Die Eröffnung des Symposiums erfolgte durch Dr. Thomas H. Brock (BG RCI – Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie, Heidelberg), den Leiter der AG Analytik, und Prof. Dr. Dietmar Breuer (IFA – Institut für Arbeitsschutz der DGUV, Sankt Augustin). Danach ging es für die rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer unmittelbar in das aus insgesamt vier Sessions bestehende Programm der Veranstaltung. Die einzelnen Sessions wurden von Mitgliedern der beiden Arbeitsgruppen moderiert.
Den Auftakt gestaltete Sandra Boos (IFA, Sankt Augustin) mit einer vergleichenden und bewertenden Vorstellung zweier Verfahren zur Bestimmung amorpher Kieselsäuren in Stäuben mittels Infrarotspektrometrie und Röntgendiffraktometrie. Dabei wurde gezeigt, dass sich die Verfahren insbesondere bezüglich ihrer Empfindlichkeit gegenüber dem Vorhandensein anderer Komponenten im Staub unterscheiden und somit immer noch eine Herausforderung für den Analytiker darstellen.
Von Petra Brohmann (Regierungspräsidium Kassel) folgte eine Darstellung der Formaldehydbelastungen in Pathologien bei der Bearbeitung von Gewebeproben. Dabei wurden die Ursachen erhöhter Formaldehydexpositionen und betriebliche Lösungen zur Expositionsminderung vorgestellt.
Anschließend präsentierte Dr. Ralph Hebisch (BAuA – Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund) die Ergebnisse eines Messprogramms zur Untersuchung der Wirksamkeitsprüfung von Schutzmaßnahmen bei der Abfüllung fester Stoffe. Die Ergebnisse mündeten in Videos, die vergleichend die Staubbelastungen bei wirksamen und weniger wirksamen Schutzmaßnahmen gegenüberstellen und auf der Website der BAuA zur Verfügung stehen.
Auf Arbeitsplatzmessungen von Bioaerosolen ging Dr. Udo Jäckel (BAuA, Berlin) als nächster Referent näher ein. So wurden die Ergebnisse der Untersuchung klassischer (Kultivierung, Isolierung) und neuartiger Methoden (z. B. quantitative Real-Time-PCR)
sowie deren Kombination und auch Zukunftsperspektiven hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit bei Expositionsanalysen in Bezug auf die Risikobewertung am Arbeitsplatz vorgestellt. Erwartungsgemäß ergab die Diskussion hier auch Fragen bezüglich der Messung von Coronaviren in der Luft.
Den Abschluss der ersten Session bildete der Vortrag von Dr. Daniel Köster (IFA, Sankt Augustin), der sich der Frage widmete, ob Oberflächenkontaminationen quantitativ messbar sind. Es zeigte sich, dass die Ergebnisse von einer Vielzahl von Faktoren abhängig sind, wie zum Beispiel den untersuchten Oberflächen und deren Struktur. Es wurden interessante Möglichkeiten eröffnet, die Verschleppung von Gefahrstoffen an Arbeitsplätzen aufzuzeigen und die Wirksamkeit von Reinigungsprozeduren zu validieren.
Die Fortsetzung des Programms mit der zweiten Session lieferte Silke Werner (IFA, Sankt Augustin) mit ihrer Ausführung, ob PCB 47 (polychlorierte Biphenyle) heute noch ein aktuelles Problem darstellen, da ihre Produktion seit den 1970er Jahren in Europa und den USA verboten ist. Hintergrund dieser Präsentation war die Feststellung, dass bei der Herstellung von Silikon, Polyestern und Polyvinylchlorid unter Verwendung von Bis(2,4-dichlorobenzoyl)peroxid als Radikalstarter die drei Kongenere PCB 47, 51 und 68 entstehen könnten. Mit dem entwickelten Messverfahren für Luftmessungen konnten bei der Herstellung von Silikonschläuchen keine signifikanten Konzentrationen nachgewiesen werden.
Anschließend befasste sich Dr. Kurt Timm (BG RCI, Leuna) mit der Entwicklung der Chrom(VI)-Analytik. Infolge der Festlegung eines Beurteilungsmaßstabes von 1 µg/m³ durch den Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) mussten die bestehenden Messverfahren hinsichtlich ihres Leistungsvermögens deutlich verbessert werden. Neben dem spektroskopischen Verfahren gibt es seit diesem Jahr auch ein gemäß TRGS (Technische Regel für Gefahrstoffe) 402 geeignetes ionenchromatographisches Messverfahren, das die Bestimmung von Chrom(VI)-Verbindungen in der einatembaren Staubfraktion ermöglicht.
Von Dr. Christiane Kaus (IFA, Sankt Augustin) wurde danach die neue dynamische Prüfgasstrecke beim Institut für Arbeitsschutz der DGUV vorgestellt. Diese Präsentation wurde mit großem Interesse erwartet, weil einerseits coronabedingt kaum Möglichkeiten bestanden, diese Anlage im neuen Laborkomplex des IFA in Augenschein zu nehmen und andererseits von vielen schon die neuen Möglichkeiten der Ringversuche und der Erstellung von Referenzmaterialien zur Qualitätssicherung von Arbeitsplatzmessungen erwartet wurden.
Passend zum Themenkomplex Qualitätssicherung schloss sich der Vortrag von Jana Dospil (IFA, Sankt Augustin) zur Validierung von Messverfahren und deren Unsicherheitsparametern als Maß für ihre Genauigkeit an. Diese Ausführungen ermöglichten einen tieferen Einblick in den Hintergrund der durch die AG Analytik und die AG Luftanalysen entwickelten und veröffentlichten Messverfahren.
Im darauffolgenden Vortrag von Dr. Uta Lewin-Kretzschmar (BG RCI, Leuna) wurde die Thematik der Qualitätssicherung abgerundet. Beide Arbeitsgruppen – AG Analytik und AG Luftanalysen, die dieses Symposium federführend veranstalten – gehen bei der Entwicklung und Validierung von Messverfahren nach einer gemeinsam abgestimmten Grundlage vor. Welcher Aufwand in einem neuen Messverfahren steckt, bevor dieses in den jeweiligen Methodensammlungen veröffentlicht werden kann, wurde eindrucksvoll erläutert. Diese Abstimmung bei der Methodenentwicklung ist auch die Grundlage für die vom AGS veröffentlichte Liste von Messverfahren für Arbeitsplatzmessungen.
Zum Abschluss des ersten Tages war dies auch ein Plädoyer dafür, interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums zur Verfahrensentwicklung zu animieren, um die vielen Lücken dieser im Internet verfügbaren Übersicht von Messverfahren zu schließen (s. „Weitere Infos“).
Bei einer sehr gut besuchten Abendveranstaltung, mit vielen kulinarischen Überraschungen, wurden vor allem die persönlichen Kontakte wieder neu geknüpft. Insbesondere fanden aber selbst am Büfett noch interessante fachliche Diskussionen statt.
Am zweiten Tag wurde das Symposium von Dr. Philipp Bayer (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bonn) mit seinem Beitrag zur neuen Gefahrstoffverordnung fortgesetzt. Der Fokus der Änderungen ist dabei auf die vollständige Umsetzung des Risikokonzepts für krebserzeugende Stoffe sowie die Anpassung der Regelungen zu Asbest an die Ergebnisse des nationalen Asbestdialogs ausgerichtet. Letzteres beinhaltet insbesondere eine Konkretisierung und Erweiterung der zulässigen Tätigkeiten im Baubestand und ein risikobasiertes Maßnahmenkonzept mit gestuften Qualifikationsanforderungen.
Thematisch schloss sich der Vortrag von Dr. Martin Wieske (Wirtschaftsvereinigung Metalle, Berlin) mit den Ausführungen zur Überarbeitung der TRGS 910 – „Risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen“ – an. Neben den krebserzeugenden Gefahrstoffen mit Exposition-Risiko-Beziehung (ERB) werden zukünftig alle krebserzeugenden Gefahrstoffe einbezogen, das heißt auch solche mit einem Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) aus der TRGS 900 sowie mit einem Beurteilungsmaßstab in stoffspezifischen TRGS. Eine Frage konnte allerdings in der folgenden interessanten Diskussion nicht geklärt werden: ob und insbesondere wann eine Absenkung der Akzeptanzkonzentration für krebserzeugende Stoffe auf ein Risiko von 1:100.000 erfolgen wird.
Aus einem völlig anderen Metier kam als nächster Referent Dr. Holger Brocke (Staatsanwaltschaft Berlin). In seinem abwechslungsreichen Vortrag ging er darauf ein, was die Gerichtsbarkeit aus Messergebnissen macht. So können Fehler bei Messungen sowohl straf- als auch zivilrechtliche Konsequenzen für den Arbeitgeber und auch die die Messungen durchführende Person oder Messstelle haben.
Lina Westphal (TÜV Rheinland, Köln) wandte sich anschließend den Chromaten am Arbeitsplatz zu und stellte vor, wie eine Messstelle aktuelle Entwicklungen umsetzen kann. Dabei wurde neben den Ausführungen zu der Frage, welche messtechnischen Verpflichtungen sich im Rahmen einer Autorisierung unter REACH ergeben, auch deutlich gezeigt, wie stark eine Substitution durch REACH vorangetrieben werden kann.
Von Dr. Cornelia Wippich (IFA, Sankt Augustin) wurde das Verhältnis zwischen der einatembaren und der alveolengängigen Staubfraktion am Beispiel von Cobalt und Nickel betrachtet. Da häufig – insbesondere aus den frühen Jahren der Expositionsmessungen – nur Daten für die einatembare Staubfraktion vorliegen, besteht natürlich großes Interesse, diese Staubfraktion in die alveolengängige „umrechnen“ zu können. Dies soll dazu dienen, einerseits retrospektive Beurteilungen von Arbeitsplätzen durchzuführen zu können und andererseits bei der Festlegung von Beurteilungsmaßstäben unterstützend zu wirken. Klar kam zum Ausdruck, dass sowohl der betrachtete Gefahrstoff als auch die durchgeführten Tätigkeiten dabei von entscheidender Bedeutung sind. Es konnten unterschiedliche, nicht lineare Umrechnungsfunktionen bestimmt werden; eine einfache Umrechnung mit nur einem Faktor ist dagegen nicht möglich.
Den letzten Vortrag präsentierten Sabine Plitzko und John Schumann (beide BAuA, Berlin) gemeinsam zu automatisierten Zählverfahren für nano- und mikroskalige Fasern am Arbeitsplatz. Für die Überprüfung luftgetragener Anzahlkonzentrationen dieser Spezies am Arbeitsplatz wurde ein neues Mess- und Analyseverfahren entwickelt. Wenn eine vollautomatisierte Auswertung der Faseranzahl in hoffentlich naher Zukunft für Messstellen zur Verfügung steht, dürfte das einen großen Schritt für die Leistungsfähigkeit der relevanten Messverfahren bedeuten. Insbesondere würde dies auch eine Absenkung der Akzeptanzkonzentration für Asbestfasern am Arbeitsplatz forcieren.
Nach Abschluss der Vorträge wurde der diesjährige „arbe.ana“-Preis zum zweiten Mal verliehen. Dieses Mal waren die Preisträger Dr. Wilhelm Krämer (vormals BASF, Ludwigshafen) und Michael Tschickardt (vormals LfU – Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz, Mainz). Beide Preisträger wurden für ihre Verdienste bei der Entwicklung, Validierung und Etablierung von Messverfahren für Gefahrstoffe an Arbeitsplätzen gewürdigt. Jahrzehnte waren und sind sie – obwohl mittlerweile im wohl verdienten Ruhestand – diesbezüglich sowohl in der AG Analytik als auch in der AG Luftanalysen noch immer tätig.
Die Überarbeitung der TRGS 402 zur Ermittlung und Beurteilung der inhalativen Exposition am Arbeitsplatz war Gegenstand der von Prof. Dr. Dietmar Breuer moderierten Podiumsdiskussion. Im Podium gingen Dr. Anita Csomor (Regierungspräsidium Kassel), Gebhard von Kries (ANECO, Mönchengladbach) und Dr. Ralph Hebisch gemeinsam mit dem Publikum z. B. solchen Fragen nach, welche Änderungen sich in der neuen TRGS ergeben haben, welche Rolle messtechnische und nichtmesstechnische Verfahren spielen und welche Anforderungen an derartige Verfahren gestellt werden. Es wurde anhand des aktuellen Bearbeitungsstands dieser TRGS die Befundermittlung sowohl für Stoffe mit einem AGW als auch für krebserzeugende Stoffe näher betrachtet. Zukünftig wird für alle Stoffe mit einem Beurteilungsmaßstab eine Unterscheidung in geeignete und bedingt geeignete Messverfahren erfolgen – mit dem Ziel, bevorzugt geeignete Messverfahren einzusetzen, indem beispielsweise auch Probenahmeparameter diesbezüglich optimiert werden. Ebenso wurden die betrachteten Stoffgruppen für die Arbeitsplatzüberwachung neu strukturiert, um aktuellen technischen und auch regelsetzenden Entwicklungen Rechnung zu tragen. Die Frage, wann diese überarbeitete TRGS 402 erscheinen wird, konnte dahingehend beantwortet werden, dass das erste Halbjahr 2023 angestrebt wird.
Nach dieser, viele interessante Punkte ansprechenden Podiumsdiskussion mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Symposiums resümierte Dr. Ralph Hebisch und dankte allen für ihre Teilnahme. Zum Abschluss lud er für den September 2024 zur BAuA in Dortmund ein, wo – unter hoffentlich wieder vollständig normalen Bedingungen – das 7. Gefahrstoff-Symposium der AG Analytik und AG Luftanalysen stattfinden wird.
doi:10.17147/asu-1-233017
Weitere Infos
AGS-Liste geeigneter Messverfahren. Bewertung von Verfahren zur messtechnischen Ermittlung von Gefahrstoffen in der Luft am Arbeitsplatz
www.baua.de/dok/8592142
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