Im Zusammenhang mit der weltweiten Digitalisierung werden seit Jahren zunehmend Schlagworte wie etwa „Industrie 4.0“, „Arbeiten 4.0“, „Künstliche Intelligenz“, „E-Health“ oder „Telemedizin“ benutzt. In Deutschland war hierfür Ausgangspunkt die Hannovermesse im Jahr 2011: damals wurde der Begriff „Industrie 4.0“ als Marketingbezeichnung für das Zukunftsprojekt „Digitalisierung“ entwickelt.
In der Industrie 4.0 verzahnen sich Produktion sowie modernste Informations- und Kommunikationstechnologien. Treibende Kraft dieser Entwicklung ist die rasant zunehmende Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft. Sie verändert nachhaltig die Art und Weise, wie zukünftig nicht nur in Deutschland produziert und gearbeitet werden soll: Nach Dampfmaschine, Fließband, Elektronik und IT sollen nun intelligente Fabriken, sogenannte „Smart Factories“, die vierte industrielle Revolution bestimmen.
Mit dem „Grünbuch Arbeiten 4.0“1 wurde im Jahr 2015 ein Dialogprozess für einen teils öffentlichen, teils fachlichen Dialog über die Zukunft der Arbeitsgesellschaft angestoßen. Im „Weißbuch
Arbeiten 4.0“2 wurde im Jahr 2016 die breite gesellschaftliche Debatte hierzu dokumentiert. Auf dieser Grundlage soll nun sowohl innerhalb der Bundesregierung als auch weit darüber hinaus in einem gesellschaftspolitischen Diskurs die Umsetzung der Gestaltung der Zukunft von Arbeit begleitet werden.
Damit muss auch der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sich den geänderten Arbeitsbedingungen zum einen anpassen und zum anderen die neuen Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, nutzen. Im „Weißbuch Arbeiten 4.0“ wird dazu aufgeführt, dass die jetzige Herausforderung u. a. darin besteht, den Arbeitsschutz und die arbeitsmedizinische Versorgung an den digitalen Wandel anzupassen und die klassischen Instrumente des Arbeitsschutzes zu einem „Arbeitsschutz 4.0“ weiterzuentwickeln.
Auf dieser Grundlage hat die Zeitschrift ASU sich bereits in der Vergangenheit mit der Thematik beschäftigt und wird dies auch zukünftig weiter tun. Die Ihnen heute vorliegende Ausgabe greift das Schwerpunktthema „Arbeitsmedizindigital“ auf.
Im Beitrag „Wie sieht die Arbeitsmedizin der Zukunft aus?“ diskutiert Thomas Nesseler, Hauptgeschäftsführer der DGAUM, nach einer generellen Hinführung zu der Thematik mit den betriebsärztlichen Kollegen Michael Wurst und Jörg von Forster das PRO und
CONTRA der Anbindung der Betriebsärztinnen und Betriebsärzte an die Telematikinfrastruktur in Deutschland.
Geht es um die Digitalisierung in der Arbeitsmedizin werden die verschiedensten Begriffe wie u. a. „E-Health“, „Telemedizin“, „Videosprechstunde“ oder „Arbeitsmedizin 4.0“ verwendet. Innerhalb der DGAUM wurde deshalb eine Projektgruppe gegründet, die sich strategisch und fachlich mit der Digitalisierung in der Arbeitsmedizin beschäftigt und die hierfür den Oberbegriff „Arbeitsmedizindigital“ vorschlägt. Erste Überlegungen hierzu werden für die Projektgruppe von Thomas Nesseler in dem Beitrag „Arbeitsmedizindigital – Neue Präventionspfade und Versorgungswege in der betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung?“ vorgestellt.
Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen spielen ebenfalls Aus-, Fort- und Weiterbildung eine wichtige Rolle. Bereits vor der SARS-CoV-2-Pandemie gab es hierzu vielversprechende Ansätze, die im Zuge von Corona in den letzten zwei Jahren sehr intensiv ausgebaut wurden und inzwischen deutlich an Relevanz gewonnen haben. Ich glaube, man kann sogar sagen, ohne diese Realität und den damit verbundenen unfreiwilligen Druck wären wir auf diesem Gebiet nicht so weit, wie wir es heute sind. Clemens Köstner geht in seinem Praxisbeitrag auf die aktuelle Entwicklung des E-Learnings ein und gibt ein paar lerndidaktische Empfehlungen, worauf bei der digitalen Lehre zu achten ist. Zudem wird in einem weiteren Beitrag der Online-Erwerb von CME-zertifizierten arbeitsmedizinischen Fortbildungsangeboten reflektiert.
Für den Wissenschaftsteil wurden zwei Pilotstudien eingereicht: zum einen zur arbeitsmedizinischen Online-Vorsorge und zum anderen zur Telefonsprechstunde der Ambulanz eines arbeits- und umweltmedizinischen Universitätsinstituts.
Fabian Darstein stellt zusammen mit Mitarbeitern des Instituts für Lehrergesundheit in Mainz unter dem Titel „Pilotstudie zur arbeitsmedizinischen Online-Vorsorge bei Tätigkeiten an Bildschirmgeräten“ erste Ergebnisse eines Online-Sehtests zur Diskussion.
In dem zweiten Beitrag berichtet Maximilian Geiger zusammen mit Hans Drexler die Erfahrungen, die mit einer Telefonsprechstunde in der Ambulanz des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin an der Universität Erlangen-Nürnberg gemacht wurden.
Ich wünsche Ihnen, sehr verehrte Leserinnen und Leser, eine interessante und anregende Lektüre des vorliegenden Novemberheftes der Zeitschrift ASU. Darüber hinaus würde ich mich über eine konstruktive Diskussion der Beiträge freuen und hoffen, dass wir Ihnen mit den einzelnen Themen zudem Informationen für Ihre tägliche praktische Arbeit an die Hand geben können. Mein ganz besonderer Dank geht an dieser Stelle an die Autorinnen und Autoren der einzelnen Beiträge: Ohne Sie wäre dieses Heft „Arbeitsmedizindigital“ nicht entstanden!
Ich wünsche Ihnen eine spannende und interessante Lektüre!
Ihr Stephan Letzel
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universitätsmedizin Mainz
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