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Verkehrsmedizin und die Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin

Verkehrsmedizin spielt eine wichtige Rolle

Im Themenkanon spielt die Verkehrsmedizin eine wichtige Rolle. Die Weiterbildungsordnung sieht die Vermittlung, den Erwerb und den Nachweis eingehender Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in versicherungs- und verkehrsmedizinischen Fragestellungen ausdrücklich vor. Dazu gehört insbesondere auch die Erstellung von Gutachten im Hinblick auf Fragen der Rekonstruktion und Kausalität.

Im Rahmen klinischer rechtsmedizinischer Untersuchungen werden beispielsweise verletzte, unter Substanzeinfluss stehende oder kranke Führer von Fahrzeugen untersucht (insbesondere den Straßenverkehr betreffend, aber auch den Schiffs- und den Luftverkehr); ebenso werden Verkehrsunfallopfer untersucht. Die Untersuchung von Toten im Rahmen forensischer Obduktionen erfolgt regelhaft in der Rechtsmedizin, heutzutage auch im Zusammenhang mit Methoden der modernen postmortalen Bildgebung (z. B. CT, MR, Angiographie). In den Instituten für Rechtsmedizin werden auch die chemisch-toxikologischen Laboruntersuchungen durchgeführt, um Alkohol, Medikamente, Drogen und Gifte im Zusammenhang mit verkehrsmedizinischen Fragestellungen nachzuweisen und deren Auswirkungen zu begutachten.

Verkehrsmedizin befasst sich mit Verkehrssicherheit

Eisenmenger schreibt 2004 im Rahmen seines Geleitwortes zum 100-jährigen Jubiläum der Deutschen Gesellschaft für Gerichtliche Medizin/Rechtsmedizin: „Ergebnisse rechtsmedizinischer Forschung haben Auswirkungen auf breiteste Schichten der Bevölkerung. Speziell am Beispiel der Verkehrsmedizin lässt sich dies gut belegen: Alle gesetzlichen Regelungen zur Frage der Verkehrstüchtigkeit unter Alkohol- und Drogeneinfluss, aber auch die Gurt- und Helmpflicht, wären ohne die wissenschaftlichen Untersuchungen der Rechtsmedizin nicht denkbar.“

Madea et al. schreiben in ihrem Vorwort zum Lehrbuch „Verkehrsmedizin“ (2012): „Die wissenschaftliche Disziplin, die sich vordringlich mit der Frage der Verkehrssicherheit befasst, ist die Verkehrsmedizin. Sie erhebt den Anspruch, durch Anwendung medizinischer Erkenntnisse und Erfahrungen die Sicherheit des Menschen im Verkehr zu fördern und damit aus präventiver Sicht verkehrsbedingte Gesundheitsstörungen abzuwehren. Insbesondere beschäftigt sie sich im weitesten Sinne mit der Unfallursachenforschung, soweit ‚menschliches Versagen’ anzunehmen ist. Neben der Unfallrekonstruktion, die für eine straf- und zivilrechtliche Aufarbeitung von Straßenverkehrsunfällen unabdingbar ist, sind physiologische und psychologische Voraussetzungen sowie Leistungs- und Belastungsgrenzen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, Schiffen, Flugzeugen, Schienenfahrzeugen und anderen Verkehrseinrichtungen zentrale Themen.“

Verkehrsmedizin wird heute multidisziplinär

Rechtsmedizinische Monografien haben seit Jahrzehnten Fragen der Verkehrssicherheit und Verkehrsmedizin abgebildet. Das erste umfassende und in seinem Umfang bis heute unerreichte Handbuch der Verkehrsmedizin stammt von K. Wagner und H. J. Wagner: Enzyklopädisch wurden alle Bereiche der Verkehrsmedizin abgedeckt. Diesem umfangreichen Handbuch der Verkehrsmedizin folgte 1984 eine weitere Monografie zur Verkehrsmedizin des Rechtsmediziners H. J. Wagner, sozusagen als letzte eigenständige Monografie dieser sich zunehmend interdisziplinär entwickelnden Thematik.

Einige rechtsmedizinische Universitätsinstitute tragen auch heute noch die Benennung „Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin“ (z. B. in Heidelberg).

Im Bereich der Rechtsmedizin werden heute insbesondere folgende Aspekte der Verkehrsmedizin in Lehre, Forschung sowie Untersuchungs- und Begutachtungspraxis abgehandelt:

  • Fahreignung und Fahrsicherheit,
  • verkehrsrechtliche und verkehrspolizeiliche Grundlagen,
  • Epidemiologie,
  • Fahreignungsbegutachtung, medizinische Überprüfung der Kraftfahrereignung,
  • Fahrsicherheit unter Alkoholwirkung,
  • Drogen im Straßenverkehr,
  • Fahrsicherheit unter Arzneimitteltherapie,
  • verkehrsrechtliche Aspekte (Strafrecht, Verwaltungsrecht, Zivilrecht, Arztrecht),
  • physiologische und psychologische Grundlagen der Fahrsicherheit,
  • Besonderheiten im Schiffs-, Schienen- und Flugverkehr,
  • der Verkehrsunfall und seine Rekonstruktion,
  • versicherungsmedizinische Aspekte.

Viele Rechtsmediziner sind auch Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin. Es gibt sehr enge Kooperationen mit der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin, dies insbesondere auf jährlichen gemeinsamen Kongressen mit der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGVP; vgl. hierzu die Darstellung der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin durch M. Graw in diesem Heft).

Enge Beziehung zwischen Arbeitsmedizin und Rechtsmedizin

Eine sehr enge Kooperation speziell auch zwischen Arbeitsmedizin und Rechtsmedizin im Zusammenhang mit interdisziplinären Fragen der Verkehrsmedizin ist nahe liegend bzw. selbstverständlich! Dies ergibt sich auch bereits dadurch, dass beispielsweise in der Fahrerlaubnisverordnung bezüglich Fragestellungen zur Verkehrseignung Rechtsmediziner und Arbeitsmediziner ausdrücklich nebeneinander genannt werden. Die jeweiligen Schwerpunkte der Fächer (für die Rechtsmedizin z. B. in den Bereichen Strafrecht, Rekonstruktion, Biomechanik, Alkohol- und Drogennachweis, Obduktion, körperliche Sofortuntersuchung nach Unfällen) ergänzen sich synoptisch. Dies gilt auch in den Bereichen Maritime Medizin und Flugmedizin.

Rechtsmediziner sind im Hinblick auf ihre wissenschaftlichen Aktivitäten interdisziplinär aufgestellt. Publikationen erfolgen in diversen nationalen und internationalen Journalen. Von der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin wird die Zeitschrift „Rechtsmedizin“ (Springer-Verlag) herausgegeben.

Literatur

Haffner H-T, Skopp G, Graw M (Hrsg.): Begutachtung im Verkehrsrecht. Fahrtüchtigkeit – Fahreignung – traumatomechanische Unfallrekonstruktion – Bildidentifikation. Berlin, Heidelberg: Springer, 2012.

Lewrenz H, Brieler P, Püschel K: Krankheit und Kraftverkehr. Fahreignungsdiagnostik aus medizinischer, juristischer und psychologischer Sicht. Hamburg: Verlag Dr. Kovac, 2006.

Madea B, Mußhoff F, Berghaus G (Hrsg.): Verkehrsmedizin – Fahreignung, Fahrsicherheit, Unfallrekonstruktion. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag, 2012.

Madea B, Brinkmann B (Hrsg.): Handbuch gerichtliche Medizin 2. Heidelberg: Springer, 2003.

Madea B, Bratzke H, Pollak S, Püschel K, Rothschild M (Hrsg.): 100 Jahre Deutsche Gesellschaft für gerichtliche Medizin/Rechtsmedizin – Vom Gründungsbeschluss 1904 zur Rechtsmedizin des 21. Jahrhunderts. Herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für gerichtliche Medizin/Rechtsmedizin, 2004.

    Autor

    Prof. Dr. med. K. Püschel

    Institut für Rechtsmedizin

    Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

    Butenfeld 3422529 Hamburg

    pueschel@uke.de

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