be-richtete, dass sich die Gesprächs- und Lobkultur zu Hause seit der Seminarteilnahme der Eltern nachhaltig verändert hat.

Stärken des SVLFG-Systems nutzen

Eine Stärke der SVLFG ist, dass sie zugleich Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, der Alterssicherung der Landwirte sowie der Kranken- und der Pflegeversicherung der Landwirte ist und damit Dienstleistung aus einer Hand anbietet (s. Beitrag von Koch in diesem Heft). Ein gutes Beispiel dafür ist die Bewerbung der Gesundheitsangebote. So werben die Präventionsberater der Unfall-versicherung bei ihren Betriebsbesichtigungen und Vorträgen für alle Gesundheitsan-gebote. Sie kennen ihre Kunden und wissen was ihnen „fehlt“ und können so gezielt für eine Teilnahme werben. Erkundigt sich z. B. ein versicherter Unternehmer bei der Alters-kasse, weil er altersbedingt seinen Betrieb aufgeben möchte, kann ihn der Mitarbeiter auf das Seminar „Betriebsübergabe – ein Gesundheitsthema“ hinweisen. Hinzu kommt, dass sich die positiven Effekte der Gesundheitsangebote in der Regel auf alle Sozialversicherungszweige auswirken. Insofern kann die SVLFG beispielgebend für andere sozialversicherungsübergreifende Konzepte sein.

Die enge Zusammenarbeit mit den berufsständischen Vertretungen ist eine weitere Stärke. Exemplarisch sei die Zusammenar-beit mit den Landfrauen genannt, die für die SVLFG Sturzpräventionskurse in den Dörfern organisieren. Damit erreicht die SVLFG ihre bedürftigen Versicherten in de-ren unmittelbarem Lebensumfeld. Dieser Settingansatz zeigt, wie der ländliche Raum durch Zusammenarbeit verschiedener Akteure und getragen durch bürgerschaftliches Engagement mit qualitativ hochwertigen Ge-sundheitsangeboten versorgt werden kann. Betrachtet man die Überalterung im ländlichen Raum, kann dieses Modell beispiel-haft sein. Erlaubt muss an dieser Stelle aber auch die Frage sein: Wann und wie kann und muss dieses bürgerschaftliches Engagement belohnt werden?

Fazit

In wohl keiner anderen Sozialversicherung sind prozentual so viele ältere Menschen versichert, wie in der SVLFG. Keine andere Berufsgruppe bleibt so lange aktiv in den Arbeitsprozess eingebunden, wie die Versicherten der SVLFG. Bleiben diese lange gesund und zufrieden, sind sie der Kitt für ein funktionierendes Gemeinwesen im ländli-chen Raum: Als uneigennützige Helfer in den Betrieben, als Ehrenamtliche in den Verei-nen, als pflegende Angehörige und als Vorbilder für ihre Nachkommen. Dazu braucht es maßgeschneiderte Gesundheitsangebote. Die SVLFG hat an ihren Kunden Maß genommen – sie hat sie befragt. Die Befragung 55plus hat wichtige Erkenntnisse geliefert, auf Grund derer die SVLFG Angebote entwickelt und ihren Versicherten anbietet. Sie lässt sich dabei wissenschaftlich begleiten und arbeitet bei der Entstehung neuer Angebote intensiv mit dem Endverbraucher, insbesondere den Landfrauen, zusammen. Alles in allem kann die SVLFG beispielgebend sein für sozialversicherungsübergrei-fende Konzepte und für effektive Gesundheitsförderung im ländlichen Raum. 

    Weitere Infos

    Autor

    Michael Holzer

    Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau

    Stabsstelle Selbstverwaltung/Öffentlichkeitsarbeit

    Weißensteinstraße 70–72

    34131 Kassel

    michael.holzer@svlfg.de

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