Das Darmkrebsrisiko steigt ab dem 50. Lebensjahr deutlich an. Männer haben ein früheres und häufigeres Darmkrebsrisiko (RKI 2016). Die betriebliche Darmkrebsvorsorge ist vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und einem immer späteren Renteneintritt der Mitarbeiter ein sehr wichtiger Baustein für mehr Prävention am Arbeitsplatz. Bereits 2004 hat eine Studie der BASF sehr klar die Bedeutung für Menschen wie Betriebe aufgezeigt (Webendörfer et al. 2004). 2009 hat die Stiftung LebensBlicke in Zusammenarbeit mit der Felix Burda Stiftung einen ersten Handlungsleitfaden zur Planung und Umsetzung für die betriebliche Darmkrebsvorsorge entwickelt. Darin enthalten ist ein Selbsttest, der über das Internet heruntergeladen werden kann (s. „Weitere Infos“). Darmkrebsvorsorge ist, wie inzwischen viele Beispiele zeigen, in allen Betrieben, kleinen wie mittleren und großen möglich. Abhängig von der personellen Situation kann die Vorsorge über den externen oder internen Betriebsarzt, einen externen Anbieter oder auch mit Unterstützung der Krankenkassen angeboten werden.
Bimodales Darmkrebs-Vorsorge-Früherkennungsprogramm
Seit 2002 stehen jedem gesetzlich Versicherten ab dem 50. Lebensjahr neben einem Beratungsgespräch ein Test auf nicht sichtbares Blut im Stuhl zu, der bis zum 55. Lebensjahr jährlich wiederholt werden kann. Mit 55 hat er ein Anrecht auf eine Vorsorgedarmspiegelung, die bei unauffälligem Erstbefund nach 10 Jahren wiederholt werden kann. Die Vorsorgekoloskopie wird seit Beginn durch das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung dokumentiert. Erste Ergebnisse sind inzwischen hochrangig publiziert (Pox et al. 2012).
Menschen, die die Vorsorgedarmspiegelung nicht in Anspruch nehmen, können ab dem 55. Lebensjahr alle 2 Jahre den Stuhltest wiederholen. Seit dem 1. April 2017 haben quantitative immunologische Tests (i-FOBT, FIT) den bisherigen Hämoccult-Test abgelöst. Diese Tests sind bei gleicher Spezifität (richtig-negativ) deutlich empfindlicher (richtig-positiv). Es ist keine Diät erforderlich, und die einmalige Testung genügt (Brenner et al. 2013).
Für Menschen mit familiärer Darmkrebsbelastung gilt die risikoadaptierte Früherkennung: Betroffene sollten bereits mit 40–45 Jahren eine Darmspiegelung erhalten. Detaillierte Angaben dazu sind in den S3-Leitlinien zum kolorektalen Karzinom zu finden (s. „Weitere Infos“).
Krebsfrüherkennungsregistergesetz
Im Jahr 2013 hat der Gesetzgeber das Krebsfrüherkennungsregistergesetz (KFRG) beschlossen, das voraussichtlich noch in diesem Jahr in Kraft treten wird (Riemann et al. 2015). Damit vollzieht sich ein Paradigmenwechsel weg vom opportunistischen Screening hin zu einem Einladungsverfahren für jeden Bürger ab 50 Jahren. Das Gesetz sieht ebenso eine Flexibilisierung des Zugangs zu Präventionsangeboten vor. Das könnte Männern zugute kommen, früher als Frauen ein Darmkrebsscreening-Angebot in Anspruch zu nehmen. Hier liegt auch ein Vorteil der betrieblichen Vorsorgeangebote, die im Idealfall auch zusammen mit einer arbeitsmedizinischen Beratung erfolgen können. Hier werden insbesondere bei „männerlastigen Belegschaften“ höhere Teilnahmequoten erreicht als bei der hausärztlichen Versorgung.
Was wurde bisher erreicht?
Allein durch die Vorsorgedarmspiegelung sind in 10 Jahren ca. 180.000 Neuerkrankungen an Darmkrebs verhindert und ca. 41.000 Darmkrebse frühzeitig erkannt worden (Brenner et al. 2016). Das frühzeitige Erkennen in den UICC-Tumorstadien I und II geht mit einer ausgezeichneten Prognose für die weitere Lebenserwartung einher. Die Erkrankungsraten (Männer/Frauen) sind um 20–26 %, die Sterblichkeit ist um 17–26 % zurückgegangen.
Die Stiftung LebensBlicke bietet seit 1998 Information und Motivation zur Darmkrebsvorsorge und -Früherkennung an; sie hat an der positiven Entwicklung nicht unerheblichen Anteil. Sie wird auch in Zukunft dafür Sorge tragen, dass die Menschen alle notwendigen aktuellen Informationen zum Thema Darmkrebsprävention erhalten und sie unterstützt gezielt die Aktivitäten zu betrieblichen Prävention.
Literatur
RKI: Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland. Berlin: Robert Koch-Institut, 2016.
Webendörfer S et al.: Darmkrebsvorsorge im Betrieb. Dtsch Med Wochenschr 2004; 129: 239–243.
Pox CP et al.: Efficacy of a nationwide Screening colonoscopy program for colorectal cancer. Gastroenterology 2012; 142: 1460–1467.
Brenner H et al.: Superior diagnostic performance of fecal immunochemical tests for hemoglobin in a head-to-head comparison with Guaiac-based fecal occult blood test among 2235 participants of screening colonoscopy. Eur J Cancer 2013; 49: 3049–3054.
Riemann JF et al.: Was gibt es Neues zum Nationalen Krebsplan? In: Zeller WJ, zur Hausen H: Onkologie.39. Ergänzungslieferung, 1–5. München: Beck, 2015.
Brenner H et al.: Declining bowel cancer incidence and mortality in Germany – an analysis of time trends in the first ten years after the introduction of screening colonoscopy. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 101–106.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
Weitere Infos
Stiftung LebensBlicke: Selbsttest zum persönlichen Darmkrebsrisiko
www.lebensblicke.de/wp-content/uploads/2014-Selbsttest-final.pdf
5. Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe AWMF): S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, Langversion 1.1, 2014, AWMF
Autor
Prof. Dr. med. Jürgen F. Riemann
Vorstandsvorsitzender der Stiftung LebensBlicke
Schuckertstraße 37
67063 Ludwigshafen