mit Schreiben vom 12.12.2024 haben Sie der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) als wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaft als Mitglied der AWMF die Möglichkeit eröffnet, eine Stellungnahme abzugeben zum Beschlussentwurf des G-BA zur Änderung Krebsfrüherkennungs-Richtlinie (KFE-RL) wegen der Einführung der Lungenkrebsfrüherkennung mittels Niedrigdosis-Computertomographie bei Rauchern. In Absprache mit den Berufsverbänden BsAfB und VDBW möchten wir folgende arbeitsmedizinische Stellungnahme abgeben:
Die Verordnung über die Zulässigkeit der Anwendung der Niedrigdosis-Computertomographie zur Früherkennung von Lungenkrebs bei rauchenden Personen (LuKrFrühErkV), veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Nr. 162 v. 17.07.2024, sieht in § 6 Abs. 3 Nr. 2 vor, dass ebenfalls Fachärzte der Arbeitsmedizin zu jenen Akteuren gehören, die „einen Bericht nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 erstell[en] und nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 die zu untersuchende Person informier[en]“.
Vor dem Hintergrund der im Dezember 2022 in Kraft getretenen Arbeitsmedizinischen Regel (AMR) 3.3. „Ganzheitliche Arbeitsmedizinische Vorsorge“, die die Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) in deren Umsetzung konkretisiert, ist die Einbeziehung von Fachärzten der Arbeitsmedizin nicht nur sinnvoll, sondern geboten, um im Rahmen des größten Präventionssettings in unserer Gesellschaft, der Arbeitswelt, insbesondere Personen für präventivmedizinische Maßnahmen zu gewinnen, die sonst kaum oder nicht Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen. Denn im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorgen soll grundsätzlich immer auf Risikofaktoren und Erkrankungen eingegangen werden, die die Beschäftigungsfähigkeit der die Vorsorge in Anspruch nehmende Person gefährdend können. Diese Perspektive weitet den medizinischen Fokus der arbeitsmedizinischen Versorgung über die engeren Grenzen des Arbeitsplatzes hinaus in die Sphäre der allgemeinen Lebensführung.
Im Bereich der asbestbedingten Erkrankungen sowie der asbestbedingten Berufskrankheiten (BK 4103, 4104, 4105) hat es sich außerordentlich bewährt, dass Fachärzte für Arbeitsmedizin im Wege des sog. Case-Management eine Lotsenfunktion in der medizinischen Versorgung dieser Patientengruppen übernehmen. Vergleichbares ist nunmehr denkbar im Bereich der Lungenkrebsfrüherkennung mittels Niedrigdosis Computertomographie für jene Personen, die in § 2 Abs. 1
bis 3 LuKrFrühErkV genannt sind. Entsprechend § 2 Abs. 3 und 4 dieser Verordnung kann dann im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorgen sowohl das Thema individueller Tabakkonsum und Rauchverhalten sowie eine weitergehende Information und Aufklärung zum Nutzen einer Lungenkrebsfrüherkennung adressiert als auch ggf. eine Untersuchung der Lunge mittels Niedrigdosis Computertomographie vorgeschlagen werden. Die LuKrFrühErkV weist mit § 6 Abs. 3 genau auf dieses präventionsmedizinische Versorgungssetting hin, das es zu nutzen gilt, indem auch von den FÄ der Arbeitsmedizin entsprechende Kenntnisse gefordert sind, erworben entweder im Rahmen der Facharztweiterbildung oder durch Fortbildungen „im Bereich der Lungenkrebsfrüherkennung“.
Der vorliegende Beschlussentwurf des G-BA zur Änderung der KFE-RL reflektiert diese in der LuKrFrühErkV angelegte neue Versorgungsrealität mit den FÄ für Arbeitsmedizin u. E. unzureichend: In § 39 werden detailliert „Inhalte der Früherkennungsuntersuchung auf Lungenkrebs“ definiert und in § 43 werden die „Qualifikation[en] der teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte“ festgelegt. Allerdings ist in diesem Kontext befremdlich, dass entsprechend § 43 Abs. 2 Satz 1 die „Maßnahmen gemäß § 39 Nummer 1 [u. a. Datenerhebung u. Berichtserstellung] und Nummer 2 [Information der versicherten Person] nur durch „Ärztinnen und Ärzte durchgeführt werden [soll], die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen“. An dieser Stelle sind, entsprechend LuKrFrühErk V § 6 Nr. 3, zwingend die FÄ der Arbeitsmedizin zu benennen, da diese nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Die §§ 132e (Versorgung mit Schutzimpfungen) und 132f SGB V (Versorgung durch Betriebsärzte) verwiesen einschlägig auf diese Tatsache und berücksichtigen, dass die entsprechenden Leistungen der Betriebsärzte für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherungen analog zu vertragsärztlichen Leistungen vergütet werden. Insofern muss es u. E. im Beschlussentwurf in § 43 Abs. 2 heißen:
„Die Maßnahmen gemäß § 39 Nummer 1 und gemäß § 39 Nummer 2 dürfen nur durch Ärztinnen und Ärzte durchgeführt werden, die entweder an der vertragsärztlichen Versorgung oder als Fachärztinnen und Fachärzte der Arbeitsmedizin an der arbeitsmedizinischen Versorgung teilnehmen und die die in § 6 Absatz 3 LuKrFrühErkV festgelegten Voraussetzungen erfüllen“.
Mit dieser expliziten Berücksichtigung und Benennung der FÄ der Arbeitsmedizin würde man in der KFE-RL genau jenen Forderungen entsprechen, die der 128. Deutsche Ärztetag 2024 in seinem wegweisenden Beschluss „Sektorenverbindende Versorgung mit der Arbeitsmedizin – Eine Chance für die Gesundheit der Menschen in der Lebenswelt ‚Arbeit‘“ dokumentiert hat, um den neuen Anforderung sich rasch verändernder medizinischer Versorgungsrealitäten in unserer Gesellschaft gerecht zu werden, indem die medizinische Versorgung in Deutschland an die individuellen Präventions- und Versorgungspfade sektorverbindend ausgerichtet werden muss und es dringend gilt, sektorale Versorgungsgrenzen zu überwinden. Wir leben in einem Gesundheitssystem und in diesem sollten Präventionspfade und Versorgungswege insbesondere an den Schnittstellen zwischen medizinischer Prävention, Kuration und Rehabilitation bestmöglich aufeinander abgestimmt sein.
Wir danken Ihnen schon heute sehr herzlich, wenn Sie unsere Vorschläge beim Beschlussentwurf des G-BA zur Änderung Krebsfrüherkennungs-Richtlinie (KFE-RL) wegen der Einführung der Lungenkrebsfrüherkennung mittels Niedrigdosis-Computertomographie bei Rauchern berücksichtigen wollten. Selbstverständlich stehen wie Ihnen für Fragen und Rücksprachen gerne und jederzeit zur Verfügung.
Mit den besten Empfehlungen
gez.
Prof. Dr. Thomas Kraus Dr. Thomas Nesseler
Präsident DGAUM Hauptgeschäftsführer DGAUM
*An der o. g. Stellungnahme haben neben der DGAUM die folgenden Fachgesellschaften und Organisationen mitgewirkt: Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV), Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN), Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), Deutsche Gesellschaft für Pathologie (DGP), Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO), Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG-Sucht), Deutsche Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT), Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) mit der Arbeitsgemeinschaft Bildgebung in der Onkologie (ABO), der Arbeitsgemeinschaft Onkologische Thoraxchirurgie (AOT) und der Pneumologisch-onkologischen Arbeitsgemeinschaft (POA), Deutsche Röntgengesellschaft (DRG), Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (EbM-Netzwerk).