Mit der Empfehlung soll der Arbeits- und Gesundheitsschutz von Zeitarbeitsbeschäftigten verbessert werden. Dabei sind die Begriffe „Zeitarbeit“ und „Leiharbeit“ synonym zu verstehen. Sie richtet sich gleichermaßen an Arbeitgeber wie auch an Betriebsärztinnen und Betriebsärzte. Als Information kann sie ebenso vom Betriebsrat und der Fachkraft für Arbeitssicherheit oder dem/der Sicherheitsbeauftragtengenutzt werden. Autoren des Arbeitskreises „Arbeits- und Gesundheitsschutz von Zeitarbeitsbeschäftigten“ des AfaMed sind: Elisabeth Arnold, Harm Ehmke, Christoph Oberlinner, Gabriela Petereit-Haack (Leiterin), Jens Petersen und Bettina Splittgerber.
Die Empfehlung ist wie folgt aufgebaut: Auf der Basis von rechtlichen Grundlagen und einer Skizzierung des Problemfeldes findet der Leser in dem Kapitel Handlungs-anleitung dargestellt, welche Bedeutung die Kernpunkte dieser Empfehlung wie Arbeitsschutzvereinbarung, Gefährdungs-beurteilung, Arbeitsplatzbegehung, Unter-weisung, Arbeitsmedizinische Vorsorge-untersuchungen, Persönliche Schutzausrüstung sowie Gesundheitsförderung für den Arbeits- und Gesundheitsschutz von Zeitarbeitsbeschäftigten haben und welche jeweils konkrete „Vorgehensweise“ empfohlen wird. Das Muster einer Arbeitsschutz-vereinbarung für Zeitarbeitsbeschäftigte ist online zum Download verfügbar und kann elektronisch ausgefüllt werden (s. Weitere Infos [1]).
Handlungsanleitung
Die Verantwortung für die Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit – somit auch für die arbeitsmedizinische Prävention – von Zeitarbeitsbeschäftigten ist sowohl an den Ver- als auch an den Entleiher adressiert. Diese nur für Zeitarbeitsbeschäftigte zutreffende Rechtskonstruktion hat somit eine zweiseitige Umsetzung gesetzlicher Bestimmungen zur Folge, die erhöhte Anforderungen an die Vertragspartner (Ver- und Entleiher) und die jeweils beauftragen Betriebsärzte/Betriebsärztinnen stellt. Aus diesem Grund sind verbindliche und eindeutige Zuständigkeitsabsprachen zwischen dem Verleih- und dem Entleihunternehmen zu treffen.
Arbeitsschutzvereinbarung
Eindeutige Zuständigkeitsabsprachen sowie ein strukturierter Informationsfluss zwischen Ver- und Entleiher sowie den jeweiligen Betriebsärzten und Betriebsärztinnen sind für eine erfolgreiche arbeitsmedizinische Prävention notwendig. Oft sind Informationslücken vorhanden; zum einen mangelnde Kenntnisse des Arbeitsplatzes, zum anderen aber auch mangelnde Vorbereitung des Zeitarbeitsbeschäftigten. Fehlende Unterweisungen oder fehlende arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen sind häufig die Folge. Ein strukturierter Informationsfluss überwindet diesen Mangel.
Gefährdungsbeurteilung
Die Gefährdungsbeurteilung ist die Basis guten Arbeits- und Gesundheitsschutzes und ist eine Pflicht nach dem Arbeitsschutz-gesetz für den Ver- und den Entleiher. Dazu ist eine klare Aufgabenverteilung erforderlich. Die Aufgaben und die rechtliche Absicherung aller Beteiligten werden durch den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag klar formuliert beziehungsweise erreicht. Nach dem Arbeitsschutzgesetz besteht die Pflicht des Arbeitgebers, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, um daraus Maßnahmen des Arbeitsschutzes abzuleiten. Nach § 11 Absatz 6 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes obliegt diese Pflicht dem Entleiher unbeschadet der Pflichten des Verleihers. Entleiher und Verleiher müssen somit eine Gefährdungsbeurteilung durchführen. Die Betriebsärzte von Ver- und Entleiher unterstützen bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung (s. Weitere Infos [2–5]
Arbeitsplatzbegehung
Begehungen sind Grundaufgaben des Betriebsarztes beziehungsweise der Betriebsärztin nach dem Arbeitssicherheitsgesetz und bilden eine wichtige Grundlage arbeitsmedizinischer Prävention. Begehungen sind Voraussetzung für die Gefährdungsbeurteilung. Diese gibt Anhaltspunkte zu arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen. Ziele von Arbeitsplatzbegehungen sind: Kenntnisse über Arbeitsplatz, Arbeitsverfahren, Arbeitsschwere, Verhalten der Mitarbeiter und Kontaktpflege. Ein wesentliches Problem bei der Zeitarbeit ist, dass dem Verleiher die Arbeitsplätze häufig nicht bekannt sind. Der Betriebsarzt bzw. die Betriebsärztin des Verleihers begeht in der Regel nicht den Einsatzbetrieb (Ressource, Betriebszugang problematisch, Akzeptanz). Damit fehlen essenzielle, aber relevante Kenntnisse für arbeitsmedizinische Beurteilungen und Empfehlungen (s. Weitere Infos [2–4]).
Unterweisung
Das Arbeitsschutzgesetz sieht bei entsprechender Exposition und Gefährdung eine Unterweisung vor. Sie dient dem Ziel der Aufklärung über Gesundheitsgefahren und der Umsetzung von Schutzmaßnahmen. Die allgemeine arbeitsmedizinische Beratung im Rahmen der Unterweisung ist ein wichtiger Bestandteil von gesetzlichen Vorgaben wie beispielsweise der Gefahrstoffverordnung oder der Biostoffverordnung.
In der Unterweisung muss über die spezifischen Gefährdungen des Beschäftigten in der Zeitarbeit und die Gefährdungen des Einsatzortes aufgeklärt werden (s. Weitere Infos [2–4] und [6–8] sowie Ganz 2005).
Literatur
Ganz B: Unterweisung – Erfolgreich unterweisen im Dienstleistungsbereich. Wiesbaden: Universum Verlag, 2005.
Vorgehensweise
Ein strukturierter Informationsfluss ist die Basis einer guten Arbeitnehmerüberlassung. Durch eine schriftliche Arbeitsschutzverein-barung wird dieser Informationsfluss gewähr-leistet.
- Eine Arbeitsschutzvereinbarung ist eine Anlage zum Vertrag zwischen Ver- und Entleiher mit Kopie an den Zeitarbeits-beschäftigten.
- In dieser Vereinbarung werden zwischen Ver- und Entleiher detaillierte Regelun-gen zu Arbeitssicherheit und Gesund-heitsschutz für die Zeitarbeitsbeschäftig-ten getroffen.
- Diese Vereinbarung ist vor Beginn des Zeitarbeitsverhältnisses abzuschließen und ist mit weiteren wichtigen Informa-tionen (beispielsweise Anpassung der Gefährdungsbeurteilung, arbeitsmedi-zinische Vorsorgeuntersuchungen) während des Zeitarbeitsverhältnisses zu füllen.
- Angaben des Entleihers: beispielsweise Beschäftigungsdauer, detailliertes An-forderungsprofil, Leistungsumfang und -art, Gruppengröße, arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen, Gefährdungs-beurteilung (bezogen auf die Tätigkeit im Entleihunternehmen), detaillierte Tätigkeitsdarstellung, Messwerte, Persönliche Schutzausrüstung, Unter-weisungsbedarf, durchgeführte Unter-weisungen.
- Angaben des Verleihers: beispielsweise Qualifikation, Erfahrungen, bisherige Tätigkeitsbereiche, in der Vergangenheit veranlasste, angebotene oder ermög-lichte arbeitsmedizinische Vorsorge-untersuchungen, Gesundheitsförderungs-maßnahmen, Gefährdungsbeurteilung (bezogen auf die Zeitarbeitssituation).
- Ergänzungen in der Arbeitsschutzverein-barung (insbesondere im Anhang hierzu) werden bei Bedarf während, ansonsten nach Beendigung der Arbeitnehmerüberlassung in Kopie an den Verleiher und den Zeitarbeitsbeschäftigten weiter-gegeben.
Das Muster einer Arbeitsschutzvereinbarung finden Sie im Anhang dieser Empfehlung.
Vorgehensweise
Basis der Arbeitsschutzvereinbarung ist die gemeinsame Gefährdungsbeurteilung, die die spezielle Zeitarbeitssituation und die be-triebsbezogene Gefährdung berücksichtigt.
- Ver- und der Entleiher erstellen eine Gefährdungsbeurteilung.
- Die Gefährdungsbeurteilung durch den Verleiher bezieht sich auf die Zeitarbeits-situation. Berücksichtigt werden dabei insbesondere die wechselnden Einsatz-orte und die damit verbundenen psycho-sozialen Belastungen.
- Für die Tätigkeit im Entleihunternehmen erstellt der Entleiher eine entsprechende Gefährdungsbeurteilung.
- Beide Teile der Gefährdungsbeurteilung werden vom Verleiher inhaltlich in der Arbeitsschutzvereinbarung zu einer ge-meinsamen Gefährdungsbeurteilung zusammengefasst und als Anlage der Arbeitsschutzvereinbarung beigefügt. Sie bilden die Grundlage für die Arbeits-medizinische Vorsorge.
Eine Unterstützung bei der Erstellung einer entsprechenden Gefährdungsbeurteilung finden Sie unter: http://www.baua.de/de/Publikationen/Fachbuchreihe/Gefaehrdungs-beurteilung.html?nn=667374 sowie unter http://lasi.osha.de/docs/Leitlinie_Endfassung_Juni2008.pdf
Vorgehensweise
Die Kenntnis der Arbeitsplätze ist die ent-scheidende Voraussetzung zur Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorge durch den Betriebsarzt.
- Kenntnisse der betrieblichen Gegeben-heiten und bereits vorhandene Be-gehungsprotokolle sind für die Arbeitsschutzvereinbarung zu nutzen.
- Im Rahmen der Arbeitsschutzvereinbarung wird durch den Ver- und Entleiher schriftlich festgelegt, ob eine Begehung erforderlich ist und welcher Betriebsarzt an der Begehung teilnimmt. Auf-grund der betrieblichen Kenntnisse des Betriebsarztes des Entleihunternehmens nimmt dieser vorrangig an der Begehung teil. Dies ist in der Arbeitsschutzverein-barung zu dokumentieren.
Vorgehensweise
Unterweisungen berücksichtigen alle Tätig-keitsbereiche einer Zeitarbeit.
- Es werden die Unterweisungen, die die Zeitarbeit im Verleihunternehmen betreffen, als auch die Unterweisungen, die in Bezug zum konkreten Arbeits-platz im Entleihunternehmen stehen, durchgeführt. Die Unterweisungen sind Bestandteil der Arbeitsschutz-vereinbarung.
- Unterweisungen, die die Zeitarbeit im Verleihunternehmen betreffen, sind durch den Verleiher durchzuführen.
Weitere Infos
[1] Formular einer Arbeitsschutzvereinbarung
[2] Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
http://www.gesetze-im-internet.de/arbschg/index.html
[3] Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG)
http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/asig/gesamt.pdf
[4] Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)
http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/a_g/gesamt.pdf
[5] Gefährdungsbeurteilung
http://www.gefaehrdungsbeurteilung.de
[6] Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)
http://www.gesetze-im-internet.de/gefstoffv_2010/index.html
[7] Biostoffverordnung (BioStoffV)
http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/biostoffv/gesamt.pdf
[8] Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (Hrsg.): Unfallverhütungsvorschrift Grundsätze der Prävention (BGV A 1)
http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/a1.pdf
[9] Verordnung für die Bereit-stellung von persönlichen Schutz-ausrüstungen (8. ProdSV)
http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/gsgv_8/gesamt.pdf
Aufbereitet von
Dr. med. A. E. Schoeller (Ressortleiterin)
Fachärztin für Arbeits-/Umwelt-medizin, Bereichsleiterin im Dezernat 5 – Versorgung und Kooperation mit Gesundheitsfachberufen
Bundesärztekammer, Berlin