Who is affected by high work intensity? Identifying and reducing potential hazards
Objectives: The health of employees is under threat from excessively high work intensity. Despite numerous studies emphasising the growing significance of work intensity, still not enough is known about the workplaces where increased work intensity is occurring or what form of work is affected. In order to evaluate levels of work intensity amongst employees in a more differentiated way, this article describes various dimensions of high work intensity according to occupational segments and requirement levels. We also discuss what the findings mean for operational practice.
Methods: The data basis for the analyses was the BiBB/BAUA Employment Survey 2018 (the Federal Institute for Vocational Education and Training, in cooperation with the Federal Institute for Occupational Safety and Health), a representative cross-sectional survey of some 20,000 employed persons in Germany.
Results: The results of the analysis show that the demands of high work intensity affect all the occupational groups observed here. It also becomes clear that the observed dimensions of high work intensity – multitasking, pressure to perform or meet deadlines, frequent interruptions, working very quickly and at the limits of individual capabilities – occur in all occupational segments and at all levels of requirement. These dimensions occur to varying degrees and in varying combinations, however, and are often displayed as a “bundle of work-related stress”. This means on the one hand that specific work intensity profiles can be identified for the occupational groups observed. On the other hand it is also possible to detect overarching patterns: multitasking is particularly common in the service sector, for example, where customer contact plays a greater role.
Conclusions: The fact that high work intensity is noticeable in different ways in the groups of employees considered on the one hand, and that commonalities are also apparent across occupations on the other, indicates that both the level of work intensity and its structure are related to overarching job characteristics, work organisation processes and other workplace-related organisational frameworks. For workplace design these multiple causes mean that the focus should not only be on individual working activities or stressors but that a more holistic approach is also needed, e.g. working time organisation, work organisation processes or business models and their effects on employees. The results emphasise the need to establish throughout the company an awareness of health risks caused by high work intensity. The established instruments of occupational health and safety should serve as a basis for shaping developments.
Keywords: work intensity – work organisation – occupational health and safety – recommendation for action
ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2019; 55: 563-596
Wer ist von hoher Arbeitsintensität betroffen? Gefährdungspotenziale erkennen und reduzieren
Zielstellung: Zu hohe Arbeitsintensität gefährdet die Gesundheit von Beschäftigten. Obwohl in etlichen Studien die wachsende Bedeutung von Arbeitsintensität betont wird, ist noch zu wenig darüber bekannt, an welchen Arbeitsplätzen, bei welchen Tätigkeiten und in welcher Form hohe Arbeitsintensität auftritt. Um die Arbeitsintensität von Beschäftigten differenzierter beurteilen zu können, wird in diesem Beitrag eine Beschreibung unterschiedlicher Dimensionen hoher Arbeitsintensität nach Berufssegment und Anforderungsniveau durchgeführt. Zudem wird erörtert, was die Befunde für die betriebliche Praxis bedeuten.
Methode: Als Datengrundlage für die deskriptiven Analysen dient die BiBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018, eine repräsentative Querschnittserhebung, bei der rund 20.000 Erwerbstätige in Deutschland befragt wurden.
Ergebnisse: Die Auswertungen zeigen, dass hohe Arbeitsintensität eine Anforderung ist, die alle hier betrachteten Beschäftigtengruppen betrifft. Die betrachteten Dimensionen hoher Arbeitsintensität – Multitasking, starker Termin- oder Leistungsdruck, häufige Arbeitsunterbrechungen, sehr schnelles Arbeiten und Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit – durchziehen alle Berufssegmente und Anforderungsniveaus der Tätigkeit. Sie treten allerdings in unterschiedlicher Stärke und Kombination als mehrdimensionale „Belastungsbündel“ auf. So lassen sich einerseits für die betrachteten Beschäftigtengruppen spezifische Arbeitsintensitätsprofile identifizieren. Andererseits lassen sich übergreifende Muster erkennen, etwa, dass Multitasking insbesondere im Dienstleistungsbereich auftritt, wo verstärkt Kundenkontakte eine Rolle spielen.
Schlussfolgerungen: Dass sich hohe Arbeitsintensität in den betrachteten Beschäftigtengruppen einerseits auf unterschiedliche Weise bemerkbar macht und sich andererseits auch berufsübergreifende Gemeinsamkeiten abzeichnen, deutet darauf hin, dass sowohl das Niveau der Arbeitsintensität als auch ihre Struktur mit übergreifenden Tätigkeitsmerkmalen, arbeitsorganisatorischen Abläufen sowie weiteren arbeitsplatzbezogenen und organisatorischen Rahmenbedingungen in Verbindung stehen. Für die betriebliche Arbeitsgestaltung bedeutet diese Multikausalität, dass nicht nur einzelne Arbeitstätigkeiten oder Belastungen in den Blick genommen werden sollten, sondern ganzheitlicher z.B. auch die Arbeitszeitorganisation, arbeitsorganisatorische Abläufe oder Geschäftsmodelle und ihre Wirkungen auf die Beschäftigten. Die Ergebnisse unterstreichen, dass im gesamten Betrieb eine Sensibilität für Gesundheitsgefährdungen durch hohe Arbeitsintensität erreicht werden muss. Die über die etablierten Instrumente des betrieblichen Arbeitsschutzes angebotenen Gestaltungschancen sollten ausgeschöpft werden.
Schlüsselwörter: Arbeitsintensität – Arbeitsorganisation – Arbeits- und Gesundheitsschutz – Handlungsempfehlung
Einleitung
Veränderungen in der Arbeitswelt werden seit Jahren in vielen Arbeitsbereichen wahrgenommen und auch in der breiten Öffentlichkeit diskutiert. Sie stehen im Zusammenhang mit Veränderungen in der Arbeitsorganisation und technologischen Entwicklungen (Rothe u. Beermann 2019; Jürgens et al. 2017). Ein wichtiger Aspekt in dieser Diskussion ist die (dauerhaft) hohe Arbeitsintensität an vielen Arbeitsplätzen, die von vielen Betroffenen auch als relevante Arbeitsverdichtung wahrgenommen wird. Zwar gibt es bisher keine einheitliche Definition von Arbeitsintensität, jedoch zeigt eine Zusammenschau verschiedener Studien, dass eine zu hohe Arbeitsintensität auf ein Missverhältnis zwischen Arbeitsmenge, geforderter Qualität und zur Verfügung stehender Zeit zurückzuführen ist (Rau u. Göllner 2018). Auch die Komplexität der Arbeitsaufgabe spielt dabei eine bedeutende Rolle (vgl. Hünefeld et al. 2020). Die Vielseitigkeit von Arbeitsintensität spiegelt sich auch in der Messung über unterschiedliche Indikatoren in verschiedenen Studien wider (Hünefeld et al. 2020; Kratzer 2020).
Belegt ist, dass eine dauerhaft hohe Arbeitsintensität die Gesundheit von Beschäftigten beeinträchtigen kann. So erhöht sie die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Arbeitsunfällen (z.B. Konersmann 2016; Nolting et al. 2002). Zudem kann dauerhaft hohe Arbeitsintensität Erkrankungen (z.B. des Muskel-Skelett-Systems) verursachen und zu emotionaler Erschöpfung sowie Depression und Angst führen (Stab et al. 2016; Stab u. Schulz-Dadazynski 2017). Auch Erholungsunfähigkeit (Sonnentag u. Zijlstra 2006) und eine Minderung der Schlafqualität (Akerstedt et al. 2002) können eine Folge von zu hoher Arbeitsintensität sein und die Beschäftigungsqualität von Erwerbstätigen dauerhaft einschränken.
Hohe Arbeitsintensität nur als Folge einer zu großen Arbeitsmenge oder an die Beschäftigten gerichteten Leistungsanforderung zu betrachten, wäre allerdings eine verkürzte Ursache-Wirkungs-Kette. Vielmehr finden sich hinsichtlich der Ursachen von dauerhaft hoher Arbeitsintensität in der bisherigen Forschung sehr unterschiedliche Theorieperspektiven, die von individuellem Handeln der Beschäftigten, über Merkmale der Tätigkeit und der Betriebe bis zu überbetrieblichen Trends oder gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen reichen (vgl. u.a. Green 2004; Burke et al. 2010). Dabei ist die Debatte um Arbeitsintensivierung keineswegs neu und wird schon seit Jahrzehnten vor dem Hintergrund des fortlaufenden Rationalisierungszwangs kapitalistischer Ökonomien geführt (Minssen 2017). Derzeit beeinflussen vor allem die Globalisierung, Tertiarisierung und Informatisierung (Stab et al. 2016) wirtschaftliche Beziehungen, Tätigkeitsfelder und Arbeitsabläufe stark. Aber auch andere gesellschaftliche Entwicklungen wie Ökonomisierungstendenzen und soziale Beschleunigungsprozesse (Rosa 2005) hinterlassen ihre Spuren in der Arbeitswelt. Treiber hoher Arbeitsintensität sind also auf unterschiedlichen Einflussebenen zu finden und verstärken sich zum Teil wechselseitig (vgl. auch Korunka 2020; Kratzer 2020).
Als Treiber von Arbeitsintensivierung auf betrieblicher Ebene werden insbesondere folgende Entwicklungen diskutiert:
Neben diesen größeren Trends in der Arbeitswelt sind beispielsweise für den Termin- und Leistungsdruck bei Beschäftigten (als einem wichtigen Indikator für hohe Arbeitsintensität) immer auch weitere betriebliche Kontexte relevant, etwa funktionale Abhängigkeiten in Arbeitsprozessen, schlecht organisierte Abläufe, informelle Anforderungen oder soziale Beziehungen zu Kolleginnen und Kollegen. Hohe Arbeitsintensität ist also ein komplexes Phänomen, für das verschiedene Einflüsse auf betrieblicher Ebene diskutiert und unterschiedliche Auswirkungen auf die Arbeitssituation benannt werden.
Bei und trotz aller Komplexität verweisen verschiedene Erwerbstätigenbefragungen in Deutschland anhand unterschiedlicher Indikatoren darauf, dass ein großer Anteil der Beschäftigten von hoher Arbeitsintensität betroffen ist. So zeigen etwa die BiBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragungen 2018 und die BAuA-Arbeitszeitbefragung 2015, dass rund die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland häufig unter starkem Termin- oder Leistungsdruck arbeitet und dass Multitasking für mehr als 60% der Beschäftigten zum Arbeitsalltag gehört. Der DGB-Index 2018 belegt, dass 55% der Beschäftigten von häufigen Störungen während der Arbeit betroffen sind, bei gleichzeitigem Termin- oder Leistungsdruck (vgl. Hünefeld et al. 2020). Für Nordrhein-Westfalen bestätigt die Beschäftigtenbefragung NRW 2018 des Landesinstituts für Arbeitsgestaltung NRW, dass Multitasking und Arbeiten unter hohem Zeitdruck zu den am häufigsten berichteten belastenden Arbeitsbedingungen gehören. Vergleichbare Befunde zeigt die WSI-Betriebsrätebefragung 2018, wobei auffällig ist, dass Betriebsräte in der Bewältigung der Arbeitsintensivierung eines der entscheidenden Handlungsfelder ihrer betrieblichen Interessenvertretung sehen (vgl. Ahlers 2020).
Während bis 2010 ein kontinuierlicher Anstieg der Arbeitsintensität zu beobachten war, hat sich die Arbeitsintensität in den letzten Jahren konstant auf einem hohen Niveau eingependelt (vgl. Green et al. 2018; Korunka 2020). Insgesamt zeigt sich über alle Befragungen und Indikatoren hinweg, dass mehr als die Hälfte der abhängig Beschäftigten in Deutschland von einem hohen Arbeitstempo und häufig überfordernden Arbeitsaufgaben betroffen ist, sowohl hinsichtlich der Menge als auch der Qualität beziehungsweise Komplexität.
Fragestellung/Zielstellung
Wie die bisherigen Ausführungen verdeutlicht haben, ist hohe Arbeitsintensität in der Erwerbsbevölkerung weit verbreitet und birgt erhebliche gesundheitliche Risiken. Um diesen Risiken entgegenzuwirken, ist ein differenziertes Wissen über besonders betroffene Tätigkeiten und Beschäftigtengruppen sowie über die Ursachen ihrer hohen Arbeitsintensität nötig.
Jedoch gibt es bislang nur wenige Studien, die explizit der Frage nachgehen, ob spezifische Risikogruppen für hohe Arbeitsintensität identifiziert werden können und welche dies sind. Vor allem fehlt ein systematischer Überblick über die berufs- und qualifikationsbezogene Struktur hoher Arbeitsintensität und somit wurden auch deren gruppenspezifische Treiber bisher kaum untersucht. Gleichzeitig liegen erste Hinweise vor, etwa auf Zusammenhänge von Arbeitsverdichtung mit bestimmten Tätigkeitsmerkmalen, insbesondere mit der intensiven Nutzung von Informationstechnologien (vgl. auch Green 2004). Zudem wurden in einzelnen Studien auch jüngere Personen, höher Qualifizierte und Frauen als Risikogruppen für hohe Arbeitsintensität benannt (vgl. Korunka 2020).
Eine weitere Einschränkung vorliegender Studien besteht darin, dass sie häufig nur einzelne Indikatoren zur Operationalisierung von Arbeitsintensität verwenden. Dies wird der Vielseitigkeit dieses Phänomens aber nicht gerecht und riskiert, dass der Gesamtkomplex unterschätzt wird.
Aus diesem Grund werden in diesem Beitrag verschiedene Dimensionen von Arbeitsintensität nach Berufssegmenten und Anforderungsniveau betrachtet, um herauszuarbeiten, ob sich unterschiedliche Arbeitsintensitätsprofile und Risikogruppen identifizieren lassen, denen unterschiedliche Ursachen zugeschrieben werden können. Im Anschluss wird erörtert, was die Befunde für die betriebliche Praxis bedeuten und wie die Instrumente des Arbeitsschutzes für eine angemessene Gestaltung der Arbeitsintensität genutzt werden können.
Methode
Als Datengrundlage für die deskriptiven Analysen dient die BiBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018. Die Erwerbstätigenbefragung ist eine Querschnittserhebung, die repräsentativ ist für die Kernerwerbstätigen in Deutschland. Die Befragung wird alle sechs Jahre gemeinsam von dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) mittels computergestützten Telefoninterviews bei rund 20.000 Erwerbstätigen in Deutschland durchgeführt. Befragt werden Erwerbstätige ab 15 Jahren, die mindestens 10 Stunden pro Woche einer bezahlten Tätigkeit nachgehen (Gensicke u. Tschersich 2018).1 Für die Analysen wurden alle abhängig Beschäftigten bis zu einem Alter von einschließlich 65 Jahren berücksichtigt (n=17.561). Im Fokus der folgenden Auswertungen steht die Verteilung verschiedener Dimensionen von Arbeitsintensität im Allgemeinen sowie nach Anforderungsniveau und Berufssegmenten. Um die verschiedenen Dimensionen von Arbeitsintensität abzubilden, wurden fünf Items aus der BiBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung ausgewählt, die bereits in anderen Studien zur Operationalisierung von Arbeitsintensität herangezogen wurden (Franke 2015; Hünefeld 2019):
Um die Prävalenz der verschiedenen Aspekte von Arbeitsintensität zu erheben, standen die Antwortkategorien „häufig“, „manchmal“, „selten“ und „nie“ zur Verfügung. Die folgenden Auswertungen fokussieren auf die Kategorie „häufig“.
Um dem mehrdimensionalen Charakter von Arbeitsintensität gerecht zu werden (Kratzer 2020), wurde basierend auf den fünf genannten Items ein Arbeitsintensitätsindex gebildet. Dieser spiegelt die Anzahl der gleichzeitig auftretenden Arbeitsintensitätsmerkmale wider und setzt die einzelnen Komponenten der Arbeitsintensität in Beziehung zueinander.
Gebildet wurden drei Gruppen: Erstens Befragte, die von keinem oder nur einem Merkmal „häufig“ betroffen sind, eine zweite Gruppe, bei der zwei bis drei Merkmale ausgeprägt sind, sowie eine dritte, die von vier bis fünf Merkmalen betroffen ist (Franke 2013). Die zweite und dritte Gruppe berichten also in mehreren Dimensionen von einer hohen Arbeitsintensität, wobei sich die letztgenannte durch den höchsten Grad von Mehrdimensionalität auszeichnet.
Die Auswertungen erfolgen nach dem Anforderungsniveau der von den Befragten ausgeübten Berufstätigkeit und nach Berufssegmenten. Beide beruhen auf der Grundlage der Klassifikation der Berufe 2010 (KldB 2010). Das Anforderungsniveau beschreibt dabei die Komplexität der Tätigkeit, die Berufssegmente spiegeln die berufsspezifischen Kenntnisse und Fertigkeiten wider (Bundesagentur für Arbeit 2011; Matthes et al. 2015).
Die folgenden deskriptiven Analysen werden in diesem Beitrag vor dem Hintergrund vorliegender Studien interpretiert.
Ergebnisse
Hohe Arbeitsintensität ist weit verbreitet. Das trifft besonders auf die Dimension Multitasking zu. Knapp zwei Drittel der abhängig Beschäftigten sind häufig davon betroffen. Von häufigem starkem Termin-/Leistungsdruck sowie häufigen Störungen berichtet fast die Hälfte der abhängig Beschäftigten. Zudem ist jeder Dritte häufig einem sehr schnellen Arbeitstempo ausgesetzt. Immerhin ein Sechstel der abhängig Beschäftigten arbeitet häufig an der Grenze der Leistungsfähigkeit (➥ Abb. 1).
Wie die häufige Nennung der einzelnen Items schon andeutet, zeigen weitere Auswertungen, dass ein Arbeitsintensitätsmerkmal selten allein auftritt. 60% der abhängig Beschäftigten berichten davon, dass sie gleichzeitig von mehreren Indikatoren für Arbeitsintensität häufig betroffen sind (41% von zwei bis drei und 19% von vier bis fünf Merkmalen). Lediglich 40% sind von keiner oder nur einer der hier betrachteten Bedingungen betroffen.
Unterschiede im Gesamtbild zeigen sich zum einen bezüglich des Anforderungsniveaus. Im Einklang mit bisherigen Studienergebnissen (z.B. DGB-Index Gute Arbeit 2019) bestätigen die Daten der BiBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018, dass mit steigendem Anforderungsniveau die abhängig Beschäftigten häufiger von Multitasking, starkem Termin-/Leistungsdruck und Störungen berichten. Für ein schnelles Arbeitstempo (41%) und das häufige Arbeiten an der Leistungsgrenze (18%) häufen sich Risiken dagegen stärker in Helfer- und Anlerntätigkeiten (siehe Abb. 1)2 Des Weiteren zeigt sich, dass abhängig Beschäftigte mit einem höheren Anforderungsniveau der Tätigkeit auch häufiger vom gleichzeitigen Auftreten mehrerer Arbeitsintensitätsmerkmale berichten. So sind beispielsweise abhängig Beschäftigte mit hoch komplexen Tätigkeiten deutlich häufiger 2 bis 3 Merkmalen (46%) und 4 bis 5 (20%) Merkmalen ausgesetzt als diejenigen mit Helfer- und Anlerntätigkeiten (2 bis 3 Merkmale: 29%; 4 bis 5 Merkmale: 15%).
Zum anderen verdeutlichen die Auswertungen nach ausgewählten Berufssegmenten in ➥ Abb. 2 die unterschiedlichen Ausprägungen der verschiedenen Dimensionen von Arbeitsintensität. Gleichermaßen lassen sich aber auch Gemeinsamkeiten verschiedener Berufssegmente beobachten.
Soziale und kulturelle Dienstleistungsberufe sowie Berufe in Unternehmensführung und -organisation (69%) gehen zum Beispiel besonders häufig mit Multitasking einher. Termin-/Leistungsdruck ist am deutlichsten in den Gesundheitsberufen ausgeprägt. Aber auch in fertigungstechnischen Berufen (50%) ist die Hälfte der Befragten betroffen. Ein hohes Arbeitstempo ist vielfach in den Lebensmittel- und Gastgewerbeberufen zu finden3, aber auch in Reinigungsberufen. Das häufige Arbeiten an der Leistungsgrenze ist ebenfalls in den Gesundheitsberufen stark ausgeprägt sowie in Verkehrs- und Logistikberufen.
Relativ hohe Ausprägungen auf allen hier betrachteten Dimensionen der Arbeitsintensität lassen sich in den Gesundheitsberufen finden, so dass diese als besondere Risikogruppe auffallen. Dies bestätigt sich auch bei der Betrachtung des Arbeitsintensitätsindexes. So sind in den Gesundheitsberufen 33% der Beschäftigten von 4 bis 5 Merkmalen betroffen, im Vergleich dazu trifft dies beispielsweise in den Verkehrs-/Logistikberufen nur auf 17% und in den sozialen/kulturellen Dienstleistungsberufen auf 15% zu.
Neben den unterschiedlichen Ausprägungen von Arbeitsintensität in den Berufssegmenten und nach Anforderungsniveaus verdeutlichen die Auswertungen erstens, dass hohe Arbeitsintensität eine Rolle in allen hier betrachteten Beschäftigtengruppen spielt, auch wenn sich diese in unterschiedlichen Arbeitsintensitätsprofilen niederschlägt. Zweitens zeigt sich, dass es für die Berufssegmente übergreifende Ausprägungen der Arbeitsintensität gibt. So scheinen gerade Berufe mit Dienstleistungstätigkeiten insbesondere durch Multitasking und Störungen geprägt zu sein. Ein hohes Arbeitstempo zeigt sich zum Beispiel eher in Lebensmittel- und Gastgewerbeberufen sowie Verkehrs- und Logistikberufen.
Diese Befunde lassen sich unter Rückgriff auf bereits bestehende empirische Studien unter anderem auf drei Gründe zurückführen. Erstens gehen Berufe und die Anforderungsniveaus mit bestimmten Tätigkeiten und arbeitsorganisatorischen Abläufen einher, die in unterschiedlicher Weise zu hoher Arbeitsintensität führen können. So zeichnen sich beispielsweise Gesundheitsberufe, Handelsberufe oder soziale/kulturelle Dienstleistungsberufe durch einen hohen Anteil an Interaktionsarbeit, also Kontakte mit Kunden, Patienten, Lernenden und anderen Personengruppen (Tisch et al. 2020), aus. Interaktionsarbeit steht insgesamt im Zusammenhang mit hoher Arbeitsintensität (DGB-Index Gute Arbeit 2018) und scheint sich insbesondere in den Dimensionen Multitasking und Störungen (Roth et al. 2018) niederzuschlagen. Ein weiteres Beispiel stellt das Arbeiten mit digitalen Informations- oder Kommunikationstechnologien (IKT) – wie z.B. Computer, Internet, Laptop, Tablet oder Smartphone – dar, das ebenfalls zu hoher Arbeitsintensität führen kann. Die Nutzung dieser Technologien nimmt mit dem Anforderungsniveau zu (DGB-Index Gute Arbeit 2017). Es lassen sich zudem Unterschiede nach Berufssegmenten finden. So ist die Nutzung von IKT besonders ausgeprägt in Unternehmensführung und -organisation (99%) sowie unternehmensbezogenen Dienstleistungsberufen (98%). Seltener zu finden sind ist sie in Lebensmittel- und Gastgewerbeberufen (52%; BMAS 2016). Am Beispiel des produzierenden Gewerbes zeigen weiterführende Analysen basierend auf der BiBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018, dass mit zunehmender Verbreitung digitaler Technologien ein stärkeres Ausmaß an Multitasking zu beobachten ist (z.B. geringe Technologieintensität: 55%, hohe Technologieintensität: 64%). Dagegen ist in Bereichen, die innerhalb des produzierenden Gewerbes eine geringe Technologieintensität aufweisen, insbesondere das schnelle Arbeiten verbreitet. Gleichermaßen sind weitere Ursachen von Arbeitsintensität, wie Dokumentationspflichten und Interaktionsarbeit beispielsweise in Gesundheitsberufen stärker ausgeprägt als in anderen Berufen (vgl. Evans u. Hilbert 2016). Ebenso führen Projektarbeit, Eigenverantwortung und Selbstorganisation z.B. in wissensintensiven Berufen zu höherer Arbeitsintensität (vgl. Dunkel u. Kratzer 2016). In diesem Zusammenhang verweisen unsere Auswertungen darauf, dass wissensintensive Dienstleistungen sich stärker durch Multitasking (67%) und Störungen (50%) als weniger wissensintensive Dienstleistungen (Multitasking: 57%, Störungen: 43%) auszeichnen.
Zweitens gibt es Hinweise darauf, dass die Ursachen von Arbeitsintensität je nach beruflichem Kontext in unterschiedlichem Maße ihre Wirkung entfalten. So zeigt die Studie von Meyer et al. (2019) am Beispiel der Einführung neuer Computersoftware (als einem Indikator für Digitalisierung), dass Computerprogramme in Büro- und Angestelltenberufen mit einem höheren Ausmaß an Termin-/Leistungsdruck einhergehen, als dies bei Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe oder der gesamten Stichprobe von abhängig Beschäftigten der Fall ist. Ebenfalls verweist die Studie von Green (2004) darauf, dass die Branche und die Betriebsgröße für das Zusammenspiel von technologischen Veränderungen, der betrieblichen Mitbestimmung oder Flexibilitätsanforderungen und Arbeitsintensität relevant sind.
Drittens gibt es Ursachen hoher Arbeitsintensität, die speziell mit einzelnen ihrer Teilindikatoren in Zusammenhang stehen. So verweisen Auswertungen der BiBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 auf Zusammenhänge überlanger Arbeitszeiten (48 h+) mit allen hier betrachten Dimensionen hoher Arbeitsintensität, besonders mit erhöhtem Termin-/Leistungsdruck. Das Arbeiten mit dem Computer verringert auf der einen Seite die Wahrscheinlichkeit, von einem sehr schnellen Arbeitstempo betroffen zu sein, auf der anderen Seite ist die Wahrscheinlichkeit für Multitasking und Störungen höher. Umstrukturierungen und Stellenabbau stehen ebenfalls mit allen Dimensionen hoher Arbeitsintensität in Zusammenhang, wobei Umstrukturierungen zu erhöhtem Termin-/Leistungsdruck führen können. Das Führungsverhalten scheint wiederum für alle Dimensionen von Arbeitsintensität gleichermaßen von Belang zu sein (Erol Vogel et al., in Vorbereitung). Im Einklang mit anderen Studien (Ducki 2009; Stab et al. 2016) deuten die Ergebnisse darauf hin, dass mangelnde Unterstützung sowie weniger Lob und Anerkennung durch Vorgesetzte von einem höheren Arbeitstempo, mehr Zeit- und Leistungsdruck sowie Multitasking und Störungen begleitet werden.
Diskussion
Die hier dargelegten Auswertungen bestätigen nicht nur die hohe Relevanz des Themas, sondern zeigen auch, dass die betrachteten Dimensionen hoher Arbeitsintensität in allen untersuchten Berufsgruppen und auf allen Anforderungsniveaus eine Rolle spielen. Während sich die arbeitswissenschaftliche Forschung bei der Betrachtung psychischer Belastungen in jüngerer Zeit häufig auf kundenbezogene Dienstleistungen, Wissensarbeit oder hochqualifizierte Angestelltentätigkeiten fokussiert, haben die Auswertungen bestätigt, dass sich beispielsweise in (fast) allen hier untersuchten Beschäftigtengruppen hohe Ausprägungen von Multitasking finden und dass Arbeitsunterbrechungen nach wie vor auch im produzierenden Gewerbe ein wichtiger Aspekt von Arbeitsverdichtung sind. Andererseits prägt sehr schnelles Arbeiten bei weitem nicht nur in Helfer- und Anlerntätigkeiten den Arbeitsalltag.
Allerdings verweisen die vorgestellten Analysen auch auf charakteristische Belastungsbündel und Arbeitsintensitätsprofile bezüglich der untersuchten Einzeldimensionen von Arbeitsintensität in den betrachteten Berufssegmenten und Anforderungsniveaus. Die vorliegenden deskriptiven Ergebnisse bestärken in Kombination mit bereits bestehenden Studien die Annahme, dass Arbeitsintensität in ihrer Stärke und im Zusammenwirken der Dimensionen von Tätigkeitsmerkmalen und arbeitsorganisatorischen Abläufen abhängt. Ebenso sind berufliche Kontexte und organisatorische Rahmenbedingungen (wie die Führungsqualität oder Restrukturierungsereignisse) von Belang. Das Wissen um solche Wirkungszusammenhänge ist ein wichtiger Baustein für eine effektive und zielgerichtete betriebliche Prävention.
Gleichzeitig ist hohe Arbeitsintensität kein Thema der Arbeitsgestaltung „wie jedes andere“, sondern geht für die betrieblichen Akteure mit einigen Herausforderungen einher:
Geplante Maßnahmen sollten zudem neben dieser Mehrdimensionalität auch die Komplexität möglicher Wirkungszusammenhänge jenseits der unmittelbaren Arbeitsplatzebene beachten. Wenn hohe Arbeitsintensität systematisch mit Formen der Arbeitsorganisation und mit betrieblichen Geschäftsmodellen zusammenhängt, werden Präventionsmaßnahmen, die nur einzelne Arbeitsplätze, Tätigkeiten oder Belastungen in den Blick nehmen, wenig Wirkung zeigen. Obwohl das bestehende Regelwerk des Arbeitsschutzes eine gute Grundlage bietet, unterstützt es im Detail bislang bekanntlich nur eingeschränkt bei der Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen durch hohe Arbeitsintensität und bei der Aufklärung ihrer Entstehungszusammenhänge. Da eine Verordnung zum Schutz vor Gefährdungen durch psychische Belastungen nicht vorliegt, gibt es in diesem Themenbereich für die betrieblichen Akteure weniger Sicherheit in Bezug auf Messverfahren, Grenzwerte, Prozessregeln und angemessene betriebliche Schutzmaßnahmen (vgl. Goedicke et al. 2020). Hinweise auf den Umgang mit hoher Arbeitsintensität sind in den aktuellen Rechtsgrundlagen des Arbeitsschutzes nicht gebündelt zu finden, sondern zum Beispiel als Anhaltspunkte in verschiedenen Verordnungen.
Betriebsärztinnen und -ärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit, die von Geschäftsleitungen zur Umsetzung ihrer gesetzlichen Pflichten der Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit in der Arbeit beauftragt wurden, sind also mit einer anspruchsvollen Ausgangssituation konfrontiert. Sowohl die Ermittlung von Gefährdungen – die sich häufig gerade aus dem Zusammenwirken von Zeit- und Leistungsdruck mit physikalischen, chemischen, biologischen Einwirkungen oder Effekten von Arbeitsmitteln ergeben – als auch die Ableitung, Umsetzung und Kontrolle von Maßnahmen erfordern eine hohe Aufmerksamkeit für Wirkungszusammenhänge, ein gutes Verständnis für betriebliche Abläufe und Rahmenbedingungen sowie eine hohe Handlungsbereitschaft.
Auf der Habenseite ist daran zu erinnern, dass die im Arbeitsschutzgesetz als Unternehmenspflicht bestimmte Gefährdungsbeurteilung ein starkes Instrument im Umgang mit gesundheitlichen Gefährdungen durch hohe Arbeitsintensität sein kann (vgl. Aich 2020). Sie bietet einen flexiblen, durch arbeitswissenschaftlich fundierte Verfahren auszufüllenden Rahmen zur Ermittlung von Gefährdungen und sie regelt den sich anschließenden Kontrollprozess für die Ableitung verhältnis- und verhaltenspräventiver Maßnahmen, deren Evaluation und die Fortschreibung. Dafür ist wichtig, v.a. bei kleineren Betrieben, den Anteil von Unternehmen zu steigern, die die Gefährdungsbeurteilung auch im Bereich psychischer Belastungen und insbesondere im Hinblick auf mögliche Gefährdungen durch hohe Arbeitsintensität durchführen (zu den Defiziten siehe z.B. BMAS/BAuA 2018, S. 28ff). Dafür bedarf es entsprechender Unterstützung.
Weitere wichtige Ansatzpunkte für den Schutz der Beschäftigten vor negativen gesundheitlichen Folgen hoher Arbeitsintensität bietet bekanntlich die gesetzlich verankerte arbeitsmedizinische Betreuung. Insbesondere bei der Beratung von Arbeitgebern zur Planung von Betriebsanlagen und zur Beschaffung technischer Arbeitsmittel, zur Einführung von Arbeitsverfahren, in Beratungen zur ergonomischen Arbeitsgestaltung, sowie zu Arbeitsrhythmus, Arbeits- und Pausenzeiten können sich Chancen auftun, überhöhten Leistungsanforderungen, zu schnellem Arbeitstempo und Überlastungen durch Multitasking entgegenzuwirken. Besonders aussichtsreich ist, dass Betriebsärztinnen und -ärzte einerseits – zum Beispiel über Begehungen und die Mitarbeit im Arbeitsschutzausschuss (ASA) – Informationen zur betrieblichen Gesamtorganisation haben, zum anderen über ihre Aktivitäten im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge auch verhältnismäßig früh den individuellen Folgen hoher Arbeitsintensität bei den Beschäftigten auf die Spur kommen können.
Angesichts der Komplexität und des Mehrebenencharakters von Ursachen und Folgen hoher Arbeitsintensität ist eine produktive und transparente Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure in diesem Themenfeld wohl einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren zur Gewährleistung gesundheitsgerechter Arbeitsbedingungen. Arbeitsmedizinerinnen und -mediziner, Sicherheitsfachkräfte, Sicherheitsbeauftragte, Betriebsräte, Führungskräfte – sie alle verfügen aus verschiedenen Perspektiven über Informationen zu schwierigen Arbeitsbedingungen und gesundheitsgefährdenden Leistungsanforderungen im Betrieb und haben je spezifische Einflussmöglichkeiten. Diese trotz unterschiedlicher Disziplinen und Teilinteressen zu verknüpfen, Einflusschancen anderer Akteure mitzudenken und bei Bedarf in verschiedenen Rollen ein gemeinsames Ziel zu verfolgen, kann über die Qualität und den Erfolg von Präventionsmaßnahmen entscheiden. Der über das Arbeitssicherheitsgesetz, die DGUV Vorschrift 2 und das Betriebsverfassungsgesetz relativ detailliert ausgestaltete rechtliche Kooperationsrahmen und die Chancen des Austausches im ASA bieten dafür eine gute Ausgangssituation. Vor allem wenn „dicke Bretter“ zu bohren sind, kann es sinnvoll sein, Anstöße für Veränderungen parallel sowohl über die arbeitsmedizinische Beratung als auch über den Prozess der Gefährdungsbeurteilung und gegebenenfalls über Betriebsvereinbarungen zu geben. Gegebenenfalls sind auch andere Funktionsträger im Betrieb, beispielsweise in der Personalentwicklung oder der Fertigungsplanung, aktiv einzubinden.
Während so einerseits die Potenziale betrieblicher Arbeitsschutzsysteme gut genutzt werden müssen, erfordert andererseits der aktuelle Wandel von Arbeitsformen und Berufsbildern auch eine Stärkung der Gesundheitskompetenz von Beschäftigten und ihrer Mitwirkung bei der Gestaltung von Arbeitsprozessen. Diese Gesundheitskompetenzen sollen keinesfalls eine Verlagerung von Arbeitgeberverantwortung begünstigen. Vielmehr können gesundheitskompetente Beschäftigte die für Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung relevanten betrieblichen Akteure bei der Erkennung, Erklärung und wirksamen Eindämmung von Gesundheitsgefährdungen durch hohe Arbeitsintensität unterstützen. Eine so verstandene Gesundheitskompetenz von Beschäftigten zielt also ausdrücklich nicht in erster Linie auf die Optimierung der eigenen Arbeitsabläufe, Arbeitszeiten und Arbeitsplatzergonomie, sondern auf die (selbstbewusste) Nutzung und Weiterentwicklung vorhandener Strukturen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes im Betrieb (vgl. Georg u. Guhlemann 2020).
Schlussfolgerungen
Die Befunde relativieren traditionelle Zuschreibungen spezifischer Aspekte hoher Arbeitsintensität auf bestimmte Berufsfelder oder Anforderungsniveaus der Tätigkeit. Stattdessen wurde deutlich, dass die untersuchten Berufssegmente und Anforderungsniveaus der Tätigkeit durch spezifische Arbeitsintensitätsprofile gekennzeichnet sind, in denen sich eine hohe Arbeitsintensität in den meisten Fällen über mehrere Dimensionen gleichzeitig ausdrückt. Auch deuten die Ergebnisse darauf hin, dass sowohl das Ausmaß der Arbeitsintensität als auch ihre Struktur mit übergreifenden Merkmalen der Berufssegmente und Anforderungsniveaus sowie ihrer Kontextwirkung auf weitere arbeitsplatzbezogene und organisatorische Ursachen hoher Arbeitsintensität in Verbindung stehen. Für die betriebliche Arbeitsgestaltung deutet diese Multikausalität auf Erfolgschancen von solchen Ansätzen hin, die nicht nur einzelne Arbeitsplätze und -tätigkeiten in den Blick nehmen, sondern ganzheitlich zum Beispiel auch arbeitsorganisatorische Abläufe und ihre Wirkungen auf die Beschäftigten oder die Arbeitszeitorganisation mit einbeziehen. Die Ergebnisse unterstreichen, dass im gesamten Betrieb eine Sensibilität für Gesundheitsgefährdungen durch hohe Arbeitsintensität etabliert werden muss. Die Akteure des betrieblichen Arbeitsschutzes, die Interessenvertretungen der Belegschaften und nicht zuletzt die Beschäftigten selbst sollten ihre Gestaltungschancen über die etablierten Instrumente des betrieblichen Arbeitsschutzes engagiert ausschöpfen.
Interessenkonflikt: Die Autorinnen geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
Literatur
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Elke Ahlers
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI)
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