Erkrankungen der Haut und der Atemwege gehören schon seit Jahren zu den häufigsten mit Verdacht auf eine Berufskrankheit angezeigten Krankheiten. Ohne Berücksichtigung der Infektionskrankheiten, die aktuell in Folge der SARS-CoV2-Pandemie eine deutliche Zunahme der Berufskrankheitsverdachtsmeldungen bedingten, betrifft etwa jeder vierte angezeigte Verdacht auf eine Berufskrankheit Erkrankungen der Haut und Atemwege, häufig zumindest mitversucht durch eine Allergie.
Gesetzlich anerkannte Berufskrankheiten werden in der sogenannten Berufskrankheiten-Liste, einer Anlage zur Berufskrankheiten-
Verordnung (BKV), aufgeführt. Berufskrankheiten sind in dieser Berufskrankheiten-Liste aufgeführte Krankheiten, die durch besondere Einwirkungen verursacht und denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maß als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Zum 1. Januar 2021 traten verschiedene Änderungen im Sozialgesetzbuch (SGB) VII in Kraft. Diese betrafen auch die rechtlichen Regelungen zu den Berufskrankheiten. Bis dahin konnten einige Berufskrankheiten – darunter auch Haut- und Atemwegserkrankungen – nur anerkannt werden, wenn die Betroffenen die Tätigkeit aufgaben, die zu der Erkrankung geführt hatte. Diese Voraussetzung zur Anerkennung der Erkrankungen als Berufskrankheiten ist nun weggefallen. Präventionsangebote der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen stehen damit stärker im Fokus, um Betroffene zu beraten und ihnen gegebenenfalls „individualpräventive Maßnahmen“ anzubieten, beispielsweise in Form von Hautschutzseminaren oder zur Reduktion von Belastungen am Arbeitsplatz. Diese Maßnahmen der individuellen Prävention dienen dazu, einer Entstehung, Verschlimmerung oder dem erneuten Ausbruch der jeweiligen Berufskrankheit entgegenzuwirken.
Zu Beginn dieser Erkrankungen der Haut und Atemwege zeigen sich häufig eher diskrete Symptome; sie werden oft erst als potenzielle Berufskrankheit erkannt, wenn das Krankheitsbild schon fortgeschritten ist. Milde Verlaufsformen und auch frühe Anzeichen einer berufsbezogenen Erkrankung werden häufig nicht erkannt und nicht gemeldet. Präventive Maßnahmen, die den Eintritt der Erkrankung verhindern oder verlangsamen könnten, kommen dann häufig eher spät zum Tragen.
Berufskrankheiten der Haut und Atemwege sind von sozioökonomischer Bedeutung und beeinträchtigen auch die Lebensqualität der Betroffenen. Deshalb kommt der Prävention, also der Vermeidung von Berufskrankheiten, enorme Bedeutung zu. Die Erfahrungen aus dem Hautarztverfahren zeigen, dass durch gute Prävention der Arbeitsplatz erhalten und eine Berufskrankheit verhindert werden kann. Um die Situation auch für die obstruktiven Atemwegserkrankungen zu verbessern, hat die gesetzliche Unfallversicherung das „Frühmeldeverfahren Atemwege“ entwickelt. Ziel ist es, Versicherte, die erste Beschwerden zeigen, die auf die mögliche Entstehung einer obstruktiven Atemwegs-Berufskrankheit hindeuten, frühzeitig zu identifizieren und ihnen gegebenenfalls geeignete Präventionsmaßnahmen anzubieten. So sollen idealerweise der Eintritt einer obstruktiven Atemwegs-Berufskrankheit beziehungsweise deren Erkrankungsfolgen verhindert werden.
Der Schwerpunkt „Allergien und Arbeit“ der vorliegenden Ausgabe thematisiert ausgewählte Aspekte aus Wissenschaft und Praxis im Zusammenhang mit der Prävention und Diagnostik von allergischen Erkrankungen der Haut und Atemwege im Beruf. Peter Elsner, SRH-Klinikum Gera, gibt einen Einblick in die allergologische Praxis der Abklärung der beruflichen Handekzeme. Cara Symanzik und Mitautoren, Universität Osnabrück, setzen die Thematik zum beruflichen Kontaktekzem fort und beleuchten den Expositionsnachweis mittels Spot-Test bei Verdacht auf eine allergische Ursache. Sabine Kespohl und Monika Raulf, IPA Bochum, reflektieren in ihrem Beitrag den Weg von der Exposition zur Diagnostik bei Atemwegssymptomen und Schimmelpilzexposition. Ludwig Frei-Stuber, LMU Klinikum München, und Mitautorin und -autoren vom IPASUM Erlangen, dem UKJ Jena und LMU-Klinikum München, thematisieren die Bedeutung der Früherkennung bei obstruktiven Atemwegserkrankungen im Beruf und stellen zur Diskussion, wie eine frühe Diagnostik zur Vermeidung chronischer Verläufe gelingen kann.
Im wissenschaftlichen Teil stellen Julia Pieter et al. vom ZfAM Hamburg als besonderen Fall eine berufsbedingte allergische Sensibilisierung gegen Cannabis sativa vor. Hautirritationen durch das Verwenden von persönlicher Schutzausrüstung während der Covid-19-
Pandemie thematisiert der Beitrag von Claudia Westermann, BGW Hamburg.
Der Schwerpunkt „Allergien und Beruf“ wird im Praxisteil abgerundet durch ein Interview zu Aufgaben und Arbeitsweisen der Arbeitsgruppe „Allergien“ der ständigen Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe (MAK-Kommission) mit der Leiterin der Arbeitsgruppe Brunhilde Blömeke.
Des Weiteren erwarten Sie in dieser aktuellen Ausgabe weitere interessante Beiträge aus Wissenschaft und Praxis.
Unser herzlicher Dank gilt allen Autorinnen und Autoren für ihre interessanten Beiträge. Wir hoffen, Ihr Interesse für die Beiträge dieser Ausgabe geweckt zu haben und wünschen Ihnen bei der Lektüre dieses Hefts viel Freude und neue Erkenntnisse, die Sie hoffentlich in Ihrem beruflichen Alltag unterstützen werden.
Ihre
Astrid Heutelbeck
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universitätsklinikum Jena (UKJ)
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