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Welchen Beitrag können die Schulgesundheitsdienste leisten?

Schulgesundheit

In den letzten 100 Jahren hat sich das Krankheitsspektrum von Kindern und Jugendlichen erheblich gewandelt. Standen früher „ernsthafte“ Erkrankungen wie Infektionskrankheiten, Mangelernährung, aber auch Krankheitsfolgen verschmutzten Wassers oder von Atemluft im Vordergrund, so dominieren heute eher Zivilisationskrankheiten wie Bewegungsmangel oder Übergewicht. Eine wesentliche gesundheitliche Belastung geht zudem von Krankheiten aus, die unmittelbar oder mittelbar durch psychische oder soziale Beeinträchtigungen ausgelöst werden.

Was ist Gesundheit?

Konnte Gesundheit in der Vergangenheit noch als „Abwesenheit von Krankheit“ definiert werden, so bezeichnet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Gesundheit als einen „Zustand größtmöglichen körperlichen, geistig-seelischen und sozialen Wohlbefindens“. Dabei drückt der originale englische Begriff des „well being“ diesen Zustand des damit gemeinten „Wohl Seins“ eher noch besser aus.

Für eine modern verstandene Schulgesundheitspflege ist neben den gesundheitlichen Inklusionsbedarfen einzelner Kinder das soziale Wohlbefinden in der „Lebenswelt Schule“ ein Schlüsselbegriff.

Keine gesunde Schule ohne umfassendes soziales Wohlbefinden

In kaum einer heutigen Lebenswelt besteht ein so umfassendes Beziehungsgefüge wie in der Schule. Dabei versteht sich fast von selbst, dass dieses soziale Miteinander ständig unmittelbare Auswirkungen auf das Wohlbefinden jeder einzelnen Person, aber auch des gesamten „Organismus Schule“ hat. Ebenso ist klar, dass der WHO-Anspruch eines größtmöglichen oder gar vollständigen „sozialen Wohlbefindens“ gerade und besonders in der Lebenswelt Schule kaum umfassend umsetzbar ist. Dennoch kann der einzelne Schüler oder die einzelne Schülerin, aber auch die einzelne Lehrkraft nur dann bestmöglich gesund erhalten werden, wenn das Gesundheitskonstrukt des sozialen Wohlbefindens verstanden und konzeptionell gelebt wird. Dies ergibt sich unmittelbar aus der Tatsache, dass viele der heute als „psychosomatisch“ oder gar „psychisch“ geltenden Erkrankungen ihre „eigentliche“ Ursache in Einschränkungen des Wohlbefindens haben. Diese Krankheiten beginnen damit, dass es einem Kind oder Jugendlichen bzw. einer Lehrkraft „nicht gut geht“ bzw. er oder sie sich wiederholt oder über längere Zeit „nicht wohl fühlt“.

Moderne Schulgesundheit richtet sich an den „Organismus Schule“

Während sich die Schulgesundheitspflege historisch auf die Erkrankungen von Individuen bezog oder durch Hygiene- und Infektionsschutzrichtlinien sich um die allgemeine Krankheitsvorsorge kümmerte, sollten heute eher Körper, Geist und Sozialgefüge des Organismus Schule im Zentrum des Bemühens stehen. Dies kann gelingen, wenn die Schule jeder Person der Schulgemeinde die Frage stellt: Was ist der Grund, dass es dir nicht gut geht? Was macht dich an, in oder mit der Schule krank?

Wenn diese Frage dauerhaft gestellt wird und nicht erst dann, wenn es zu ernsthaften Gesundheitsstörungen einzelner oder ganzer Bereiche der Schule gekommen ist, dann ist vorbeugender Gesundheitsschutz an Schulen möglich.

Rolle des Schularztes

Schulgesundheitspflege ist in Deutschland föderal geregelt, die Rechtsgrundlagen für den Schularzt unterscheiden sich damit zwischen den Bundesländern. Vom „ärztlichen“ Grundverständnis sollte der Schularzt hinzugezogen werden, wenn sich die Schule „im gesamten“ oder an „einzelnen Organen“ nicht wohl, also krank fühlt.

Im Schulgesetz für Nordrhein-Westfalen (NRW) ist beispielsweise in § 54 „Schulgesundheit“ Folgendes geregelt:

[…]

(2) Für jede Schule bestellt die untere Gesundheitsbehörde im Benehmen mit dem Schulträger eine Schulärztin oder einen Schularzt. Der schulärztliche Dienst umfasst insbesondere:

[…]

3. schulärztliche Sprechstunden für Eltern, Schüler und Lehrerschaft,

5. Beratung der Lehrerinnen und Lehrer in Fragen der Gesundheitspflege,

[…].

Auch wenn sich die Angebote der Schulgesundheitspflege primär auf Gesundheit oder Krankheit der Schülerinnen und Schüler beziehen, so können Gründe für das Hinzuziehen des Gesundheitsdienstes durchaus in Einschränkungen des Wohlbefindens (= Gesundheitsbeeinträchtigung) der Lehrkräfte liegen. Schließlich erkennt nicht selten der Lehrer oder die Lehrerin aufgrund „eines Bauchgefühls“ die ersten Symptome, wenn es einem Schüler nicht gut geht oder wenn einzelne Kinder oder Jugendliche durch ihr soziales Verhalten eine Belastung Dritter bedingen.

Ärztliche Schuleingangsuntersuchung und was noch?

Auch wenn sich die rechtlichen Regelungen für die schulärztlichen Dienste von Bundesland zu Bundesland unterscheiden, so werden doch überall die ärztlichen Schuleingangsuntersuchungen mehr oder minder umfangreich durchgeführt. Haben auch diese Untersuchungen und Beratungen von ihrer Historie her eher eine Ausrichtung in Hinblick auf manifeste Erkrankungen oder entwicklungsbedingte Teilleistungsprobleme des einzelnen Kindes, so wird auch für diese Untersuchungen zunehmend deutlich, dass Bedingungen des sozialen Wohlbefinden des Kindes und der Familie für den späteren schulischen Verlauf von Bedeutung sind.

Dieser Wandel im Verständnis von Schulgesundheit trifft allerdings auf höchst unterschiedliche kommunale Wirklichkeiten. So haben sich die Gesundheitsdienste seit dem Beginn der Föderalisierung des öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) vor rund 20 Jahren sehr unterschiedlich entwickelt. Bei zunehmendem Rückgang klassischer Kinderkrankheiten und einem gleichzeitigen flächendeckenden Ausbau des versorgenden Gesundheitswesens für Kinder und Jugendliche schien die Bedeutung des ÖGD abzunehmen. Dies führte nicht selten zu einer Umwidmung oder Auslagerung von Aufgabenbereichen. Eine fachliche Weiterentwicklung der Schulgesundheitspflege wurde vielerorts für entbehrlich gehalten. Paradoxerweise betrafen solche personellen, inhaltlichen oder fachlichen Kürzungen vor allem solche Kommunen, die gleichzeitig von höheren Anteilen belasteter Lebenslagen und geringeren finanziellen Gestaltungsspielräumen betroffen waren. Schulärztliche Angebote über die Schuleingangsuntersuchung richten sich daher heute eher nach der Haushaltslage der Kommune als nach den fachlichen Bedarfen des Systems Schule.

Schulgesundheit in gemeinsamer Verantwortung

Während die Schulgesundheitspflege mit Blick auf das Kind eine lange Tradition hat, hat sich die arbeitsmedizinische Versorgung der Lehrkräfte in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich ausdifferenziert. Standen anfangs noch der Infektionsschutz und die Vermeidung orthopädischer Erkrankungen sowie Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz im Vordergrund, so hat die Sicherstellung des psychischen Wohlbefindens in der letzten Zeit deutlich an Bedeutung gewonnen. Dabei werden sowohl Angebote der individuellen Achtsamkeit als auch solche der gesundheitsförderlichen Teamentwicklung erfolgreich angeboten. Das Programm „Bildung und Gesundheit“ in NRW (s. „Weitere Infos“) verfolgt darüber hinaus einen partizipativen Ansatz, der das soziale Klima und damit das psychische und soziale Wohlbefinden der Lehrkräfte und auch der Schüler aktiv im Blick hat.

Ausgehend vom Paradigma des sozialen Wohlbefindens als einem wesentlichen Teilbereich der individuellen, aber auch der Systemgesundheit mit der Möglichkeit der gegenseitigen Beeinflussung des Wohlbefindens und damit der Gesundheit von der Schüler- auf die Lehrerschaft und umgekehrt wird deutlich, dass es eine nachhaltige Schulgesundheit ohne einen ganzheitlichen Ansatz in gemeinsamer Verantwortung kaum geben kann. Dies setzt allerdings voraus, dass die Schule als Organismus das gemeinsame Verständnis dafür hat und dieses lebt und dass wenigstens ein Teil des (auch individuellen) Wohlbefindens in der Lebenswelt Schule systemische Ursachen hat. Ein Teil des individuellen Gesundheitsempfindens kann also nur dann nachhaltig erhalten oder wiederhergestellt werden, wenn diese Aspekte von gesundheitlichem Wohlbefinden nicht durchweg als „Privatsache“ angesehen werden. Erfahrungsgemäß gelingt dies jedoch umso einfacher, je präventiver und grundsätzlicher Strukturen eines solchen Verständnisses im Schulkonzept verankert sind. In dieser „Frühphase von Einschränkungen des Wohlbefindens“ bestehen in der Regel noch keine benennbaren gesundheitlichen Folgen, die eine solche Individualisierung des Problems erfordern oder rechtfertigen könnte.

Das Potenzial der Schulgesundheitspflege könnte so zukünftig besser für eine präventive „betriebsmedizinische“ Betreuung der Schüler sowie der jeweiligen Schule genutzt werden. Hoffmann et al. (2017) machen deutlich, dass Kinder mit chronischen Gesundheitsbelastungen bereits am Ende von Klasse 1 deutlich ungünstigere Bildungsverläufe zeigen als Kinder ohne solche Belastungen.

Wattjes et al. (2018) regen an, einen „Diskurs über die Aufgaben des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes zu führen und in diesem Zusammenhang auch die Schuleingangsuntersuchung und insbesondere deren Gestaltung neu zu diskutieren“.

Aufgrund der interkommunal höchst unterschiedlichen Ressourcen und Arbeitsbedingungen der Schulgesundheitsdienste sollte dieser Diskurs aber nicht allein innerhalb des Gesundheitswesens geführt werden. Intersektorale Diskussionen mit Akteuren der Schule, aber auch der Jugendhilfe auf kommunaler sowie überregionaler Ebene können die erforderliche Weiterentwicklung der Schulgesundheitspflege erheblich unterstützen.

Modulare Konzepte für eine moderne Schulgesundheitspflege

Weiterentwicklung der Schuleingangsuntersuchung

Zu einer Schuleingangsuntersuchung gehören neben Erhebungen zum individuellen Gesundheitsstatus Fragen, Feststellungen und Beratungen zu den allgemeinen Lebensbedingungen sowie zu besonderen sozialen Ressourcen oder Belastungen des Kindes und aber auch seiner Familie. Diese schulärztlichen Erkenntnisse könnten besser in bestehende „Übergangskonferenzen“ zwischen Kita und Schule eingebracht werden. Sicher ist für solch ein Format die Zustimmung der Eltern erforderlich, die aber in der Regel zu erzielen ist, wenn diese „Konferenzen“ transparent installiert sind und das Wohl des Kindes mit einer optimalen Gestaltung des Übergangs erkennbar im Vordergrund steht. Solche Konferenzen beziehen vornehmlich diejenigen Kinder ein, für die auch unabhängig von der schulärztlichen Einschätzung seitens Kita und Schule ein erhöhter Beratungsbedarf gesehen wird. Die erforderlichen Ressourcen können also anhand der Lebensrealitäten in den jeweiligen Schulquartieren bedarfsgerecht eingeplant werden.

Schulärztliche Systemsprechstunden

Ausgehend von diesem optimierten Übergangsmanagement bietet es sich an, nach der Einschulung regelmäßige schulärztliche Sprechstunden in Schulen mit besonderen Bedarfslagen einzurichten. Diese Sprechstunden entfalten dann eine besondere Wirksamkeit, wenn auch hier die relevanten Fachpersonen des Systems Schule einbezogen sind. Das können neben der Schul- und Klassenleitung beispielsweise die Schulsozialarbeit und eine Vertretung des kommunalen Sozialdienstes sein. Die schulärztlichen Sprechstunden werden dabei aktiv und strukturiert in das übrige Beratungskonzept der Schule eingebunden. Es ist somit ein für das Schulpersonal und auch für die Eltern ein nachvollziehbares und unterstützendes Format und stellt insofern eine „Systemsprechstunde“ dar. In diesem Beratungsformat können die Ziele und Absprachen aus der Übergangskonferenz begleitet werden, aber auch Kinder einbezogen werden, bei denen sich nach der Einschulung Hinweise auf Problemlagen ergeben, die sich voraussichtlich mit dem allein schulischen Handlungsrepertoire nicht optimal klären lassen. Ein Grund für die Aufnahme in die Systemsprechstunde können beispielsweise auffällige Fehlzeiten sein. Der systemische Ansatz ermöglicht es, gemeinsam mit verschiedenen Fachdisziplinen frühzeitig ein passgenaues Unterstützungssystem zu etablieren. Einem zu langen Zuwarten, aber auch einem „schrittweisen Abarbeiten“ verschiedener Hilfesysteme kann damit effektiv vorgebeugt werden. Ein positiver „Neben“-Effekt dieses Ansatzes ist eine nicht unerhebliche Entlastung des schulischen Personals, da diese frühzeitige Intervention die Selbstwirksamkeit der Beteiligten erhöht und oft zeitaufwändige bilaterale Beratungskaskaden vermeiden kann. Individuelle oder soziale Situationen, die das System Schule dauerhaft belasten können, werden seltener und letztendlich steht den Pädagogen trotz der scheinbar zusätzlichen Investition in das erweiterte Beratungsformat mehr Zeit für die eigentlichen pädagogischen Aufgaben zur Verfügung. Dies dürfte auch einen nicht unerheblich präventiven Effekt auf Gesundheit und Wohlbefinden der Lehrkräfte haben.

Schulärztliche Follow-up-Untersuchungen und Beratungen

Reicht das Format der Systemsprechstunden nicht aus oder bedürfen einzelne Schüler einer intensiveren gesundheitlichen Begleitung, so kann der Schularzt jederzeit weitere individuelle Untersuchungen oder Beratungen anbieten. Zusätzlich sind auch weitere systemische Ansätze möglich, wie eine Intensivierung von Maßnahmen der Schulgesundheitspflege bei weiteren Übergangssituationen in der Schullaufbahn. Bewährt haben sich dabei Reihenuntersuchungen nach dem Wechsel von der Primar- in die Sekundarstufe oder auch gezielte Beratungen bei Schülern, die im Laufe der Schullaufbahn die Schulform wechseln. Beide Formate können wiederum je nach schulischem Bedarf ausgebaut und passgenau in die sonstigen schulischen Abläufe eingefügt werden.

In jedem Fall geht es um eine zusätzliche Unterstützung der Schüler in Bezug auf ihre individuelle und soziale gesundheitliche Situation bzw. das gesundheitliche Wohlbefinden (s. oben Definition der WHO). Auch bei diesen Formaten kann der schulärztliche Einsatz ausgehend von schulischen Bedarfen und bestehenden Ressourcen des Schulgesundheitsdienstes geplant werden.

Schulärztliche Unterstützung von Inklusion

Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die in den vergangenen Jahren vor allem im Bereich der Schule zu erheblichen Veränderungen geführt hat. Da insbesondere beim Thema der Inklusion Aspekte von Gesundheit, Wohlbefinden und Teilhabe nicht nur für die zu inkludierenden Kinder und Jugendliche, sondern für das gesamte System Schule eine wesentliche Rolle spielen, sollte eine intensive und bedarfsgerechte Einbeziehung der Schulgesundheitsdienste allgemeiner Standard sein.

Die oben genannten möglichen Formate der Schulgesundheitspflege können grundsätzlich auch zur Unterstützung der Inklusion zum Einsatz kommen. Dabei ergibt sich gerade aus der schulärztlichen Unterstützung auf individueller Ebene ein erhebliches Unterstützungspotenzial: Der Schularzt hat eine besondere medizinische Expertise an der Schnittstelle zwischen der gesundheitlichen Regel- oder Spezialversorgung, der (allgemeinen) Schulgesundheit und der Teilhabe. Der Schulgesundheitsdienst hat Kenntnisse über die individuellen Bedarfe bei Inklusion, kann aber auch die Bedarfe der übrigen Schüler sowie des schulischen Personals einschätzen. Auch für die Einschätzung weiterer Heil- und Hilfsmittel oder baulicher Maßnahmen ist der Schularzt Ansprechpartner. Eine frühzeitige systemische Einbeziehung der Schulgesundheitspflege in individuellen Inklusionsprozessen kann dazu beitragen, dass Inklusion frühzeitig und nachhaltiger gelingen kann. Dies führt – quasi als Nebeneffekt – auch zu einem Mehr an gesundheitlichem und sozialem Wohlbefinden in der gesamten Schule.

Kommunale Netzwerke für Schulabsentismus

Körperliche aber durchaus auch „geistige“ oder „soziale“ Abwesenheit Schülern im System Schule ist ein relevantes und geradezu systemimmanentes Thema, das die Schule seit Beginn der Schulpflicht begleitet. Häufig besteht zwischen diesen Abwesenheiten und gesundheitlichen Fragestellungen ein enger Zusammenhang. Jede Schule hat für häufiges oder unerlaubtes Fernbleiben von Schulveranstaltungen wirksame pädagogische und ordnungsrechtliche Maßnahmen etabliert. Gelegentlich bleiben diese aber wirkungslos oder es scheinen der Schule zu einer nachhaltigen Problemlösung wegen nachvollziehbarer Gesundheitsstörung oder Krankheit „die Hände gebunden“. An dieser Stelle haben sich kommunale Netzwerke für Schulabsentismus bewährt. Durch abgestimmte Konzepte der wesentlich involvierten Fachdienste und Gesundheitsinstitutionen auf kommunaler Ebene können den betroffenen Familien und Schulen frühzeitig umfassende Beratungsangebote gemacht werden. Durch ein frühzeitiges Fall-Clearing kann festgelegt werden, in welchem „System“ am ehesten eine Lösung des Problems gefunden werden kann. Ein zeitaufwändiges und häufig „zufällig“ gestaffeltes „Ausprobieren“ diverser Hilfsangebote kann dadurch ebenso vermieden werden wie ein gleichzeitiges und unkoordiniertes Arbeiten verschiedener Hilfesysteme. In seltenen begründeten Einzelfällen kann die Schule einen Schulbesuch, der aus vorgeschobenen Gesundheitsgründen versäumt wird, mit schul- oder amtsärztlicher Unterstützung auch erzwingen und damit chronischem Schulabsentismus frühzeitig vorbeugen.

Schulärztliche Beratung zur Schulentlassung

Werden die oben genannten schulärztlichen Unterstützungs- und Beratungsformate passgenau eingesetzt, so kann auf eine mancherorts noch etablierte „Reihenuntersuchung“ zur Schulentlassung verzichtet werden. Dennoch bestehen bei einzelnen Schülern am Ende ihrer Schullaufbahn erhebliche Fragezeichen oder Bedarfe in Bezug auf ihre weitere Bildungs- oder Ausbildungsbiografie. Bei bestimmten gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Teilhabeeinschränkungen kann eine bedarfsgerechte und gezielte schulärztliche Beratung und/oder Begutachtung zum Gelingen von Übergangsprozessen am Ende der regulären Schullaufbahn beitragen. Auch hier ergeben sich aus den speziellen medizinischen Kompetenzen der schulärztlichen Dienste wesentliche Zusatzmöglichkeiten, die allein aus dem pädagogischen System der Schule, durch die Arbeitsagenturen oder die hausärztliche Regelversorgung in der Regel nicht angeboten werden können.

Fazit

Eine Schule kann nur so gesund sein wie ihre Schülerinnen und Schüler, das an der Schule beschäftigte Personal und die allgemeinen Strukturen. Sind für diese Bereiche bereits mehrere Systeme zuständig (Betriebs- und Arbeitsmedizin, Schulgesetzgebung, Schulträger, Schulgesundheitspflege), so haben für das (soziale) Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler außerschulische Ursachen, aber auch Versorgungs- und Unterstützungsangebote einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit in und Gesundheit der Schule. Der Artikel macht deutlich, dass ein passgenaues Wirken der Schulgesundheitspflege an zahlreichen Stellen dabei helfen kann, die Gesundheitsbedingungen an, in und für Schule zu verbessern. Eine intensive Zusammenarbeit vor allem von Schule, Schulgesundheitspflege und Jugendhilfe ermöglicht schon bei den bestehenden Ressourcen wesentliche Synergieeffekte und schafft damit die Grundlage für eine auch zukünftig angemessene Ressourcenbereitstellung.

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Literatur

Hoffmann I et al.: Chronic health conditions and school performance in first graders: A prospective cohort study. PLoS ONE 2018; 13: e0194846.

Wattjes A, Karathana M, Krackhardt B, Heudorf U: Die Schuleingangsuntersuchung: Ein kritischer Blick auf Historie und Status quo. Gesundheitswesen 2018; 80: 310–316.

    Weitere Infos

    Landesprogramm Bildung und Gesundheit NRW

    www.bug-nrw.de

    autor

    Dr. med. Axel Iseke, MPH

    Leitung Fachgruppe Kinder- und Jugendgesundheit

    Landeszentrum Gesundheit NRW

    Gesundheitscampus 10

    44801 Bochum

    axel.iseke@lzg.nrw.de

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