Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat die sechste Auflage der sog. Grundsätze für die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen veröffentlicht. Da-durch führt sie ein über 40 Jahre altes Konzept zur Standardisierung von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung fort.
Leider vermissen wir die Orientierung dieser Grundsätze an der inzwischen sich stark gewandelten Realität der arbeitsmedi-zinischen Tätigkeit. Zudem ist das Konzept durch die veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen (z. B. ArbmedVV) und durch die veränderten Aufgaben in der arbeitsme-dizinischen ärztlichen Tätigkeit nicht mehr zeitgemäß.
Mögen vor mehr als 40 Jahren derartige Untersuchungsgrundsätze eine gewisse Berechtigung im Sinne von Qualitätsstandard gehabt haben, so sind diese heute fern von Qualitätsstandards in der Medizin. Diese werden geprägt von Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften und evidenzbasierten Handlungsanleitungen, die sich auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und Wirksamkeitsnachweise gründen. Zwar verweist das Vorwort der Grundsätze auf die Erstellung durch interdisziplinäre Expertenteams. Die nötige Transparenz zur Zusammensetzung und wissenschaftlichen Qualifikation dieser Expertenteams bleiben das Vorwort und das Gesamtwerk allerdings schuldig.
Der längst vollzogene Paradigmenwech-sel in der Arbeitsmedizin von der rein toxisch-stofflichen Orientierung der Prävention zu einer ganzheitlichen Medizin findet ebenso wenig Berücksichtigung wie die Tatsache, dass seit 40 Jahren die arbeitsmedizinische Qualifikation der untersuchenden Ärzte durch die Weiterbildungsordnung der Landesärztekammern stetig gestiegen ist und inzwischen ein anderen Facharztgruppen gleichgestelltes Niveau erreicht haben.
So muss kritisch die Frage gestellt werden, ob ein derartiges Regelwerk noch in die heutige Zeit passt. Positiverweise könnte man ins Feld führen, dass die Grundsätze eine unverbindliche Orientierungshilfe für den Arzt darstellen könnten, andererseits bergen sie bei unkritischer Anwendung die Gefahr, dass der Arzt gegen standesrechtliche und arbeitsrechtliche Vorgaben verstößt. Hierauf haben wir als Berufsverband in der Vergangenheit zu verschiedenen Gelegenheiten hingewiesen. Wir plädieren für eine Überarbeitung unter Einbeziehung der Experten aus dem VDBW.
Dr. med. Wolfgang Panter
Prädident des VDBW