Statistik „Arbeitsmedizinische Fachkunde“
Die seit dem Jahr 1988 veröffentlichte Statistik „Arbeitsmedizinische Fachkunde“ zeigt die Gesamtzahl der Betriebsärzte, die betriebsärztlich nach §7 der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) im Betrieb tätig werden dürfen. Sie schlüsselt diese Ärzte nach dem Ort der Tätigkeit (Bereich der Landesärztekammern) sowie nach Altersgruppen auf und gibt zudem seit dem Jahr 2012 den Anteil an Ärztinnen an. Diese Statistik erfährt eine hohe Aufmerksamkeit bei den am Arbeitsschutz beteiligten Institutionen. Hier nun die neuesten vom Referat Statistik der Bundesärztekammer erhobenen Daten für die Statistik „Arbeitsmedizinische Fachkunde“, die aktuell für den Stichtag 31.12.2017 erstellt wurde.
Statistik nach Landesärztekammern
Aktuell haben 12.545 Ärztinnen und Ärzte eine arbeitsmedizinische Fachkunde. Damit ist deren Anzahl gegenüber dem Vorjahr um 0,6% moderat gestiegen. Tabelle 1)und Abb. 1 führen Ärztinnen und Ärzte mit arbeitsmedizinischer Fachkunde gegliedert nach Landesärztekammern auf.
Der Anteil der 5645 Ärztinnen mit arbeitsmedizinischer Fachkunde gegenüber der Gesamtzahl an Ärztinnen und Ärzten mit arbeitsmedizinischer Fachkunde liegt bei 45% und hat sich damit um 0,5% erhöht. Ebenso ist insgesamt die Anzahl der Ärztinnen gegenüber dem Vorjahr moderat um 1,7 Prozent angestiegen.
Statistik nach Altersgruppen
Die Analyse nach Altersgruppen zeigt ( Tabelle 2, Abb. 2), dass 6231 Ärztinnen und Ärzte mit arbeitsmedizinischer Fachkunde bereits 65 Jahre alt und älter sind (49,7%). Diese Zahl ist gegenüber dem Vorjahr angestiegen (3,3%). Von diesen Ärztinnen und Ärzte sind viele zwar noch betriebsärztlich tätig, jedoch ist abzusehen, dass sie mittelfristig dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Der Anteil der Altersgruppen bis 44 Jahre ist mit 820 Ärztinnen und Ärzten mit arbeitsmedizinischer Fachkunde deutlich um 7,3% angestiegen.
Statistik im Zeitverlauf
Die Entwicklung der Zahl der Ärztinnen und Ärzte mit arbeitsmedizinischer Fachkunde gemäß §§3 und 6 UVV „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ (DGUV V2) im Zeitverlauf von 2000 bis 2017 stellt Abb. 3 dar).
Hinweise
Gegliedert nach Landesärztekammer-Bereichen sowie zusammengefasst auf Bundesebene erfolgt die Angabe der Zahl der Ärztinnen und Ärzten mit den nach §§3 und 6 DGUV V2 in der Fassung vom 01.01.2011 möglichen betriebsärztlichen Qualifikationen.
Ausgewiesen wird somit nicht nur die Zahl der Ärztinnen und Ärzten, die die Gebietsbezeichnung „Arbeitsmedizin“ oder die Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ zu führen berechtigt sind (§3 Nr. 1 und Nr. 2 DGUV V2), sondern auch die Zahl derjenigen Ärztinnen und Ärzten, die nach Erfüllung der Voraussetzungen die Übergangsregelungen des §6 Abs. 1 Nr. 1 und 2a sowie Nr. 1 und 2b DGUV V2 weiterhin über die arbeitsmedizinische Fachkunde verfügen. Die Zahl dieser Ärztinnen und Ärzten nimmt entsprechend der Konstruktion dieser Vorschriften als Übergangsregelungen seit 1988 ständig ab.
Bewertung der Statistik: Aufwärtstrend
Die Ergebnisse der Statistik zeigen im Erhebungszeitraum 2017 einen moderaten Anstieg der Anzahl an Ärztinnen und Ärzten mit arbeitsmedizinischer Fachkunde. Es zeigt sich, dass viele das Pensionsalter erreicht haben. Aber der Nachwuchs stellt sich ein. Mit 820 Ärztinnen und Ärzten mit arbeitsmedizinischer Fachkunde in der Altersgruppe bis 44 Jahren zeigt sich ein deutlicher Anstieg um 7,3%. Auch wenn sich der Nachwuchs einstellt und schon viel getan wurde, müssen weiterhin alle am Arbeitsschutz beteiligten Institutionen und Organisationen alles unternehmen, damit sich noch mehr Nachwuchs in der Arbeitsmedizin/Betriebsmedizin einstellt:
Beitrag zur Nachwuchssicherung in der Arbeitsmedizin/Betriebsmedizin
Das präventivmedizinisch ausgerichtete Fach Arbeitsmedizin und die Zusatzqualifikation Betriebsmedizin – als die Kompetenz in der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention – nimmt einen wichtigen Platz im Arbeitsschutz und im Gesundheitssystem ein und wird dies wird auch zukünftig der Fall sein. Aber aufgrund des demografischen Wandels heißt es nun, weiter entschieden zu handeln, um den Nachwuchs zu gewinnen. Zwischenzeitlich ist bereits einiges getan worden, um den Nachwuchs in der Arbeits- und Betriebsmedizin zu fördern. Dies zeigt nun Wirkung.
Konferenz des BMAS
Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung: Der Ausschuss „Arbeitsmedizin“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales führte hierzu bereits 2013 eine „Konferenz zur Sicherung des arbeitsmedizinischen Nachwuchses – Vorbeugen, Aufklären, Helfen – warum Betriebsärzte unverzichtbar sind“ durch. In diesem Ausschuss sind Vertreter der Arbeitgeber, der Gewerkschaften, der Länderbehörden, der Gesetzlichen Unfallversicherung und der arbeitsmedizinischen Wissenschaft und die Bundesärztekammer vertreten. Im Ausschuss für Arbeitsmedizin ist somit breiter arbeitsschutz- und arbeitsmedizinischer Sachverstand vereint. Die Konferenz machte deutlich, dass das präventivmedizinisch ausgerichtete Fach „Arbeitsmedizin“ und die Zusatzqualifikation „Betriebsmedizin“ einen wichtigen Platz in der Arbeitswelt einnehmen und weiter einnehmen müssen. Aus dieser Konferenz entstand eine konzertierte Aktion zur Nachwuchssicherung der am Arbeitsschutz beteiligten Institutionen, das „Aktionsbündnis Arbeitsmedizin“. Von dieser Konferenz sind wesentliche Impulse zur Nachwuchsgewinnung ausgegangen. Eine entsprechende Resolution wurde dort verabschiedet und insbesondere vom Präsidenten der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgemery, und vom Deutschen Ärztetag ausdrücklich begrüßt.
Aktionsbündnis zur Sicherung des arbeitsmedizinischen Nachwuchses
Am 02.04.2014 wurde ein „Aktionsbündnis Arbeitsmedizin“ in der Rechtsform eines gemeinnützigen Vereins von der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin (DGAUM) mit allen am Arbeitsschutz beteiligten Akteuren gegründet. Die Bundesärztekammer ist nach §7 Abs. 6 der Satzung des gemeinnützigen Vereins kooperatives Mitglied. Das Aktionsbündnis veranstaltet u.a. Fortbildungen, finanziert Weiterbildungen und unterstützt Nachwuchswissenschaftler. ASU berichtete hierzu in der letzten Ausgabe (Letzel 2018).
Bundesärztekammer: Medizinische Fachangestellte (MFA) „Arbeits-/Betriebsmedizin“
Nach der Devise „Delegation: ja – Substitution: nein“ wurde im Jahr 2015 ein Muster-Fortbildungscurriculum der Bundesärztekammer für Medizinische Fachangestellte (MFA) „Arbeits-/Betriebsmedizin“ erarbeitet. Die MFA wird mit dieser Fortbildung befähigt, den Arbeitsmediziner und den Betriebsarzt verstärkt und umfassend zu unterstützen und zu entlasten. Unter der Verantwortung des Betriebsarztes wird die Kompetenz der MFA deutlich vergrößert im Bereich der Untersuchungen und der Koordination des Arbeitsschutzmanagements, Betrieblichen Gesundheitsmanagements und des Betrieblichen Eingliederungsmanagements. Damit einhergehend vergrößert sich ebenso der Aktionsradius des Betriebsarztes und kompensiert in einem gewissen Maße die fehlenden Arbeitsmediziner ab.
Bundesärztekammer: Qualifizierung Arbeitsmedizin/Betriebsmedizin
Auch die Bundesärztekammer hat ihren Beitrag zur Nachwuchssicherung geleistet. Die Modalitäten der früheren Weiterbildungsgänge zur Erlangung der Gebietsbezeichnung Arbeitsmedizin und zur Zusatz-Weiterbildung Betriebsmedizin haben sich als nicht mehr zeitgemäß erwiesen und stellten einen „Flaschenhals“ dar. So konnten diese Qualifikationen nur von denjenigen erlangt werden, die eine klinische Weiterbildung in der „Inneren Medizin“ vorwiesen.
Die (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO), beschlossen im Mai 2017/2018 vom 120./121. Deutschen Ärztetag, besagt nunmehr, dass für die Weiterbildung in der Arbeitsmedizin und Betriebsmedizin die klinischen Zeiten „in allen Gebieten der unmittelbaren Patientenversorgung“ vorgesehen werden können. Dies bedeutet, dass Weiterbildungszeiten über die „Innere Medizin“ hinaus beispielsweise in der Psychiatrie, Anästhesie, Chirurgie, Dermatologie von den Landesärztekammern als klinische Weiterbildung anerkannt werden, wenn sie die (Muster-)WBO der Bundesärztekammer in geltendes Recht im Rahmen der Kammer- und Heilberufegesetze der Bundesländer überführt haben.
Ferner ist die Zusatzweiterbildung Betriebsmedizin so konzipiert, dass sie auch berufsbegleitend mit 1200 Stunden unter Supervision eines Befugten erlangt werden kann. Auf diesem Wege ist beispielsweise für Allgemeinmediziner und Allgemeinmedizinerinnen im ländlichen Raum eine Möglichkeit geschaffen worden, neben der Arbeit in der Arztpraxis flexibel auch die Zusatz-Weiterbildung Betriebsmedizin zu absolvieren.
Sehr hilfreich wird sein, wenn im letzten Schritt die Landesärztekammern, als Körperschaften öffentlichen Rechts, so schnell wie möglich die Weiterbildungen zur Gebietsbezeichnung Arbeitsmedizin und zur Zusatz-Weiterbildung Betriebsmedizin durch Novellierung der Kammer- und Heilberufegesetze der Bundesländer in geltendes Recht überführen würden.
Landesärztekammern: Weiterbildungskurse in Arbeitsmedizin und Betriebsmedizin
Eine weitere Verbesserung der Situation zeigt sich ebenso deutlich im Weiterbildungsbereich. Die Weiterbildungsakademien berichten, dass die Weiterbildungskurse seit einigen Jahren ausgebucht sind und es sogar lange Wartelisten gibt. Dies hat die Ärztekammer Hamburg und die Landesärztekammer Schleswig-Holstein bewogen, eine weitere Weiterbildungsakademie im Norden unter der Leitung von Prof. Dr. Volker Harth und Prof. Dr. Elke Ochsmann einzurichten. Diese Akademie hat ihre Arbeit im Februar 2018 aufgenommen.
So verwundert es nicht, dass eine Trendwende sichtbar wird: Betriebsärztlicher Nachwuchs stellt sich verstärkt ein.
Interessenkonflikt: Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
Literatur
Letzel S: Werbeoffensive für die Arbeitsmedizin. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2018; 53: 440–441
Weitere Infos
Fortbildungscurriculum für Medizinische Fachangestellte und Arzthelfer/innen „Arbeitsmedizin/Betriebsmedizin“, 1. Aufl. 2015
mer.de/aerzte/gesundheitsfach
berufe/medizinische-fachange
stellte-arzthelferin/fortbildung/fortbildungs-curricula/
Novellierung der (Muster-)Weiterbildungsordnung, Abschnitt B Novellierung für das Gebiet Arbeitsmedizin, Drs.VII-01 des 120. Deutschen Ärztetags 2017
Novellierung der (Muster-)Weiterbildungsordnung, Abschnitt C Novellierung für die berufsbegleitende Zusatz-Weiterbildung Betriebsmedizin, Drs.VIII-01 des 121. Deutschen Ärztetags 2018
Autorin
Dr. med. Annegret Schoeller
Bereichsleiterin im Dezernat 1
Versorgung und Bevölkerungsmedizin
Bundesärztekammer
Herbert-Lewin-Platz 1
10623 Berlin