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Arbeitmedizinische Leitlinie “Biomonitoring“

S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) - Die in dieser Leitlinie vorgeschlagenen diagnostischen Maßnahmen sind medizinisch notwendig und entsprechen dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft.

Zielsetzung

Das Biomonitoring ist im Rahmen der arbeitsmedizinischen Sekundär-prävention eine Maßnahme der ärztlichen Diagnostik zur Ermittlung der individuellen Belastung oder Beanspruchung nach einer Exposi-tion gegenüber Gefahrstoffen.

Diese Leitlinie soll den Arbeitsmediziner und Betriebsarzt als Anleitung zur qualifizierten Anwendung des Biomonitorings sowie für die Beurteilung von Biomonitoringergebnissen dienen.

Grundlagen

Unter Biomonitoring versteht man in der Arbeitsmedizin die Untersuchung biologischen Materials von Beschäftigten zur quantitativen Bestimmung von Gefahrstoffen, deren Metaboliten oder von biochemischen bzw. biologischen Parametern. Dabei ist es das Ziel, die Belastung der Beschäftigten oder spezifische biologische Effekte zu erfassen, die erhaltenen Analysenwerte mit biologischen Beurteilungswerten zu vergleichen und ggf. geeignete Maßnahmen (Verbesserung der technischen, organisatorischen und persönlichen Prävention) vorzuschlagen, um die Belastung und die Gesundheitsgefährdung zu reduzieren. Für viele Gefahrstoffe ist die individuell aufgenommene Belastung nur mittels Biomonitoring quantifizierbar und damit bewertbar.

Das Biomonitoring umfasst:

  • Messung der Konzentration von Fremdstoffen oder deren Metaboliten in biologischem Material (Belastungsmonitoring).
  • Eine besondere Form des Belastungsmonitoring besteht in der Messung von Parametern, die die Reaktion der Fremdstoffe mit körpereigenen Makromolekülen, wie z. B. Hämoglobin und DNA, anzeigen (Addukt-Monitoring).
  • Messung von biologischen Parametern, die auf Belastung durch Fremdstoffe „reagieren“ oder deren Wirkung anzeigen (Effektmonitoring).

Aktuell werden Biomonitoringuntersuchungen zur quantitativen Bestimmung der Gefahrstoffbelastung im arbeitsmedizinischen Kontext ausschließlich in Blut und Urin durchgeführt. Weitere humanbiologische Materialien, z. B. Haare, Zähne, Finger- und Fußnägel oder Speichel, gelten für diese Aufgabe als nicht geeignet (Triebig et al. 2012).

Das Biomonitoring ist ein arbeitsmedizinisches Diagnoseinstrument und unterliegt als Ausübung der ärztlichen Heilkunde den Bestimmungen des ärztlichen Berufsrechts. Arbeitgeber oder Fachkräfte für Arbeitssicherheit dürfen in diesem Zusammenhang kein Biomonitoring durchführen. Für die Durchführung eines Biomonitorings bedarf es stets des Einverständnisses der betroffenen Person (Art. 2 GG, Satz 2).

Der rechtlich verbindliche Rahmen für das biologische Monitoring ist durch die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) gegeben. Biomonitoring muss demnach von einem Arbeitsmediziner bzw. einem Betriebsarzt durchgeführt werden (§ 7 Abs. 1 Satz 2 ArbMedVV). Vor der Durchführung eines Biomonitorings muss sich der Arzt die notwendigen Kenntnisse über die Arbeitsplatzverhältnisse verschaffen; außerdem muss er die beteiligten Personen über Inhalt und Zweck der Untersuchung aufklären (§ 6 Abs. 1 Satz 2 ArbMedVV). Gemäß § 6 Abs. 2 ArbMedVV ist Biomonitoring „Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen, soweit dafür anerkannte Analysenverfahren und Werte zur Beurteilung zur Verfügung stehen“.

Darüber hinaus sollte Biomonitoring immer bei Tätigkeiten in Betracht gezogen werden,

  • bei denen unmittelbarer Hautkontakt mit Gefahrstoffen besteht, die gut oder überwiegend über die Haut aufgenommen werden (z. B. in der MAK- und BAT-Werte-Liste mit „H“ bezeichnete Stoffe),
  • bei denen der orale Aufnahmeweg von Gefahrstoffen von Bedeutung sein kann,
  • bei denen eine Exposition gegenüber Gefahrstoffen mit langen biologischen Halbwertzeiten vorliegt,
  • bei Exposition gegenüber krebserzeugenden oder erbgutverändernden Stoffen,
  • bei Exposition gegenüber fortpflanzungsgefährdenden Stoffen,
  • bei denen die Gefahrstoffe luftmesstechnisch schwer erfassbar sind (Reparaturarbeiten, Stördienste, Arbeiten im Freien, stark schwankende Raumluftkonzentrationen),
  • bei denen die innere Gefahrstoffbelastung durch körperliche Arbeit modifiziert sein kann oder
  • die im Rahmen alternativer Arbeitszeitmodelle ausgeführt werden (> 8 Stunden/Tag; > 5 Tage/Woche).

Biomonitoring ist auch sinnvoll nach unfallartigen Expositionen, insbesondere wenn repräsentative Luftmessungen nicht vorliegen.

Biomonitoring ist auch dann durchzuführen, wenn der Beschäf-tigte dies wünscht und geeignete Parameter und Methoden zur Verfügung stehen, es sei denn, aufgrund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der getroffenen Schutzmaßnahmen ist nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen (vgl. § 11 ArbSchG).

Darüber hinaus kann mit Hilfe des Biomonitorings die Wirksam-keit der technischen und persönlichen Schutzmaßnahmen beurteilt werden. Die Resultate des Biomonitorings können in anonymisierter Form gemäß § 6 GefStoffV zur Gefährdungsbeurteilung herangezogen werden.

Weitere wichtige Voraussetzungen für ein zuverlässiges Biomonitoring sind:

  • die Gewinnung eines geeigneten biologischen Untersuchungsmaterials,
  • dass spezifische und sensitive Biomonitoringparameter verfügbar sind,
  • dass die gewählten Biomonitoringparameter die systemische Belastung mit einem Gefahrstoff anzeigen,
  • dass die Gefahrstoff- bzw. Metabolitenkonzentration im untersuchten Material ein repräsentatives Maß für die Gesamtbelastung des Organismus oder eines Zielgewebes der toxischen Wirkung des Gefahrstoffs ist,
  • dass die analytischen Methoden qualitätsgesichert gemäß allgemein anerkannter Vorgaben ausgeführt werden (z. B. Richtlinien der Bundesärztekammer).

Methoden

Probenahmezeitpunkt

Aufgrund der unterschiedlichen biologischen Halbwertszeit von Gefahrstoffen bzw. deren Metaboliten ist der Probenahmezeitpunkt von großer Bedeutung für die Gewinnung verwertbaren Probenmaterials sowie für die Interpretation der Analysenergebnisse.

Der Zeitpunkt der Probenahme ist den diesbezüglichen Angaben zu den jeweiligen Untersuchungsparametern in den Listen der Beurteilungswerte im biologischen Material (z. B. MAK- und BAT-Werte-Liste der Ständigen Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe oder Technische Regel für Gefahrstoffe „Biologische Grenzwerte“ (TRGS 903)) zu entnehmen. Liegen entsprechende Hinweise nicht vor, ist die Probenahme zu einem Zeitpunkt durchzuführen, bei dem sich die innere Belastung des Probanden im Gleichgewichtszustand mit der äußeren Belastung befindet. Dies ist im Regelfall nach Expositions- bzw. Schichtende gegeben. Mit der Einstellung eines Gleichgewichtszustands ist nicht zu rechnen, wenn Tätigkeiten nur kurzzeitig (Reparaturarbeiten, Stördienste etc.) durchgeführt werden. In solchen Fällen ist die Probenahme am Ende der betreffenden Tätigkeiten vorzunehmen. Bei Biomonitoringparametern und Expositionssituationen, bei denen eine Akkumulation der inneren Belastung eintreten kann, ist die Probenahme möglichst nach mehreren vorangegangenen Arbeitstagen durchzuführen.

Probengewinnung, Transport und Lagerung

Die sachgerechte Ausführung von Probengewinnung, Transport und Lagerung (präanalytische Phase) sind von entscheidender Bedeutung für die Richtigkeit der Analyse und damit für deren Aussagekraft.

Der erste Schritt eines zuverlässigen Biomonitorings besteht in einer kontaminations- und verlustfreien Probengewinnung, die dem ärztlichen Aufgabenbereich zuzuordnen ist. Detaillierte Hinweise finden sich u. a. in den Verfahrensvorschriften für die analytische Bestimmung der jeweiligen Biomonitoringparameter der Arbeitsgruppe „Analysen in biologischem Material“ der Ständigen Senatskommission der DFG zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe (DFG 1976–2013). Es ist zu empfehlen, den von den Analysenlaboratorien im Allgemeinen angebotenen Service in Anspruch zu nehmen und Informationen zur Probengewinnung, Entnahmebestecke und ggf. spezifische Probengefäße anzufordern. Für den Versand der biologischen Proben gelten die Richtlinien für potenziell infektiöses humanbiologisches Material, d. h., es muss für einen bruchsicheren Transport der Gefäße gesorgt werden (DIN EN 829). Die Proben müssen eindeutig gekennzeichnet sein (Name des Probanden oder eindeutig zuzuordnende Kennzeichnung, ggf. Geschlecht, Geburtsdatum, die Art des biologischen Materials, Probenahmezeitpunkt). Grundsätzlich gilt, dass die Lagerung und der Transport des biologischen Materials so durchzuführen ist, dass Störfaktoren, die das Analysenergebnis verändern könnten, auf ein Minimum reduziert werden.

Die Blut- und Urinproben sollten möglichst unmittelbar nach der Probenahme versandt werden. Ist dies nicht realisierbar, so kann die Lagerung für maximal 5 Tage im Kühlschrank bei 4 °C erfolgen. Eine längere Lagerung ist tiefgefroren (– 20 ºC) möglich. Die Plasma- bzw. Erythrozytengewinnung muss vor dem Tieffrieren erfolgen.

Für Analysen von Parametern in Blut oder Blutkompartimenten (Plasma, Erythrozyten) gilt grundsätzlich:

  • Probengewinnung durch Venenpunktion,
  • Reinigung der Punktionsstelle mit einem lösemittelfreien Desinfektionsmittel,
  • Abnahme in Probengefäße mit Antikoagulanszusatz, wie EDTA (z. B. EDTA-Monovetten® oder Vacutainer®),
  • Plasma- und Erythrozytengewinnung (Zentrifugation und Waschvorgänge) muss innerhalb weniger Stunden nach Blutabnahme erfolgen,
  • besondere Probengefäße für leichtflüchtige organische Substanzen (z. B. Toluol, Xylol, Dichlormethan, Tetrachlorethen),
  • Lagerung meist bei 4 °C im Kühlschrank für mehrere Stunden bis maximal 5 Tage möglich,
  • möglichst rascher Transport in das analytische Labor.

Für Analysen von Parametern in Urin gilt grundsätzlich:

  • Probengewinnung (i. d. R. Spontanurin) nach Ablegen der Arbeitskleidung und Händewaschen,
  • Sammlung direkt in Urinbecher (50–100 ml Weithalsgefäße); ggf. sind speziell gereinigte und geschlossen gelagerte Urinbecher zur Vermeidung von Vor-Kontaminationen zu verwenden (z. B. für Aluminium),
  • ggf. Umfüllung eines Aliquotes in Urin-Monovetten®,
  • besondere Probengefäße für leichtflüchtige organische Substanzen (z. B. Aceton, Methanol; s. unten),
  • Lagerung meist bei 4 °C im Kühlschrank bis zu maximal 5 Tagen möglich0
  • möglichst rascher Transport in das analytische Labor.

Besondere Anforderungen stellt die Analyse von flüchtigen organischen Verbindungen (z. B. Lösungsmittel-Screening) in Blut und Urin mittels der sog. „Headspace-Technik“. In diesem Fall kann die Verfälschung des Analysenergebnisses durch Kontamination oder Verflüchtigung (z. B. durch undichte Transportgefäße) besonders gravierend sein, so dass speziell vorbehandelte und gasdicht verschlossene Glasgefäße (Stechampullen mit teflonkaschiertem Septum, sog. „Bördelgläser“) zu verwenden sind. Zur Bestimmung leichtflüchtiger organischer Substanzen wird ein vom Laboratorium vorgeschriebenes Volumen einer frischen Blut- oder Urinprobe mit einer Einmalspritze in eine Stechampulle (Ampullengläschen) überführt. Die Stechampullen dienen als Lager- und Transportgefäße und werden vom Labor zur Verfügung gestellt.

Analytische Bestimmung

Die analytische Bestimmung des Biomonitoringparameters kann i. d. R. nicht vom Betriebsarzt oder Arbeitsmediziner selbst durchgeführt werden, sondern muss bei einem entsprechenden Analysenlaboratorium in Auftrag gegeben werden. Bei der Auswahl des analytischen Laboratoriums ist darauf Wert zu legen, dass das Laboratorium

  • über die fachliche Kompetenz bezüglich der Anwendung des Bio-monitorings auf arbeitsmedizinische Fragestellungen verfügt,
  • eine fachgemäße Beratung und Unterstützung bei Probenahme, Probentransport und Probenlagerung anbietet,
  • zuverlässige analytische Methoden einsetzt, die dem Stand der Technik entsprechen, sowie
  • eine regelmäßige Qualitätssicherung praktiziert.

Die ArbMedVV weist im Zusammenhang mit dem Biomonitoring auf die Verfügbarkeit anerkannter Analysenverfahren, also Verfahren, deren hinreichende Qualität und Zuverlässigkeit durch Fachgremien bestätigt wurde, hin.

Die Zuverlässigkeit einer analytischen Methode wird insbesondere durch die folgenden Merkmale beschrieben:

  • Spezifität,
  • Sensitivität,
  • Präzision,
  • Richtigkeit.

Die Spezifität eines Verfahrens gibt an, inwieweit das Analysenverfahren in der Lage ist, den Biomonitoringparameter neben anderen Begleit- und Störkomponenten selektiv zu erfassen. Dabei spielt es eine Rolle, ob ein und welches Verfahren zur Abtrennung des Biomonitoringparameters von der biologischen Matrix verwendet wird, wie der Biomonitoringparameter von den Begleitstoffen separiert wird und wie spezifisch die Detektionstechnik auf die Erfassung des Parameters fokussiert ist. Hinsichtlich der Sensitivität kommt es darauf an, dass das Analysenverfahren die Nachweisstärke besitzt, um den Biomonitoringparameter im toxikologisch relevanten bzw. im beurteilungsrelevanten Konzentrationsbereich zu erfassen. In der Regel bedeutet das, dass zumindest Konzentrationen des Parameters in Höhe des Beurteilungswertes (s. unten) zuverlässig quantifiziert werden können. Mit der Präzision wird angegeben, mit welcher Schwankungsbreite ein Messwert in derselben Probe reproduziert werden kann. Diese Angabe ist unter anderem von Bedeutung, um zu beurteilen, ob ein Messwert tatsächlich eine Überschreitung oder Einhaltung eines Beurteilungswerts angibt oder ob der gemessene Unterschied innerhalb der analytischen Unsicherheit liegt. Von elementarer Bedeutung für die Einsatzfähigkeit eines Analysenverfahrens ist seine Fähigkeit, die Quantität eines Biomonitoringparameters richtig zu bestimmen. Unter der Prämisse, dass die Herleitung der Beurteilungswerte ebenfalls auf Messwerten hoher Richtigkeit beruht, können nur Messergebnisse, die mit einem Verfahren gewonnen werden, deren Richtigkeit belegt ist, mit den Beurteilungswerten verglichen werden.

Methoden, deren Zuverlässigkeit entsprechend diesen Kriterien geprüft wurde, finden sich z. B. in der Methodensammlung der Stän-digen Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeits-stoffe (DFG 1976–2013). Seit Anfang 2012 kann auf alle Veröffentlichungen der Kommission sowohl in Deutsch als auch in Englisch über die Webseite der sog. „MAK Collection for Occupational Health and Safety“ beim Verlag WILEY-VCH kostenlos zugegriffen werden.

Qualitätssicherung

Der Betriebsarzt, der arbeitsmedizinisch-toxikologische Untersuchungen in Auftrag gibt und die Laborergebnisse in seine arbeitsmedizinische Bewertung einbezieht, sollte sich bewusst sein, dass er damit gleichzeitig die Verantwortung für die Richtigkeit der Analysenergebnisse übernimmt. Der Einsatz eines Analysenverfahrens, das die Voraussetzungen für eine zuverlässige Bestimmung des Biomonitoringparameters erfüllt, gewährleistet noch nicht, dass der Anwender dieses Verfahrens auch tatsächliche richtige Analysenergebnisse produziert. In diesem Zusammenhang hat der Betriebsarzt sicherzustellen, dass das von ihm in Anspruch genommene Laboratorium eine Qualitätssicherung nach den jeweiligen Richtlinien der Bundesärztekammer durchführt. Diese Richtlinien sehen eine laborinterne und eine laborexterne Qualitätssicherung für labormedizinische Untersuchungen vor. Im Rahmen dieser Qualitätssicherung werden die Richtigkeit und die Präzision von Laborergebnissen kontrolliert.

Jedes Laboratorium muss auf Nachfrage des Betriebsarztes bzw. des betreuenden Arbeitsmediziners in der Lage sein, die von ihm angewandten Verfahren und Qualitätssicherungsmaßnahmen transparent und nachvollziehbar darzulegen. Der Betriebsarzt muss die Gesamtheit aller Maßnahmen abschließend beurteilen. Ein besonderer Stellenwert kommt dabei der externen Qualitätssicherung zu. Eine externe Qualitätssicherung erfolgt entsprechend den Richtlinien der Bundesärztekammer durch die Anwendung des Verfahrens in Ringversuchen für Biomonitoringlaboratorien. Solche Ringversuche werden im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. zweimal jährlich durchgeführt. Für die erfolgreiche Teilnahme an diesen Ringversuchen erhalten die Teilnehmer ein Zertifikat mit einer Gültigkeit von einem Jahr, aus dem hervorgeht, mit welchen Untersuchungsparametern das betreffende Laboratorium erfolgreich am Ringversuch teilgenommen hat. Darüber hinaus ist eine Rückführbarkeit auf internationale Normgrößen durch die Anwendung des Verfahrens auf geeignete zertifizierte Kontrollmaterialien, d. h. Materialien, die die Biomonitoringparameter in humanbiologischem oder adäquatem Material enthalten und deren Gehalte durch externe Stellen zertifiziert wurden, möglich.

Bewertung der Ergebnisse

Die Ergebnisse des Biomonitorings werden erst durch die arbeitsmedizinisch-toxikologische Beurteilung zum Befund. Bei dieser Beurteilung sind vor allem folgende Einflussgrößen zu beachten:

  • die Arbeitsbedingungen (z. B. intensive körperliche Tätigkeiten, dermale Gefahrstoffaufnahme),
  • die Stoffcharakteristika (z. B. Toxikokinetik des Gefahrstoffs),
  • konkurrierende Noxen und individuelle Besonderheiten (z. B. Medikamente, Alkoholaufnahme, Tabakrauchen).

In Einzelfällen sind Hintergrundbelastungen aus nicht arbeitsplatzbedingten Expositionen, z. B. Expositionen über die Nahrung oder ausgewählte Lebensstilfaktoren, zu berücksichtigen.

Eine kompetente Bewertung von Biomonitoringergebnissen setzt neben entsprechenden Sachkunde die Kenntnis der Arbeitsplatz-verhältnisse sowie medizinisch relevanter Einflussgrößen voraus. Die Interpretation einzelner Biomonitoringmesswerte ist nur im Rah-men einer individuellen ärztlichen Beratung vorzunehmen.

Grundsätzlich lassen sich die Werte, die zur Beurteilung von Biomonitoringergebnissen bereitgestellt werden, in drei Klassen unterteilen:

  • gesundheitsbasierte Grenzwerte,
  • risikobasierte Werte,
  • deskriptive Werte.

Gesundheitsbasierte Grenzwerte stehen in Bezug zu den Schwellen-konzentrationen bzw. -dosiswerten der jeweiligen adversen Effekte (No Observed Adverse Effect Level [NOAEL], Lowest Observed Ad-verse Effect Level [LOAEL]). Die Vorgehensweise zur Ableitung dieser Werte wird bei Drexler und Göen (2012) näher erläutert. Wissenschaftliche Gremien, die gesundheitsbasierte Werte für Biomonitoringergebnisse evaluieren, sind in Deutschland die DFG-Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe (DFG 2012), auf europäischer Ebene das Scientific Committee on Occupational Exposure Limits (SCOEL) sowie die American Conference of Governmental Industrial Hygienists (ACGIH). Es handelt sich um:

  • Biologische Arbeitsstoff-Toleranzwerte (BAT)
  • Biologische Leitwerte (BLW),
  • Biological Limit Values (BLV) und
  • Biological Exposure Limits (BEI).

Der BAT-Wert beschreibt die arbeitsmedizinisch-toxikologisch abgeleitete Konzentration eines Arbeitsstoffes, seiner Metaboliten oder eines Beanspruchungsindikators im entsprechenden biologischen Material, bei dem im Allgemeinen die Gesundheit eines Beschäftigten auch bei wiederholter und langfristiger Exposition nicht beeinträchtigt wird. BAT-Werte beruhen auf einer Beziehung zwischen der äußeren und inneren Exposition oder zwischen der inneren Exposition und der dadurch verursachten Wirkung des Arbeitsstoffes. Dabei orientiert sich die Ableitung des BAT-Werts an den mittleren inneren Expositionen.

Für einige Arbeitsstoffe lassen sich zur Zeit keine BAT-Werte begründen, weil entweder nicht genügend toxikologische Daten vorliegen oder weil es sich um gentoxisch wirksame Kanzerogene handelt. Bei Exposition gegenüber kanzerogenen Arbeitsstoffen können aber auch andere toxische Effekte, wie z. B. die Neurotoxi-zität bei Expositionen gegenüber Arsen und die Nephrotoxizität gegenüber Cadmium, von Bedeutung sein. Für solche Stoffe werden Biologische Leitwerte (BLW) festgelegt. Bei Einhaltung von BLW soll ein hinreichender Schutz gegenüber diesen Effekten bestehen, ohne dass damit jedes Gesundheitsrisiko durch die Gefahrstoffbelastung (z. B. kanzerogene Effekte) ausgeschlossen werden kann. Der BLW ist die Quantität eines Arbeitsstoffes bzw. eines Arbeitsstoffmetaboliten oder die dadurch ausgelöste Abweichung eines biologischen Indikators von der Norm beim Menschen, die als Anhalt für die betreffende Schutzmaßnahme heranzuziehen ist.

Die aktuell gültigen BAT und BLW werden jedes Jahr in der MAK- und BAT-Werte-Liste der Ständigen Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe (DFG 2012) veröffentlicht. Darüber hinaus erstellt und publiziert die Kommission Dokumentationen, in denen die Grundlagen und die Herleitung der Werte beschreiben werden (s. oben).

Für die Ableitung der BLV und BEI gelten die gleichen Prämis-sen wie für die Ableitung der BAT. Auch hier werden von den jewei-ligen Kommissionen (SCOEL, ACGIH) Dokumentationen über die Herleitung der Werte veröffentlicht.

Zusätzlich zu den Werten der wissenschaftlichen Kommissionen werden vom Gesetzgeber die Biologischen Grenzwerte (BGW) festgesetzt und als Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 903 veröffentlicht. Bei den BGW handelt es sich gemäß § 2 GefStoffVV ebenfalls um gesundheitsbasierte Werte. Der Gesetzgeber orientiert sich bei der Festsetzung dieser Werte in der Regel an den oben genannten, von den wissenschaftlichen Arbeitsgruppen ermittelten Werten. Weiterhin wurde vom Europarat bisher auch ein EU-weit gesetzlich gültiger Grenzwert (BBLV) für die Bleikonzentration in Blut aufgestellt.

Risikobezogene Werte werden zur Begrenzung von Effekten auf-gestellt, für die wie im Falle der gentoxisch wirksamen Kanzerogene keine Schwellenkonzentration bzw. -dosis angegeben werden kann. Für diese Effekte lassen sich in der Regel jedoch stochastische Beziehungen zwischen der Expositionshöhe und dem Krebsrisiko aufstellen. Unter der Voraussetzung, dass gesellschaftspolitisch akzeptierte bzw. tolerierte Zusatzrisiken definiert werden, können aus diesen Zusammenhängen Expositionswerte abgeleitet werden, die zu den definierten Lebenszeitkrebsrisikoerhöhungen führen. In Deutschland wurde ein derartiges Konzept zur Festlegung so genannter Akzeptanz- und Toleranzrisikowerte sowie Exposition-Risiko-Beziehungen (ERB) vom Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) aufgestellt und in der Bekanntmachung 910 veröffentlicht. Diese Bekanntmachung enthält auch eine Liste der bisher erarbeiteten ERB und wird fortlaufend aktualisiert. Auf der Basis der Exposi-tionsäquivalente für krebserzeugende Arbeitsstoffe (EKA), die von der Ständigen Senatskommission der DFG zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe für die Beziehung zwischen äußerer und innerer Belastung aufgestellt werden (DFG 2012), können dann aus den Akzeptanz- und Toleranzwerten die dazugehörigen Konzentrationen der Biomonitoringparameter abgeleitet werden.

Deskriptive Werte werden entweder einer Häufigkeitsverteilung oder einer Korrelation entnommen. Das Konzept der Häufigkeits-verteilung wird angewendet, um den Normwertbereich eines Biomonitoringparameters zu beschreiben. Da die Biomonitoringpara-meter in der Arbeitsmedizin eingesetzt werden, um zusätzliche Belastungen der Beschäftigten durch Arbeitsstoffe zu beschreiben, wird hier eine einseitige Grenzbetrachtung durchgeführt, in dem in der Regel das 95. Perzentil der Häufigkeitsverteilung eines Biomonitoring-parameters in einer Bevölkerungspopulation ohne berufliche Belastung gegenüber dem betrachteten Arbeitsstoff als Beurteilungswert festgelegt wird. Dieser Wert wird „Referenzwert“ genannt. Derartige Werte werden von der Senatskommission der DFG unter dem Begriff „Biologischer Arbeitsstoff-Referenzwert“ (BAR) speziell für arbeits-medizinische Belange evaluiert und veröffentlicht (DFG 2012). Seit kurzem werden auch vom SCOEL Beurteilungswerte in biologischem Material aufgestellt, die sich an der Hintergrundbelastung beruflich nicht belasteter Personen orientieren. Diese Werte werden vom SCOEL als Biological Guidance Values (BGV) bezeichnet (SCOEL 2010). Weitere Referenzwerte werden von der Kommission Humanbiomonitoring des Umweltbundesamtes für umweltmedizinische Fragestellungen evaluiert (RV95; HBM-UBA). Auch diese Referenzwerte können ggf. unter Beachtung der jeweiligen Gültigkeitsbereiche für arbeitsmedizinische Fragestellungen verwendet werden.

In den  Tabellen 1 und 2 sind die Biomonitoringparameter aufgeführt, für die Beurteilungswerte von der Senatskommission oder BGW zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Leitlinie zur Verfügung stehen. Aktuelle Angaben sind der jährlich aktualisierten MAK- und BAT-Werte Liste sowie der aktuellen TRGS 903 zu entnehmen. Die Web-Links zu den aktuellen Veröffentlichungen sind dem Literaturverzeichnis zu entnehmen.

Sind keine der oben genannten Beurteilungswerte vorhanden, so kann eine Bewertung durch den Vergleich mit beruflich nicht exponierten Kontrollen (möglichst mit vergleichbarer Zusammensetzung bzgl. Alter, Geschlecht und ggf. Rauchverhalten) erfolgen.

Eine einzelne Messung eines Untersuchungsparameters bei einem Exponierten lässt nicht immer eine sichere Bewertung zu, ob die oben genannten Beurteilungswerte eingehalten sind oder nicht. Deshalb ist es in der Regel notwendig, aus mehreren Untersuchungen des exponierten Beschäftigten einen Mittelwert abzuleiten, anhand dessen entschieden werden kann, ob der Beurteilungswert eingehalten ist oder nicht. Wie dieser Mittelwert zu ermitteln ist, hängt von mehreren Faktoren ab, z. B. von der Höhe und Streuung der Einzelmesswerte, der Art der Exposition (regelmäßig, stochastisch), der Pharmakokinetik und Pharmakodynamik des Gefahrstoffes. Dieser Sachverhalt impliziert damit eine regelmäßige Durchführung von Biomonitoringuntersuchungen. Aus einer einmaligen Überschreitung eines gesundheitsbasierten Beurteilungswertes (gesundheitsbasierte Grenzwerte sowie risikobasierte Werte) kann nicht notwendigerweise eine gesundheitliche Beeinträchtigung abgeleitet werden. Dies gilt nicht für akut toxische Effekte (z. B. bei Expositionen gegenüber Kohlenmonoxid, Vitamin-K-Antagonisten, Met-Hb-Hemmer, Hemmern der Acetylcholinesterase), die zu keinem Zeitpunkt toleriert werden dürfen (DFG 2012).

Für die Kommunikation und praktische Konsequenzen der Ergebnisse des Biomonitorings gelten folgende Empfehlungen:

  • Der Betriebsarzt bespricht das Ergebnis seiner Beurteilung des Biomonitorings mit dem betroffenen Beschäftigten.
  • Die Ergebnisse des Biomonitorings im Rahmen von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen sind in der ärztlichen Beurteilung zu berücksichtigen.
  • Die Ergebnisse des Biomonitorings werden unter Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht in die Gefährdungsbeurteilung einbezogen.
  • Überschreitungen von gesundheitsbezogenen Grenzwerten und risikobezogenen Werten müssen zielgerichtete präventive Maßnahmen nach sich ziehen.
  • Darüber hinaus sollte auch bei Unterschreitung der gesundheitsbezogenen Grenzwerte und risikobezogenen Werte gemäß dem Minimierungsprinzip eine Vermeidung bzw. weitere Reduktion der Belastung angestrebt werden.

Literatur

ACGIH – American Conference of Governmental Industrial Hygienists: 2013 TLVs and BEIs, Based on the Documentation of the Threshold Limit Values for Chemical Substances and Physical Agents & Biological Exposure Indices. Cincinnati: ACGIH, 2013.

AGS – Ausschuss für Gefahrstoffe: Bekanntmachung 910: Risikowerte und Ex-position-Risiko-Beziehungen für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Arbeitsstoffen. Ausgabe 6/2008, zuletzt geändert GMBI 2012 S. 717 [Nr. 40] (http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/TRGS/Bekanntmachung-910.html).

ArbMedVV – Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge vom 18. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2768), die zuletzt durch Artikel 5 Absatz 8 der Verordnung vom 26. November 2010 (BGBl. I S. 1643) geändert worden ist.

ArbSchG – Arbeitsschutzgesetz vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1246), das zuletzt durch Artikel 15 Absatz 89 des Gesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) geändert worden ist.

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA): Auskunftssystem Biomonitoring (Link zum Auskunftssystem der BAUA: http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/Biomonitoring/Auskunftsystem.html).

Bundesminister für Arbeit und Soziales(BMA): Biologische Grenzwerte (BGW). TRGS 903, Ausgabe Februar 2013, GMBl 2013 S. 364 [Nr. 17] (Link zur aktuellen TRGS 903: http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/TRGS/TRGS-903.html).

Bundesärztekammer (BÄK): Qualitätssicherung der quantitativen Bestimmungen im Laboratorium – neue Richtlinien der Bundesärztekammer. Dtsch Ärztebl 1988; 85: C 449.

Bundesärztekammer (BÄK): Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen. Dtsch Ärztebl 2008; 105: A 341.

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Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): Biologische Arbeitsstoff-Toleranz-Werte (BAT-Werte), Expositionsäquivalente für krebserzeugende Arbeitsstoffe (EKA), Biologische Leitwerte (BLW) und Biologische Arbeitsstoff-Referenzwerte (BAR) – Arbeitsmedizinisch-toxikologische Begründungen (Hrsg.: Drexler H, Hartwig A). Weinheim: Wiley-VCH, 1983–2012 (Link zur MAK-Collection: http://onlinelibrary.wiley.com/book/10.1002/3527600418).

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Kommission Humanbiomonitoring des Umweltbundesamtes (HBM-UBA): Konzept der Referenz- und Human-Biomonitoring-Werte (HBM) in der Umwelt-medizin. Bundesgesundhbl 1996; 6: 221–224 (Link zu den aktuellen Referenz-werten der Kommission Human-Biomonitoring: https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/kommissionen-arbeitsgruppen/kommission-human-biomonitoring/beurteilungswerte-der-hbm-kommission).

SCOEL – Scientific Committee on Occupational Exposure Limits: Methodology for the deviation of occupational exposure limits. Key documentation (version 6). European Commissioner for Employment, Social Affairs and Inclusions, Brussels, 2010 (Link zur Key documentation: http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=148&langId=en&internal_pagesId=684&moreDocuments=yes&tableName=INTERNAL_PAGES).

Triebig G, Drexler H, Letzel S, Nowak D: Biomonitoring in Arbeitsmedizin und Umweltmedizin – Orientierungshilfe für Betrieb, Praxis und Klinik. Landsberg: ecomed Medizin, 2012.

Erarbeitet von:

K.H. Schaller, T. Göen, J. Angerer, R. Paur, W. Will, G. Leng, H. Käfferlein.

Verabschiedet vom Vorstand der DGAUM: Januar 2007

Überarbeitet von:

T. Göen, M. Bader, G. Leng, R. Paul.

Verabschiedet vom Vorstand der DGAUM: April 2013