Das PDF dient ausschließlich dem persönlichen Gebrauch! - Weitergehende Rechte bitte anfragen unter: nutzungsrechte@asu-arbeitsmedizin.com.
Neben der stationären und der ambulanten individualmedizinischen Versorgung ist das bevölkerungsmedizinisch orientierte öffentliche Gesundheitswesen (ÖGW) das dritte Standbein im deutschen Gesundheitswesen. Es befasst sich mit den Aufgaben des Gesundheitssystems, die in öffentlicher Trägerschaft liegen, also mit den gesundheitsbezogenen Aufgaben des Bundes, der Länder und der Kommunen. Zu den gesetzlichen Aufgaben gehören unter anderem die Gesundheitsdienstgesetze der Länder sowie das bundesweit gültige Infektionsschutzgesetz. Als ärztliches Fach- und Weiterbildungsgebiet gehört das öffentliche Gesundheitswesen zu den vergleichsweise jungen Disziplinen. Es ist gekennzeichnet durch viele Überschneidungen zu anderen ärztlichen Fachgebieten (insbesondere auch der Arbeitsmedizin, der Infektiologie, Hygiene und Umweltmedizin etc.) sowie zu nicht-medizinischen Wissenschaften: Epidemiologie, Soziologie, Rechtswissenschaften und andere. In dem hier vorliegenden Schwerpunktheft werden einzelne Aspekte herausgegriffen. Dabei geht es nicht darum, ein vollumfängliches Bild zu skizzieren, sondern anhand ausgewählter Beispiele das Interesse an der Arbeitsweise und insbesondere an der Vielfältigkeit des ÖGW zu wecken.
Den in Bezug auf die Menge des dort beschäftigten Personals größten Anteil am öffentlichen Gesundheitswesen haben die unteren Gesundheitsbehörden, also die kommunalen Gesundheitsämter. Aus diesem Grund werden hier viele Aspekte aus Sicht der unteren Gesundheitsbehörde beleuchtet wie zum Beispiel im Beitrag von Christiane Schlang et al. Sie geben einen strukturierten Überblick über die sozial-psychiatrischen Aufgaben der unteren Gesundheitsbehörde am Beispiel einer großstädtischen Kommune: der Stadt Frankfurt am Main. Dargestellt werden die gesetzlichen Grundlagen und die organisatorische Gestaltung der Psychiatriekoordination, der psychosozialen Notfallversorgung sowie des sozialpsychiatrischen Dienstes.
Das öffentliche Gesundheitswesen beschäftigt sich grundsätzlich mit der Präventivmedizin. Die zahnmedizinische Prävention wird vorgestellt von Esther Hörschgen et al., die die Konzepte der sogenannten Gruppen- und der Individualprophylaxe erläutern. Der aktuell bestehende Weiterentwicklungsbedarf in diesem Bereich wird definiert und mögliche Herausforderungen in der Zukunft werden benannt, wie beispielsweise die zahnmedizinische Prävention bei einer wachsenden Anzahl pflegebedürftiger Personen in der Zukunft.
Bekannt als Aufgabe des ÖGW im Rahmen des Infektionsschutzes sind die Meldepflichten. Ursel Heudorf und Anne Marcic stellen in ihrem Beitrag Sinn und Zweck der Meldepflichten dar. Gleichzeitig erfolgen eine Begriffsbestimmung und die kritische Diskussion der namentlichen und der nicht-namentlichen Meldepflichten. Insbesondere auch anhand dieses Beitrags wird der wichtige bevölkerungsmedizinische Aspekt des öffentlichen Gesundheitswesens deutlich. In einem weiteren Artikel erläutert Ursel Heudorf die Grundlagen der infektionshygienischen Überwachung durch die Gesundheitsämter. Hier ist neben komplexen Gesetzesgrundlagen auch ein umfangreiches fachliches Regelwerk zur Bewertung von Hygienestandards anzuwenden.
Nichts hat die Arbeit des öffentlichen Gesundheitswesens in den vergangenen Jahren so stark beeinflusst wie die SARS-CoV-2-Pandemie. Rebecca Spittel und Kolleginnen berichten von den Erfahrungen des Gesundheitsamts Köln mit der Organisation des Infektionsschutzes (Meldepflicht, Hygieneüberwachung, Trinkwasser- und Umwelthygiene, Tuberkulose Beratung u. a.) und den organisatorischen Veränderungen während und nach der Pandemie. Ein Fokus wird in dieser Arbeit auch auf die verschiedenen (Gesundheits-)Fachberufe gelegt, die im öffentlichen Gesundheitswesen eingesetzt werden (können).
Während Mitarbeitende der Gesundheitsaufsicht/Hygienekontrolle, medizinische Fachangestellte und Umweltingenieur-Berufe neben dem ärztlichen Personal an den Gesundheitsämtern bereits lange im Einsatz sind, haben sich in den letzten Jahren auch weitere (Gesundheits-)Fachberufe im öffentlichen Gesundheitswesen etabliert. Hier sind unter anderem die akademischen Ausbildungen (Bachelor, Master) im Bereich Public Health zu nennen. Henny Grewe und Heinrich Bollinger geben eine Begriffsdefinition und eine historische Einordnung der Fachdisziplin Public Health, anhand derer sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Abgrenzung zum öffentlichen Gesundheitswesen verdeutlicht werden sollen.
Das vorliegende Schwerpunktheft wurde mit dem Ziel erstellt, die Vielfältigkeit des öffentlichen Gesundheitswesens darzustellen und Interessierten näher zu bringen. Gleichzeitig findet jeweils auch eine Standortbestimmung der einzelnen Aspekte statt. Wünschenswert ist die Diskussion der Aufgaben des öffentlichen Gesundheitswesens in der Fachöffentlichkeit. Dies fördert auch den Zugang junger Kolleginnen und Kollegen zu diesem abwechslungsreichen medizinischen Fachgebiet.
Ihre Katrin Steul
Verwaltungsverband für das Gesundheitsamt für die Stadt Darmstadt und den Landkreis Darmstadt-Dieburg