SL: Aktuell wird an der Novellierung der Approbationsordnung für Ärztinnen und Ärzte gearbeitet. Wie wird zukünftig die Arbeitsmedizin im Fächerkanon des Medizinstudiums vertreten sein?
Prof. Dr. med. Alexandra Preisser: Die Arbeitsmedizin wird in Zukunft eine selbstbewusste und eigenständige Rolle innerhalb der medizinischen Studienfächer einnehmen, soweit dies aus dem Diskussionsentwurf der Approbationsordnung hervorgeht. Die Wahrnehmung des Faches wird durch die Nennung der „Arbeitsmedizin“ als eigenständiges Fach gestärkt; auch die „Sozialmedizin“ wird im Entwurf als eigenes Fach aufgeführt. So ist zu erwarten, dass für das Fach Arbeitsmedizin ein definiertes (Mindest-)Lehrangebot in den Curricula der medizinischen Fakultäten sowie ein eigener Fragenpool in den Staatsexamina etabliert wird.
Die Novellierung der Approbationsordnung für Ärztinnen und Ärzte steht in engem Zusammenhang mit der Weiterentwicklung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin (NKLM). Der vor einigen Jahren formulierte NKLM Stufe 1.0 wurde unter Federführung des Medizinischen Fakultätentages (MFT), der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und des Instituts für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) umfassend überarbeitet. Im Ergebnis konnte im NKLM 2.0 eine Reihe von arbeitsmedizinischen Lernzielen formuliert werden, die nun in den folgenden zwei Jahren in den NKLM 3.0 überführt werden sollen. Die novellierte Approbationsordnung, die nach jetzigem Stand ungefähr 2026 in Kraft treten könnte, sieht vor, dass die Curricula der medizinischen Fakultäten auf den NLKM 3.0 verpflichtend abzustimmen sein werden, ebenso die Fragen der Staatsexamina.
Die Lernziele im Kapitel „Gesundheitsförderung und Prävention“ des NKLM, die das gesamte Gebiet der Arbeitsmedizin berücksichtigen, sowie organspezifische und interdisziplinäre Lernziele mit arbeitsmedizinischem Bezug werden zu einem Aufschwung der arbeitsmedizinischen Lehrstühle und Institute an den Fakultäten führen. Die Absolvierung von Famulaturen und Praktischen Jahren (PJs) in arbeitsmedizinischen Praxen, die im Diskussionsentwurf der Approbationsordnung explizit in die Liste der „Lehrpraxen“ aufgenommen werden, fördert zudem die Rekrutierung des arbeitsmedizinischen Nachwuchses.
Das Interview wurden von Herrn Professor Stephan Letzel anlässlich des 60jährigen Jubiläums der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) geführt und in der ASU-Ausgabe 04/2022 erstmals veröffentlicht.