Als Fachärztin für Allgemeinmedizin mit der Gebietsbezeichnung Betriebsmedizin habe ich mir bei den Kolleginnen abgeschaut, dass eine Tätigkeit bei unterschiedlichen Firmen, gemixt mit Notdiensten oder Praxisvertretung sehr abwechslungsreich und bereichernd hinsichtlich der medizinischen Erfahrung ist. Außerdem lassen sich dabei 3 Schulkinder mit Ferienzeiten leichter organisieren, als wenn der Chef und die Kollegen freie Tage absegnen müssen. So hatte ich mir das vorgestellt …
Zwei arbeitsmedizinische Kollegen, die mir für den Start in die Selbstständigkeit tageweise die betriebsärztliche Betreuung „ihrer“ Betriebe abgaben, waren sofort gefunden. Ich startete mit eigener Organisation der Termine, eigenen Gerätschaften, Visitenkarten etc. und natürlich eigener Krankenversicherung und Altersabsicherung. Dabei wies das Ärztliche Versorgungswerk darauf hin, dass zudem ein Antrag auf Statusfeststellungsverfahren bei der deutschen Rentenversicherung gestellt werden muss.
Damit begann eine bürokratische Mühle, die darin gipfelte, dass 6 Monate nach Abgabe des Antrags die Rentenversicherung entschied, dass meine Tätigkeit eine „Scheinselbstständigkeit“ darstellt. Begründung war, dass mir das unternehmerische Risiko in Form von Angestellten oder Praxiskosten fehlt. Alleine mehrere Auftraggeber sind kein Merkmal der Selbstständigkeit.
Nun sind alle Beteiligten verärgert und ungeduldig, da die Rückabwicklung der Selbstständigkeit in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nur den Steuerberater bei der Rechnungsstellung „lächeln“ lässt.
Mein Lehre daraus ist, dass ich mich nun beruflich verändern werde. Ich werde demnächst neu starten als „brav“ angestellte Werksärztin in einem großen Produktionsbetrieb. Das ist an sich natürlich nicht schlecht, hat aber mit der freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit, die ich vor einem Jahr vor Augen hatte, nicht viel gemeinsam!
Beinahe hätte ich es vergessen, zu erwähnen: Ich habe mich natürlich juristisch beraten lassen. Allerdings setzen die Juristen der Rentenversicherung auf eine gerichtliche Entscheidung beim Sozialgericht und da muss im Bundesland BW mit einer 2-jährigen Wartezeit gerechnet werden … dafür habe ich aber nicht mehr die Geduld und die Nerven gehabt.
Immerhin freut sich der große Produktionsbetrieb nun sehr auf die vielseitig erfahrene Werksärztin, die jetzt bei ihm arbeitsmedizinisch im Angestelltenverhältnis tätig sein wird!