Wann darf nach der GOÄ abgerechnet werden?
Betriebsärzte, die nicht beim Arbeitgeber angestellt sind, rechnen häufig direkt mit dem Arbeitgeber die erbrachten betriebsärztlichen Leistungen ab. Die Bundesärztekammer hatte die Forderung des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW) seit vielen Jahren unterstützt, dass Betriebsärzte über die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abrechnen können und nicht wie früher ausschließlich über Pauschalbeträge. In diesem Zusammenhang kam jedoch die Frage auf, welche Daten der Arbeitgeber im Rahmen der Rechnung über die betriebsärztlichen Leistungen erhalten darf.
Rechtliche Prüfung des Sachverhalts
Bereits im August 2011 hatte die gemeinsame Rechtsabteilung der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung diese Fragestellung überprüft und festgestellt, dass bei Abrechnungen von betriebsärztIichen Leistungen gegenüber dem Arbeitgeber gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) die ärztliche Schweigepflicht gilt. Aus der Rechnung darf der Arbeitgeber keine Rückschlüsse auf die Person des Arbeitnehmers ziehen können. Soweit dem Betriebsarzt gegenüber dem Arbeitgeber eine Offenbarungsbefugnis bzw. Informationspflicht zukommt, hat er diese außerhalb der Rechnung zu bedienen. Im Rahmen der Ständigen Konferenz der Rechtsberater der Bundesärztekammer und der Landesärztekammern im Oktober 2012 wurden die oben skizzierten Fragen beraten.
Datenweitergabe an Arbeitgeber
Generell gilt, dass eine Datenweitergabe durch den Betriebsarzt an den Arbeitgeber der Einwilligung des Arbeitnehmers bedarf. Widerspricht der Arbeitnehmer einer Datenweitergabe, so ist für die Annahme einer mutmaßlichen oder konkludenten Einwilligung kein Platz. Eine pauschale vertragliche Vereinbarung im Arbeitsvertrag zur Entbindung des Betriebsarztes von der Schweigepflicht ist unwirksam. Dies kommt einer Generalermächtigung gleich, die laut Betriebsverfassungsgesetz (BVerfG) gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz GG) verstößt. Die Erklärung der Schweigepflichtentbindung muss danach die Reichweite der Entbindung hinreichend bestimmen und zweckgenau beschreiben (vgl. FAKomm MedRIRehborn, § 9 MBO, Rn. 3).
Eine pauschale vertragliche Vereinbarung im Arbeitsvertrag zur Entbindung des Betriebsarztes von der Schweigepflicht ist unwirksam
Ist der Patient allerdings gesetzlich verpflichtet, sich einer Untersuchung zu stellen, beispielsweise arbeitsmedizinische Einstellungs- und Vorsorgesuchungen, erhält der Arbeitgeber eine Bescheinigung über das Untersuchungsergebnis. Dies stellt eine gesetzliche Offenbarungsbefugnis des Arztes gegenüber dem Arbeitgeber dar. Die Mitteilung an den Arbeitgeber kann der Patient nicht verhindern. Wahrnehmungen, die der Sachverständige „nebenbei“ gemacht hat oder die sich auf Mitteilungen stützen, die mit dem Gutachten in keinem Zusammenhang stehen, unterliegen in vollem Umfang der Schweigepflicht (vgl. Heidelberger Kommentar, Arztrecht, Krankenhausrecht, Medizinrecht; zur Schweigepflicht: Kiesecker, Rn. 18/19).
GOÄ: Jeglicher Rückschluss auf einzelne Personen muss ausgeschlossen sein
Grundsätzlich besteht ein Dauerschuldverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsarzt. Dies bedeutet: Der Betriebsarzt schuldet dem Arbeitgeber eine Untersuchung des Arbeitnehmers. Zudem wird es regelmäßig Vereinbarungen geben, wie die Leistungen zu vergüten sind. Daneben gibt es aber auch Leistungen, die nach der GOÄ abgerechnet werden. Es ist die Frage zu klären, wie die Rechnung nach § 12 GOÄ ausgestaltet sein muss, damit der ärztlichen Schweigepflicht genüge getan wird.
Es besteht die Auffassung, dass Betriebsärzte einzelne Leistungen nach GOÄ abrechnen dürfen, soweit für diese Leistungen Gebührenordnungspositionen bestehen. Die Rechnung hat grundsätzlich den Anforderungen, die sich aus § 12 GOÄ ergeben, zu genügen. Da die Rechnung auch personenbezogene Daten enthält, muss insbesondere gewährleistet sein, dass die Rechnung nicht einer bestimmten Person zugeordnet werden kann. Insofern sind die in ASUpraxis veröffentlichen Anforderungen zu beachten (vgl. Chancen und Risiken – Abrechnung betriebsärztlicher Leistungen nach der GOÄ: ASUpraxis, 47, 4/2012). Daraus folgt auch, dass im Zweifel die abgerechneten Leistungen so zu aggregieren sind, dass jeglicher Rückschluss auf einzelne Personen ausgeschlossen ist.
Es muss gewährleistet sein, dass die Rechnung nicht einer bestimmten Person zugeordnet werden kann
In Kleinstbetrieben können die Daten nicht mehr aggregiert werden, da zu wenige Personen untersucht werden und dadurch die Gebührenpositionen einzelnen Beschäftigten zugeordnet werden können. Dann ist die Schweigepflicht nicht gewährleistest. Hier ist die Anwendung einer Vergütungspauschale zu empfehlen.
In Vergütungspauschalen fließen Einzelvergütungen ein und ein Pauschalbetrag wird festgelegt. Ein Beispiel für eine Vergütungspauschale (VP) wäre die VP „Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung Lärm“: Hier fließen Einzelleistungen, wie Anamnese, Audiometrie, die Befundung etc. ein, ohne einzeln ausgewiesen zu sein. Eine weitere mögliche Pauschale wäre eine Vergütung nach Einsatzstunden, wie etwa 100 bis 120 Euro pro Stunde. Diese Art der Vergütung von betriebsärztlicher Leistung war und ist auch noch (neben der Vergütung nach GOÄ) jahrzehntelang gängige Praxis.
Eine Angabe zur Beschäftigtenanzahl, ab wann nicht mehr aggregiert werden kann, ist nicht möglich. Die Vorgehensweise wird in den einzelnen Betrieben individuell verschieden sein, so dass man das Aggregieren von Daten nicht von einer Beschäftigtenanzahl abhängig machen sollte. In einigen Betrieben ist dies vielleicht ab fünf Personen möglich, in anderen eventuell erst ab zehn. Es kommt immer auf die Anzahl der untersuchten Personen, deren Daten aggregiert werden, an.
In jedem Fall muss gewährleistet sein, dass aus der Rechnung keine Rückschlüsse auf die Person des Arbeitsnehmers gezogen werden können, ob nun durch das Aggregieren von Daten oder das Anwenden einer Vergütungspauschale.
Wer prüft angezweifelte GOÄ-Rechnungen?
Den Ärztekammern ist durch die Heilberufs- und Kammergesetze der Länder die Aufgabe übertragen, Streitigkeiten zwischen den Kammermitgliedern und Dritten zu schlichten. Darunter fallen auch Honorarstreitigkeiten. Für die Frage der Angemessenheit des Honorars sieht § 12 Abs. 3 (Muster-)Berufsordnung (MBO) eine Verpflichtung der Ärztekammer vor, ein Gutachten auf Antrag der Beteiligten zu erstellen. Auf Grundlage des § 12 Abs. 3 (Muster-)Berufsordnung werden also Überprüfungen von Rechnungen die von Ärzten – auch von Betriebsärzten – gestellt werden, von den Landesärztekammern wahrgenommen.
Amtliche Gebührenordnung für Ärzte
Die Amtliche Gebührenordnung für Ärzte ist eine von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassene Rechtsverordnung, die nur in großen Zeitabständen einer grundlegenden Aktualisierung unterzogen wird. Im Zeitraum von 1965 bis einschließlich 1982, d. h. innerhalb von 17 Jahren ist diese Gebührenordnung nicht geändert oder aktualisiert worden. Trotz zahlreicher politischer Vorstöße und der Vorlage eines von der Bundesärztekammer erarbeiteten Entwurf einer neuen Gebührenordnung wurde die GOÄ erst im Jahre 1982 – elf Jahre später – einer völligen Überarbeitung unterzogen. Grundlage des Leistungsverzeichnisses der novellierten GOÄ war die E-ADGO als eine Ausprägung des am 01.07.1978 eingeführten Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM), der für alle Kassenarten gemeinsam den Inhalt aller in der kassen- bzw. vertragsärztlichen Versorgung abrechnungsfähigen ärztlichen Leistungen zusammenführte und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes, Verhältnis zueinander bestimmte. Die auf dem EBM basierende GOÄ vom 12. 11. 1982 (BGBl. I, S. 1522) trat am 01. 01. 1983 in Kraft.
Info
Weitere Informationen der Bundesärztekammer hierzu im Tätigkeitsbericht 2002/2003, siehe Kapitel „Amtliche Gebührenordnung für Ärzte:
https://www.bundesaerztekammer.de/bericht2002-2003/index.htm;
siehe auch Tätigkeitsbericht 2011, Kap. 9 „Ärztlichen Honorierung“ zu aktuellen Entwicklungen der GOÄ:
https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/Taetigkeit2011.pdf
Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)
- Die Vergütung wird fällig, wenn dem Zahlungspflichtigen eine dieser Verordnung entsprechende Rechnung erteilt worden ist.
- Die Rechnung muss insbesondere enthalten:
- das Datum der Erbringung der Leistung,
- bei Gebühren die Nummer und die Bezeichnung der einzelnen berechneten Leistung einschließlich einer in der Leistungsbeschreibung gegebenenfalls genannten Mindestdauer sowie den jeweiligen Betrag und den Steigerungssatz,
- bei Gebühren für vollstationäre, teilstationäre sowie vor- und nachstationäre privatärztliche Leistungen zusätzlich den Minderungsbetrag nach § 6 a,
- bei Entschädigungen nach den §§ 7 bis 9 (7, 8, 9) den Betrag, die Art der Entschädigung und die Berechnung,
- bei Ersatz von Auslagen nach § 10 den Betrag und die Art der Auslage; übersteigt der Betrag der einzelnen Auslage 25,56 Euro, ist der Beleg oder ein sonstiger Nachweis beizufügen.
- Überschreitet eine berechnete Gebühr nach Abs. 2 Nr. 2 das 2,3fache des Gebührensatzes, ist dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen; das gleiche gilt bei den in § 5 Abs. 3 genannten Leistungen, wenn das 1,8fache des Gebührensatzes überschritten wird, sowie bei den in § 5 Abs. 4 genannten Leistungen, wenn das 1,15fache des Gebührensatzes überschritten wird. Auf Verlangen ist die Begründung näher zu erläutern. Soweit im Falle einer abweichenden Vereinbarung nach § 2 auch ohne die getroffene Vereinbarung ein Überschreiten der in Satz 1 genannten Steigerungssätze gerechtfertigt gewesen wäre, ist das Überschreiten auf Verlangen des Zahlungspflichtigen zu begründen; die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend. Die Bezeichnung der Leistung nach Abs. 2 Nr. 2 kann entfallen, wenn der Rechnung eine Zusammenstellung beigefügt wird, der die Bezeichnung für die abgerechnete Leistungsnummer entnommen werden kann. Leistungen, die auf Verlangen erbracht worden sind (§ 1 Abs. 2 Satz 2), sind als solche zu bezeichnen.
- Wird eine Leistung nach § 6 Abs. 2 berechnet, ist die entsprechend bewertete Leistung für den Zahlungspflichtigen verständlich zu beschreiben und mit dem Hinweis entsprechend sowie der Nummer und der Bezeichnung der als gleichwertig erachteten Leistung zu versehen.
- Durch Vereinbarung mit den in § 11 Abs. 1 genannten Leistungs- und Kostenträgern kann eine von den Vorschriften der Absätze 1 bis 4 abweichende Regelung getroffen werden.
(Muster-)Berufsordnung für Ärzte
- Die Honorarforderung muss angemessen sein. Für die Bemessung ist die Amtliche Gebührenordnung (GOÄ) die Grundlage, soweit nicht andere gesetzliche Vergütungsregelungen gelten. Ärztinnen und Ärzte dürfen die Sätze nach der GOÄ nicht in unlauterer Weise unterschreiten. Bei Abschluss einer Honorarvereinbarung haben Ärztinnen und Ärzte auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der oder des Zahlungspflichtigen Rücksicht zu nehmen.
- Ärztinnen und Ärzte können Verwandten, Kolleginnen und Kollegen, deren Angehörigen und mittellosen Patientinnen und Patienten das Honorar ganz oder teilweise erlassen.
- Auf Antrag eines Beteiligten gibt die Ärztekammer eine gutachterliche Äußerung über die Angemessenheit der Honorarforderung ab.
- Vor dem Erbringen von Leistungen, deren Kosten erkennbar nicht von einer Krankenversicherung oder von einem anderen Kostenträger erstattet werden, müssen Ärztinnen und Ärzte die Patientinnen und Patienten schriftlich über die Höhe des nach der GOÄ zu berechnenden voraussichtlichen Honorars sowie darüber informieren, dass ein Anspruch auf Übernahme der Kosten durch eine Krankenversicherung oder einen anderen Kostenträger nicht gegeben oder nicht sicher ist.
Autorin
Umweltmedizin, Bereichsleiterin Arbeitsmedizin im Dezernat V Bundesärztekammer, Berlin annegret.schoeller@baek.de