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TRBA 610: Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten außerhalb von Sonderisolierstationen bei der Versorgung von Patienten, die mit hochpathogenen Krankheitserregern infiziert oder krankheitsverdächtig sind – Folge 1 –

Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA)

Einleitung

Die Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse für Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen wieder. Sie werden vom Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) ermittelt bzw. angepasst und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl) bekannt gegeben. Die TRBA konkretisieren im Rahmen ihres Anwendungsbereichs die Anforderungen der Biostoffverordnung. Bei Einhaltung der Technischen Regeln kann der Arbeitgeber insoweit davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen.

Die TRBA finden sich auf der Homepage des ABAS (www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Ausschuesse/ABAS.html). Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat zusätzlich zwei Kurz-URL zur Verfügung gestellt. www.baua.de/trba für Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe – sie führt zur URL www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Biologische-Arbeitsstoffe/TRBA/TRBA.html (statt der angezeigten Form) und www.baua.de/abas für Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe, sie führt zur URL www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Biologische-Arbeitsstoffe/ABAS/ABAS.html. Die TRBA 610 „Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten außerhalb von Sonderisolierstationen bei der Versorgung von Patienten, die mit hochpathogenen Krankheitserregern infiziert oder krankheitsverdächtig sind“ ist im Gemeinsamen Ministerialblatt GMBl 2016, Nr. 42 vom 17. Oktober 2016 bekannt gegeben worden.

Diese TRBA 610 wird in 5 Folgen als Serie in ASU vorgestellt. Die inhaltliche Abschrift und der Abdruck der TRBA 250 in der ASU – Zeitschrift für medizinische Prävention – ist möglich durch die freundliche Genehmigung des Carl Heymanns Verlags (einer Marke von Wolters Kluwer Deutschland).

TRBA 610

Der Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) hat folgende Arbeitsschutzanforderungen für Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung durch hochpathogene Viren bei der Patientenversorgung außerhalb von Sonderisolierstationen beschlossen. Der Beschluss 610 „Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten außerhalb von Sonderisolierstationen bei der Versorgung von Patienten, die mit hochpathogenen Krankheitserregern infiziert oder krankheitsverdächtig sind“ dient der Konkretisierung der Biostoffverordnung (BioStoffV) und gibt den Stand der Technik wieder. Er beruht auf den Ergebnissen des ABAS-Arbeitskreises „Hochpathogene Viren“. Mitwirkende des ABAS-Arbeitskreises sind Vertreter des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS), des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), der Bundesärztekammer (BÄK), der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), von Länderbehörden, des Robert Koch-Instituts (RKI), des Ständigen Arbeitskreises der Kompetenz- und Behandlungszentren für hochkontagiöse und lebensbedrohliche Erkrankungen (STAKOB) und von Unfallversicherungsträgern.

1 Allgemeines

Ausgelöst durch den Ebolafieber-Ausbruch in Westafrika im Jahr 2014/2015 und die dadurch bundesweit entstandenen Fragestellungen, hat das Robert Koch-Institut das „Rahmenkonzept Ebolafieber“ in engem Austausch mit allen betroffenen Institutionen entwickelt. Die im Konzept aufgeführten Arbeitsschutzmaßnahmen waren unter Mitwirkung des ABAS und in Abstimmung mit diesem festgelegt worden. Sie wurden nun auf der Grundlage der gemachten Erfahrungen und des resultierenden Konkretisierungsbedarfs auch hinsichtlich anderer hochpathogener Krankheitserreger durch den ABAS weiterentwickelt und werden mit diesem Beschluss in das Technische Regelwerk zu Biologischen Arbeitsstoffen überführt.

2 Zielsetzung, Anwendungsbereich

Der Beschluss 610 konkretisiert die erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen für die Versorgung von Patienten, die mit hochpathogenen Krankheitserregern (Biostoffe der Risikogruppe 4) infiziert bzw. krankheitsverdächtig sind, außerhalb von Sonderisolierstationen (SIS). Er soll Einrichtungen, die sich auf derartige Situationen vorbereiten wollen bzw. aufgrund von Vereinbarungen vorbereiten müssen, bei der Planung und Festlegung entsprechender Maßnahmen unterstützen.

Betroffen sein können:

  • Arztpraxen und Notaufnahmen, die von infizierten oder krankheitsverdächtigen Patienten aufgesucht werden,
  • Rettungsdienste – einschließlich Notärzte und ärztliche Bereitschaftsdienste, die den Transport dieser Patienten in die Zieleinrichtung durchführen bzw. begleiten und
  • Krankenhäuser, die aufgrund einer Ausnahmesituation die Versorgung des Patienten außerhalb einer SIS durchführen müssen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Patient nicht transportfähig ist.

Die folgenden Regelungen gelten ausschließlich für Situationen, für die es keine weitergehenden Konkretisierungen in der TRBA 250 „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege“ [2] gibt.

Die Schutzmaßnahmen gelten auch für hinzugezogene Personen, wie z.B. die Vertreter von Gesundheitsbehörden.

Die Anforderungen an SIS sind in der TRBA 250 abschließend geregelt und bleiben unberührt.

3 Begriffsbestimmungen

3.1 Basishygienische Maßnahmen

Basishygiene beschreibt die in medizinischen Einrichtungen erforderliche Standardhygiene. Sie umfasst alle Hygienemaßnahmen, die in einer Gesundheitseinrichtung grundsätzlich durchgeführt werden [3, 4]. Dazu gehören insbesondere Händehygiene, Schutzkleidung und Schutzausrüstung sowie Desinfektionsmaßnahmen.

3.2 Hochpathogene Krankheitserreger

Hochpathogene Krankheitserreger im Sinne dieses Beschlusses sind Biostoffe der Risikogruppe 4 (§ 3 Absatz 1 Nummer 4 BioStoffV) [5].

3.3 Sonderisolierstation

Eine Sonderisolierstation (SIS) ist ein benanntes Behandlungszentrum, in dem Patienten, die mit einem Biostoff der Risikogruppe 4 infiziert oder krankheitsverdächtig sind, unter den Bedingungen der Schutzstufe 4 (siehe Schutzstufenzuordnung nach TRBA 250 Nummer 3.4.2 Absatz 4 [2]) versorgt werden.

3.4 Krankheitsverdächtig

Krankheitsverdächtig ist eine Person, bei der Symptome bestehen, die das Vorliegen einer bestimmten übertragbaren Krankheit vermuten lassen (§ 2 Nummer 5 Infektionsschutzgesetz – IfSG [6]).

3.5 Patientenversorgung

Unter Patientenversorgung wird die Untersuchung, Behandlung und Pflege eines Patienten in einer Einrichtung des Gesundheitsdienstes (gemäß § 2 Absatz 14 BioStoffV) verstanden. Im Rahmen dieses Beschlusses fällt der Transport von infizierten bzw. krankheitsverdächtigen Patienten durch Rettungsdienste ebenfalls darunter.

3.6 Isolierbereich

Der Isolierbereich ist ein von übrigen Arbeitsbereichen sicher abgetrennter Bereich, in dem ein infizierter oder krankheitsverdächtiger Patient versorgt wird.

4 Schutzmaßnahmen

4.1 Vorbemerkungen

(1) Nach TRBA 250 Nummer 3.4.2 Absatz 4 [2] sind Tätigkeiten im Rahmen der Untersuchung, Behandlung und Pflege von Patienten, die mit einem Biostoff der Risikogruppe 4 infiziert sind oder bei denen ein entsprechender Verdacht vorliegt, i.d.R. der Schutzstufe 4 zugeordnet. Die dabei einzuhaltenden Schutzmaßnahmen sind in Anhang 1 „Sonderisolierstationen“ der TRBA 250 zusammengefasst. Es kann jedoch erforderlich werden, dass solche Patienten außerhalb von SIS versorgt werden müssen (s. Abschnitt 2). In diesen Fällen kann der für SIS beschriebene Stand der Technik aufgrund der fehlenden baulichen und technischen Voraussetzungen nicht eingehalten werden. Deshalb kommt insbesondere zusätzlichen organisatorischen und persönlichen Schutzmaßnahmen eine besondere Bedeutung zu. Deren Planung, Festlegung und konsequente Umsetzung im Ernstfall sind wesentliche Voraussetzung für einen effektiven Schutz.

(2) Je nachdem, welcher Krankheitserreger auftritt und welche Eigenschaften (u.a. Übertragungsweg) er hat, können über diesen Beschluss hinaus weitere Maßnahmen notwendig werden. Diese sind im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festzulegen. Die hier beschriebenen Maßnahmen sollten auch beim Auftreten neuer, noch nicht klassifizierter Krankheitserreger angewendet werden, die mit einem hohen Gefährdungspotenzial assoziiert sind.

Hinweis: Der Verdacht einer „Erkrankung an virusbedingtem hämorrhagischem Fieber“ bzw. einer „bedrohlichen Krankheit“ ist nach § 6 IfSG [6] vom feststellenden Arzt unverzüglich dem zuständigen Gesundheitsamt zu melden. Die oberste Landesgesundheitsbehörde bzw. die nach Landesrecht zuständige Behörde trifft (i.d.R. in Absprache mit dem zuständigen Kompetenzzentrum) die Entscheidung zu weiteren Maßnahmen nach §§ 28-31 IfSG.

4.2 Arztpraxen

4.2.1 Grundsätze

Sucht ein infizierter oder krankheitsverdächtiger Patient eine Arztpraxis auf, sind bei Erstverdacht folgende grundsätzliche Maßnahmen einzuhalten:

  • Zur ersten anamnestischen Abklärung des Krankheitsverdachts ist ein Mindestabstand von ungefähr 1,50 m zum Patienten zu halten.

Hinweis: Dieser Abstand leitet sich ab von dem über experimentelle Daten ermittelten Mindestabstand, der notwendig ist, um eine Tröpfcheninfektion bei Influenzaviren zu vermeiden [7].

  • Die basishygienischen Maßnahmen [4] sind einzuhalten.
  • Der Patient ist von anderen Personen fernzuhalten.

Bleibt der Erstverdacht nach der anamnestischen Abklärung bestehen, ist dies unverzüglich dem zuständigen Gesundheitsamt zu melden und weitere grundsätzliche Maßnahmen sind einzuhalten:

  • Der Patient soll nach Möglichkeit am Versorgungsort verbleiben. Dabei sind Kontakte zu anderen Personen zu vermeiden.
  • Der direkte Kontakt zwischen Patient und behandelndem Arzt oder Personal ist zu vermeiden bzw. auf das Notwendigste zu beschränken.

Hinweis: Wenn die Symptomatik des Patienten es zulässt, können ggf. Barrieremaßnahmen am Patienten (wie z.B. das Tragen von Handschuhen oder Mund-Nasen-Schutz) erfolgen.

  • Müssen absolut notwendige Tätigkeiten am Patienten durchgeführt werden, so sind besondere Schutzmaßnahmen einzuhalten. Dazu gehören das Tragen von Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) (s. Abschnitt 4.2.2) und die Durchführung weitergehender Desinfektionsmaßnahmen (s. Abschnitt 4.2.3) bzw. Maßnahmen der Abfall- und Abwasserentsorgung (s. Abschnitt 4.2.4).

Hinweis: Das Vorhalten der in diesem Fall erforderlichen PSA setzt eine entsprechende Planung und Vorbereitung im Vorfeld voraus. Sofern diese nicht gegeben ist, sollte möglichst auf Tätigkeiten mit entsprechendem Infektionsrisiko verzichtet werden. Zur Meldepflicht nach § 6 IfSG siehe Hinweis zu Abschnitt 4.1, Abs. 2.

    Weitere Infos und Literatur

    [1] Robert Koch-Institut „Rahmenkonzept Ebolafieber“

    www.rki.de/DE/Content/InfAZ/E/Ebola/Rahmenkonzept_Ebolafieber.html

    [2] TRBA 250 „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege“

    www.baua.de/TRBA

    [3] Infektionsschutz und Infektionsepidemiologie: Fachwörter – Definitionen – Interpretationen. Berlin: Robert Koch-Institut, 2015, S. 20

    www.rki.de/DE/Content/Service/Publikationen/Fachwoerterbuch_Infektionsschutz.pdf?__blob=publicationFile

    [4] Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit

    übertragbaren Krankheiten – Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut

    https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Kommission/Downloads/Infektionspraev_Pflege_Diagnostik_Therapie.pdf?__blob=publicationFile

    [5] Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit Biologischen Arbeitsstoffen (Biostoffverordnung – BioStoffV)

    www.gesetze-im-internet.de/biostoffv_2013/

    [6] Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG)

    www.gesetze-im-internet.de/ifsg/

    [7] Tang JW et al.: Absence of detectable influenza RNA transmitted via aerosol during various human respiratory activities – experiments from Singapore and Hong Kong. PLoS One 2014; 9: e107338

    journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0107338

    Aufbereitet von

    Dr. med. Annegret Schoeller

    Bereichsleiterin im Dezernat 1

    Versorgung und Bevölkerungsmedizin

    Bundesärztekammer

    Herbert-Lewin-Platz 1

    10623 Berlin

    annegret.schoeller@baek.de

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