In der öffentlichen Diskussion um schädliche Einwirkungen aus dem Bereich der Umwelt spielt das Thema „Radon in Innenräumen“ derzeit keine wesentliche Rolle, andere Noxen stehen meist im Vordergrund. Dennoch kommt Radon eine wesentliche Bedeutung in der Umweltmedizin zu, da Radon eine Hauptquelle der natürlichen Strahlenexposition darstellt und ca. 5 % der Lungenkrebserkrankungen in Deutschland verursacht (Menzler et al. 2008). Radon zählt zu den am besten untersuchten Kanzerogenen in der Umwelt, ohne dass jedoch in Deutschland bisher ausreichende Regelungen zum Schutz der Bevölkerung getroffen wurden (Schmid et al. 2010).
Was ist Radon?
Radon ist ein natürlich vorkommendes, radioaktives Edelgas, das geruchlos, geschmacklos und farblos ist. Im Sprachgebrauch schließt die Bezeichnung „Radon“ die Radonisotope und deren kurzlebige Zerfallsprodukte ein. Von diesen wird Alphastrahlung emittiert, die zwar eine sehr geringe Reichweite und Eindringtiefe hat, jedoch dicht ionisiert und eine hohe relative biologische Wirksamkeit aufweist. Die Quellen des Radons sind im Gestein und im Erdreich in Spuren vorhandenes Uran und Thorium.
Wie kommt Radon in Innenräume?
Radon kommt in der bodennahen Luft vermehrt in Gebieten mit hohem Uran- und Thoriumgehalt im Boden vor, z. B. im Erzgebirge, Schwarzwald, Bayerischen Wald und Fichtelgebirge. Über Undichtigkeiten in der Bodenplatte und den erdberührenden Wänden ist Radon in der Lage, in Häuser einzudringen und sich dort anzureichern. In Gebäuden treten so meist deutlich höhere Radonkonzentrationen als im Freien auf. In Gebäude eingedrungenes Radon kann sich innerhalb des Hauses auch in höher gelegene Räume des Hauses ausbreiten. Neben der Beschaffenheit des Untergrunds, auf dem das Haus steht (z. B. Granitgestein), spielen die Beschaffenheit der Bausubstanz (Dichtigkeit im erdberührenden Bereich), aber auch der Luftaustausch und die Dichtigkeit von Fenstern und Türen eine wesentliche Rolle. Hinzu kommen die Witterungsbedingungen und die Druckverhältnisse. Es bestehen auch jahreszeitliche Abhängigkeiten.
Karten zur Radonaktivitätskonzentration in der Bodenluft ( Abb. 1) können einen Hinweis auf Regionen geben, in denen mit erhöhten Radonkonzentrationen in Innenräumen gerechnet werden muss. Die dabei in Häusern und Räumen konkret auftretenden Konzentrationen sind jedoch nicht vorhersehbar und müssen in jedem Einzelfall durch Messungen bestimmt werden.
Wie wird Radon in Innenräumen gemessen?
Radonmessungen können mit passiven Messgeräten oder mit direkt ablesbaren elektronischen Messgeräten durchgeführt werden. Entscheidend dabei ist, dass die Messungen fachgerecht und qualitätsgesichert durchgeführt werden. Das Bundesamt für Strahlenschutz veröffentlicht auf seinen Internetseiten Listen mit Messstellen, die die notwendigen Anforderungen an die Qualitätssicherung erfüllen. Sinnvoll sind im umweltmedizinischen Bereich Langzeitmessungen aufgrund der beschriebenen jahreszeitlichen Abhängigkeit. Die in verschiedenen Untersuchungen gemessenen Radonkonzentrationen überstreichen einen weiten Bereich. Für Deutschland wird vom Bundesamt für Strahlenschutz die Anzahl der Ein- und Zweifamilienhäuser mit Radonkonzentrationen in Aufenthaltsräumen über 100 Bq/m3 auf 1,3 bis 1,6 Millionen geschätzt, dies entspricht einer relativen Häufigkeit von 10–12 %. Radonkonzentrationen über 1000 Bq/m3 werden für 4000–25 000 Häuser erwartet (relative Häufigkeit von 0,03–0,2 %).
Welche Wirkungen hat Radon beim Menschen?
Für den Bereich der Arbeitsmedizin ist das gehäufte Auftreten von Lungenkrebserkrankungen durch Radon und dessen Zerfallsprodukte seit langem unter der historischen Bezeichnung „Schneeberger-Krankheit“ bekannt.
Für den umweltmedizinischen Bereich konnte durch die gemeinsame Auswertung vieler epidemiologischer Studien sowohl in Europa (Darby et al. 2005) wie auch in den USA und in China übereinstimmend ein Zusammenhang zwischen der Radonexposition in Innenräumen und dem Auftreten von Lungenkrebserkrankungen nachgewiesen werden. Auch nach Berücksichtigung des Rauchverhaltens gibt es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Radonkonzentration in Innenräumen und dem Auftreten von Lungenkrebserkrankungen. Eine Dosis-Wirkungs-Beziehung wurde selbst im Bereich niedriger Dosen (3) gefunden, ohne Hinweis darauf, dass ein Schwellenwert existiert. Das absolute Risiko ist für Raucher1 um ein Vielfaches höher als für Nie-Raucher. Der Anteil der durch Radon verursachten Lungenkrebserkrankungen liegt weltweit zwischen 3 % und 14 %. Radon in Innenräumen ist in Europa die Ursache für etwa 9 % aller Todesfälle an Lungenkrebs und etwa 2 % aller Todesfälle an Krebs. Für Deutschland kann davon ausgegangen werden, dass bei einer durchschnittlichen Radonkonzentration in Innenräumen von 49 Bq pro Kubikmeter 5 % der Lungenkrebserkrankungen auf diese Einwirkung zurückgeführt werden können.
Die deutsche Strahlenschutzkommission hat das Lungenkrebsrisiko durch Radon bestätigt, ebenso die WHO und die International Commission on Radiological Protection (ICRP). Alle derzeit vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse sprechen für ein lineares Dosis-Wirkungs-Modell ohne Schwellenwert. Nach dem Zigarettenrauchen ist die Radonexposition in Innenräumen die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebserkrankungen in der beruflich nicht exponierten Allgemeinbevölkerung. Bei Nie-Rauchern ist Radon die häufigste Ursache für Lungenkrebserkrankungen.
Welche Referenzwerte gibt es?
Die vorliegenden Daten erlauben es nicht, einen Grenzwert festzusetzen, bei dessen Einhaltung ein Risiko ausgeschlossen werden kann. Deshalb ist es erforderlich, die Radonkonzentrationen in Räumen, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, so niedrig wie möglich zu halten. Die aktuelle EU-Richtlinie schreibt vor, dass die Mitgliedsstaaten nationale Referenzwerte für die Radonkonzentration in Innenräumen festlegen. Der Referenzwert für die Aktivitätskonzentration in der Luft im Jahresmittel darf dabei 300 Bq/m3 nicht überschreiten (Rat der Europäischen Union 2014). Die EU-Richtlinie zu Radon trat am 17. Januar 2014 in Kraft. Die Mitgliedsstaaten sind jetzt gehalten, diese Vorgaben bis spätestens 6. Februar 2018 in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland liegt derzeit ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuordnung des Rechts zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung vor.
Aus wissenschaftlicher Sicht und unter Berücksichtigung der WHO-Empfehlungen aus dem Jahre 2009 (World Health Organization 2009) ist zu empfehlen, bei neu zu errichtenden Gebäuden einen Planungswert von 3 zugrunde zu legen und bei Altbauten anzustreben. In diesem Zusammenhang sei auch auf die umweltmedizinische Leitlinie der DGAUM zu Radon in Innenräumen verwiesen
Was ist zu tun?
Es besteht weltweiter Konsens über die Bedeutung der Radonexposition in Innenräumen für die Entstehung von Lungenkrebserkrankungen und über die Notwendigkeit einer Intervention durch geeignete Messprogramme sowie sinnvolle Maßnahmen zur Verminderung der Radonexposition. In der Bevölkerung, in der Politik aber auch bei Fachleuten, wie Ärzten, Umweltverbänden, Architekten, Baubiologen, Baufachleuten und Verbraucherberatungen bestehen erhebliche Wissensdefizite hinsichtlich des Lungenkrebsrisikos durch Radon in Innenräumen. Maßnahmen zur Information und Aufklärung sind deshalb ebenso erforderlich wie Regelungen zu verpflichtenden Messungen und der Einhaltung von Grenzwerten.
Zum Schutz vor erhöhten Radonkonzentrationen gibt es sowohl für neu zu errichtende Gebäude als auch für den Gebäudebestand erprobte Maßnahmen, die das Bundesamt für Strahlenschutz im Radon-Handbuch Deutschland zusammengestellt hat (Bundesamt für Strahlenschutz 2010).
Literatur
Bundesamt für Strahlenschutz (Hrsg.): Radon Handbuch Deutschland. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. 2010.
Darby S et al.: Radon in homes and risk of lung cancer: collaborative analysis of individual data from 13 European case-control studies. BMJ 2005; 330: 223–229.
Menzler S et al.: Population attributable fraction for lung cancer due to residential radon in Switzerland and Germany. Health Physics 2008; 95: 179–189.
Rat der Europäischen Union: Richtlinie 2013/59/Euratom des Rates vom 5. Dezember 2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung und zur Aufhebung der Richtlinien 89/618/Euratom, 90/641/Euratom, 96/29/Euratom, 97/43/Euratom und 2003/122/Euratom. Amtsbl der Europäischen Union vom 17.01.2014. L13/1–73
Schmid K, Kuwert T, Drexler H: Radon in indoor spaces – an underestimated risk factor for lung cancer in environmental medicine. Dtsch Arztebl Int 2010; 107: 181–186.
World Health Organization: WHO Handbook on indoor Radon – A public health perspective. Geneva: WHO Press, 2009.
Fußnoten
1 Zur besseren Lesbarkeit wird im gesamten Text bei Berufsbezeichnungen die männliche Form verwendet
Weitere Infos:
Bundesamt für Strahlenschutz: Qualitätssicherung von Radonmessungen. 2016
https://www.bfs.de/DE/themen/ion/service/radon-messung/qualitaet/qualitaet.html
Bundesamt für Strahlenschutz, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU): Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahr 2013
https://doris.bfs.de/jspui/handle/urn:nbn:de:0221-2015072412951
Bundesamt für Strahlenschutz
https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/radon/vorkommen/gebauede.html
AWMF: Umweltmedizinische S1 Leitlinie Radon in Innenräumen
Autor
Prof. Dr. med. Klaus Schmid
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg
Betriebsärztlicher Dienst der Universität
Harfenstr. 18 – 91054 Erlangen