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12. März 2014 in Köln

Kölner Regionalkonferenz des VDBW zur ArbMedVV

Dr. med. Ulrike Hein-Rusinek

Wie groß das Interesse an der neuen ArbMedVV und der Diskussionsbedarf dazu noch immer sind, zeigte sich daran, dass die Kölner Konferenz in kurzer Zeit überbucht war. So musste eine zusätzliche Veranstaltung in Düsseldorf angeboten werden, um die enorme Nachfrage unter den Betriebs- und Werkärzten zu befriedigen.

Der Präsident des VDBW, Dr. Wolfgang Panter, begrüßte die erwartungsvollen Zuhörer. Er betonte, der Wandel in der Arbeitswelt sei eine Herausforderung für alle Unternehmen und eine Chance, die Rolle der Betriebsärzte als Akteure des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu stärken. Die Novellierung der ArbMedVV trage dem Rechnung und dies werde vom VDBW ausdrücklich begrüßt.

Selbstbestimmungsrecht des Beschäftigten – auch für seine Gesundheit

Dr. Uwe Gerecke präsentierte die Neuregelungen der ArbMedVV und stellte sich wacker einer teilweise recht hitzigen Diskussion: Arbeitsmedizinische Vorsorge fokussiere auf die Wechselwirkung zwischen Arbeit und Gesundheit und ziele darauf ab, arbeitsbedingte Erkrankungen und schließlich Berufskrankheiten frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Darüber hinaus gelte es nun – mit Blick auf Demografie, verlängertes Arbeitsleben und Fachkräftemangel – den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und die Entwicklung des betrieblichen Gesundheitsschutzes voranzutreiben.

Die Novellierung der ArbMedVV betont das Selbstbestimmungsrecht des Beschäftigten und stärkt sein Recht auf arbeitsmedizinische Vorsorge durch den Betriebsarzt. Arbeitsmedizinische Vorsorge dient der individuellen, persönlichen Aufklärung und Beratung der Beschäftigten über die Wechselwirkungen zwischen ihrer Arbeit und Gesundheit. Diese erfolgt im geschützten Arzt-Beschäftigten-Verhältnis. Der Arbeitgeber erhält nur noch eine Vorsorgebescheinigung über die Teilnahme des Beschäftigten aber nicht mehr über die Ergebnisse.

Lange unklar, aber eigentlich immer schon so formuliert, war die klare Trennung der Untersuchungsarten und deren Schutzziele. Arbeitsmedizinische Vorsorge hat seit jeher das Schutzziel des Arbeitnehmers als Individuum zum Inhalt. Die Vorsorge fragt danach, ob für den Beschäftigten bei der Ausübung seiner bestimmten Tätigkeit eine erhöhte Gefährdung besteht. Die Arbeitsmedizinische Vorsorge hat nicht den Schutz der Allgemeinheit wie zum Beispiel bei Eignungsuntersuchungen nach der Fahrerlaubnisverordnung (FEV) oder den Schutz des Arbeitgebers wie bei Einstellungsuntersuchungen zum Inhalt. Das war zwar immer schon so geregelt, aber erst durch die Novellierung der ArbMedVV wird es nun klarer betont.

Wandel des „Wordings“: keine G-Untersuchungen, sondern Vorsorge

Der Beschäftigte muss nun einer eventuell vom Arzt vorgeschlagenen Untersuchung ausdrücklich zustimmen. Die Untersuchung ist jedoch nicht mehr elementarer Bestandteil der Vorsorge. So müssen wir unsere Terminologie ändern: Arbeitsmedizinische Vorsorge statt Vorsorgeuntersuchung. Voraussetzung für eine Arbeitsmedizinische Vorsorge sind aber immer die durch den Arzt vorzunehmende Anamnese und Beratung sowie Erläuterung des Untersuchungsergebnisses. Ohne Arztkontakt darf keine Bescheinigung nach ArbMedVV ausgestellt werden!

Pflichtvorsorge und Angebotsvorsorge müssen vom Arbeitgeber bei Tätigkeiten, wie sie im Anhang der ArbMedVV definiert sind, veranlasst bzw. dem Beschäftigten angeboten werden. Wunschvorsorge muss dem Beschäftigten grundsätzlich bei allen Tätigkeiten ermöglicht werden. Die Betroffenen müssen dazu nur aktiv werden und diesen Wunsch äußern. Das Angebot und die Durchführung all dieser Vorsorgen – also nicht mehr nur das Ergebnis der Pflichtuntersuchung -müssen vom Arbeitgeber in seiner Vorsorgekartei dokumentiert werden. Vor der Arbeitsmedizinischen Vorsorge sollen dem Betriebsarzt die Gefährdungsbeurteilung und die Arbeitsplatzbeschreibung des Beschäftigten vorgelegt werden.

AMR, AME und die wunderbare Vermutungswirkung

Konkretisierungen der ArbMedVV werden vom Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAMed) in den Arbeitsmedizinischen Regeln (AMR) formuliert und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt gegeben. Sie geben den Stand der Arbeitsmedizin und andere arbeitsmedizinische Erkenntnisse wieder. Wenn man sich an die AMR hält, gilt die sogenannte „Vermutungswirkung“. Vermutungswirkung – welch ein anmutiger Begriff wird uns hier wieder beschert! Die Vermutungswirkung unterstellt, dass man, solange man sich an AMRs hält, alles richtig macht. Adressat dieser AMRs mit ihrer Vermutungswirkung sind der Arbeitgeber und der Betriebsarzt. In der Regel, so Gerecke, verstehe der Arbeitgeber die AMRs und andere Weisheiten der deutschen Arbeitsschutzgesetzgebung nicht, also müsse der Betriebsarzt ihm diese übersetzen. Daneben gebe es dann noch die AMEs, Arbeitsmedizinische Empfehlungen, die im Gegensatz zu den AMRs keine Vermutungswirkung bei ihrer Beachtung entfalten könnten, da sie lediglich nur empfehlenden Charakter haben.

Was ist die Rolle des Betriebsarztes?

Die konkrete Umsetzung dieser Bestimmungen provozierte viele Nachfragen. Wie geht es mit den G-Grundsätzen weiter? Hat die „blaue Bibel“ wirklich ausgedient? Nach VDBW-Meinung muss die Begrifflichkeit der G-Grundsätze verlassen werden. Vielleicht haben die beschriebenen Grundsätze in Zukunft quasi als Leitlinien für betriebsärztliche Vorsorgen noch einen Sinn.

Der Praxistransfer der neuen ArbMedVV war Inhalt einer intensiv geführten Diskussion. Aber Einstellungsuntersuchungen und Eignungsuntersuchungen hatten schon immer einen rein gutachterlichen Charakter und waren noch nie Inhalt der Betriebsärztlichen Bestellung nach ASiG und auch noch nie Inhalt der ArbMedVV.

Wie ist mit Reiserisiken im Rahmen einer bisher G 35-Untersuchung genannten Vorsorge umzugehen? Die Weitergabe der Eignungseinschränkung liegt beim Beschäftigten; er hat die Verantwortung für seine Gesundheit. Ein pfiffiger Arbeitgeber könne, so Gerecke, das Problem leicht lösen, indem er nur jenen Beschäftigten zur Dienstreise aufbrechen lasse, der ihm die Bescheinigung mit Kommentar des Betriebsarztes vorlegt.

Immer noch werden die früher G 25 genannten Untersuchungen hinterfragt. Sie waren noch nie Teil der ArbMedVV und immer schon Untersuchungsgrundsätze ohne explizite Rechtsgrundlage. Der Arbeitgeber, welcher eine Rechtsgrundlage haben möchte, was bei Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten aus seiner Sicht durchaus sinnvoll wäre, sollte sich diese Rechtsgrundlage schaffen: im Rahmen von Betriebsvereinbarungen oder Beauftragungen. Ihn dazu zu beraten ist sicherlich Teil betriebsärztlicher Beratung. Den Auftrag zur Ausformulierung derartiger Rechtsgrundlagen sollte der Arbeitgeber aber eher seinen beratenden Juristen geben. Diese Trennung von Funktionen, Zuständigkeiten und Verantwortungen sollte den Betriebsärzten immer bewusst sein. Wir können und dürfen nicht alle Rollenerwartungen erfüllen, besonders wenn sie in eine Funktionalisierung unserer Tätigkeit ausufern.

Ein Arzt ist ein Arzt ist ein Arzt

Die Rolle der Betriebsärzte im Präventionssetting Betrieb wird durch die ArbMedVV Novellierung gestärkt. Der Betriebsarzt steht für die sprechende und hörende Medizin im Sinne eines ganzheitlichen Gesundheitsbegriffes. Die arbeitsmedizinische Vorsorge als individuelles fachärztliches Untersuchungsangebot im geschützten, vertrauensvollen Raum des Arzt-Beschäftigten-Verhältnisses wird betont.

Diese neue Ausrichtung der Arbeitsmedizin muss begrüßt werden. Wir sollten aufhören, im juristischen Formelgestrüpp herumzustochern, Verordnungstexte mit ihrer unsäglichen Sprache nach zu buchstabieren und uns am Ende gar unsere Köpfe für andere, eigentlich Verantwortliche im Betrieb zerbrechen zu wollen.

Sonst geht es uns wie mir in jener hitzigen Klein-Klein-Debatte während einer an sich informativen Konferenz – und ursprünglich dem armen Studiosus im Faust:

Mir wird von alledem so dumm, als ging mir ein Mühlrad im Kopf herum (Goethe, Faust I).

    Weitere Infos:

    Die aktuellen Änderungen sowie Fragen und Antworten zur arbeitsmedizini-schen Vorsorge gemäß der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) finden Sie auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales unter:

    http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Thema-Arbeitsschutz/2013-10-30-arb-med-vv-text.pdf?__blob=publicationFile

    http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Thema-Arbeitsschutz/2013-10-30-arb-med-vv-faq.pdf?__blob=publicationFile

    Eine zentrale Rolle spielt für die Umsetzung, wie die Vorsorge in Zukunft bescheinigt werden soll. Die arbeitsmedizinische Regel (AMR) Nr. 6.3 Vorsorgebescheinigung (GMBI 5, 2014, S. 100ff.) wurde in der ASU 3/2014 abgedruckt.

    https://www.asu-arbeitsmedizin.com/arbeitsmedizinische-regeln/ausschuss-fuer-arbeitsmedizin-afamed-beim-bundesministerium-fuer-1

    Hinweise zu allen bisher veröffentlichten arbeitsmedizinischen Regeln (AMR) finden Sie auf der Seite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua) unter:

    http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Ausschuesse/AfAMed/AMR/AMR_content.html;jsessionid=757FA7E3A0D0FBEDB9051F39ED701FE4.1_cid389

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