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Positionspapier zur betriebsärztlichen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland und zur Überarbeitung  der DGUV Vorschrift 2

Der Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte e. V. hat zwei zentrale Ziele für sich definiert:

  • Verbesserung der Qualität der betriebsärztlichen Versorgung
  • Versorgung für alle Betriebe und für alle Beschäftigten
  • Neben den gesetzlichen Grundlagen – wie z. B. dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) und der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) – ist die Vorschrift 2 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) eine wichtige Grundlage, um die von uns als wichtig gesehenen Ziele umzusetzen.

    In der letzten Reform der DGUV Vorschrift 2 (gültig seit 01. 01. 2011) haben die Unfallversicherungsträger wichtige Änderungen vorgenommen, die nach unserer Erfahrung zu dem Ziel der Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes beigetragen haben. Die damals vorgenommene Aufteilung in eine Grundbetreuung und eine betriebsspezifische Betreuung unterstützen wir nachdrücklich.

    Gleichwohl bestehen weiterhin Defizite, die es bei einer Überarbeitung der Vorschrift 2 zu vermindern gilt.

    Regelbetreuung für Betriebe ab 20 Beschäftigte

    1. Beibehaltung von Grund- und betriebsspezifischer Betreuung

    Die in der Anlage 2 der DGUV Vorschrift 2 vorgenommene Trennung betriebsärztlicher und sicherheitstechnischer Aufgaben in eine Grund- und betriebsspezifische Betreuung hat sich bewährt.

    Sie sollte daher weiter beibehalten werden. Die Zuordnung einzelner Aufgaben zur Betreuungsart ist klar und eindeutig zu regeln, dies gilt insbesondere für die arbeitsmedizinische Vorsorge.

    2. Einbeziehung weiterer Professionen

    Die Einbeziehung weiterer Professionen in die betriebsspezifische Betreuung bei spe­ziellen Fragestellungen erfolgt bereits und ist aus Sicht des VDBW auch weiterhin sinnvoll.

    Dies sollte jedoch in Absprache mit Betriebsarzt und Sicherheitsfachkraft erfolgen. Eine Einbeziehung weiterer Professionen in die Grundbetreuung wird vom VDBW abgelehnt.

    Allerdings können Betriebsärzte im Rahmen ihrer Verantwortung und des berufsrechtlich Erlaubten einzelne Aufgaben delegieren.

    3. Mindesteinsatzzeit

    Die bisherige Regelung mit einer Mindesteinsatzzeit von wenigstens 20 Prozent der Gesamteinsatzzeit, aber nicht weniger als 0,2 Stunden pro Jahr und Mitarbeiter für jede Profession, hat sich als Minimalregelung in den Betrieben bewährt.

    4. Atmende Mindesteinsatzzeit

    Erhöhung der Einsatzzeit

    Bei Betrieben, in denen ein noch nicht ausreichend eingeführtes und funktionierendes Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsystem besteht, sind die Mindesteinsatzzeiten um bis zu 20 Prozent zu erhöhen.

    Diese Erhöhung ist jährlich zu überprüfen, z. B. mittels GDA-Orgacheck und/oder anhand eindeutiger Kennzahlen wie z. B. Arbeitszufriedenheit, Vermeidung von Berufskrankheiten, Senkung von Unfallzahlen etc.

    Die Initiative dazu kann von der Sicherheitsfachkraft, vom Betriebsarzt, Betriebsrat oder dem Unternehmer ausgehen. Falls die Fachkräfte bzw. der Betriebsrat sich nicht einigen können, ist eine Entscheidung der zuständigen Behörde bzw. dem Unfallversicherungsträger herbeizuführen. Diese Überprüfung der Arbeitsschutzorganisation ist jährlich zu wiederholen.

    Verminderung der Einsatzzeit

    Nach Einführung eines Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsystems können Betriebe erhebliche Fortschritte erzielen. Unfallzahlen sinken, Anzeigen von Berufskrankheiten können vermieden werden, die Arbeitszufriedenheit im Betrieb steigt.

    Falls solche positiven Ergebnisse festgestellt werden und der ORGAcheck dies untermauert, kann eine Mindesteinsatzzeit aus unserer Sicht auch um bis zu 20 Prozent unterschritten werden.

    Diese Überprüfung der Arbeitsschutzorganisation ist jährlich zu wiederholen. Der Unternehmer hat die Möglichkeit, dies mit dem Betriebsrat, dem Betriebsarzt und der Sicherheitsfachkraft zu vereinbaren.

    Falls die Fachkräfte bzw. der Betriebsrat dem nicht zustimmen, ist eine Entscheidung der zuständigen Behörde bzw. des Unfallversicherungsträgers herbeizuführen.

    Betriebsärztliche Versorgung für Kleinst- und Kleinbetriebe

    Auf eine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag hat die Bundesregierung geantwortet, dass ca. 72 Prozent der Beschäftigten arbeitsmedizinisch betreut werden, aber nur 40 Prozent der Betriebe.

    Dies weist nach unserer Einschätzung darauf hin, dass es sich insbesondere um Klein- und Kleinstbetriebe handelt. Aus Sicht des VDBW bestehen die größten Defizite gerade in Kleinst- und Kleinbetrieben und dies vor allem in Flächenregionen. Daher ist die Forderung des VDBW, dass sich die Überarbeitung der Vorschrift 2 in besonderem Maße der Verbesserung der Versorgung von Kleinst- und Kleinbetrieben widmen muss.

    Lösungsansätze

    1. Branchenübergreifende regionale Zentren für Betriebe bis 20 Beschäftigte

    Ein Ansatz zur Verbesserung für die Versorgung von Kleinst- und Kleinbetrieben sind örtliche Zentren, die branchenübergreifend die Versorgung durch Sicherheitsfachkräfte und Betriebsärzte organisieren und sicherstellen. Träger dieser Zentren können die Unfallversicherungsträger, Industrie- und Handelskammern, Arbeitgeberverbände, Kreishandwerkerschaften, Innungen etc. sein.

    Im Bereich der Bauwirtschaft besteht bereits seit vielen Jahren ein solcher betriebsärztlicher Dienst, der mit einer Anschlussverpflichtung für alle Betriebe der Bauwirtschaft gekoppelt ist.

    Auch im Bereich der Berufsgenossenschaften Nahrungsmittel und Gastgewerbe gibt es ähnliche Strukturen. Unser Vorschlag ist es, branchenübergreifend alle Betriebe in einer Region zu erfassen.

    Inhaltliche Gestaltung der Zentren

    Der Vorschlag des VDBW geht dahin, dass diese Zentren für unterschiedlichste Beteiligungen offen sind. Wir schlagen vor, dass es unterschiedlichste Arbeitssituationen für Betriebsärzte und Sicherheitsfachkräfte geben kann: haupt- oder nebenberuflich, in Voll- oder Teilzeit, aus einem Angestelltenverhältnis heraus oder neben einer anderen freiberuflich ausgeübten ärztlichen Tätigkeit. Sowohl Betriebsarzt als auch Sifa können sich beim Träger melden. Die technischen und organisatorischen Voraussetzungen werden vom Träger geschaffen. Wichtiger Vorteil: Betriebsarzt und Sicherheitsfachkraft können sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren und werden von Verwaltungsaufgaben entlastet. Daher stehen sie in einem höheren Maße zur betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Versorgung zur Verfügung.

    Der VDBW ist gerne bereit, mit seinem Expertenwissen eine solche Entwicklung zu unterstützen.

    Honorargestaltung

    Die Träger dieser Zentren zahlen marktübliche Honorare bzw. Gehälter.

    Betreuungspflicht. Anschlussverpflichtung

    Um die Betreuung aller Betriebe sicherzustellen, müssen sich Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten bzw. Betriebe, die keine betriebsärztliche Betreuung haben, einem regionalen Zentrum anschließen. Sie können sich bei Nachweis einer gleichwertigen Betreuung befreien lassen. Dieser Nachweis muss jährlich erbracht werden.

    Keine virtuellen Zentren

    Wir lehnen virtuelle Zentren, die nur zur Vermittlung dienen, ab. Dies entspricht dem bisherigen Konzept von Callcentern. Die Zentren müssen in der Lage sein, konkret die sicherheitstechnische als auch arbeitsmedizinische Versorgung vor Ort übernehmen zu können. Diese Lösungsansätze sind für eine Verbesserung der Versorgung von zentraler Bedeutung. Die Anschlussverpflichtung ist dafür eine wichtige Voraussetzung.

    Die Erfahrungen aus dem Bereich der Bauwirtschaft zeigen, dass auch für Kleinstbetriebe eine betriebsärztliche und sicherheitstechnische Versorgung möglich ist.

    Im Bereich der Bauwirtschaft gibt es diese Anschlussverpflichtung und dies hat wesentlich zu einer Verbesserung der Arbeitssituation von vielen Beschäftigten beigetragen.

    2. Delegation und Telearbeitsmedizin

    Delegation

    Das Ausüben der Heilkunde im umfassenden Sinne ist dem Arzt vorbehalten. Hierzu bedarf es der Approbation als Arzt oder einer ärztlichen Berufserlaubnis. Der Arztvorbehalt gilt gemäß §4 ASiG grundsätzlich auch für alle betriebsärztlichen Leistungen nach §3 ASiG.

    Die Delegation von ärztlichen Aufgaben an andere Berufe ist im Rahmen des gültigen Berufsrechts möglich.

    „Persönliche Leistungserbringung bedeutet jedoch nicht, dass der Arzt jede Leistung höchstpersönlich erbringen muss. Sie erfordert vom Arzt aber immer, dass er bei Inanspruchnahme nichtärztlicher oder ärztlicher Mitarbeiter zur Erbringung eigener beruflicher Leistungen leitend und eigenverantwortlich tätig wird.“

    (www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/Empfehlungen_…)

    Zur Delegation hat der VDBW Leitsätze entwickelt. Eine Arbeitsmedizinische Empfehlung Delegation des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales steht kurz vor der Veröffentlichung. Sie sollte Eingang in die Überarbeitung der DGUV Vorschrift 2 finden.

    Telearbeitsmedizin

    Mit seinem 2018 aktualisierten Leitfaden zur Telearbeitsmedizin hat der VDBW Eckpunkte für telemedizinische Anwendungen in der Arbeitsmedizin gesetzt. Als betreuende Betriebsärzte müssen wir die Verantwortlichen des Betriebes, die Teilnehmer des Arbeitsschutzausschusses sowie die Arbeitsplätze persönlich kennen. Deshalb sehen wir bei der arbeitsmedizinischen Beratungstätigkeit sowohl der Unternehmer als auch der Beschäftigten keine generellen Hindernisse gegen eine Unterstützung durch Kommunikationsmedien. Die verstärkte Nutzung telemedizinischer Anwendungen hilft, Fahrzeiten zu vermindern.

    Dies kann gerade in der Fläche ein wesentlicher Vorteil sein.

    Initiativen des VDBW zur Verbesserung der betriebsärztlichen Versorgung

    Die qualitative Weiterentwicklung der Arbeitsmedizin ist ein Kernanliegen des VDBW. Dazu zählt, dass wir regelmäßig Fortbildungsangebote sowohl für Ärzte als auch für das Assistenzpersonal durchführen und immer auf dem aktuellsten Stand halten.

    Dazu gehört auch die regelmäßig erscheinende Publikation „Update Arbeitsmedizin“, die unseren Mitgliedern den aktuellen Stand der Regelungen aber auch der Wissenschaft zur Verfügung stellt. Damit erreichen wir die Kollegenschaft flächendeckend und nicht nur diejenigen, die an unseren Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen.

    Fortbildungszertifikat – sowohl für Betriebsärzte als auch für Assistenz­personal

    Zur Weiterentwicklung der Qualität sowohl beim Assistenzpersonal als auch bei den Betriebsärzten werden wir ein Fortbildungszertifikat auf freiwilliger Basis einführen in Analogie zu Regelungen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Ärztekammern.

    Auch hiermit wollen wir einen Beitrag zur Qualität in der Arbeitsmedizin in der Bundesrepublik Deutschland leisten.

    Zusammenfassung

    Die Qualität in der betriebsärztlichen Versorgung hat sich in den vergangenen Jahren positiv entwickelt. Dazu haben viele Anstrengungen beigetragen, insbesondere die Facharztqualifikation ist hier ein wichtiger Baustein. Darüber hinaus hat auch die Arbeit des Ausschusses für Arbeitsmedizin beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales dazu beigetragen, die Strukturen der betriebsärztlichen Versorgung weiterzuentwickeln und die Beratung in den Fokus zu rücken.

    Ende Juli 2019 sind beim VDBW mehr als 3300 aktive Mitglieder registriert, vor dem Inkrafttreten des ASiG im Jahre 1974 betrug die Mitgliederzahl 688. In den vergangenen acht Jahren konnten wir eine Steigerung der Mitgliederzahl um 15 Prozent erreichen. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass die Versorgung von Kleinst- und Kleinbetrieben noch nicht ausreichend erfüllt ist. Diesem Thema muss sich die Überarbeitung der Vorschrift 2 mit alternativen Lösungen stellen.

    Veranstaltungshinweis

    29./30. November 2019

    Arbeitsmedizin 2.19

    5. Arbeitsmedizinische Konferenz der BGW und des Forums Selbstständige des VDBW

    Automatisierung, Digitalisierung und Robotik wirbeln derzeit unser Verständnis von Arbeit gründlich
    durcheinander. Was bedeutet diese Entwicklung für Arbeitsmedizinerinnen und -mediziner? Schließlich entstehen mit neuen Aufgaben, Berufen und Tätigkeiten auch neue Belastungen – und somit neue Herausforderungen für die Arbeitsmedizin. Auf der diesjährigen Konferenz der BGW und des Forums Selbstständige des VDBW bildet daher die „Arbeitsmedizin 4.0“ einen Themenschwerpunkt.

    Als weitere Themen stehen rechtliche Entwicklungen, aktuelle Forschungsergebnisse und Tipps für
    die Beratung von Betrieben, die Vertragsgestaltung sowie die Gründung einer eigenen Praxis auf dem Programm. Speziell für die Prävention und Rehabilitation bei Muskel-Skelett-Erkrankungen stellt die BGW ihr Angebot „BGW Rückkolleg“ vor.

    Für Assistenzpersonal findet zeitgleich ein Seminar über Aspekte der „Ergonomie im Allgemeinen
    und speziell am Arbeitsplatz“ statt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwerben dort sowohl ergo­nomisches Basiswissen als auch Kenntnisse über arbeitsplatzspezifische Faktoren.

    Veranstaltungsort: DGUV Tagungszentrum, Haus 2, Königsbrücker Landstraße 2b, 01109 Dresden

    Weiterführende Informationen unter www.vdbw.de/Fortbildung

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