Gewalt gegen Pflegende in Notaufnahmen
Hintergrund: Die Gewaltbereitschaft von Patienten gegenüber Pflegenden hat zugenommen. Durch sie wird nicht nur das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt, sondern vor allem durch mögliche psychische Folgen ein Anstieg von Krankenstand und Fluktuation provoziert. Der Arbeitgeber ist gemäß Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, seine Mitarbeiter vor gewalttätigen Übergriffen zu schützen. Da nicht jeder Übergriff als Arbeitsunfall gemeldet wird, beklagt auch die Berufsgenossenschaft eine hohe Dunkelziffer.
Ziele: Ziel dieser Arbeit ist es, anhand einer Ist-Analyse zu überprüfen, inwiefern das Pflegepersonal der Notaufnahme in deutschen Kliniken von Gewalt am Arbeitsplatz betroffen ist, welche Belastungs- und Beanspruchungsfolgen daraus resultieren, welche Präventions- und Nachsorgemaßnahmen vorhanden sind und wie diese genutzt werden.
Methodik: Pflegende in der Notaufnahme wurden anhand eines quantitativen Fragebogens zu Vorkommen und Art von Gewalt am Arbeitsplatz sowie deren gesundheitliche Auswirkungen und bereits implementierte Präventions- und Nachsorgemaßnahmen befragt. Ergänzend wurden leitfadengestützte Interviews mit Betroffenen und Experten geführt (Methodenmix).
Ergebnisse: Im Bereich Gesundheitsversorgung gelten Notaufnahmen als Hochrisikobereiche für Gewalt am Arbeitsplatz. So haben 94 % der männlichen und 89 % der weiblichen Beschäftigten angegeben, im Verlauf ihres Berufslebens körperliche Gewalt erlebt zu haben. Lediglich 4 % der Patientenübergriffe, als deren häufigster Auslöser Alkohol (24 %), Wartezeit (16 %) sowie Desorientiertheit und Demenz (12 %) angegeben wurden, wurden gemeldet. Lediglich 32 % der Pflegekräfte in diesem Arbeitsbereich fühlt sich durch drohende oder erfolgte Patientenübergriffe nicht bzw. nur gering belastet; die Mehrzahl fühlt sich nicht sicher (73 %). Die Ergebnisse geben Hinweise auf kurz- und langfristige psychische Beanspruchungsfolgen durch erlebte Gewalt am Arbeitsplatz.
Schlussfolgerung: Organisationen und Führungskräfte müssen Verantwortung für dieses Thema übernehmen, Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes einhalten und Maßnahmen zur Prävention und Nachsorge anhand einer Gefährdungsbeurteilung zielgerichtet einführen. Patientenübergriffe sollten der Berufsgenossenschaft konsequent als Arbeitsunfall angezeigt und auch bei fehlenden Verletzungen immer betriebsintern dokumentiert werden. Mitarbeiter müssen erkennen, dass Gewalt in ihrem Job nicht zur Normalität gehört. Die Einbindung der Pflegenden in den Schutzparagrafen wird empfohlen. Es besteht weiterhin Forschungsbedarf zu diesem Thema.
Schlüsselwörter: Gewalt am Arbeitsplatz – Notaufnahme – Gesundheitsfolgen – Prävention – Pflege
Violence towards nursing staff in emergency departments
Background: The tendency of patients to be violent towards nurses has increased. Not only does this violate the right to physical integrity, it also leads to higher rates of absenteeism and employee turnover owing to the potential psychological effects. The employer is obligated by labour protection law to protect its employees against violent assaults. However, not every attack is reported as a work accident, which is why the professional association bemoans the high estimated number of unknown cases.
Objectives: The objective of this paper is to examine on the basis of a current state analysis to what extent the nursing staff in EDs (emergency departments) in German hospitals are affected by violence in the workplace, the consequences of stress and mental strain arising therefrom, and whether any prevention and aftercare measures are in place and, if so, how they are used.
Methods: A quantitative and qualitative questionnaire was used to ask ED nurses about the occurrence and types of violence in the workplace and their effects on health as well as prevention and aftercare measures already implemented. In addition, guided interviews were conducted with those concerned and with experts (mixed methods).
Results: In health care, emergency rooms are considered high risk areas for violence in the workplace. 94 % per cent of male and 89 % of female employees stated that they had experienced physical violence during their working life. Only 4 % of patient assaults were reported, with the most frequent causes being alcohol abuse (24 %), waiting time (16 %) and disorientation and dementia (12 %). Only 32 % of nurses in this area of work feel unstressed or only slightly stressed as a result of impending or actual assaults by patients; the majority (73 %) feel unsafe. The results indicate that experiences of violence in the workplace have short- and long-term effects on mental health.
Conclusion: Organisations and management need to assume responsibility for this issue, comply with the regulations of the labour protection law and implement prevention and aftercare measures in a targeted manner on the basis of a risk assessment. Attacks by patients should be reported consistently to the professional association as accidents at work and documented internally even if no injury has been caused. Employees need to recognise that violence in the workplace is not normal. The inclusion of nurses in protection clauses is also recommended. There is still a need for further research in this field.
Keywords: workplace violence – emergency department – health consequences – prevention – nursing
Einleitung
In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass nicht nur die Einsatzkräfte der Polizei im Rahmen ihrer Berufsausübung immer häufiger Gewalt ausgesetzt sind (BMI 2015), sondern auch die Gewaltbereitschaft gegenüber den helfenden Berufsgruppen wie Rettungsdienst, Feuerwehr (BMI 2015; Schmidt 2012), Pflegedienst und anderer Betreuungsberufe durch Patienten zugenommen hat (Schablon et al. 2012; Kowalenko et al. 2012). Insbesondere in der Krankenpflege verschärft dieser Effekt zusätzlich die ohnehin schon angespannte Gesamtsituation durch hohe Arbeitsverdichtung, Personalabbau, Fluktuation und hohe Krankenstände (Baua 2005).
Durch Gewalt am Arbeitsplatz sind gemäß aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse im angloamerikanischen Sprachraum insbesondere Beschäftigte der Notaufnahmen als Schnittstelle von präklinischer und klinischer Gesundheits- und Notfallversorgung gefährdet. Allerdings sind kaum repräsentative Studien zu Ursachen und Folgen, Häufigkeit und Arten von Gewalt in Notaufnahmen vorhanden (Ohlbrecht 2012). Ohnehin gestaltet sich eine statistische Aufbereitung schwierig: Daten über Gewalt am Arbeitsplatz werden in den meisten europäischen Ländern nicht separat erfasst und eine Meldung von Gewaltereignissen am Arbeitsplatz an den jeweiligen Unfallversicherungsträger erfolgt in Deutschland erst, wenn deren unmittelbare Folge Verletzungen mit Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen sind. Psychische Traumatisierungen als gesundheitliche Beeinträchtigung infolge eines Gewaltvorfalls werden in der Regel nicht als Arbeitsunfall erfasst, auch weil nicht immer der Zusammenhang zum auslösenden Ereignis erkannt wird (Bundesverband der Unfallkassen 2005). Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik erfolgt weiterhin überwiegend im angloamerikanischen Sprachraum. Hierbei besteht zwischen nationalem und internationalem Forschungsstand ein großer Unterschied. Das Thema Gewalt am Arbeitsplatz wird in Deutschland hauptsächlich im Rettungsdienst, in Pflegeeinrichtungen sowie der Psychiatrie diskutiert, jedoch kaum in Notaufnahmen (Ohlbrecht 2012).
Ziel
Ziel der vorliegenden Pilotstudie war es, anhand einer Ist-Analyse zu überprüfen, inwiefern das Pflegepersonal der Notaufnahmen von Gewalt am Arbeitsplatz betroffen ist, welche Belastungs- und Beanspruchungsfolgen daraus resultieren sowie welche Präventions- und Nachsorgemaßnahmen vorhanden sind und wie diese genutzt werden.
Methoden
Die explorative Untersuchung wurde als Methodenmix durchgeführt. Bei der quantitativen Datenerhebung mittels eigens für die Zielgruppe entwickeltem Fragebogen wurde das Pflegepersonal der Notaufnahmen der beteiligten Kliniken zu den Kategorien „Vorkommen und Art von Gewalt am Arbeitsplatz“ sowie deren gesundheitliche Auswirkungen und bereits implementierte Präventions- und Nachsorgemaßnahmen im Zeitraum von 4 Wochen im Jahr 2017 schriftlich befragt. Eingeschlossen wurden in dem Pilotprojekt, das im Rahmen einer Abschlussarbeit des Studiengangs Gesundheitsmanagement entstand, Kliniken mit Notaufnahmen in den Bundesländern Hessen, Bayern, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Insgesamt konnten sieben Krankenhäuser mit jeweils sechs Einrichtungen der Schwerpunkt- und Maximalversorgung und ein Krankenhaus der Regelversorgung für die Teilnahme an der Studie gewonnen werden.
Im Fokus dieser Untersuchung standen ausschließlich Pflegekräfte im Sinne des Krankenpflegegesetzes (vgl. KrPflG § 1) sowie verwandte Berufsgruppen, die in Notaufnahmen typischerweise dieselben pflegerischen Tätigkeiten ausüben wie Pflegefachkräfte. Ärztliches Personal wurde wegen des unterschiedlichen Tätigkeitsprofils nicht miteinbezogen, da Dauer und Intensität des Patientenkontaktes deutlich geringer sind als beim Pflegepersonal (Schöpke et al. 2014).
Der für die Datenerhebung und deskriptive Datenanalyse verwendete Fragebogen wurde in Anlehnung des Staff Oberservation of Aggression Scale-Revised (SOAS-R) von Nijman et al. (1999) sowie durch eigene Generierung von Fragen in Anlehnung an die Erkenntnisse der Übersichtsarbeit von Kowalenko et al. (2012) konzipiert und besteht aus 15 Fragen. Es wurden insgesamt 234 Fragebögen verschickt, wovon 105 in Notaufnahmen tätige Pflegende an der Befragung teilgenommen haben (Rücklaufquote 44,9 %).
Die qualitative Datenerhebung erfolgte anhand leitfadengestützter Interviews, die telefonisch und persönlich durchgeführt wurden. Ausgehend von den Hypothesen und nach Analyse der zur Fragestellung identifizierten Literatur wurden die Fragen des halbstrukturierten Interviewleitfadens nach dem SPSS-Prinzip (Sammeln, Prüfen, Sortieren, Subsumieren) erstellt (Helfferich 2011; Diekmann 2012).
Die Zielgruppe waren in der Notaufnahme beschäftigte Pflegekräfte, die bereits von Patientenübergriffen betroffen sind. Als Experten waren Personen relevant, die sich beruflich mit dem Thema Gewalt am Arbeitsplatz im Gesundheitswesen beschäftigen. Personen, die die Einschlusskriterien nicht erfüllten, wurden ausgeschlossen. Es wurden drei Interviews mit betroffenen Pflegekräften sowie ein Experteninterview geführt.
Die Interviews wurden transkribiert und nach der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) ausgewertet. Durch die deduktive Vorgehensweise konnten für die Betroffenen-Interviews die fünf Kategorien „Vorkommen von Patientenübergriffen“, „Ursachen“, „Nachsorge“, „gesundheitliche Auswirkungen“, „Prävention“ und „Anmerkungen“ sowie für die Experten-Interviews die Kategorien „Aufgaben der Berufsgenossenschaft“, „Angebote der Berufsgenossenschaft“, „Nachfrage der Angebote“, „Zusammenarbeit mit Krankenhäusern“ und „Anmerkungen“ auf Grundlage der Basishypothesen gebildet werden (Flick et al. 2013). Nach Kodierung durch Zuordnung des Textmaterials der Interviews zu den Kategorien erfolgte die inhaltsanalytische Auswertung anhand der Interpretation der Interviewaussagen (Mayring 1995).
Ergebnisse
Von den n = 234 Pflegekräften, die den Fragebogen erhielten, nahmen n = 105 Pflegekräfte teil (Teilnahmequote 44,9 %). 67 % der teilnehmenden Pflegekräfte waren weiblich und 31 % männlich, 2 % der Teilnehmer machten keine Angabe zum Geschlecht. Am häufigsten vertreten war die Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen sowie der 30- bis 39-Jährigen.
Vorkommen von Gewalt gegen Pflegende in Notaufnahmen
Von den Befragten haben 94 % der männlichen Pflegepersonen im Verlauf ihres Berufslebens körperliche Gewalt erlebt und sind damit häufiger betroffen als Frauen mit einem Anteil von 89 %. Beide Geschlechter zusammen berichten am häufigsten von Schlägen (78 %), gefolgt von Treten (69 %) und Anspucken (58 %). Als weitere Erscheinungsformen körperlicher Gewalt wurden gezieltes Werfen mit Gegenständen nach der Pflegeperson (30 %), Haare ziehen (15 %), Würgen (10 %) und Angriff mit Waffen bzw. gefährlichen Gegenständen (2 %) beschrieben. 9 % der Teilnehmer gab an, keine körperliche Gewalt erlebt zu haben, 1 % machte keine Angabe.
Verbale Gewaltformen werden von Männern mit 100 % am häufigsten berichtet, von weiblichen Pflegenden zu 96 %. Dabei kommt es bei allen Befragten in der Regel zu Beleidigungen und Gewaltandrohungen. Zusätzlich wurden noch Anschreien (2 %), die Androhung, auch privat aufgesucht zu werden (1 %) sowie Gewaltandrohung gegen die eigene Familie (1 %) genannt. Sexualisierte Gewalt in Form von obszönen Bemerkungen und Gesten (55 %), unerwünschte sexuell motivierte Berührungen wie Begrapschen (24 %) sowie das Vornehmen sexueller Handlungen (1 %) wird von Frauen (69 %) deutlich häufiger berichtet als von Männern (36 %). 34 % der Befragten ist keine sexualisierte Gewalt widerfahren, 7 % machten hierzu keine Angabe ( Abb. 1).
Arbeitsunfallmeldeverhalten nach Patientenübergriffen
Lediglich 4 % der Patientenübergriffe wurden dem Arbeitgeber oder der Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall gemeldet. Als Hauptgrund wurde von 63 % der Teilnehmer angegeben, sich keine (ernsthaften) körperlichen Verletzungen zugezogen zu haben, 15 % wussten nicht, dass es sich bei einem Patientenübergriff um einen Arbeitsunfall handelt. 13 % gaben in dem Zusammenhang an, dass Gewaltvorfälle häufig und somit Normalzustand sind.
Auslöser von Patientenübergriffen
Als relevante Auslöser für Patientenübergriffe (Mehrfachnennungen möglich) werden in erster Linie Alkohol (24 %), gefolgt von Wartezeit (16 %) sowie Desorientiertheit und Demenz (12 %) angegeben. Aber auch die Persönlichkeitsmerkmale des Patienten (10 %) spielen hierbei eine wesentliche Rolle, ebenso wie unfreiwillige Behandlung und die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen (9 %) gemäß länderrechtlicher Gesetzesregelung nach Anordnung durch die Polizei.
Aggression/Gewalt geht mehrheitlich von männlichen (72 %), deutschen (44 %) Patienten im jungen Erwachsenalter bis 39 Jahre (38 %) unter Alkoholeinfluss (24 %) aus. Ab der Altersgruppe der 40- bis 49-Jähigen (34 %) sinkt das aggressive/gewalttätige Verhalten und ab dem 70. Lebensjahr (16%) ist wieder ein leichter, kontinuierlicher Anstieg zu erkennen.
Maßnahmen zur Beendigung des Patientenübergriffes
In den meisten Fällen konnte durch verbale Intervention (36 %) der Übergriff beendet werden. Allerdings wurde als zweithäufigste Maßnahme angegeben, dass für eine endgültige Befriedung der Situation die Polizei (31 %) hinzugezogen wurde (Mehrfachnennungen möglich). 24 % nannten den Einsatz körperlicher Maßnahmen (Fixierung), weiterhin konnte die jeweilige Situation mit Unterstützung von Kollegen (22 %) bzw. dem Sicherheitsdienst (16 %) unter Kontrolle gebracht werden. Eine Einstellung des aggressiven/gewalttätigen Verhaltens durch den Patienten selbst erfolgte in 10 % der Fälle, in 8 % der Fälle konnte der Gewaltvorfall nur durch Flucht der Pflegeperson (8 %) beendet werden. Andere genannte Interventionen waren das Verlassen der Notaufnahme durch den Patienten (4 %), Narkose/Sedierung (4 %), Hausverbot (2 %) sowie körperliche Notwehr (1 %).
Belastungsempfinden von erlebten Patientenübergriffen
Von den Teilnehmern gaben insgesamt 32 % an, sich durch alle erlebten Gewaltvorfälle nicht bzw. nur gering belastet zu fühlen. Bezogen auf den letzten erlebten Gewaltvorfall fühlten sich mit insgesamt 40 % mehr Teilnehmer nicht bzw. nur gering belastet. Eine mittelstarke Belastung (56 %) wurde jedoch mehrheitlich bezogen auf alle erlebten Patientenübergriffe geschildert, beim letzten Patientenübergriff gaben hingegen 39 % der Befragten eine mittelstarke Belastung an. Ein nur geringer Anteil der befragten Pflegenden fühlte sich durch ein Gewaltereignis in Bezug auf alle Ereignisse sowie das letzte Ereignis stark belastet (jeweils 11 %) ( Abb. 2). Als exemplarische Beanspruchungsfolgen wurden von den Befragten am häufigsten Gereiztheit (44 %), Schlafstörungen (19 %), Niedergeschlagenheit (13 %) und Unruhe (10 %) genannt ( Tabelle 1).
Prävention von Patientenübergriffen
48 % der Teilnehmer gaben an, dass es Fortbildungen zum Umgang mit aggressiven/gewalttätigen Patienten gibt und diese auch besucht zu haben. Deutlich weniger berichten, dass solche Fortbildungen von ihrem Arbeitgeber angeboten werden, sie aber nicht daran teilgenommen haben (23 %). Ein Viertel der Befragten gibt an, dass es in ihrer Einrichtung kein Fortbildungsangebot zu diesem Thema gibt (27 %). 3 % der Teilnehmer machten hierzu keine Angabe.
Weiterhin konnte festgestellt werden, dass es in den meisten Organisationen keinen Notfallplan gibt (85 %), der das Vorgehen bei einem Patientenübergriff regelt. Lediglich 12 % der Teilnehmer gaben das Vorhandensein eines Notfallplans an. 3 % machten keine Angabe hierzu.
Zum Sicherheitsgefühl gab die Mehrheit der Befragten (73 %) an, sich an ihrem Arbeitsplatz nicht sicher zu fühlen und nicht gut auf Gewaltvorfälle vorbereitet zu sein. Sicher fühlten sich nur 22 %. Keine Aussage wurde von 5 % der Teilnehmer gemacht ( Abb. 3).
Vorschläge für weitere Präventionsmaßnahmen
Mittels offener Antwortmöglichkeiten wurden Vorschläge für weitere Präventionsmaßnahmen erhoben. Am häufigsten wird sich auf organisatorischer Ebene die Implementierung eines (besseren) Sicherheitsdienstes (30 %) gewünscht, gefolgt von technischen Maßnahmen, insbesondere geschlossene Eingangstüren (15 %) und die Implementierung von Alarmknöpfen (13 %). Darüber hinaus wurden allgemein architektonisch/technische Anpassungen (5 %), Überwachungskameras (4 %) sowie Separationsmöglichkeiten für Patienten (3 %) vorgeschlagen. Weiterhin werden auf organisatorischer Ebene mehr Personal (6 %), die Ausstattung mit Fixiermaterialien (3 %), die Erarbeitung eines Notfallplans (2 %), die Möglichkeit, Hausverbote zu erteilen (2 %) sowie Unterstützung durch Ärzte (2 %) und Arbeitgeber (2 %) als sinnvolle Präventionsmaßnahmen gewünscht, um den Arbeitsplatz Notaufnahme sicherer zu gestalten. Als personelle Maßnahmen werden zum Umgang mit aggressiven/gewalttätigen Patienten Selbstverteidigungskurse (3 %), Deeskalationstraining (2%) und die Ausstattung mit Pfefferspray (1%) gewünscht. Zusätzlich wurden weitere Schulungen allgemein (1%), Teamschulungen (1%), Fixierschulungen (1%) sowie spezielle Fortbildungen (1%) genannt, um sich besser auf Patientenübergriffe vorzubereiten.
Nachsorge
Zu den am meisten vorhanden Nachsorgeangeboten bzw. -möglichkeiten, die per vorgegebener Antwortmöglichkeiten erfasst wurden, zählen Gespräche mit Kollegen (78%) und Vorgesetzten (50%), wobei bevorzugt auf gleicher Hierarchieebene über das Erlebte gesprochen wird (Kollegengespräch 50%, Vorgesetztengespräch 13%). Von den Befragten gaben 18% an, dass es in ihrer Einrichtung keine Maßnahmen zur Nachsorge nach einem Gewaltvorfall gibt und 9% gaben an, keine Nachsorgemaßnahmen in Anspruch genommen zu haben. Mit den wahrgenommenen Nachsorgeangeboten waren 35% der Befragten zufrieden bzw. sehr zufrieden (5%), 26% äußerten sich unzufrieden bzw. sehr unzufrieden (10%) über die Nachsorge nach dem Gewaltvorfall.
Zur Verbesserung des Nachsorgeangebots nach einem Patientenübergriff wurden sich von 36% der Teilnehmer (mehr) Gespräche gewünscht sowie Commitment des Arbeitgebers (27%), der Ärzte und von der Polizei (zusammen 14%).
Qualitative Interviews
Zum Vorkommen zu Gewalt gegen Pflegepersonen in Notaufnahmen wurde berichtet, dass diese täglich bis mehrmals täglich vorkommt und Alltag ist ( Tabelle 2).
Besonders interessant sind die Erkenntnisse in dem Punkt, wie die Interviewteilnehmer den Patientenübergriff emotional erlebt haben: Während die weiblichen Pflegekräfte über Schuldgefühle und Hilflosigkeit berichten, schildert die männliche Pflegekraft angespannt, aber ohne Angst gewesen zu sein. Im Gegensatz zu den weiblichen Interviewteilnehmerinnen wurde nicht nur über Enttäuschung von sich selbst, Schuldgefühle oder Hilflosigkeit berichtet. Vielmehr war sich der männliche Interviewteilnehmer darüber bewusst, dass er definitiv in Notwehr gehandelt hat, was von der Ausbildung zur Stationsleitung bekannt war. Daher wurde dies nicht als Belastung empfunden. Als hilfreich wurden Gespräche mit Personen empfunden, die nicht in dieser Notaufnahme arbeiten und den Patienten nicht kannten. Kritisch angemerkt wurde, dass das Auffangen von Mitarbeitern kein Ausbildungsbestandteil ist. Keinem der Interviewteilnehmer waren zum Zeitpunkt des Interviews Angebote der Berufsgenossenschaft zur Prävention und Nachsorge von Gewaltvorfällen bekannt (s. Tabelle 2).
Experteninterview
Mittels Experteninterview wurden die Kategorien „Aufgaben der Berufsgenossenschaft“, „Angebote der Berufsgenossenschaft“, „Nachfrage der Angebote“, „Zusammenarbeit mit Krankenhäusern“ und „Anmerkungen“ identifiziert und die Aussagen zugeordnet ( Tabelle 3).
Das Thema Gewalt gegen Pflegende hat für die Berufsgenossenschaft eine hohe Relevanz und gewinnt vor allem in der Prävention zunehmend an Bedeutung: Jedoch wird die Arbeit der Berufsgenossenschaft, bedingt durch die geringe Meldung von Patientenübergriffen als Arbeitsunfall, erschwert und eine hohe Dunkelziffer beklagt, deren Ursache multifaktoriellen Charakter hat (s. Tabelle 3).
Diskussion
Insgesamt lässt sich im Vergleich zu den Erkenntnissen aus dem Review von Kowalenko et al. (2012) feststellen, dass auch hierzulande Gewalt gegen Pflegende in Notaufnahmen ein ernstzunehmendes Thema ist. Diese Untersuchung zeigt, dass Pflegende in Notaufnahmen in erster Linie mit verbaler Gewalt, aber auch häufig mit körperlicher Gewalt konfrontiert sind. Ebenso wird von sexualisierter Gewalt berichtet, von der sowohl Frauen als auch Männer betroffen sind, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Die Interviewergebnisse der Betroffenen geben Hinweise darauf, dass gegen sie gerichtete Gewalt, insbesondere verbale Attacken, an der Tagesordnung sind, jedoch die Frequenz variiert und von aus Sicht der Betroffenen multiplen Faktoren abhängig ist. Männliche Pflegepersonen berichten häufiger von gegen sie gerichteter verbaler und körperlicher Gewalt als ihre weiblichen Kollegen. Dies könnte möglicherweise mit den ähnlichen Merkmalen der übergriffigen Patienten begründet werden. Denn Aggression und Gewalt geht mehrheitlich von männlichen Patienten im jungen Erwachsenalter bis 39 Jahre ohne Migrationshintergrund aus. Diese Merkmale sind mit dem Täterprofil der Polizei identisch (Ellrich et al. 2012), was darauf schließen lässt, dass die zunehmende Gewalt ein Phänomen der jüngeren Generationen ist und sich ein generelles gesellschaftliches Problem aufzeigt, das sich auch in den Notaufnahmen widerspiegelt. Als häufigster Auslöser von Gewaltvorfällen wird Alkoholeinfluss genannt, der unter anderem durch seine enthemmende Wirkung die Gewaltbereitschaft steigert, deutlich seltener sind Drogen dafür verantwortlich (Ohlbrecht et al. 2012). Aber auch lange Wartezeiten werden als ausschlaggebend für aggressives und gewalttätiges Patientenverhalten benannt.
Vor allem die besonders häufige Notwendigkeit der Anwendung extremer Maßnahmen wie Polizeieinsätze und Fixierungen macht die Gefahr deutlich, der Pflegende in Notaufnahmen durch gewalttätige Patienten ausgesetzt sind und verdeutlicht den großen Handlungsbedarf zum Schutz dieser Beschäftigtengruppe.
Das Belastungsempfinden der Pflegenden ist unterschiedlich ausgeprägt. Zwei Drittel der betroffenen Pflegekräfte fühlen sich durch alle erlebten Patientenübergriffe mit 56% mittelstark bzw. stark belastet (11%), bezogen auf den letzten Gewaltvorfall fühlte sich deutlich mehr als die Hälfte der Betroffenen mittelstark (43%) bzw. stark (11%) belastet. Die verhältnismäßig niedrigere Bewertung des Belastungsempfindens weist darauf hin, dass ein einzelner Gewaltvorfall zwar unter Umständen als weniger belastend empfunden wird, aber viele einzelne Patientenübergriffe durchaus ein stärkeres Belastungsempfinden erzeugen können, so dass kumulative Effekte vermutet werden können. Insgesamt zeugen die geschilderten kurz- und langfristigen Beanspruchungsfolgen sowie die Ausprägungen des Belastungsempfindens von einem hohen Leidensdruck der in der Notaufnahme beschäftigten Pflegenden durch Patientenübergriffe. Zusätzlich zu den in dieser Untersuchung identifizierten Beanspruchungsfolgen können weitere Beanspruchungsfolgen wie allgemeine psychosomatische Erkrankungen und akute Belastungsstörungen bis hin zur Posttraumatischen Belastungsstörung und Burnout auftreten und sogar zur Frühverrentung führen (Bundesverband der Unfallkassen 2005/2006; Kvas u. Seljak 2014; Kowalenko et al. 2012), was auch eine Belastung der Solidargemeinschaft darstellt. Insbesondere ist durch mangelnde Meldungen von Gewaltvorfällen als Arbeitsunfälle und den Voraussetzungen für eine Meldepflicht bei der Berufsgenossenschaft eine Unterstützung durch den Versicherungsträger in vielen Fällen nahezu ausgeschlossen. Auch die jeweilige Klinik bekommt die Beanspruchungsfolgen ihrer Beschäftigten zu spüren, indem die Arbeitszufriedenheit abnimmt, was hohe Fehlzeiten und Fluktuationen nach sich ziehen und sich letztlich auch auf die Qualität der Patientenversorgung auswirken kann. Auch kann sich die empfindliche Verletzung des Sicherheitsgefühls am Arbeitsplatz negativ auf die Patientenversorgung auswirken. So ist es zwar von den individuellen Eigenschaften sowie der subjektiven Wahrnehmung und Bewertung eines Gewaltvorfalls abhängig, ob dieser als belastend oder nicht belastend empfunden wird, wonach auch die beanspruchungsbedingten Gesundheitsfolgen individuell verschieden ausgeprägt sind. Jedoch sollten die psychischen Folgen keinesfalls unterschätzt werden. So ist es aus Sicht der Berufsgenossenschaft wünschenswert, dass die Organisationen Gewalt gegen Pflegende als wichtiges Thema erkennen sowie die Beschäftigten in einer Branche, die bekannt dafür ist, hart zu sich selbst zu sein, Selbst-Achtsamkeit lernen. Dieser Eindruck wurde durch die Betroffeneninterviews bestätigt, wobei im Gegensatz zum männlichen Interviewteilnehmer insbesondere die weiblichen Pflegekräfte über Schuldgefühle, Enttäuschung über sich selbst und Hilflosigkeit berichten. Dieser Hinweis auf eine unterschiedliche Wahrnehmung und Bewertung von Gewaltvorfällen zwischen männlichen und weiblichen Pflegekräften gilt es, in folgenden Untersuchungen zu überprüfen. Um eine Bagatellisierung und Tabuisierung von Gewaltereignissen zu verhindern, muss ein Problembewusstsein auf allen Hierarchieebenen geschaffen werden.
Da Führungskräfte zum einen aufgrund ihrer Führungsrolle in der Verantwortung sind, zum anderen bei der Gewaltprävention auch als Multiplikatoren fungieren können, ist es von immenser Bedeutung, dass sie sich der Problematik bewusst sind und wissen, was sie tun müssen, um ihren Verpflichtungen gerecht werden zu können (Nimmesgern u. Bäurle 2016). In der Realität vernachlässigen diese aber oftmals aufgrund von Zeitmangel oder Bagatellisierung des Themas sowie aus Unsicherheit ihre Fürsorgepflicht (s. Tabelle 3). Dies kann zur Folge haben, dass Beschäftigte sich nach Gewaltvorkommen nicht mehr äußern, weil sie davon ausgehen, dass sie damit ohne Hilfe umgehen können müssen. Das Phänomen der Bagatellisierung und Tabuisierung des Themas spiegelt sich auch in dem Arbeitsunfallmeldeverhalten von Patientenübergriffen wider. Diesbezüglich wird eine hohe Dunkelziffer beklagt (Kvas u. Seljak 2014; Schablon et al. 2012). Demnach haben lediglich 4% der Befragten den Gewaltvorfall per Unfallanzeige der Berufsgenossenschaft gemeldet. Die Grenzen zur Meldepflicht und das entsprechende Meldeverhalten bringt die Berufsgenossenschaft trotz vielfältiger Unterstützungsangebote an Grenzen: Wenn die Berufsgenossenschaft nicht informiert wird, weiß sie von den Gewaltvorfällen nichts und kann nicht unterstützen. Daher wird gefordert, dass die Organisationen Verantwortung für dieses Thema übernehmen. Bei jedem Gewaltereignis handelt es sich versicherungsrechtlich grundsätzlich um einen Arbeitsunfall, wenn durch ein äußeres Ereignis ein körperlicher Schaden oder eine psychische Erkrankung verursacht wird. Bei einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen ist der Arbeitgeber verpflichtet, der zuständigen Unfallversicherung den Unfall zu melden. Dies sollte bei einem Gewaltvorfall aus Sicht der Autoren auch verpflichtend sein, wenn keine unmittelbare Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Denn häufig wird unterschätzt oder tabuisiert, dass selbst wenn keine sichtbaren Verletzungen vorliegen, eine psychische Traumatisierung erfolgt. In jedem Fall sollte jedes Gewaltereignis mit oder ohne Verletzungsfolgen betriebsintern im Verbandsbuch oder einem eigenem Dokumentationssystem erfasst werden, damit die genauen Umstände auch zu einem späteren Zeitpunkt oder bei später auftretenden Folgen nachvollziehbar sind.
Hinsichtlich der Prävention von Gewaltereignissen fühlen sich trotz teilweise vorhandener und genutzter Fortbildungsangebote knapp drei Viertel der befragten Pflegenden an ihrem Arbeitsplatz nicht sicher und nicht gut auf derartige Situationen vorbereitet. Als Gründe dafür wurden hauptsächlich das Fehlen bzw. das unzureichende Vorhandensein eines Sicherheitsdienstes sowie uneingeschränkter Zutritt zur Notaufnahme genannt. Dies deutet darauf hin, dass die bislang ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichend sind und sowohl organisatorische als auch technische Präventionsmaßnahmen sich positiv auf das Belastungsempfinden betroffener Mitarbeiter auswirken (Schablon et al. 2012). Auch zeigt die Untersuchung, dass die Beschäftigten als Experten ihres Arbeitsbereichs diesen besonders gut kennen und Bedarfe identifizieren können, weshalb sie bei der Beurteilung der Gefährdung und Ableitung geeigneter Präventionsmaßnahmen und deren Evaluierung immer mit einbezogen werden sollten.
Im Rahmen der Nachsorge von Gewaltvorfällen lässt sich insgesamt in der Untersuchung feststellen, dass zwar verschiedene Angebote vorhanden sind, diese aber nicht immer in Anspruch genommen werden. Zu den am meisten angegebenen Möglichkeiten zählen Gespräche mit Kollegen und Vorgesetzten mit Bevorzugung der gleichen Hierarchieebene. Mit den wahrgenommenen Nachsorgeangeboten waren 26% der Befragten unzufrieden bzw. nur 10% sehr unzufrieden, so dass sich in der Nachsorge ein Optimierungsbedarf zeigt. Grundsätzlich gilt in der Nachsorge, dass die persönlichen Erlebnisse der Beschäftigten von der Führungskraft im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht ernst zu nehmen sind und Angebote zur Nachsorge nach sich ziehen müssen. Dabei sollte die Nachsorge im Sinne eines Notfall-/Krisenmanagements als fester Prozess im betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) definiert sowie professionell koordiniert und durchgeführt werden. Dabei ist der Betriebsarzt nach Gewaltereignissen ein adäquater Ansprechpartner für die Beschäftigten, der auch weitere adäquate Maßnahmen im Rahmen des BGM koordinieren kann. Auch sollte Gewalt gegen Beschäftigte in Notaufnahmen nicht durch die Klinik toleriert und immer geprüft werden, ob Strafanzeige gegen Tatpersonen gestellt wird.
Schlussfolgerungen
Gewalt gegen Pflegende in Notaufnahmen ist ein Thema, das nach wie vor im Klinikalltag bagatellisiert und tabuisiert wird. Dabei gelten im Bereich der Gesundheitsversorgung Notaufnahmen als Hochrisikobereiche für Gewalt am Arbeitsplatz. Ein Großteil der Pflegekräfte in diesem Arbeitsbereich fühlt sich dadurch belastet sowie nicht sicher und nicht gut auf Gewaltvorfälle vorbereitet. Zudem liegen Hinweise auf kurz- und langfristige Beanspruchungsfolgen vor, verbunden mit dem Risiko für weit reichende Konsequenzen für die Beschäftigten, für Patienten, den Arbeitgeber und die Gesellschaft. Ebenso besteht ein Optimierungsbedarf in der Nachsorge nach Gewaltvorfällen, die für die Risikoreduzierung psychischer Gesundheitsfolgen essentiell ist. Arbeitgeber und Führungskräfte müssen umdenken und Verantwortung für dieses Thema übernehmen, indem schrittweise eine Präventionskultur geschaffen wird, in der Gewalt nicht toleriert wird. Dies sollte auch als Leitsatz in dem Unternehmensleitbild von Kliniken verankert werden. Vor allem sollten Arbeitsschutzvorschriften umgesetzt werden, da diese z.B. mit der Gefährdungsbeurteilung das Ergreifen strukturierter, zielgerichteter Präventionsmaßnahmen ermöglicht.
Patientenübergriffe sollten ernst genommen werden, konsequent erfasst und betriebsintern dokumentiert sowie auch unterhalb der Schwelle der Meldepflicht als Arbeitsunfall konsequent gemeldet werden können. Dafür ist es von Bedeutung, dass auch die Pflegenden für das Thema sensibilisiert werden und Gewalt nicht mehr als normalen Bestandteil ihrer Arbeit betrachten. Eine Ausweitung des Schutzparagrafen auf die Pflegekräfte in Notaufnahmen wird als sinnvoll erachtet, da diese als Schnittstelle zwischen präklinischer und klinischer Notfallversorgung mit zum Teil der gleichen Risikogruppe wie im präklinischen Setting konfrontiert sind.
Durch die mangelnde Studienlage in Deutschland besteht weiterhin Forschungsbedarf zu diesem Thema, insbesondere zur bundesweiten Häufigkeit von Patientenübergriffen im Setting Notaufnahme sowie den Beanspruchungsfolgen. Auch sollten Interventionen zur Prävention und Nachsorge hinsichtlich ihrer Wirksamkeit überprüft werden, um den Einrichtungen entsprechende Empfehlungen aussprechen zu können. Darüber hinaus sollten auch Angehörige, Freunde und Besucher von Patienten in Erhebungen miterfasst werden, da von diesen ebenfalls eine Gefahr für aggressives und gewalttätiges Verhalten ausgehen kann.
Interessenkonflikt: Die Autorinnen geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
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Diekmann A: Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen. 6. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2012.
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Für die Verfasserinnen
Heidi Schuffenhauer
Bachelor of Science, Gesundheitsmanagement
Hochschule Fulda – University of Applied Sciences
Fachbereich Pflege und Gesundheit
Leipziger Straße 123
36037 Fulda
Fußnoten
Hochschule Fulda – University of Applied Sciences, Fachbereich Pflege und Gesundheit