Vaccination status of young employees: A survey of entrants in the Bundeswehr (German Federal Armed Forces)
Objectives: In addition to the recommendations of the Standing Committee on Vaccination (STIKO) at the Robert-Koch-Institut, there are also job-related vaccination recommendations for special occupational groups. This applies equally to soldiers, but there is insufficient scientific data on vaccination rates. For this reason, the following study examined the extent of the vaccination gaps among young people entering the armed forces.
Methods: As part of a cross-sectional study at Rotenburg (Wümme), Lower Saxony, the existing vaccination rates among soldiers in relation to tetanus, diphtheria, poliomyelitis, pertussis, measles, mumps, rubella, hepatitis A, hepatitis B and tick-borne encephalitis (TBE) were recorded and compared statistically between the three recruitment quarters (II/ to IV/2016).
Results: The vaccination booklets of 247 recruits (age: 20.5 ± 2.7 years) from three quarters were recorded. The rate of unavailable vaccination booklets was 23.1 %. The vaccination rates were between 2 % for TBE and 75 % for measles. Whilst low vaccination protection rates were identified for TBE and hepatitis A/B in particular, the rates were also found to be as low as 44–60 % for the „typical“ tetanus, poliomyelitis and diphtheria vaccinations. There were high numbers of „expired“ full protection: these ranged from 19 % (diphtheria) to 50 % (hepatitis B).
Conclusions: The results of the study indicate a clear lack of vaccination protection in a random sample of German citizens with an average age of 20 who started their service in the Bundeswehr as young professionals. Although, as expected, this was very low for vaccinations that are not standard STIKO vaccinations (hepatitis A, TBE), there were also significant vaccine deficiencies in the vaccinations recommended by STIKO in the young adults examined here.
Keywords: military – vaccination – prevention – infection disease
ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2019; 55: 770–775
Impfstatus von jungen Arbeitnehmern – Eine Erhebung bei Berufsanfängern der Bundeswehr
Zielstellung: Neben den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim RKI für die Gesamtbevölkerung werden auch für spezielle Berufsgruppen berufsbezogene Impfempfehlungen gegeben. Dies gilt gleichermaßen für Soldaten/innen, jedoch ist die wissenschaftliche Datenlage zu den erfolgten Impfraten hierzu nicht ausreichend. Aus diesem Grund wurde in der folgenden Studie der Frage nachgegangen, wie ausgeprägt die Impflücken bei jungen Berufsanfängern/innen der Bundeswehr sind.
Methoden: Im Rahmen einer Querschnittsstudie am Standort Rotenburg (Wümme), Niedersachen wurden die vorhanden Impfraten der Soldaten/innen hinsichtlich der Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Poliomyelitis, Pertussis, Masern, Mumps, Röteln, Hepatitis A, Hepatitis B und Frühsommermeningoenzephalitis (FSME) erfasst und statistisch zwischen den drei Rekrutenquartalen (II./ bis IV./2016) verglichen.
Ergebnisse: Die Impfbücher von 247 Rekruten/innen (Alter: 20,5 ± 2,7 Jahre) aus drei Quartalen wurden erfasst. Die Rate der nicht vorhanden Impfbücher betrug 23,1 %. Hierbei lagen die Impfraten bezogen auf alle Rekruten zwischen 2 % gegenüber FSME und 75 % gegenüber Masern. Während sich insbesondere gegenüber FSME und Hepatitis A/B geringe Impfschutzraten feststellen ließen, waren auch für die „typischen“ Impfungen Tetanus, Poliomyelitis und Diphtherie lediglich Impfschutzraten von 44–60 % zu finden. Es zeigten sich hohe Zahlen von „abgelaufenem“ Vollschutz: diese lagen zwischen 19 % (Diphterie) bis 50 % (Hepatitis B).
Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse der Studie weisen auf einen deutlichen Mangel beim Impfschutz einer zufälligen Stichprobe von im Mittel 20-jährigen Bundesbürgern, die als Berufsanfänger/innen bei der Bundeswehr ihren Dienst begonnen haben, hin. Wenngleich dieser erwartungsgemäß sehr niedrig bei den Impfungen war, die nicht zu den Standardimpfungen der STIKO zählen (Hepatitis A, FSME), waren auch bei den von der STIKO empfohlenen Impfungen deutliche Impfmängel bei den hier untersuchten jungen Erwachsenen festzustellen.
Schlüsselwörter: Militär – Impfungen – Prävention – Infektionserkrankung
Einleitung
Infektionserkrankungen und ihre Verbreitung stellen die Gesundheitssysteme weltweit vor große Herausforderungen. Eine der wirksamsten primärpräventiven Maßnahmen zur Prophylaxe übertragbarer Erkrankungen stellen Impfungen dar (Grabenstein u. Nevin 2006). International werden Impfempfehlungen durch die „Strategic Advisory Group of Experts (SAGE) on Immunization“ in halbjährlichen Meetings erarbeitet und durch die World Health Organisation (WHO) herausgegeben (WHO 2019). Daraufhin werden die Impfempfehlungen in Deutschland regelmäßig gemäß § 20 Abs. 2 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) durch die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) an die in Deutschland vorherrschenden infektiologischen Bedingungen angepasst und im epidemiologischen Bulletin veröffentlicht (Ständige Impfkommission 2019). Ferner wurde 2012 ergänzend ein nationaler Impfplan beschlossen, um die Impfziele für die deutsche Zivilbevölkerung zu präzisieren (Nationale Lenkungsgruppe Impfen 2012).
Zusätzlich zu den Erkrankungen, für die für die Allgemeinbevölkerung Impfungen im Rahmen der Primärprävention zur Verfügung stehen, sind einige Berufsgruppen durch weitere spezielle Infektionserkrankungen in besonderem Maße gefährdet. Diesen Personengruppen sind nach entsprechender Gefährdungsbeurteilung gemäß § 15 Abs. 4 Biostoffverordnung (BioStoffV) so genannte Indikationsimpfungen anzubieten (➥ Tabelle 1). Gerade unter dem Eindruck der aktuellen COVID-19-Pandemie wird der Kreis der relevanten Berufsgruppen im Sinne einer funktionierenden Versorgung der Gesellschaft neu definiert.
Es existiert eine Reihe von Untersuchungen zu Impfraten der arbeitenden Bevölkerung im Rahmen bevölkerungsbezogener Surveys (Bader u. Egler 2004; Bödeker et al. 2015; Poethko-Müller u. Schmitz 2013), die insbesondere mit zunehmendem Alter eine abnehmende Impfrate sowohl bei Standardimpfungen als auch bei Indikationsimpfungen aufzeigten.
Gerade in der Arbeits- und Betriebsmedizin stellen die oben aufgeführten Impflücken eine zusätzlich zu berücksichtigende präventivmedizinische Leistung in Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge dar. Dies gilt insbesondere auch bei mittlerweile zum Standardimpfschema für Kinder und Jugendliche gehörenden Impfungen (z. B. Hepatitis B sowie MMR) im Rahmen der Beratung junger Berufsanfänger. Hierzu liegen jedoch nur wenige Daten vor.
Auch für Soldateninnen und Soldaten der Bundeswehr bestehen zusätzliche, beruflich bedingte Infektionsrisiken, die durch Impfungen präventivmedizinisch reduziert werden können (Harke 2002; Sammito et al. 2019; Sammito u. Mayer-Falcke 2017). Auch wenn diese Gruppe sehr umfangreich im Rahmen ihrer Ausbildung geimpft wird (BMVg 2014a, b), liegen derzeit keine publizierten Daten bezüglich der Impfraten von aktiven Soldateninnen und Soldaten für Deutschland vor. International existiert eine Reihe von entsprechenden Untersuchungen (Eick et al. 2008; Lewis 2015; Nevin u. Niebuhr 2007; Scott et al. 2005; Smoak et al. 1994; Arav-Boger et al. 2000; Huerta et al. 2006; Levine et al. 2011, 2012, 2015; Flugsrud et al. 1997; Gonwong et al. 2016; Rappuoli et al. 1993; Clardy 1993; Struewing et al. 1993; Arteaga et al. 2010; Passos et al. 2011), die jedoch aufgrund der unterschiedlichen nationalen Impfempfehlungen nicht auf die Situation in Deutschland übertragbar sind.
Aus diesem Grund wurde in der folgenden Studie der Frage nachgegangen, wie ausgeprägt die Impflücken bei jungen Berufsanfängerninnen und -anfängern der Bundeswehr sind.
Methoden
Es erfolgte die Durchführung einer Querschnittsstudie über drei Rekrutenquartale (II./ bis IV./2016) des Jägerbataillons 91 am Standort Rotenburg (Wümme), Niedersachen. Die Rekruteninnen und Rekruten (243 männlich, 4 weiblich) wurden bei Eintritt in die Bundeswehr um Abgabe des Impfbuches gebeten, und die Impfdaten sowie Vollschutzinformationen wurden in einer Microsoft Access-Datenbank Version 2013 für Microsoft Windows (Redmond, Washington) erfasst. Vorliegende im Impfbuch dokumentierte Titerbestimmungen wurden berücksichtigt. Das Nicht-Vorlegen eines Impfbuches (fehlendes Impfbuch) bei ansonsten nicht bekanntem Titerstatus wurde entsprechend der Empfehlungen der STIKO als komplettes Fehlen aller Impfungen gewertet (Ständige Impfkommission 2019). Eingeschlossen wurden die Impfungen des so genannten „Impfschutzes für Hilfs- und Katastrophenschutz Inland“: Tetanus, Diphtherie, Poliomyelitis, Pertussis, Masern, Mumps, Röteln, Hepatitis A, Hepatitis B und Frühsommermeningoenzephalitis (FSME). Ein möglicher Impfschutz gegen Influenza wurde in dieser Studie nicht berücksichtigt, da durch die jährlich zu erneuernde Impfung im Jahresverlauf starke Schwankungen in der Vollschutzrate zu erwarten gewesen wären. Aufgrund einzelner Rekruteninnen und Rekruten mit singulären Impfungen gegen Masern wurde ein möglicher Impfschutz gegenüber Masern, Mumps und Röteln jeweils separat erfasst.
Die Teilnehmenden wurden über den Sinn der Studie informiert und willigten schriftlich in die Datenerhebung ein (n = 247, 100 % Teilnahmequote). Es lagen ferner positive Voten der Ethikkommissionen der Universitätsmedizin Magdeburg (Zeichen: 149/15) und der Ärztekammer Niedersachen zur Durchführung der Studie, eine Genehmigung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr (Sonderforschungsnummer: 05KS-S-50 1617) und ein geprüftes Datenschutzkonzept zur elektronischen Speicherung der Impfdaten durch den Datenschutzbeauftragten (ADSB) des Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr vor.
Es erfolgten deskriptive Analysen über den absoluten und relativen Anteil von Rekruteninnen und Rekruten mit entsprechendem Vollschutz gegenüber einzelnen impfpräventablen Erkrankungen des „Impfschutzes für Hilfs- und Katastrophenschutz Inland“, dargestellt für jedes Quartal und für die gesamte Erhebung. Unterschiede zwischen den Rekrutenquartalen wurden mittels Kruskal-Wallis-Test (Alter) bzw. mittels Chi²-Test (Impfraten) auf Signifikanz überprüft. Als Signifikanzniveau wurde ein p < 0,05 angenommen. Die statistische Auswertung erfolgte nach vorheriger Anonymisierung der Daten mit dem Statistikprogramm SPSS Version 24.0 für Microsoft Windows (SPSS Inc., IL, USA).
Ergebnisse
Die Impfbücher von 247 Rekruteninnen und Rekruten (243 männlich, 4 weiblich, Alter im Median 20,3 (3,5)) aus drei Quartalen wurden erfasst. Hinsichtlich des Alters unterschieden sich die drei Rekrutenquartal signifikant (p = 0,009), das Herbstquartal (IV./2016) war das im Durchschnitt jüngste (➥ Tabelle 2). Der Anteil der nicht abgegebenen Impfbücher lag über alle Quartale bei 23,1 %. Es zeigten sich über alle Quartale keine signifikanten Unterschiede im vorliegenden Impfschutz gegen die einzelnen Krankheiten (p > 0,05). Hierbei lag der Anteil aller Teilnehmenden mit vollständigem Impfschutz (bezogen auf die Gesamtanzahl aller teilnehmenden Personen; im Folgenden als Impfschutzraten bezeichnet) zwischen 2 % gegenüber FSME und 75 % gegenüber Masern (➥ Abb. 1). Während sich insbesondere gegenüber FSME und Hepatitis A / B geringe Impfschutzraten zeigten, waren auch für die „typischen“ Impfungen Tetanus, Poliomyelitis und Diphtherie lediglich Impfschutzraten von 44–60 % zu finden.
Eine Auswertung der Impfbücher hinsichtlich erfolgter Grundimmunisierung (bei Tetanus, Diphtherie, Poliomyelitis, Hepatitis A bzw. B und FSME) bzw. erfolgter Erstimpfung, wo jedoch der Vollschutz bei Eintritt in die Bundeswehr abgelaufen war, zeigt ➥ Tabelle 3. Hier fällt auf, dass für Impfungen, die nicht zu den von der STIKO empfohlenen Standardimpfungen im Kindes- und Jugendalter gehören (Hepatitis A bzw. FSME), erwartungsgemäß lediglich geringe einstellige Prozente der Rekruteninnen und Rekruten eine Grundimmunisierung erhalten haben, der Impfschutz war jedoch teilweise bereits abgelaufen. Dagegen waren bei den anderen Impfungen deutlich höhere Zahlen von „abgelaufenem“ Vollschutz zu finden. Die Werte lagen zwischen 20 % (Diphterie) und 50 % (Hepatitis B) aller Teilnehmenden. Signifikante Unterschiede fanden sich zwischen den einzelnen Rekrutenquartalen für alle Impfungen nicht (p > 0,005).
Diskussion
Die Ergebnisse der Studie zeigen einen deutlichen Mangel beim Impfschutz einer zufälligen Stichprobe von im Mittel 20-jährigen Bundesbürgerninnen und -bürgern, die als Berufsanfängerinnen und -anfänger bei der Bundeswehr ihren Dienst begonnen haben. Wenngleich dieser erwartungsgemäß sehr niedrig bei den Impfungen war, die nicht zu den Standardimpfungen der STIKO zählen (Hepatitis A, FSME), zeigten sich jedoch auch bei den von der STIKO empfohlenen Impfungen deutliche Impfmängel bei den hier untersuchten jungen Erwachsenen.
Die hier gefundenen Impfraten sind dabei deutlich niedriger als ähnliche Studien zu Erhebungen bei jungen Erwachsenen im arbeitsfähigen Alter festgestellt haben. So lag die Tetanusimpfrate in unserer Untersuchung mit 57 % deutlich unterhalb der Impfrate aus einer Untersuchung von Erwachsenen in der Arbeitswelt aus dem Jahr 2003 aus Schleswig-Holstein (76,5 %) (Bader u. Egler 2004). Auch eine Untersuchung aus den Jahren 2012/13 fand eine deutlich höhere Tetanusimpfrate von 76,7 % bei der Altersgruppe der 18- bis 39-Jährigen (Bödeker et al. 2015), genauso wie die Erhebung zur Impfrate im Rahmen der Studie zur „Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS1) mit 75,6 % in der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen (Poethko-Müller u. Schmitz 2013). Ähnliches zeigt sich beispielhaft auch beim Impfschutz gegen Masern, Mumps und Röteln, wobei der Unterschied hier nicht so groß ausfiel (75 % bzw. 74 % vs. 79,8 %) (Poethko-Müller u. Schmitz 2013). Ein möglicher Grund für die höheren Impfraten im Rahmen der älteren Studien kann sein, dass hier zumeist auf Befragungen als Datenerhebungstool zurückgegriffen wurde, während in unserer Untersuchung die Impfbücher als solches geprüft wurden.
Auch der Vergleich der hier erhobenen Daten mit Studien zu Impfraten von Rekruten/innen anderer Nationen zeigt trotz der Schwierigkeit der eingeschränkten Vergleichbarkeit aufgrund unterschiedlicher nationaler Impfempfehlungen, dass Berufsanfänger in der Bundeswehr insgesamt deutlich geringere Impfraten aufweisen (➥ Tabelle 4). So liegen die Impfraten der hier untersuchten Rekruten/innen bei allen Impfungen auf einem niedrigen Niveau.
Des Weiteren war der Anteil der Berufsanfänger/innen ohne Impfbuch sehr hoch, was auf ein mangelndes Bewusstsein für die Wichtigkeit von Impfungen hindeutet. Insbesondere, da die Rekruteninnen und Rekruten die Möglichkeit hatten, ein initial zu Hause vergessenes Impfbuch nachzuliefern. Dies führte unter anderem in der vorliegenden Studie definitionsgemäß zu einer geringeren Impfrate bei den untersuchten Impfungen im direkten Vergleich zu anderen Studien. Insgesamt stellt dies jedoch auch aus medizinischer Sicht eine nicht unwesentliche Problematik dar, da diese Personen formal als grundsätzlich nicht geimpft gewertet werden und damit vollständig grundimmunisiert werden müssen. Dies führt nicht nur zu einer Reihe von zusätzlichen, gegebenenfalls nicht notwendigen Impfungen, sondern ist auch verbunden mit dem entsprechenden Risiko von Impfreaktionen. Grundsätzlich wäre es möglich, bei der vorher zuständigen Haus- oder Kinderarztpraxis weitere Informationen zu erfolgten Impfungen einzuholen, was jedoch mit einem erheblichen Mehraufwand (u. a. Schweigepflichtentbindung, Anschreiben bzw. Anfragen etc. insbesondere bei häufigem Wechsel der entsprechenden Ärzte) und einem zeitlichen Verzug verbunden wäre und in dieser Zeit die bereits aktiv in der Ausbildung befindlichen Rekruteninnen und Rekruten gegebenenfalls nicht geschützt wären.
Eine Stärke der vorliegenden Untersuchung ist neben der Sichtung der Impfbücher anstelle von persönlichen Befragungen, dass auch die abgelaufenen Impfungen dokumentiert wurden. Hier zeigte sich, dass mit wenigen Auffrischimpfungen (Tetanus+Diphterie+Polio+Pertussis bzw. MMR) ein vollständiger Impfschutz bei vielen Rekruteninnen und Rekruten erreicht werden kann. Aufgrund der beruflichen Infektionsgefährdung von Militärpersonal stellt jedoch der geringe Impfschutz gegenüber Hepatitis A und FSME bei häufig zugleich noch fehlenden Grundimmunisierungen eine organisatorische und zeitliche Herausforderung dar. Ein vollständiger Basisimpfschutz ist daher in vielen Fällen zumeist erst sechs Monate (sofern kein Kurzimpfschema genutzt wird) nach Eintritt in die Bundeswehr zu erreichen. Im Gegenzug hierzu zeigt sich bei Hepatitis B, dass die im Kindes- und Jugendalter durchgeführte Grundimmunisierung bei einem Großteil der Rekruteninnen und Rekruten erfolgt war (n = 164; 66 %), jedoch von diesen lediglich 40 (16 %) zum Eintritt in der Bundeswehr noch einen gültigen Impfschutz aufwiesen (entweder aufgrund einer erfolgten Auffrischimpfung oder eines dokumentierten Anti HBs ≥ 100 IE/l) und bei 124 (50 %) keine erneute Auffrischimpfung durchgeführt wurde. Dies ist zurückzuführen auf die fehlende Empfehlung für eine Auffrischimpfung für Hepatitis B nach erfolgter Grundimmunisierung im Kindesalter und der damit verbundenen fehlenden Kostenübernahme durch die Krankenkassen.
Die vorliegende Studie hat auch einige Limitationen. Zum einen wurden lediglich Rekruteninnen und Rekruten an einem Standort der Bundeswehr untersucht. Es ist hierdurch nicht auszuschließen, dass Selektionseffekte im Vorfeld (z. B. Bevorzugung dieses Standortes durch räumliche Nähe zum Wohnort) auch einen Einfluss auf die gezeigten Impfraten gehabt haben könnte. Auch stellt die Stichprobe lediglich einen Auszug aus der Gesamtbevölkerung dar, insbesondere da seit dem Aussetzen der Wehrpflicht die Rekruteninnen und Rekruten der Bundeswehr aktuell nicht mehr als eine Stichprobe aus den jeweiligen Geburtsjahrgängen gezählt werden können. Eine Datenerhebung über alle Standorte der Bundeswehr ist jedoch (derzeit) nicht möglich, da bis dato die Gesundheitsakten der Bundeswehr noch papiergebunden geführt werden und somit eine solche Erhebung organisatorisch und vom Personalaufwand mit den für diese Studie vorhandenen Mitteln nicht leistbar wäre.
Zusammenfassend zeigt die hier vorliegende Untersuchung exemplarisch bei Berufsanfängerninnen und -anfängern der Bundeswehr, dass notwendige und teilweise auch von der STIKO empfohlene Impfungen häufig nicht ausreichend durchgeführt wurden. Die fehlenden Vorsorgeuntersuchungen bei Jugendlichen werden sicherlich ihren Teil hierzu beitragen. Betriebsmedizinerinnen und -mediziner sollten daher unabhängig von der beruflichen Infektionsgefährdung im Sinne der Prävention ebenfalls auf die Arbeitnehmer/innen zwecks Vervollständigung des Impfschutzes hinwirken.
Interessenkonflikte: Jana Nele Arnold, Dr. med. Nils Gundlach und Priv.-Doz. Dr. med. habil. Stefan Sammito sind aktive Sanitätsoffiziere. Prof. Dr. med. habil. Irina Böckelmann gibt keinen Interessenkonflikt an.
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Kontakt:
Oberfeldarzt Priv.-Doz. Dr. Stefan Sammito
Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe
Dezernat I 3 b „Experimentelle Flugmedizinische Forschung“
Flughafenstraße 1
51147 Köln
stefansammito@bundeswehr.org