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Unterstützung des Betriebsarztes

Delegation von Aufgaben an qualifiziertes Assistenzpersonal

Einleitung

Als zweitgrößte Gruppe unter den Fachberufen im Gesundheitswesen unterstützen Medizinische Fachangestellte (MFA)/Arzthelferinnen den niedergelassenen Arzt insbesondere in der ambulanten Versorgung. Der arbeitsmedizinischen und betriebsärztlichen Betreuung wird als einem eigenständigen Versorgungsbereich zukünftig mehr noch als bereits jetzt schon ein hoher Stellen-wert zukommen. Um den zukünftigen Anforderungen und Herausforderungen an eine moderne Arbeitsmedizin zu genügen, sind die epidemiologischen und demografischen Entwicklungen, die sich z. B. in der Zunahme psychomentaler Erkrankungen abbilden, stärker zu berücksichtigen. Zur Bewältigung dieser Herausforderung müssen Medizini-sche Fachangestellte verstärkt im Bereich des Managements der betriebsärztlichen Versorgung zur Entlastung des Arztes eingesetzt werden, z. B. zur Unterstützung des Betriebsarztes bei der Gefährdungsanalyse, bei den Vorsorgeuntersuchungen, beim betrieblichen Gesundheitsmanagement, beim betrieblichen Eingliederungsmanagement und bei Koordinationsaufgaben. Diese neu konzipierte Fortbildung kann somit die Einsatzzeit der Betriebsärzte deutlich erhöhen, indem betriebsärztliche Leistungen auf die Medizinische Fachangestellte delegiert wer-den, die sie unter der Leitung und Verantwortung des Betriebsarztes erbringt.

Aus- und Fortbildung der MFA

Die Ausbildungsverordnung für Medizinische Fachangestellte von 2006 hat das bisherige Berufsbild der Arzthelferin hin zu einer Aus-richtung auf anspruchsvolle Handlungskom-petenzen mit neuen Schwerpunkten, u. a. in den Bereichen Kommunikation, Patientenbetreuung, -koordinierung und -beratung modernisiert. Dieses veränderte Niveau der Medizinischen Fachangestellten muss bei der Konzeption von Fortbildungsmaßnahmen be-rücksichtigt werden. Es bedarf allerdings zusätzlich im Bereich der arbeitsmedizinischen Versorgung einer vertiefenden Spezialisierung, da diese in der Ausbildungsordnung wegen ihrer Eigenständigkeit naturgemäß nicht abgedeckt ist. Medizinische Fachange-stellte (MFA)/Arzthelferinnen haben daher nach einer dreijährigen Ausbildungszeit die Möglichkeit, im Rahmen von Fortbildungen sich weiter zu qualifizieren. Für die Zulassung zur Fortbildung werden die Berufsausbildung und Prüfung als Medizinische Fachangestellte oder Arzthelferin bzw. die Berufsausbildung und Prüfung in einem ver-gleichbaren medizinischen Fachberuf vorausgesetzt. Diese Fortbildungen z. B. auf Basis von Mustercurricula der Bundesärzte-kammer können auch als Wahlteil für die Auf-stiegsfortbildung Fachwirtin für ambulante medizinische Versorgung durch die Landesärztekammern anerkannt werden.

Erarbeitung des Fortbildungs-curriculums

Die bisherigen Kursangebote der sich auf dem Markt befindlichen Anbieter, wie Ver-bände und Fachgesellschaften haben höchst unterschiedliche Kursumfänge von bis zu 288 Stunden. Sie sehen ferner zum Teil Pflicht-rezertifizierungen für die Absolventen vor und vergeben den Titel Arbeitsmedizinische Assistentin. Die Bundesärztekammer ist durch die Entschließung VI-56 des 115. Deutschen Ärztetages 2012 um die Erarbeitung eines einheitlichen Mustercurriculums Ar-beits- und Betriebsmedizin für Medizinische Fachangestellte gebeten worden. Von der Bundesärztekammer haben die für medizinische Fachberufe sowie für die betriebs-ärztliche Versorgung zuständigen Bereichsleiterinnen das Fortbildungscurriculum im Rahmen einer Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin, des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte der Landesärztekammer Hessen, des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, des Verbandes Arbeitsmedizinisches Fachperso-nal und des Verbandes medizinischer Fachberufe, erarbeitet. Es wurde vom Vorstand der Bundesärztekammer am 24.04.2015 beschlossen und den Landesärztekammern und den ärztlichen Fachverbänden zur einheitlichen Anwendung empfohlen ( www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/MFA/Curriculum_AM-BM.pdf ).

Mit diesem Fortbildungscurriculum der Bundesärztekammer ist somit ein einheit-licher Standard auf Basis der Empfehlungen zur persönlichen Leistungserbringung – Möglichkeiten und Grenzen der Delegation von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung aus dem Jahre 2008 ge-schaffen worden. Damit soll möglichen Bestrebungen, das Curriculum als Vorwand für das Zurückdrängen von Betriebsärzten zugunsten von Assistenzpersonal zu nutzen, entgegengewirkt werden ( www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_uload/downloads/Empfehlungen_Persoenliche_Leistungserbringung.pdf ).

Aufbau des Fortbildungscurriculums

Das Curriculum umfasst 140 Stunden in Form einer berufsbegleitenden Fortbildung, die fachtheoretischen und fachpraktischen Unterricht einschließlich praktischen Übungen umfasst, davon sind

  • 92 Stunden Theorie und
  • 48 Stunden Diagnostische Verfahren

mit jeweils 12 Stunden in den Bereichen Au-gen, Ohren, Herz-Kreislauf und Lunge vorgesehen.

Inhaltlich ist die Fortbildung in 10 Themenkomplexe gegliedert. Die 6 Module des theoretischen Unterrichts sind entsprechend der erforderlichen Handlungskompetenzen zeitlich gewichtet und sachlich substantiiert. Von einem Betriebspraktikum als Element des Curriculums wurde abgesehen, um der Vermittlung der theoretischen Inhalte mehr Platz einräumen zu können.

Zielvorgaben in Form von „Handlungskompetenzen“

Die Lernziele der Fortbildung sind in Form von komplexen Handlungskompetenzen formuliert und – wo möglich – auf Arbeits- und Versorgungsprozesse hin ausgerichtet. Sie sind von curricularen Inhalten unterlegt, mit denen spezifische Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten erreicht werden sollen. Durch die ergebnisorientierte Formulierung von Zielen und Kompetenzen soll auf verschiedenen Taxonomiestufen (z. B. wissen/verstehen, anwenden/tun, reflektieren/be-urteilen) der gewünschte Outcome und der Praxisbezug des Curriculums gewährleistet sein.

Die vermittelten Handlungskompetenzen werden wie folgt beschrieben:

  • Die Medizinische Fachangestellte unter-stützt den Arzt bei der Planung, Vorberei-tung, Durchführung und Nachbereitung arbeitsmedizinischer Aufgaben.
  • Sie wirkt bei der Motivation der Beschäf-tigten und deren Angehörigen zur Teil-nahme an Präventions- und Vorsorge-maßnahmen durch aktivierende und strukturierte Kommunikation und Interaktion mit.
  • Sie organisiert den internen und externen Informationsfluss einschließlich Terminplanung zur Organisation und Koordina-tion arbeitsmedizinischer Maßnahmen der Primär-, Sekundär- und Tertiärpräven-tion auch im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements.
  • Sie führt ausgewählte Dokumentationen und Maßnahmen des Qualitätsmanagements eigenständig durch.
  • Sie führt ausgewählte delegierbare diagnostische Verfahren eigenständig durch. Sie führt Reinigung und Pflegearbeiten von Medizinprodukten unter Berücksich-tigung der rechtlichen Grundlagen durch und überwacht die Geräte-Wartungskon-trollen.
  • Sie setzt im Sinne des lebenslangen Ler-nens neues Wissen, neue Methoden sowie Arbeitstechniken und -verfahren selbstständig um.

Nach didaktisch-methodischen Kriterien konzipiertes Lehrgangskonzept

Das Curriculum legt obligatorische Handlungskompetenzen und Inhalte fest, nicht aber die Reihenfolge ihrer Vermittlung in einem konkreten Kursangebot. Das Curriculum ist von den Veranstaltern in ein unter didaktisch-methodischen Kriterien konzi-piertes Lehrgangskonzept umzugestalten, das Theorie und Praxis verbindet. Aus der curricularen Feingliederung ergeben sich für den Veranstalter hinreichende Vorgaben für eine Lehrgangskonstruktion unter didaktischen Gesichtspunkten. Das Curriculum ist keine umfassende Stoffsammlung zu allen Einzelaspekten. Dies würde im Übrigen auch dem handlungsorientierten Ansatz widersprechen. Denkbar und sinnvoll sind sowohl Wochen- als auch Wochenendkurse. Das Modulprinzip ist hierbei zu beachten. Module mit praktischen Übungen zu Diagnostischen Verfahren sollten die Kursgröße von 25 Teilnehmern nicht überschreiten. Pro Kurstag werden maximal 10 Fortbildungsstunden anerkannt. Es bietet sich an, dass der Fortbildungskurs von der MFA schon am Beginn ihrer Tätigkeit in einer betriebsärztlichen Praxis absolviert wird. So erlangt sie schon früh das Wissen, das sie für ihre Tätigkeit verwenden kann.

Lernerfolgskontrolle, Zertifikat, Übergangsregelung

Die Fortbildung ist in einem Zeitraum von höchstens 5 Jahren zu absolvieren. Die Qualifikation ist durch eine Lernerfolgskontrolle nachzuweisen. Sie besteht aus einer mindestens 30-minütigen schriftlichen Lernerfolgskontrolle. Sie ist über alle Lerninhalte dieses Curriculums abzulegen. Nach erfolgreicher, bescheinigter Teilnahme an der Gesamtfortbildung und nach bestandener Lernerfolgskontrolle erhält die Teilnehmerin ein Zertifikat des Veranstalters. Ein Titel wird nicht vergeben.

Schlussbemerkung

Mittlerweile ist der Betriebsärztemangel sichtbar. In Kleinbetrieben, insbesondere im ländlichen Bereich, findet kaum noch eine betriebsärztliche Betreuung statt. Zur Bewältigung dieser Herausforderung, müssen Medizinische Fachangestellte verstärkt im Bereich des Managements der betriebsärztlichen Versorgung zur Entlastung des Arztes eingesetzt werden. Zur Qualifizierung der MFA/Arzthelferin ist ein Fortbildungscurriculum für Medizinische Fachangestellte und Arzthelfer/innen Arbeitsmedizin/Betriebsmedizin der Bundesärztekammer erarbeitet worden. Durch die Delegation von Aufgaben an qualifiziertes Assistenzpersonal soll auch zukünftig die Qualität der betriebsärztlichen Versorgung gesichert sein. Dies wird den Aktionsradius der Betriebsärzte deutlich erhöhen. Weitere Maßnahmen zur Unterstützung des Betriebsarztes, wie eine verstärkte Nachwuchsförderung, verbesserte Arbeitsbedingungen und das Überdenken der Qualifizierungsmaßnahmen von Betriebsärzten müssen folgen.

    Fortbildungsinhalte

    Auszug aus dem Fortbildungscurriculum MFA und Fortbildungscurriculum für Medizinische Fachangestellte und Arzthelfer/innen „Arbeitsmedizin/Betriebsmedizin“ der Bundesärzte-kammer. Die vollständige Auflistung der Modulinhalte finden Sie unter www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/MFA/Curriculum_AM-BM.pdf

    Fachtheoretischer und fachpraktischer Unterricht

    Module (1–10) und Stundenverteilung

    Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten

    Fachtheoretisch:

    1 Kommunikation und Gesprächs-führung (8 Stunden)

    1.1 Kommunikationstechniken anwenden

    1.2 Gesprächsführung insbesondere mit Betriebsangehörigen beherrschen

    1.3 Telefonkommunikation durchführen

    1.4 Konfliktlösungsstrategien einsetzen

    1.5 Sich mit der Berufsrolle auseinander-setzen

    1.5.1 Nähe-Distanz-Regulierung

    1.5.2 Notwendigkeit kollegialer Reflexion

    2 Wahrnehmung und Motivation (8 Stunden)

    2.1 Modelle der Selbst- und Fremd-wahrnehmung verstehen

    2.2 Motivation und Bedürfnisse einschätzen

    2.3 Betriebsangehörige zur Mitwirkung motivieren

    2.4 Besonderheiten spezifischer Mitarbeitergruppen berücksichtigen

    2.5 Soziales Umfeld einschätzen

    3 Die Arbeitsmedizin im System der Sozialen Sicherung (8 Stunden)

    3.1 Zweige, Träger und Aufgaben der Sozialversicherung zuordnen

    3.2 Rechtliche Grundlagen der Arbeitsmedizin in der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention kennen

    3.3 Behörden und deren Aufgaben im Arbeitsschutz kennen

    3.4Rechte und Pflichten der am Arbeits-schutz Beteiligten beschreiben

    4 Gefährdungsbeurteilung, arbeits-medizinische Vorsorge und weitere Untersuchungen (36 Stunden)

    4.1 Bei der Erfassung der Gefährdungen am Arbeitsplatz und bei deren Dokumentation mitwirken

     4.2 Bei arbeitsmedizinischer Vorsorge mitwirken

     4.3 Bei weiteren arbeitsmedizinischen Untersuchungsleistungen mitwirken

     4.4 Bei Beratung und Betreuung besonderer Personengruppen mitwirken

     5 Gesundheitliche Prävention und Management im Betrieb (24 Stunden)

     5.1 Einrichtungen und Formen kennen

     5.2 Beim betrieblichen Arbeitsschutz-management mitwirken

     5.3 Beim Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) unterstützen

     5.4 Beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) unterstützen

     5.5 Bei der Organisation des betrieb-lichen Rettungs- und Notfallwesens mitwirken

     5.6 Bei Erkennung von Berufskrankheiten und Begutachtungen mitwirken

     6 Administration und Koordination (8 Stunden)

     6.1 Betriebliche Abläufe und Dokumen-tation beherrschen

     6.2 Die Zusammenarbeit von internen und externen Partnern organisieren

     6.3 Pflege- und Wartungsmanagement von Medizinprodukten durchführen

    Fachpraktisch:

     7 Grundlagen Diagnostische Verfahren – Augen (12 Stunden)

     8 Grundlagen Diagnostische Verfahren – Ohren (12 Stunden)

     9 Grundlagen Diagnostische Verfahren – Herz-Kreislauf (12 Stunden)

    10 Grundlagen Diagnostische Verfahren – Lunge (12 Stunden)

    Gesamt (140 Stunden)

    Autorin

    Dr. med. A. E. Schoeller

    Bereichsleiterin, Dezernat 5: Versorgung und Kooperation mit Gesundheitsfachberufen

    Bundesärztekammer, Berlin

    Herbert-Lewin-Platz 1

    10623 Berlin

    annegret.schoeller@baek.de

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