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Schwerpunkt

BGM in kleinen und mittelständischen Unternehmen

BGM-Studie: Was machen kleinere Betriebe, was benötigen sie?

Im Auftrag des Landesministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz wurden im Rahmen einer Studie1 im Jahr 2016 insgesamt 30 Kleinst- und Kleinunternehmen unterschiedlicher Branchen in Rheinland-Pfalz zu ihrem Bedarf rund um die betriebliche Förderung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit befragt. Die 30 einstündigen, leitfadengestützten Interviews wurden mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet.

Kernergebnisse

  1. Klassische Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF): Die meisten Betriebe setzen einzelne Maßnahmen in Ernährung, Bewegung und Ergonomie um – und diese Maßnahmen stehen und fallen mit dem jeweiligen sozialen Kontext. Wenn die Rede von aktiven Mittagspausen und Obstkörben ist, kommen die Befragten stets darauf zurück, ob das Team positiv über das Angebot spricht. Die Kommunikation, das Miteinander und das Arbeitsklima werden als zentraler Hebel gesehen.
  2. Das Arbeitsklima wird in den meisten Betrieben als sehr gut, geradezu familiär eingestuft. Die Leitung führt Mitarbeitergespräche und Betriebsausflüge sowie gemeinsame Freizeitaktivitäten sind selbstverständlich: „Man kennt sich“ und oft auch die Familien. Nahezu alle Befragten legen großen Wert darauf, ein offenes Ohr für ihre Belegschaft zu haben und sich gegenseitig zu unterstützen.
  3. Die Arbeitsfreude, die Identifikation mit dem Team und Begeisterung für die Arbeit werden als zentrale Erfolgskriterien gesehen. Sowohl das Arbeitsklima als auch die Arbeitsfreude und Sinnhaftigkeit der Tätigkeit werden seitens der Geschäftsführer nicht mit BGM in Zusammenhang gebracht, obwohl sie mächtige Einflussfaktoren auf die psychische und physische Gesundheit darstellen.

Studie zeigt enormes Potenzial

Als zentrale Erfolgskriterien werden das Arbeitsklima sowie die Freude an der Tätigkeit genannt. Die Betriebe kümmern sich bislang eher intuitiv um diese Themen. Dies birgt ein enormes Potenzial, wenn nämlich die Betriebe ihre punktuellen Maßnahmen in diesen eher „soften“ Themen zu systematischen BGM-Strukturen ausbauen. Anstatt sich ausschließlich auf Strukturen in den klassischen BGF-Themen Ernährung, Bewegung und Ergonomie zu konzentrieren, soll gezielt das Arbeitsklima gefördert werden. Werden Maßnahmen in Ernährung und Bewegung durchgeführt, sollte mitgedacht werden, wie diese nebenbei auch den Zusammenhalt im Team fördern können. Beispiele hierfür sind Schrittzähler-Wettbewerbe oder ein gesundes gemeinsames Frühstück.

Arbeitsklima: Eine besondere Stärke der Kleinen

Was den zentralen Erfolgsfaktor Arbeitsklima angeht, sind besonders die kleineren Betriebe in einer vorteilhaften Position. Erstens kann es hier schneller gelingen, die Arbeitskultur positiv zu beeinflussen als in großen Konzernen. Zweitens herrscht gerade in kleinen Betrieben meist ein enger Kontakt innerhalb der Belegschaft und auch zum Geschäftsführer, so dass die Vorbildfunktion der Führungskräfte besonders stark ist.

Gemeinsam stark in Netzwerken

Die Teilnahme an Netzwerken wurde in der Befragung vielfach als Wunsch geäußert, insbesondere verspricht man sich davon Best-Practice-Beispiele. Anlaufstellen sind die IHK, die INQA-Offensive Mittelstand mit ihren regionalen Netzwerken, die kommunale Wirtschaftsförderung, Gewerkschaften etc. Darüber hinaus entstehen und professionalisieren sich immer mehr BGM-Netzwerke (in Rheinland-Pfalz beispielsweise das BGM-Netzwerk im GesundLand Vulkaneifel, Netzwerk Betriebliche Gesundheitsförderung Speyer, Behördennetzwerk Gesundheitsmanagement in der Region Koblenz, Metropolregion Rhein-Neckar; Initiative Region Koblenz-Mittelrhein; netzwerkübergreifende Anlaufstelle ist die Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V.).

Arbeitskultur und Organisationsentwicklung

BGM als ganzheitliches Fördern von Gesundheit, Motivation und Arbeitsfähigkeit gleicht einer kontinuierlichen Organisationsentwicklung. In Zeiten ständig neuer Marktanforderungen und Konkurrenzdruck gibt eine positive Arbeitskultur Halt und weist die Richtung. Eine freundliche Atmosphäre, eine lösungsorientierte Arbeitskultur stärkt den Betrieb von innen heraus.

Krankenkassen unterstützen in vielerlei Hinsicht

Daher brauchen sich KMU im Vergleich zu größeren Konzernen hinsichtlich ihres BGM nicht unbedingt verstecken. Viel Zeit können BGM-Verantwortliche in die Auswahl eines Fragebogens, eines Referenten oder eines Kantinenessens investieren. BGM-Verantwortliche können diese Recherche aber auch Ansprechpartnern wie Krankenkassen, Unfallversicherungsträgern oder Rentenversicherungen überlassen. Zudem sind diese Ansprechpartner für juristische Fragen und informieren über Finanzierungsmöglichkeiten. Auch wenn BGM-Verantwortliche über einzelne Fragen hinaus eine langfristige und qualitativ hochwertige Begleitung ihres BGM wünschen, kann hier unkompliziert weitergeholfen werden.

Belegschaft als Helfer einbinden

Wo Veränderungen im Unternehmen anstehen, werden Kritiker auf den Plan gerufen. Kolleginnen und Kollegen, die nicht an BGM-Maßnahmen interessiert sind, teilweise sogar in Widerstand verfallen, sind völlig normal. Es gibt Möglichkeiten, möglichst viele Mitarbeitende als wohlwollende Helfer einzubinden (s. Leitfaden „Vom Problem zum Ziel“).

Entscheidend ist die innere Haltung

Entscheidend für BGM-Verantwortliche ist es, ein Bild von Gesundheit und Arbeitsfähigkeit zu entwickeln. Wie zeigt sich seelische und körperliche Gesundheit in Ihrem Betrieb? Was motiviert Ihr Team? Bilden Sie mit Ihrem Steuerkreis eine innere Haltung, eine Marke, aus. Vermitteln Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen authentisch, dass Sie hierfür einstehen. Dies wird die Belegschaft nachhaltiger bewegen als ein überfrachteter Projektplan ohne Gesicht.

Interessenkonflikt: Die Autorin war von 6/ 2014 bis 1/2017 Angestellte der HealthVision GmbH. Ein Interessenkonflikt liegt nicht vor.

Fußnoten

1 Durchführung der Studie: HealthVision GmbH, unter wissenschaftlicher Leitung von Prof. Dr. Fischer. In Kooperation mit der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (D. Rölecke) und der Verbandsgemeinde Betzdorf. Projektleitung: B. Knüll. Wissenschaftlicher Mitarbeiter: B. Steinmüller, M.A., Technische Universität Kaiserslautern.

    Info

    Leuchtturmprojekt Solvay

    Durch eine Kooperation mit der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) entstanden, hat das Solvay Werk Hönningen gemeinsam mit der pronova Betriebskrankenkasse (BKK) Anfang 2017 ein Projekt zur psychosozialen Gesundheit gestartet.

    Am Standort Bad Hönningen sind etwa 240 Mitarbeitende beschäftigt. Mittels eines Fragebogens wurden Aspekte rund um Arbeit und Gesundheit abgefragt; die Vorgaben der psychischen Gefährdungsbeurteilung wurden ebenfalls erfüllt. Um die Belegschaft auf die Befragung vorzubereiten, den Datenschutz zu erklären und Sorgen aufzulösen, wurden Kick-off-Workshops durchgeführt.

    Die Abteilungen wurden nach der Befragung in grüne Gruppen (günstige Werte), gelbe Gruppen (Herausforderungen) und rote Gruppen (Risiko) eingeteilt. Für gelbe und rote Gruppen wurden unter Leitung der Unternehmensberaterin Eugenia Wiest Workshops durchgeführt, in denen die Mitarbeitenden Lösungen entwickelt haben. Eine konkrete Maßnahme ist in diesem Fall eine Veranstaltungsreihe zum Stressmanagement.

    Eine Innovation ist das „Sounding Board“: Jede Abteilung benennt einen „Kommunikator“,der die Gruppe vertritt. Die Kommunikatoren treffen sich in regelmäßigen Abständen, um sich mit dem Steuerkreis Gesundheit auszutauschen, das Vorgehen mit zu planen und aktuelle Aspekte einzubringen. Das Sounding Board ist auf unbestimmte Zeit eingerichtet und begleitet sämtliche BGM-Maßnahmen.

    Leitfaden

    Vom Problem zum Ziel

    • Stellen Sie klar, dass es Herausforderungen gibt, die Handlungen erfordern. Dies kann z.B. eine hohe Arbeitsunfähigkeits-(AU-)Quote sein. Benötigen Sie Budget, sprechen Sie mit dem Finanzverantwortlichen und werben Sie für Ihr Anliegen. Hilfreich sind Studien, die den Return on Invest von BGM-Maßnahmen beziffern. Das Erheben von Kennziffern (z. B. Befragungen) ist bei der Evaluation behilflich.
    • Geben Sie Ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit, auf Missstände hinzudeuten. Erkennen Sie die Problemschilderung ohne Bewertung oder Schuldzuweisung an. Möglichkeiten: Mitarbeitergespräche, anonyme Befragungen, Audits, Gesundheitszirkel etc.
    • Laden Sie alle (!) Kolleginnen und Kollegen ein, den Wandel mit zu gestalten anstatt sich als Außenstehende in eine Kritikerrolle zu begeben. Kommunizieren Sie offen, regelmäßig und schlagen Sie vor, an welchen Punkten Sie gerne Unterstützung hätten.
    • Priorisieren Sie die Handlungsfelder: Lassen Sie abstimmen, welche Probleme am dringlichsten sind. Möglichkeiten: Befragungen, Besprechungsrunden, Workshops, in der Kantine werden Klebepunkte verteilt etc.
    • Laden Sie die Belegschaft ein, Lösungen zu finden. Wenn Mitarbeitende Probleme schildern, sind diese auch die Experten dafür, wie eine Lösung aussehen könnte. Formulieren Sie hierfür Probleme in lösbare Fragestellungen um: Was soll hier nicht mehr sein? Was soll stattdessen sein? Versuchen Sie aufzuzeigen, welche Herausforderungen schon überwunden wurden: Wie können die damaligen Erfolgsstrategien auf das neue Problem übersetzt werden? Möglichkeiten: Besprechungsrunden, Workshops, Gesundheitszirkel, Sounding Board (s. Infobox Solvay).
    • Feiern Sie Zwischenerfolge und würdigen Sie stets den Beitrag Ihrer Kolleginnen und Kollegen.

    Weitere Infos

    Homepage der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz

    www.lzg-rlp.de

    Autorin

    Bettina Knüll, M.A.

    Gesundheitsförderung Süd

    Brunckstraße 47

    67063 Ludwigshafen

    bettina.knuell@pronovabkk.de

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