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Abstract / Zusammenfassung
Designing health-promoting digitalisation processes in organisations: Scientific overview of demands and support factors for employees
Objective: Digitalisation processes can bring about far-reaching changes in how work is organised and influence the working conditions of employees. This review article examines the demands and support factors which employees experience in the course of such digitalisation processes and how these can be designed in a way that promotes health.
Methods: A systematic literature search in the PubMed and Web of Science databases was conducted. German and English-language studies published from the year 2013 onwards which examined specific digitalisation measures/projects in companies or public institutions and described results on the impact of digitalisation processes on employees or with regard to process design were included. The results were presented as a qualitative summary.
Results: Overall, nine studies were included in the review. A lack of goals, strategies and responsibilities for the implementation of digitalisation measures, a lack of transparency, increased workload as well as insufficient support and time resources can be perceived as demanding by employees. Conversely, comprehensive information, active involvement, the provision of training and support at technical level and by supervisors comprise support factors in the process. Accordingly, the preparation and organisation of the process, personnel resources, support measures, participation and communication offer relevant opportunities for a health-promoting design of the digitalisation project.
Conclusions: Organisations should consider and help shape potential impacts of digitalisation processes for their employees right from the beginning of the measure. This can be achieved by understanding the implementation of digitalisation measures as a holistic process which requires change management and change leadership.
Keywords: digitalisation – digital transformation – change management – workplace health promotion
doi:10.17147/asu-1-316850
ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2023; 58: –0
Gesundheitsförderliche Gestaltung von Digitalisierungsprozessen in Organisationen: Wissenschaftlicher Überblick von Anforderungen und Unterstützungsfaktoren für Beschäftigte
Zielstellung: Digitalisierungsprozesse können weitreichende arbeitsorganisatorische Veränderungen mit sich bringen und Einfluss auf die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten nehmen. Der vorliegende Übersichtsartikel untersucht, welche Anforderungen und Unterstützungsfaktoren Beschäftigte im Zuge solcher Digitalisierungsprozesse erleben und wie diese gesundheitsförderlich gestaltet werden können.
Methoden: Es wurde eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken PubMed und Web of Science durchgeführt. Eingeschlossen wurden deutsch- und englischsprachige Studien ab dem Jahr 2013, die konkrete Digitalisierungsmaßnahmen/-projekte in Unternehmen oder staatlichen Einrichtungen untersuchten und Ergebnisse zu den Auswirkungen der Digitalisierungsprozesse auf die Beschäftigten oder hinsichtlich der Prozessgestaltung beschrieben. Die Ergebnisdarstellung erfolgte als qualitative Zusammenfassung.
Ergebnisse: Insgesamt wurden neun Studien in die Übersicht eingeschlossen. Fehlende Ziele, Strategien und Verantwortlichkeiten für die Implementierung der Digitalisierungsmaßnahme, Intransparenz, erhöhte Arbeitsbelastung sowie unzureichende Unterstützung und zeitliche Ressourcen können von Beschäftigten als Anforderung wahrgenommen werden. Umfangreiche Information, aktive Einbindung, Bereitstellung von Schulungsmaßnahmen und Unterstützung auf technischer Ebene und durch die Führung stellen dagegen Unterstützungsfaktoren im Prozess dar. Entsprechend bieten die Vorbereitung und Ausgestaltung des Prozesses, personelle Ressourcen, Unterstützungsmaßnahmen, Partizipation und Kommunikation relevante Möglichkeiten für eine gesundheitsförderliche Gestaltung des Digitalisierungsvorhabens.
Schlussfolgerungen: Organisationen sollten mögliche Auswirkungen von Digitalisierungsprozessen für ihre Beschäftigten bereits zu Beginn der Maßnahme berücksichtigen und mitgestalten. Das kann gelingen, indem die Implementierung von Digitalisierungsmaßnahmen als ganzheitlicher Prozess verstanden wird, der ein Change-Management und Change-Leadership erfordert.
Schlüsselwörter: Digitalisierung – digitale Transformation – Change-Management – betriebliche Gesundheitsförderung
Einleitung
In Deutschland hat der Digitalisierungsgrad in den letzten Jahren stark zugenommen und wird auch in Zukunft weiterhin an Bedeutung gewinnen. Organisationen setzen verstärkt auf digitale Technologien und Prozesse, um effizienter zu arbeiten und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Die digitale Transformation in der Arbeitswelt bezieht sich auf den Einsatz digitaler Technologien und Lösungen, um Arbeitsprozesse effizienter und produktiver zu gestalten (Stamer 2021). Dies kann beispielsweise den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), Automatisierung oder Cloud-Computing umfassen. Während dies viele Vorteile mit sich bringt, wie die Verbesserung der Kommunikation und Zusammenarbeit, die Optimierung von Arbeitsabläufen und die Steigerung der Flexibilität, gibt es auch Herausforderungen zu bewältigen. Dazu gehört die Notwendigkeit, Mitarbeitende auf die neuen Technologien vorzubereiten, Datenschutz- und Sicherheitsbedenken sowie die mögliche Auswirkung auf Arbeitsplätze. Insgesamt bietet die digitale Transformation jedoch die Möglichkeit, die Arbeitswelt zu verbessern und neue Chancen zu schaffen (Mache u. Harth 2020).
Auch in deutschen Unternehmen hat die Digitalisierung einen hohen Stellenwert. Viele Unternehmen investieren in die Modernisierung ihrer IT-Infrastruktur, die Einführung von digitalen Geschäftsmodellen und die Schulung ihrer Mitarbeitenden in digitalen Kompetenzen. Durch die Digitalisierung können Prozesse automatisiert, Daten besser genutzt und neue Geschäftsfelder erschlossen werden.
Digitalisierungsprozesse stehen mehrheitlich auch im Zusammenhang mit arbeitsorganisatorischen Veränderungen. Digitalisierungsprozesse bedeuten neben technischen Erneuerungen auch Effekte auf die Arbeitsbedingungen (z. B. Arbeitsorganisation, -inhalte
etc.) der Beschäftigten (Arnold et al. 2016) und somit auf die Arbeitsanforderungen und -ressourcen (Demerouti et al. 2001).
Nach dem Job-Demands-Resources-(JD-R-)Modell (dt.: Arbeitsanforderungen-Arbeitsressourcen-Modell) von Demerouti et al. (u. a. Bakker u. Demerouti 2007; Demerouti et al. 2001) können Arbeitsbedingungen in Arbeitsanforderungen und in Arbeitsressourcen unterteilt werden. Unter Arbeitsanforderungen (im Folgenden Anforderungen) werden nach dem Modell „physische, psychische, soziale und organisatorische Aspekte der Arbeit, die eine, in der Regel länger andauernde, physische und/oder psychische Anspannung erfordern, und demzufolge mit bestimmten physiologischen und/oder psychischen Kosten zusammenhängen“ verstanden (Demerouti u. Nachreiner 2019, S. 121). Arbeitsressourcen stellen dagegen die Bedingungen dar, die zur Erreichung arbeitsbezogener Ziele, Reduktion von Anforderungen und deren Kosten sowie zur persönlichen Entwicklung beitragen (Bakker u. Demerouti 2007; Demerouti et al. 2001; Demerouti u. Nachreiner 2019). Diese werden im Folgenden in Ergänzung zu personenbezogenen Ressourcen, wie zum Beispiel Selbstwirksamkeit und dispositioneller Optimismus (Schwarzer u. Jerusalem 2002), als Unterstützungsfaktoren bezeichnet.
Digitalisierungsprozesse können als Form von Change-Management betrachtet werden, da sie Veränderungen in Organisationen mit sich bringen (Schlicher et al. 2018). Change-Management bezieht sich auf die Planung, Durchführung und Steuerung von Veränderungsprozessen, um die Akzeptanz und den Erfolg der Veränderungen sicherzustellen.
Bei Digitalisierungsprozessen geht es darum, analoge Prozesse und Arbeitsweisen durch digitale Technologien zu ersetzen oder zu optimieren. Dies kann bedeuten, dass bestehende Arbeitsabläufe verändert oder sogar komplett neugestaltet werden müssen. Es kann auch bedeuten, dass neue Technologien und Systeme eingeführt werden müssen, um die Digitalisierung zu ermöglichen. Die Einführung intelligenter und technischer Systeme in die Unternehmen wird häufig im Rahmen eines Projekts geplant und umgesetzt. Da allerdings große Veränderungen im Unternehmen und für die Beschäftigten durch deren Einführung zu erwarten sind, sollte parallel ein Change-Management-Prozess eingeleitet werden. Change-Management bei Digitalisierungsprozessen beinhaltet die Kommunikation und Einbindung der betroffenen Mitarbeitenden. Von zentraler Bedeutung ist, dass die Notwendigkeit und der Nutzen der Digitalisierung verstanden und akzeptiert wird (Bretschneider et al. 2020). Dies kann durch Schulungen, Workshops und Informationsveranstaltungen erreicht werden.
Darüber hinaus müssen Führungskräfte und das Management in den Veränderungsprozess einbezogen werden. Vision und Ziele der Digitalisierung müssen klar kommuniziert und die Beschäftigten bei der Umsetzung unterstützt werden. Ein wichtiges Ziel von Initiativen zur digitalen Transformation besteht darin, Führungskräfte und Teams dabei zu unterstützen, ihre Abläufe effizienter und wettbewerbsfähiger zu gestalten. Neue Technologien spielen eine zentrale Rolle bei der Transformation, doch Geschäftsprozesse, Geschäftsmodelle, Unternehmenskultur und Transformationsbereitschaft sind ebenso von Bedeutung (Hofmann et al. 2020).
Insgesamt ist Change-Management bei Digitalisierungsprozessen entscheidend, um die Akzeptanz und den Erfolg der Veränderungen sicherzustellen. Es hilft, Widerstände zu überwinden, die Mitarbeitenden einzubeziehen und den Veränderungsprozess effektiv zu steuern.
Zielstellung
Der vorliegende Artikel ist Teil des Projekts „DigitalGesund“. Dessen übergeordnetes Ziel ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse im Themenfeld der gesundheitsförderlichen Gestaltung von Digitalisierungsprozessen in Organisationen sowie Handlungsempfehlungen zu entwickeln. In diesem Projektteil wurde zunächst anhand der vorhandenen wissenschaftlichen Literatur untersucht, wie Digitalisierungsprozesse gesundheitsförderlich gestaltet werden können und welche Erkenntnisse dazu bereits vorliegen. Dabei wurde sich insbesondere den folgenden Forschungsfragen gewidmet:
Methoden
Es wurde eine systematische Literaturrecherche in den Literaturdatenbanken PubMed und Web of Science am 15.06.2023 durchgeführt. Dabei wurden Suchbegriffe für die Population von Beschäftigten in Organisationen (z. B. „employee“), für die Exposition der Digitalisierungsprozesse (z. B. „digital transformation“) und die Zielgrößen der Anforderungen, Unterstützungsfaktoren und gesundheits- und arbeitsbezogenen Outcomes (z. B. „job demand“) miteinander verbunden. Der gesamte Suchstring der Datenbankrecherche ist in ➥ Tabelle S1 ersichtlich (siehe Anhang beim Online-Beitrag). Ergänzend wurde manuell über Google Scholar nach weiteren Studien gesucht.
Die Studienauswahl erfolgte nach vorab festgelegten Ein- und Ausschlusskriterien.
Eingeschlossen wurden deutsch- und englischsprachige Studien, die nach dem 01.01.2013 publiziert worden sind. Die Studienpopulation musste angestellte Beschäftigte oder Führungskräfte in Organisationen (Unternehmen oder staatliche Einrichtungen) umfassen. Im Hinblick auf den Digitalisierungsprozess wurden Studien eingeschlossen, die konkrete Digitalisierungsmaßnahmen/-projekte (z. B. Implementierung einer neuen Technologie) untersuchten. Ausgeschlossen wurden dabei Studien, die eine gesamte digitale Umstellung beziehungsweise generelle digitale Transformation als fortlaufenden Prozess einer Organisation beschrieben. Entsprechend wurden Studien ausgeschlossen, deren Zielgrößen sich nicht auf die Auswirkung und Gestaltung des Digitalisierungsprozesses bezogen, sondern ausschließlich auf die digitale Transformation der Arbeit (z. B. digitaler Stress) oder die direkten Auswirkungen der neu eingeführten Technologie. Es wurden alle Studiendesigns im Review berücksichtigt. Bezüglich des Publikationstyps wurden Editorials, Kommentare sowie Studienprotokolle ausgeschlossen.
Im Rahmen der Studienauswahl wurden durch die Erstautorin im ersten Schritt die Dubletten entfernt, anschließend erfolgten im zweiten Schritt das Titel- und Abstract-Screening sowie im dritten Schritt das Volltext-Screening. Bei Unklarheiten bezüglich des Ein- oder Abschlusses von Studien wurden diese im Projektteam diskutiert und ein gemeinsamer Konsens getroffen.
Aus allen eingeschlossenen Studien wurden mittels einer standardisierten Vorlage folgende Informationen extrahiert: Autorinnen/Autoren und Erscheinungsjahr der Studie, Land, Ziel beziehungsweise Fragestellung, Studiendesign, Setting, Methodik, Art des Digitalisierungsprozesses, Messgrößen und Ergebnisse. Die extrahierten Ergebnisse aus den Studien wurden mithilfe eines induktiv entwickelten Kategoriensystems kodiert. Dabei kam die Software MAXQDA 2020 zum Einsatz. Die inhaltliche Darstellung der Ergebnisse erfolgte ausschließlich als qualitative Zusammenfassung.
Ergebnisse
Systematische Recherche
Insgesamt wurden durch die systematische Recherche in den Datenbanken PubMed und Web of Science 622 Treffer generiert. Nach Entfernung der Duplikate und dem Titel- und Abstract-Screening verblieben 33 Treffer für die Volltextprüfung. Eine weitere Studie wurde durch Google Scholar identifiziert. Insgesamt wurden neun Studien in die qualitative Zusammenfassung eingeschlossen. ➥ Abb. 1 gibt eine Übersicht über den Such- und Auswahlprozess, basierend auf den bevorzugten Report Items für systematische Übersichten und Meta-Analysen (PRISMA) 2020 Statement (Page et al. 2021).
Studienbeschreibung
➥ Tabelle S2 (im Anhang des Online-Beitrags) gibt eine Übersicht der zentralen Charakteristika der eingeschlossenen Studien. Von den eingeschlossenen Studien kamen vier aus Deutschland (Ben Rehouma et al. 2020; Boppert et al. 2022; Deacon et al. 2023; Schlicher
et al. 2022), zwei aus Norwegen (Fredriksen et al. 2021; Zhang et al. 2023), zwei aus Australien (Evans et al. 2021; Scott et al. 2019) und eine aus dem Kosovo (Pacolli 2022). Bei drei Studien handelte es sich um Reviews (Deacon et al. 2023; Pacolli 2022; Scott et al. 2019), wobei Scott et al. (2019) zusätzliche Workshops und Prüfungen durch Expertinnen und Expertzen vornahmen. Zwei Studien umfassten ein Mixed-Methods-Design mit qualitativen und quantitativen Anteilen im Querschnitt (Ben Rehouma et al. 2020) und im Längsschnitt (Boppert et al. 2022). Drei weitere Studien hatten ein rein qualitatives Design (Evans et al. 2021; Fredriksen et al. 2021; Zhang et al. 2023) und bei einer Studie handelte es sich um eine experimentelle Vignettenstudie (Schlicher et al. 2022). Die Untersuchungen in den Studien wurden in verschiedensten Branchen durchgeführt. Vier Studien umfassten dabei Organisationen aus mehreren Branchen (Boppert et al. 2022; Evans et al. 2021; Schlicher et al. 2022; Zhang et al. 2023). Als häufigste Branchen waren die öffentliche Verwaltung (Ben Rehouma et al. 2020; Evans et al. 2021; Schlicher et al. 2022; Zhang et al. 2023), das Gesundheitswesen (Fredriksen et al. 2021; Schlicher et al. 2022; Scott et al. 2019), die IT-Branche (Boppert et al. 2022; Schlicher et al. 2022) und das Bank- und Finanzwesen (Evans et al. 2021; Zhang et al. 2023) vertreten. Bei den eingeführten Digitalisierungsmaßnahmen in den untersuchten Organisationen handelte es sich um allgemeine, nicht näher beschriebene Informationstechnologie (IT-)Projekte (Ben Rehouma et al. 2020; Evans et al. 2021; Pacolli 2022), IT-gestützte Kooperationssysteme (Boppert et al. 2022; Fredriksen et al. 2021), neue Computersoftware (Schlicher et al. 2022), Bildungstechnologien in Form von Soft- und Hardware (Deacon et al. 2023), die elektronische Patientenakte (Scott et al. 2019) und auf KI basierende Chatbots (Zhang et al. 2023).
Anforderungen im Kontext von Digitalisierungsprozessen
Die ➥ Abb. 2 zeigt eine Übersicht der identifizierten potenziellen Anforderungen von Beschäftigten im Kontext von Digitalisierungsprozessen und des einhergehenden Change-Managements. Diese beziehen sich auf die Führung, den Arbeitsinhalt sowie auf die Arbeitsorganisation.
Der Geschäftsführung und den Managementbereichen von Organisationen kommt in Digitalisierungsprozessen eine besondere und vielschichtige Rolle zu. Dazu gehört auch die gesunde Gestaltung der Arbeit im Hinblick auf die Anforderungen von Beschäftigten (Boppert et al. 2022). Zwei Studien betonten dahingehend, dass fehlendes Engagement der Geschäftsführung in Bezug auf die Digitalisierungsmaßnahme demotivierend auf Mitarbeitende wirke (Deacon et al. 2023; Evans et al. 2021). Im Hinblick auf die Planung und Strategie zur Einführung von Technologien gab Pacolli (2022) in ihrem Review Faktoren an, die zu Misserfolgen bei der Umsetzung der Veränderung beitragen können. Dazu gehörten ein unzureichendes Wissen und Bewusstsein um die Auswirkungen von Veränderungen sowie eine unzureichende Strategie zur Durchführung von Veränderungen. Als weiteren Faktor nannte sie das Versäumnis, erforderliche Ressourcen zur Unterstützung und potenzielle Risiken im Zusammenhang mit dem Veränderungsprozess zu ermitteln. Drei Studien berichteten eine fehlende Unterstützung der Mitarbeitenden seitens der Führung/des Managements. Deacon et al. (2023) beschrieben in ihrem Review in Bezug auf die Implementierung von Bildungstechnologien in universitären Einrichtungen fehlende Unterstützungsstrukturen für die Mitarbeitenden und fehlende Anerkennung durch die Universitätsleitung insbesondere des zeitlichen Aufwands der Implementierung. Diese fehlende institutionelle Anerkennung und Entschädigung insbesondere des zusätzlichen Zeitaufwands führte bei Beschäftigten dazu, die neuen Bildungstechnologien nicht anzunehmen bis hin zur Absicht, den Arbeitgeber zu wechseln. Fredriksen et al. (2021) beobachteten, dass Führungskräfte im Implementierungsprozess eines digitalen Systems für die Zusammenarbeit in kommunalen Gesundheitsdiensten nicht anwesend waren und sich passiv verhielten. Für die Mitarbeitenden bedeutete dies, dass sie keine Anleitung von Führungskräften erhielten, Entscheidungen über die Einführung des Systems ausstanden, Rollen und Aufgaben nicht geklärt wurden und keine zusätzliche Zeit gewährt wurde, um sich mit dem System vertraut zu machen. Dadurch entstand Unsicherheit hinsichtlich der Verantwortlichkeiten, die sich negativ auf das Engagement der Beschäftigten in dieser Phase der Technologieeinführung auswirkte. Pacolli (2022) beschrieb in ihrem Review die unzureichende Schulung der Mitarbeitenden im Vorfeld des geplanten Digitalisierungsprozesses als fehlenden Unterstützungsfaktor, der zum Misserfolg in der nachhaltigen Umsetzung des Vorhabens beitragen kann.
Mehrere Anforderungen ließen sich zudem dem Arbeitsinhalt zuordnen. Durch die Einführung einer neuen Technologie kann es für die Beschäftigten zu Änderungen ihrer Rolle und ihrer Aufgaben beziehungsweise Tätigkeit kommen. Dahingehend stellten Schlicher et al. (2022) in ihrer experimentellen Studie fest, dass Änderungen der Arbeitstätigkeit in einem statistisch signifikanten negativen Zusammenhang mit der positiven Einstellung zur Veränderung, der Zufriedenheit mit dem Veränderungsprozess und der Absicht, die eingeführte Technologie zu nutzen, standen. Dieser Zusammenhang wurde durch ein Gefühl der Unzufriedenheit in Bezug auf eigene Bedürfnisse und der Frustration mediiert.
Als weiteren Faktor, der sich negativ auf eine erfolgreiche Implementierung von Veränderungen in Unternehmen auswirken kann, beschreibt Pacolli (2022) die unzureichende Kommunikation, sowohl zu Beginn des Prozesses als auch in regelmäßigen Abständen während des Prozesses. Problematisch ist dabei auch, wenn Mitarbeitende den Grund für die geplante Veränderung nicht vollständig verstehen können. Inhaltliche Transparenz spielt bei der Kommunikation somit eine wichtige Rolle. In der Studie von Zhang et al. (2023) kritisierten einzelne Befragte, dass es zu wenig Information zu den Einsatzplänen für Beschäftigte gab, deren Arbeitsplätze möglicherweise von der zunehmenden Automatisierung betroffen sein und reduziert werden könnten, und dass potenzielle mit der Technologieimplementierung einhergehende Herausforderungen heruntergespielt wurden.
In selbiger Studie bereitete es Beschäftigten zudem Sorge, dass die Qualität ihres Kundenservices unter der neuen KI-basierten Technologie leiden könnte, weshalb Widerstand gegen den Implementierungsprozess entstand (Zhang et al. 2023).
Weitere potenzielle Anforderungen betreffen die Arbeitsorganisation. Dahingehend nannten Deacon et al. (2023) ein erhöhtes Arbeitsaufkommen und zusätzlichen Zeitaufwand für Beschäftigte im Zuge der Implementierung von Bildungstechnologien. Diese gingen oftmals mit fehlenden Unterstützungsstrukturen seitens der Führung einher. Evans et al. (2021) sahen eine größere Arbeitsmenge im Zuge der Transformation vor allem bei allgemeinen Organisationsbereichen wie dem Personalwesen, die dort Potenzial für ein hohes Stresslevel und Widerstand gegen die Veränderung bot. Zhang et al. (2023) beschrieben, dass im Zuge der Einführung von Chatbots im Kundenservice ein neues Team für die Bereitstellung und Weiterentwicklung der Inhalte der KI aus internen Mitarbeitenden zusammengestellt wurde, die ihre Arbeitszeit im Kundendienst anteilig reduzierten. Dadurch kam es insbesondere in kleineren Kundendienstabteilungen zu einem erhöhten Arbeitsaufkommen, das nicht allein durch die neue Unterstützung durch Chatbots aufgefangen werden konnte. Darüber hinaus führten unrealistische Zeitvorgaben im Umsetzungsprozess dazu, dass sich Mitarbeitende unter Zeitdruck fühlten
(Pacolli 2022).
Im Zuge von Digitalisierungsprozessen können auch direkte arbeitsorganisatorische Abläufe von Veränderungen betroffen sein. Dahingehend untersuchten Schlicher et al. (2022) fiktive Szenarien, in denen eine Technologieeinführung mit großen und geringen Änderungen täglicher Arbeitsabläufe einherging. Eine große Änderung der Abläufe wirkte sich statistisch signifikant negativ auf die Einstellung der Befragten zur Veränderung aus.
Die Rollenunklarheit ist eine weitere Anforderung, die in zwei Studien beschrieben wurde (Deacon et al. 2023; Fredriksen et al. 2021). Unklarheiten über die eigene Rolle im Zuge des Digitalisierungsprozesses führten bei den betroffenen Beschäftigten zu Unsicherheit hinsichtlich ihrer Verantwortung und einem geringeren Engagement im Prozess (Fredriksen et al. 2021). Rollenunklarheiten und fehlendes Fachwissen bezüglich der Durchführung von Schulungen trugen zudem zu einer Unterstützungslücke für die von der Digitalisierungsmaßname betroffenen Mitarbeitenden bei (Deacon et al. 2023).
Wenn die Technologieeinführung als Bedrohung des eigenen Arbeitsplatzes wahrgenommen wurde, konnte dies wiederum in Widerstand gegenüber dem Implementierungsprozess münden (Evans et al. 2021; Zhang et al. 2023).
Unterstützungsfaktoren im Kontext von Digitalisierungsprozessen
In ➥ Abb. 3 sind die potenziellen Unterstützungsfaktoren von Beschäftigten im Kontext von Digitalisierungsprozessen und des einhergehenden Change-Managements aufgeführt.
Als Unterstützungsfaktor von Beschäftigten im Zuge von Digitalisierungsprozessen stellten mehrere der eingeschlossenen Studien die Relevanz von Information und Transparenz heraus. Mitarbeitende sollten vor allem über die Ziele der Digitalisierungsmaßnahme (Deacon et al. 2023), die neue Technologie an sich (Zhang et al. 2023), die Rollenverteilung im Veränderungsprozess (Deacon et al. 2023) und kontinuierlich über den aktuellen Projektstatus (Ben Rehouma et al. 2020) informiert werden. Dazu könnten formale Kanäle dienen (Zhang et al. 2023), wie zum Beispiel regelmäßige Meetings (Scott et al. 2019). Deacon et al. (2023) sahen darin eine wichtige Maßnahme zur Entwicklung eines Konsenses und einer gemeinsamen Vision im Hinblick auf den Digitalisierungsprozess. Ben Rehouma et al. (2020) fanden einen statistisch signifikanten positiven Zusammenhang zwischen Information und Kommunikation über die Technologieeinführung und der Einstellung der Mitarbeitenden zur Nutzung der Technologie. Die Expertinnen und Experten betonten in ihren Interviews zudem, dass Transparenz zum Projektstatus zu einer Reduktion von Fehlern beitrage. Daher sollte die Informationsverbreitung in Bezug auf die Informationsflüsse innerhalb des Projektteams und nach außen sowie in Bezug auf die Kommunikationskanäle und -formen zielgruppenspezifisch anhand einer Stakeholder-Analyse geplant werden.
In sieben der eingeschlossenen Studien wurde die Partizipation/Beteiligung der Beschäftigten beziehungsweise die aktive Einbindung der Mitarbeitenden in den Transformationsprozess hervorgehoben (Ben Rehouma et al. 2020; Boppert et al. 2022; Deacon et al. 2023; Fredriksen et al. 2021; Schlicher et al. 2022; Scott et al. 2019; Zhang et al. 2023). Dabei zeigte sich bei Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen aktiver Partizipation und einer positiven Einstellung zur Nutzung der IT (Ben Rehouma et al. 2020). In zwei experimentellen Untersuchungen stand die Bereitstellung von Partizipationsmöglichkeiten in einem statistisch signifikanten Zusammenhang mit einer positiven Einstellung zur Veränderung und der Zufriedenheit mit dem Veränderungsprozess (Schlicher et al. 2022). Entsprechend hing Autonomie über Entscheidungsprozesse negativ mit dem Widerstand gegenüber Veränderung zusammen (Boppert et al. 2022). Zur Umsetzung von Partizipation gab es unterschiedliche Ansätze. Bei Fredriksen et al. (2021) wurden aktuelle Herausforderungen und Bedürfnisse der Beschäftigten bereits im Vorfeld der Technologieeinführung aufgenommen, um diese zu verstehen und zu berücksichtigen. Eine fachliche Einbindung der betroffenen Mitarbeitenden führte zu einer höheren Akzeptanz (Zhang et al. 2023). Eine umfangreiche Testung von Prototypen und deren Akzeptanz mit allen betroffenen Beschäftigtengruppen war wiederum mit einer positiven Einstellung zur Nutzung assoziiert (Ben Rehouma et al. 2020; Scott et al. 2019). Als Methoden der Partizipation gaben Expertinnen und Experten Workshops beziehungsweise Fokusgruppen, Surveys/Onlinebefragungen, Interviews und schulbasierte Trainings an. Um eine geeignete Methode auszuwählen, sollten das Projektziel, die Rahmenbedingungen, Hierarchieebenen, technisches Wissen von Beschäftigten und die Gruppe der Nutzenden reflektiert werden. Bei kleinen Gruppen eigneten sich eher Workshops/Fokusgruppen, während bei großen Gruppen bevorzugt Surveys/Onlinebefragungen gewählt werden sollten (Ben Rehouma et al. 2020). Bei allen Formen und Methoden sollte immer genügend Zeit für die Software-Konfiguration im Hinblick auf den Input der betroffenen Mitarbeitenden eingeplant werden (Scott et al. 2019). Daher empfahlen Expertinnen und Experten in der Studie von Ben Rehouma et al. (2020) bereits in der Projektplanung den Grad von Partizipation und deren Rahmenbedingungen festzulegen. Dabei sei zu klären, inwieweit Vorschläge und Kritik der Beschäftigten einbezogen werden.
Qualifikation und Training im Zuge des Digitalisierungsprozesses kann für Beschäftigte ebenfalls ein wichtiger Unterstützungsfaktor sein (Ben Rehouma et al. 2020; Boppert et al. 2022; Deacon et al. 2023; Schlicher et al. 2022; Scott et al. 2019). In der Literatur wurden verschiedene Formen beschrieben. Scott et al. (2019) berichteten von vorgeschriebenen Schulungsmaßnahmen für alle betroffenen Beschäftigten und führten als Beispiele Demonstrationen der neuen Technologie, webbasierte Tutorials und praktische Übungen an. Befragte aus zwei mittelständischen Unternehmen hoben die positive Wirkung von betrieblichen Qualifizierungsmöglichkeiten, zum Beispiel in Form von Kursen mit Bezug zur Tätigkeit und strukturierten Weiterbildungen von Beschäftigtengruppen, auf die Nutzung und den empfundenen Nutzen der eingeführten IT-gestützten Kooperationssysteme hervor (Boppert et al. 2022). Deacon et al. (2023) betonten die Relevanz, Schulungsmaßnahmen auf die konkreten Bedürfnisse der Betroffenen anzupassen. In zwei experimentellen Untersuchungen stand die Bereitstellung von Schulungsmaßnahmen zum Ausgleich von Fähigkeitsverlusten durch die Einführung eines neuen Computersystems in einem direkten statistisch signifikanten Zusammenhang mit einer positiven Einstellung zur Veränderung und der Zufriedenheit mit dem Veränderungsprozess. In einer dritten Untersuchung moderierte die Bereitstellung der Schulungsmaßnahmen den negativen Zusammenhang zwischen Tätigkeitsänderungen und der Einstellung zur Veränderung sowie der Zufriedenheit mit dem Prozess und konnte somit einen negativen Effekt abpuffern (Schlicher et al. 2022). In der Studie von Ben Rehouma et al. (2020) zeigte sich ein signifikanter positiver Zusammenhang zwischen dem Erhalt von Schulungsmaßnahmen und der Einstellung zur Nutzung der IT bei den befragten Beschäftigten.
In ihrer Studie zur Einführung von Bildungstechnologien verwiesen Deacon et al. (2023) zudem auf die Bereitstellung technischer Beratung durch qualifizierte IT-Fachleute. Hilfen bei Problemen mit neuen Systemen sollten auch im Arbeitsalltag, zum Beispiel in Form direkter Unterstützung durch besonders qualifizierte Mitarbeitende oder eines Helpdesks, integriert werden (Scott et al. 2019). Der Erhalt von Unterstützung bei Problemen mit der IT stand in einem statistisch signifikanten Zusammenhang zu positiven Einstellungen zur Nutzung der IT bei Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung (Ben Rehouma et al. 2020). Auch die Anpassungsmöglichkeiten neuer Technologien an die Bedarfe der künftigen Nutzenden kann im Einführungsprozess sehr hilfreich sein (Deacon et al. 2023; Scott et al. 2019).
Als weiterer Bereich und Faktor für eine erfolgreiche Implementierung von Digitalisierungsmaßnahmen ist die Unterstützung des Projekts durch die Managementebene zu nennen (Zhang et al. 2023). Diese sollten den betroffenen Mitarbeitenden genügend Zeit und Ressourcen zum Kennenlernen des neuen Systems zur Verfügung stellen (Scott et al. 2019). Entsprechend resümierten Fredriksen et al. (2021), dass die Vorabplanung von hinreichend vorgesehenen zeitlichen Kapazitäten für die Einrichtung und ersten Nutzungserfahrungen der neuen Technologie ein essenzieller Unterstützungsfaktor für Mitarbeitende sei. Expertinnen und Experten für digitale Transformation betonten die signifikante Rolle, die die Führungsspitze bei der Veränderung einnehmen muss, indem sie Beschäftigte motivieren und anleiten (Evans et al. 2021). Zudem kommt direkten Führungskräften eine wichtige Vorbildfunktion zu. Diente die/der Vorgesetzte als Vorbild im Umgang mit IT und motivierte und unterstützte Mitarbeitende bei der Nutzung von IT, stand dies in einem signifikanten Zusammenhang mit der positiven Einstellung zur IT-Nutzung (Ben Rehouma et al. 2020).
Weitere Faktoren, die Beschäftigte im Digitalisierungsprozess als unterstützend wahrnehmen können, liegen in ihrer Person selbst. Bezüglich der Einführung von Bildungstechnologien im Bereich von Hochschulen und Universitäten ließen sich dahingehend die eigene digitale Kompetenz sowie die positive Einstellung gegenüber dem Veränderungsprozess und die intrinsische Motivation zur Nutzung der neuen Technologien ableiten (Deacon et al. 2023). Fredriksen et al. (2021) beobachteten es als unterstützend im Einführungsprozess einer Technologielösung, dass Mitarbeitende ein Verständnis dafür hatten, dass die Technologie ihre Arbeit verbessern
wird.
Erfolgsfaktoren, Maßnahmen und Empfehlungen
Im Folgenden werden aus den eingeschlossenen Studien extrahierte Maßnahmen und Empfehlungen für eine erfolgreiche Gestaltung von Digitalisierungsprozessen dargestellt, die gleichermaßen für eine gesundheitsförderliche Gestaltung der Prozesse relevant erscheinen. Die Empfehlungen beziehen sich auf die Vorbereitung und Gestaltung dieser Veränderungsprozesse, personellen Ressourcen, Bereitstellung von Unterstützung und Ressourcen, Partizipation und Kommunikation.
Vorbereitung des Digitalisierungsprozesses
Gestaltung des Digitalisierungsprozesses
Verantwortlichkeiten und personelle Ressourcen
Bereitstellung von Unterstützung und Ressourcen
Partizipation
Kommunikation
Diskussion
Der Übersichtsartikel fasst Erkenntnisse aus neun Studien zu den Anforderungen und Unterstützungsfaktoren von Beschäftigten im Kontext von Digitalisierungsprozessen sowie deren gesundheitsförderliche Gestaltungsmöglichkeit zusammen. Eine Anforderung stellt dar, wenn keine klaren Ziele, Strategien und Verantwortlichkeiten für die Implementierung der Digitalisierungsmaßnahme vorhanden sind und/oder diese nicht transparent kommuniziert werden. Durch die Veränderung von Arbeitstätigkeiten und -abläufen im Zuge der Digitalisierungsmaßnahme kann gerade zu Beginn ein erhöhtes Arbeitsaufkommen entstehen, insbesondere wenn für die Betroffenen keine Unterstützung und zeitlichen Ressourcen für die Umstellung zur Verfügung gestellt werden. Eine umfangreiche Information, aktive Einbindung, Bereitstellung von Schulungsmaßnahmen und Unterstützung auf technischer Ebene und durch die Führung gehen dagegen mit höherer Zufriedenheit und einer positiven Einstellung der Beschäftigten gegenüber der Digitalisierungsmaßnahme einher. Gestaltungsbereiche umfassen die Vorbereitung und Ausgestaltung des Digitalisierungsprozesses, personelle Ressourcen, Unterstützungsmaßnahmen, Partizipation und Kommunikation.
Die Ergebnisse zu den Veränderungen von Arbeitstätigkeiten und -abläufen im Zuge von Digitalisierungsprozessen und dem damit einhergehenden erhöhten Arbeitsaufkommen (Deacon et al. 2023; Fredriksen et al. 2021; Schlicher et al. 2022; Zhang et al. 2023) zeigten sich auch bei allgemeinen Umstrukturierungen/Umorganisationen in Unternehmen, die das unmittelbare Arbeitsumfeld von Beschäftigten beeinflussten. Betroffene berichteten häufiger von der Konfrontation mit neuen Aufgaben, starkem Termin- und Leistungsdruck, Störungen/Unterbrechungen und davon, dass nicht Erlerntes verlangt wird, verschiedene Aufgaben gleichzeitig betreut werden müssen und an der Grenze der Leistungsfähigkeit gearbeitet wird als Befragte in Unternehmen ohne Restrukturierungsmaßnahmen (Köper u. Richter 2016). Im Zuge von Digitalisierungsmaßnahmen sollten diese Aspekte zukünftig noch genauer und im Zusammenhang mit psychischen Beanspruchungsfolgen untersucht werden. Dabei könnte auch thematisiert werden, ob ein erhöhtes Arbeitsaufkommen ausschließlich kurzfristig im Digitalisierungsprozess entsteht oder diese längerfristig bestehen bleibt.
In vielen der eingeschlossenen Studien wurden die Information und Transparenz hinsichtlich des Digitalisierungsvorhabens und -prozesses sowie die Möglichkeit der Partizipation als Unterstützungsfaktoren identifiziert. Jedoch wurden diese Faktoren vor allem im Zusammenhang mit der Zufriedenheit mit dem Prozess, der Einstellung zur künftigen Nutzung oder dem Widerstand gegenüber der Veränderung untersucht (Ben Rehouma et al. 2020; Boppert et al. 2022; Schlicher et al. 2022). Es wurden keine Studien gefunden, die Zusammenhangsanalysen in Bezug auf die psychische Gesundheit von Beschäftigten vorgenommen haben. Dafür lässt sich ein Vergleich zu Studien aus dem Change-Management ziehen. In einem Projekt der Gesundheitsförderung Schweiz zur Büroraumgestaltung und dem begleitenden Veränderungsprozess wurden diverse Einflussfaktoren auf die psychische Gesundheit und das Arbeitsengagement von Beschäftigten in Change-Management-Prozessen zusammengefasst. Als Einflussfaktoren, die sich direkt auf den Ablauf des Veränderungsprozesses beziehen, identifizierten die Forschenden ebenfalls die Transparenz und Vorhersehbarkeit sowie die Kontrolle und Beeinflussbarkeit des Prozesses. Ein zusätzlicher Einflussfaktor, der im vorliegenden Review noch nicht beschrieben werden konnte, war zudem der Aspekt der Fairness und Gerechtigkeit im Veränderungsprozess (Konkol et al. 2019; Windlinger et al. 2014).
Eine wichtige Rolle in Digitalisierungsprozessen im Hinblick auf die Anforderungen und unterstützenden Faktoren von Beschäftigten nahmen Führungskräfte ein. In den Studien zeigte sich dies vor allem in der Verantwortung und Anleitung des gesamten Veränderungsprozesses, Bereitstellung ausreichender Ressourcen, eigenen Vorbildfunktion und Unterstützung der Beschäftigten (Ben Rehouma et al. 2020; Deacon et al. 2023; Evans et al. 2021; Fredriksen et al. 2021; Scott et al. 2019; Zhang et al. 2023). Studien im übergeordneten Kontext der digitalen Transformation in der Arbeitswelt und mit Bezug zum Umgang mit digitalen Technologien berichteten ebenfalls von der entscheidenden Rolle der Führung. Dabei hoben sie hervor, dass Führungskräfte die Vorbildfunktion übernehmen und die Beschäftigten im Change-Management-Prozess begleiten müssten (Mache u. Harth 2020; Stamer 2021). Dazu sollten Führungskräfte die Maßnahmen der Kommunikation, Information und Transparenz in ihr Führungsverhalten aufnehmen (Stamer 2021). Die Gesundheitsförderung Schweiz gibt dazu ebenfalls konkrete Empfehlungen und beschreibt notwendige Change-Kompetenzen von Führungskräften für die Bewältigung von Veränderungsprozessen. Demnach sollten Führungskräfte ihren Führungsstil und die Struktur der Zusammenarbeit vor dem Hintergrund der Veränderung reflektieren und gegebenenfalls entsprechend anpassen, eine Vermittlungsrolle zwischen der Change-Führung und den Mitarbeitenden einnehmen, Partizipation der Mitarbeitenden ermöglichen, bewusst und aktiv durch die Thematik der Veränderung führen sowie während der Veränderung als positives Vorbild dienen (Schanné et al. 2018).
Implikationen für die Forschung
Die systematische Literaturrecherche im vorliegenden Übersichtsartikel lässt den Schluss zu, dass Anforderungen und Unterstützungsfaktoren, psychische Beanspruchungsfolgen sowie arbeitsbezogene Zielgrößen, wie die Arbeitszufriedenheit und das Arbeitsengagement, im Rahmen von Digitalisierungsprozessen noch nicht hinreichend untersucht wurden. Es sind weitere Studien erforderlich, die über den Erfolg von und die Zufriedenheit mit Digitalisierungsprozessen, die Technologieakzeptanz und -nutzung und mögliche Widerstände gegenüber der Digitalisierungsmaßnahme hinausgehen, um die hier dargestellten Ergebnisse zu verifizieren. Dahingehend sind Längsschnittuntersuchungen wünschenswert, die einen gesamten Digitalisierungsprozess in Organisationen begleiten. Zukünftige Forschung könnte sich zudem spezifischen Anforderungen von Führungskräften im Zuge von Digitalisierungsprozessen widmen, die sich beispielsweise aus einer hohen Verantwortung für den Prozess und der Entscheidungslast ergeben können (Zeike et al. 2019).
Stärken und Limitationen
Der vorliegende Übersichtsartikel richtet nach unserer Kenntnis erstmals den Blick auf die Anforderungen und Unterstützungsfaktoren im Rahmen von Digitalisierungsprozessen in Organisationen und die entsprechende gesundheitsförderliche Gestaltung dieser Prozesse. Eine methodische Stärke liegt in dem systematischen Vorgehen bei der Literatursuche, Studienauswahl, Datenextraktion und -zusammenfassung. Limitierend ist dabei anzumerken, dass bei der Recherche lediglich zwei Datenbanken einbezogen und die Studienauswahl zum großen Teil nur durch die Erstautorin vorgenommen wurde. Die Ergebnisse sind zudem vorsichtig zu interpretieren, da im Rahmen des Übersichtsartikels keine fundierten Aussagen zur Qualität der eingeschlossenen Studien gemacht werden können. Die geringe Anzahl identifizierter und eingeschlossener Studien spricht insgesamt für einen niedrigen Wissenstand hinsichtlich des Themas.
Schlussfolgerungen
Organisationen in Deutschland unterliegen einer fortlaufenden digitalen Transformation und setzen verstärkt Digitalisierungsprozesse um. Entsprechend sind viele Beschäftigte und deren Arbeitsbereiche von digitalen Veränderungen betroffen. Umso wichtiger ist es für diese Organisationen, die Auswirkungen der Prozesse für Mitarbeitende von Anfang an im Blick zu behalten. Das kann gelingen, indem die Implementierung von Digitalisierungsmaßnahmen als ganzheitlicher Prozess mit erforderlichem Change-Management und Change-Leadership verstanden wird. Dabei ist eine umfassende Analyse konkreter Anforderungen und unterstützender Faktoren der Beschäftigten einzubeziehen. Zudem sollten die fortlaufende Information, Kommunikation und Einbindung von Beschäftigten geplant und im Prozess entsprechend umgesetzt werden. Damit eine gesundheitsförderliche Gestaltung von Digitalisierungsprozessen gelingen kann, ist es unabdingbar, dass alle Führungsebenen den Prozess unterstützen, diese ihrer Vorbildfunktion gerecht werden und für die betroffenen Beschäftigten qualifizierende und zeitliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.
Literatur
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Beiträge der Autorinnen: Konzeption und Design: T.W. und S.M.; systematische Literaturrecherche: T.W.; Studienauswahl: T.W. und S.M.; Datenextraktion und -aufbereitung: T.W.; Interpretation der Ergebnisse: T.W. und S.M.; Erstellung des Manuskripts: T.W. und S.M.; kritische Durchsicht und Einbringung wichtigen intellektuellen Inhalts: T.W. und S.M. Beide Autorinnen haben die finale Version des Manuskripts gelesen und ihr zugestimmt.
Ethikkommissionsvotum: Ein Ethikvotum war nicht erforderlich.
Finanzierung: Die vorliegende Übersichtsarbeit ist Teil des Projekts „Digitalisierung und Gesundheit in der öffentlichen Verwaltung am Beispiel des Beurteilungswesens in der Freien und Hansestadt Hamburg – eine Begleitstudie (DigitalGesund)“, das mit Mitteln der Unfallkasse Nord und des Personalamtes der Freien und Hansestadt Hamburg gefördert wird.
Interessenkonflikt: Die Autorinnen geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
Kontakt
Priv.-Doz. Dr. Dr. Stefanie Mache
Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM)
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Arbeitsgruppe Psychische Gesundheit
Seewartenstraße 10, Haus 1
20459 Hamburg
s.mache@uke.de