Der Prävention kommt in unserer Gesellschaft eine immer größer werdenden Bedeutung zu. Schließlich soll diese an der Stelle ansetzen, an der „das Kind noch nicht den Brunnen gefallen ist“. Bis heute steht die Prävention (noch) im Schatten der Kuration. Viele kurativ tätige Ärztinnen und Ärzte unterschätzen die präventivmedizinische Tätigkeit und können sich nicht vorstellen, was denn genau die Präventivmediziner, wie Arbeitsmediziner/Betriebsärzte, Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst, in der Rehabilitation und Umweltmedizin sowie Ärzte in Arztpraxen, machen. Sie sehen das Heilen, das Therapieren als den „Königsweg“ in der Medizin an. Das mag sein, aber in Zukunft wird viel früher angesetzt werden, nämlich dann, wenn sich eine Krankheit noch verhindern lässt.
Unter Präventivmedizin wird aber immer noch nur die Verhütung von Gesundheitsstörungen verstanden. Dabei bietet die Präventivmedizin deutlich mehr Chancen. Sie verhindert nicht nur Gesundheitsschäden durch vorbeugende Maßnahmen, sie ist auch eine Möglichkeit, individuelle Risikofaktoren und Erkrankungen früh zu erkennen, um den Krankheitsprozess wieder in Richtung Gesundheit zurückzuführen. Darüber hinaus hilft sie auch bei und nach akuten sowie chronischen Erkrankungen, die Menschen medizinisch, sozial und beruflich wieder einzugliedern. Zudem können sowohl Lebens- und Arbeitsverhältnisse als auch das Verhalten des Individuums aus präventivmedizinischer Sicht betrachtet und darauf präventiv eingewirkt werden. Ihre Wirksamkeit hängt jedoch auch von den jeweiligen Präventionszielen sowie den entsprechenden medizinischen und sozialrechtlichen Randbedingungen ab.
In allen Lebenswelten und der Arbeitswelt haben präventivmedizinische Untersuchungen einen hohen Stellenwert. So setzen beispielsweise Schuluntersuchungen durch die Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Gesundheitswesen in Lebenswelten früh an. Diese subsidären Untersuchungen sind hilfreich, um Kinder mit Entwicklungsstörungen oder noch nicht erkannte Erkrankungen zu entdecken und so die Behandlung durch Kinderärzte zu ermöglichen. Ärztliche Untersuchungen nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz bei Jugendlichen, die in die Erwerbstätigkeit treten, stellen einen Schutz der Heranwachsenden dar. Arbeitsmedizinische Vorsorge, die bei den 44 Millionen Erwerbstätigen eine ärztliche Untersuchung beinhalten kann, aber nicht muss, ist eine Chance, auch diejenigen zu erreichen, die nicht die Hausärzte aufsuchen. So können nicht erkannte Erkrankungen entdeckt werden, die dann von den Haus- und Fachärzten behandelt werden können. Dies alles geschieht unter der Prämisse, dass im Bereich der individuellen präventivmedizinischen Vorsorge die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen, wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, gewahrt wird und selbstverständlich die ärztliche Schweigepflicht gilt.
Für die aktuelle Ausgabe von ASU – Zeitschrift für medizinische Prävention – wurde deswegen der Schwerpunkt „Präventivmedizin – Vorsorge und Untersuchung“ gewählt und zeigt die Bedeutung der ärztlichen Untersuchung in der Prävention in Lebenswelten und der Arbeitswelt auf. Ich wünsche Ihnen eine interessante und spannende Lektüre und hoffe, dass Sie hierbei wichtige Anregungen für Ihre täglichen Aufgaben finden.
Ihre Annegret Schoeller
Chefredakteurin