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Working time recording – empirical findings on distribution, organization and time flexibility
The article provides empirical findings on the prevalence of working time recording in Germany, as well as on its operational organization. It shows that the vast majority of establishments have introduced working time recording, larger companies more on the basis of systematic methods, while smaller companies tend to use manual methods. Working time recording has a positive effect on limiting working hours, reducing stress and thus health risks. It can also be observed that more companies with flexible working time arrangements, particularly working time accounts, than without have introduced working time recording. These arrangements can offer employees opportunities for more self-determined time management. This can reduce time constraints and time stress and improve work-life balance.
Kernaussagen
Arbeitszeiterfassung – empirische Befunde zur Verbreitung, Organisation und Zeitflexibilität
Der Beitrag liefert empirische Befunde zur Verbreitung der Arbeitszeiterfassung in Deutschland, außerdem zu deren betrieblicher Organisation. Er zeigt, dass die überwiegende Mehrheit der Betriebe eine Arbeitszeiterfassung eingeführt hat, größere eher auf der Basis systemischer, Kleinstbetriebe eher auf händischen Methoden. Die Arbeitszeiterfassung wirkt positiv auf die Begrenzung der Arbeitszeiten, reduziert Belastungen und damit gesundheitliche Gefährdungen. Ferner lässt sich beobachten, dass es mehr Betriebe gibt, die eine Arbeitszeiterfassung mit flexiblen Arbeitszeitsystemen, vor allem Arbeitszeitkonten, eingeführt haben als solche ohne eine Arbeitszeiterfassung. Beschäftigte erhalten Möglichkeiten zu einer selbstbestimmteren Zeitgestaltung. Dadurch lassen sich Zeitzwänge und Zeitstress abbauen und die Work-Life-Balance verbessern.
Einleitung
Seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom September 2022 ist es für alle Betriebe verpflichtend, die Arbeitszeit der Beschäftigten zu erfassen. Hierüber hatte es zuvor eine lange und heftige Kontroverse zwischen den Arbeitsmarktparteien, den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften, aber auch im wissenschaftlichen und vor allem politischen Bereich gegeben. Mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist die Kontroverse um die Arbeitszeiterfassung aber noch längst nicht beendet. Strittig geblieben ist die Frage, wie, also mit welcher Methode die Arbeitszeit verbucht werden soll. Bislang ist es den Betrieben freigestellt, ob sie Anfang, Ende und Dauer der Arbeitszeit händisch oder elektronisch festhalten. Zukünftig soll die Methode jedoch vereinheitlicht werden. Das Bundesarbeitsministerium hat im April 2023 in einem Referentenentwurf die elektronische Erfassung als obligatorisch vorgeschlagen. Hieran hat sich eine heftige Kontroverse entzündet, zu der der nachfolgende Beitrag einige empirische Befunde liefert.
Es folgt zunächst ein Überblick über die bisherige Verbreitung der Arbeitszeiterfassung, weiter werden empirische Befunde präsentiert, die informieren, wie Betriebe organisatorisch mit der Arbeitszeiterfassung umgehen. Das besondere Augenmerk richtet sich dabei auf flexible Arbeitszeitformen, vor allem Arbeitszeitkonten, und das seit der Pandemie kräftig expandierte Arbeiten von zuhause, im Homeoffice. Zuvor rekapituliert der Beitrag kurz die Vorgeschichte zur gesetzlichen Einführung der Arbeitszeiterfassung.
Geschichte und Stand der Diskussion
Eine verpflichtende Erfassung der Arbeitszeit ist grundsätzlich nicht neu; allerdings galt sie lange Zeit nicht generell für alle, sondern nur für definierte Betriebe, Beschäftigte und Arbeitszeitbedingungen. Verpflichtend sieht das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vor, die tägliche Arbeitszeit zu erfassen, wenn diese über den Achtstundentag hinausgeht. Das Gesetz (§ 3 ArbZG) lässt eine Obergrenze von bis zu zehn Stunden zu, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Einige Ausnahmen weichen von dieser Regelung der Arbeitszeiterfassung ab. So ist die gesamte an Sonn- und Feiertagen geleistete Arbeitszeit zu dokumentieren (§ 16 Abs. 2 ArbZG). Eine Aufzeichnungspflicht gilt ferner für geringfügig Beschäftigte1 (Minijobs), außerdem in bestimmten Branchen, in denen eine besondere Missbrauchsgefahr bei der Bezahlung des Mindestlohns besteht (§ 17 Mindestlohngesetz – MiLoG). Um sicherzustellen, dass dieser tatsächlich für jede Arbeitsstunde bezahlt wird, ist die Arbeitszeit zu dokumentieren (Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit). Hierzu zählen zum Beispiel das Baugewerbe, Gaststätten und Herbergen, der Speditions-, Transport- und Logistikbereich, Unternehmen der Forstwirtschaft, Gebäudereinigung, Messebau und Fleischwirtschaft. Ebenso müssen Zeitungszustellerinnen und -zusteller sowie Beschäftigte bei Paketdiensten ihre Arbeitszeit dokumentieren. Wie die Zeiterfassung erfolgt, ob auf Papier, mit Excel oder mit Hilfe eines Erfassungssystems etwa per Webportal oder App, lässt das Gesetz offen.
Den entscheidenden Schritt zu einer obligatorischen generellen Arbeitszeiterfassung machte im Mai 2019 ein vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gefälltes Urteil. Es verpflichtete Arbeitgeber, „ein objektives, verlässliches und zugängliches System“ (EuGH 2019) einzurichten, mit dem die von jedem Beschäftigten geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Das Urteil soll für besseren Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmenden sorgen und ausufernde Arbeitszeiten eindämmen. Auf dieser Grundlage hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 13. September 2022 festgestellt, dass die Arbeitgeber ein System einführen und anwenden müssen, mit dem Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeiten einschließlich der Überstunden erfasst werden.
In einem weiteren konkretisierenden Schritt hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im April 2023 einen Referentenentwurf vorgelegt, der eine heftige Kontroverse ausgelöst hat. Er sieht eine elektronische, tagesaktuelle Erfassung vor. Begründet wird diese Vorschrift mit dem EuGH-Urteil, dass der Arbeitgeber die tatsächliche Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit sowie der täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten objektiv, verlässlich und zugänglich sicherzustellen hat. Diese Regelung soll ermöglichen, ausufernde Arbeitszeiten zu identifizieren, zu kontrollieren und letztlich einzudämmen. Speziell unter den Bedingungen der seit der Corona-Pandemie stark expandierten Arbeit außerhalb des Büros, im Homeoffice, soll die elektronische Aufzeichnung eine besonders praktikable Form bieten, die geleistete Arbeitszeit festzuhalten und dem Betrieb rasch zugänglich zu übermitteln. Für die taggenaue Erfassung spricht, dass der Arbeitgeber die Einhaltung der täglichen Ruhezeit von elf Stunden nur dann überwachen kann, wenn ihm exakte Informationen über die am Vortrag geleisteten Stunden und deren Arbeitsende am Tag der Kontrolle vorliegen (Brors 2023, S. 39).
Gegen eine elektronische Erfassung wird vor allem ins Feld geführt, dass sie einen Großteil der Betriebe finanziell überfordert, insbesondere kleine und mittlere Betriebe organisatorisch übermäßig belastet, zeitliche Flexibilität einschränkt und das Ende der Vertrauensarbeitszeit bedeuten würde (BDA 2023, S. 71). Diesem Argument stehen Erfahrungen gegenüber, die auf Vorteile der elektronischen gegenüber der händischen Arbeitszeiterfassung verweisen (Aich 2023, S. 66). So sei die erstgenannte Methode mit dem geringsten Aufwand für die Beschäftigten verbunden und am wenigsten fehleranfällig. Dagegen verursache die manuelle Aufzeichnung für die Mitarbeitenden mehr Aufwand und für Arbeitgeber mehr Arbeit, die Aufzeichnungen zu überwachen. Kurzum, diese Methode wird als wenig praktikabel angesehen.
Relativierend bei der Bewertung des Gesetzesvorschlags ist zu berücksichtigen, dass er Rücksicht auf kleinere Betriebe nimmt und ihnen großzügige Ausnahmen einräumt. Je nach Betriebsgröße sind üppige Übergangsfristen von bis zu fünf Jahren vorgesehen, Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten sollen völlig von der elektronischen Aufzeichnung befreit werden. Vorgesehen sind ferner Ausnahmeregelungen, die die Betriebs- oder Tarifparteien vereinbaren können. Noch ist nicht absehbar, wann daraus ein verpflichtendes Gesetz wird, denn um wesentliche Punkte wird weiterhin gerungen.
Empirie
Welche Erfahrungen nun Beschäftigte und Betriebe mit ihrer Arbeitszeiterfassung gemacht haben, beschreiben die nachfolgenden empirischen Befunde. Sie beleuchten vor allem einige arbeitsorganisatorische Aspekte, beschreiben aber zunächst das Ausmaß der Verbreitung.
Datengrundlagen
Die empirischen Befunde stützen sich wesentlich auf zwei aktuelle Untersuchungen: Zum einen handelt es sich um die Arbeitszeitbefragungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Gesundheit (BAuA) von 2019 und 2023 (Backhaus et al. 2021; Backhaus u. Kötter 2024), zum anderen um eine Erhebung des SOEP-LEE22 (Maas u. Seifert, im Erscheinen). Die ersten Untersuchungen basieren auf Personenbefragungen, die zweite auf Betriebsbefragungen in den Jahren 2023/2024. Bei den BAuA-Arbeitszeitbefragungen, einer für Deutschland repräsentativen Erwerbstätigenbefragung, wurden abhängig Beschäftigte im Alter von 15 bis 65 Jahren befragt, die mindestens zehn Stunden pro Woche einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachgehen. Bei der zweiten Erhebung handelt es sich um eine repräsentative Querschnittsbefragung auf Basis des Betriebsstättenregisters der Bundesagentur für Arbeit, die zwischen Oktober 2023 und Mai 2024 durchgeführt wurde. An dieser Befragung nahmen 1817 Betriebe teil, wobei 1575 den Fragebogen vollständig beantworteten (Matiaske et al. 2023). Beide Datensätze sind aktuell, die abgefragten Inhalte können sich ergänzen, da sie aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven unterschiedlichen Fragen nachgehen.
Verbreitung
Für die überwiegende Mehrheit der Betriebe und Beschäftigten gehört eine Erfassung der Arbeitszeiten mittlerweile zur alltäglichen Routine, nach Daten der BAuA-Arbeitszeiterhebung 2023 für etwa 83 % der Beschäftigten und nach den Daten von SOEP-LEE2 von 2023/2024 für 89 % der Betriebe. Beide Untersuchungen stimmen in ihren Befunden auch darin überein, dass die Häufigkeit eng mit der Betriebsgröße korrespondiert. Noch sind die Vorgaben des Gesetzgebers also nicht vollständig erfüllt; die Versäumnisse sind in kleineren Betrieben häufiger, in Betrieben mit mehr als 250 Beschäftigten nur selten. Aber selbst in Kleinstbetrieben (bis zu zehn Beschäftigte) halten sich immerhin gut 83 % der Betriebe an die gesetzlichen Vorgaben. Offensichtlich hatten sie keine unüberwindbaren Schwierigkeiten, die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten zu erfassen.
Da spezielle Beschäftigtengruppen (leitende Angestellte etc.) bislang von den Verpflichtungen des Arbeitszeitgesetzes (§ 18) ausgenommen sind, kann von einer weitgehenden, aber noch nicht völlig lückenlosen Befolgung des BAG-Urteils ausgegangen werden. Unsicher ist noch, ob die bislang befreiten Beschäftigtengruppen das auch weiterhin sein werden.
Ein Schwachpunkt ist vor allem die Erfassung der Arbeitszeit von geringfügig Beschäftigten. Bereits vor dem BAG-Urteil von 2022 war sie obligatorisch, hätte also längst in allen Betrieben mit dieser Beschäftigungsform alltägliche Praxis sein müssen. Das aber ist nach den SOEP-LEE2-Untersuchungsergebnissen in etwa 10 % der Betriebe mit Minijobberinnen und -jobbern nicht der Fall. Versäumnisse liegen hauptsächlich bei kleineren Betrieben. Inwieweit Informationsdefizite hierfür verantwortlich sind, lässt sich mit den vorliegenden Daten nicht sagen.
Die große Mehrheit (84,5 %) der Betriebe hat bereits vor dem BAG-Urteil von 2022 mit der Erfassung der Arbeitszeit begonnen. Sie verfügen also über mehrjährige Erfahrungen mit der von ihnen verwendeten Methode der Zeiterfassung und sind geübt in deren routinemäßiger Organisation.
Organisation der Arbeitszeiterfassung
Betriebe können die Verpflichtung der Zeiterfassung entweder in Eigenregie organisieren oder an die Beschäftigten oder an Dritte delegieren. Mit diesen können sie entweder eine händische Aufzeichnung vereinbaren oder ein anderes einheitliches (systemisches) Erfassungssystem einführen und für alle verbindlich machen. In den meisten Fällen (69,5 %) überlassen die Arbeitgeber die Zeiterfassung den Beschäftigten, nur in etwa jedem siebten Betrieb übernehmen sie selbst diese Aufgabe (Maas u. Seifert, im Erscheinen); etwa ähnlich häufig verbreitet sind Mischformen (16,6 %). In Kein- und Kleinstbetrieben liegt die Erfassung häufiger in den Händen der Beschäftigten, größere Betriebe mit einer eigenständigen Personalabteilung organisieren diese Aufgabe eher in Eigenregie.
Die händische Erfassung (Excel-Liste oder andere händische Aufzeichnung) der geleisteten Arbeitszeit dominiert mit einem durchschnittlichen Anteil von 45,4 % gegenüber der systemischen (Stempeluhr oder digitale Stempeluhr) mit durchschnittlich 42,9 %.3 Ein geringer (11,7 %) Teil der Betriebe organisiert parallel beide Formen. Unterschiedliche Dokumentationsmodi können für unterschiedliche Beschäftigtengruppen gelten, so beispielsweise für stationär und für mobil Beschäftigte.
Händische Methoden sind vorrangig in Kleinstbetrieben (62,0 gegenüber immerhin 30,8 % für systemische Methoden) zu finden, systemische dagegen eher in mittleren mit mehr als 50 (63,3 %) und größeren Betrieben mit mehr als 250 (58,2 %) Beschäftigten. Letztgenannte praktizieren zudem häufig (23,6 %) beide Methoden. Mit auch häufig eigenen Personalabteilungen verfügen sie über die hierfür notwendigen organisatorischen Voraussetzungen. Die überwiegende Mehrheit der Betriebe kontrolliert die erfassten Arbeitszeiten; nur wenige verzichten darauf (11,2 %). Die Gründe hierfür sind bislang unbekannt.
Arbeitszeiterfassung und Flexibilität
Vorliegende empirische Befunde können die Annahme einer durch die Arbeitszeiterfassung eingeschränkten Arbeitszeitflexibilität nicht stützen. Sie zeichnen vielmehr ein anderes Bild. Während nach der BAuA-Erhebung von 2019 82 % aller Beschäftigten die Arbeitszeit erfassen, liegt der Anteil bei denen, die ein Arbeitszeitkonto führen, mit 93 % deutlich höher (Backhaus et al. 2021). Das überrascht nicht. Je nach betrieblicher und tariflicher Vereinbarung erlauben Zeitkonten ein hohes Maß an zeitlicher Flexibilität im Rahmen der gesetzlichen Grenzwerte. Sie bieten entweder dem Arbeitgeber oder den Beschäftigten die Möglichkeit zu entscheiden, die tägliche Arbeitszeit zu variieren, einmal länger und einmal kürzer zu arbeiten (Seifert 2023). Wie bei einem Geldkonto sind die Bewegungen der Arbeitszeit zu registrieren, um nicht nur die EU-Arbeitszeitregelungen und das Arbeitszeitgesetz oder den tariflich oder betrieblich vereinbarten Durchschnittswert überprüfen zu können. Die Arbeitgeber wollen wissen, ob die Beschäftigten die vereinbarte Arbeitszeit erbringen, und die Beschäftigten, ob ihre geleistete Zeit auch gutgeschrieben und entlohnt wird.
Zeitkonten können Beschäftigten Spielraum für mehr selbstbestimmte Zeitgestaltung eröffnen, aber auch das Gegenteil kann der Fall sein. Nach dem bisherigen Erkenntnisstand bewerten Beschäftigte (BAuA 2016; Klenner u. Lott 2016) und deren Interessenvertreter (Seifert 2023) Zeitkonten überwiegend positiv, zumindest die Möglichkeiten, über die Zeitguthaben nach persönlichen Vorgaben verfügen zu können. Wird die Arbeitszeit betrieblich erfasst, gehen Zeitkonten mit mehr Einfluss der Beschäftigten auf ihre Arbeitszeitgestaltung einher (Backhaus et al. 2021). Sie gewinnen an Zeitautonomie.
Zeiterfassung und Homeoffice
Seit der Corona-Pandemie hat das Arbeiten im Homeoffice stark expandiert. Etwas mehr als jeder fünfte abhängig Beschäftigte (21,4 %) arbeitet mindestens einmal pro Woche von zu Hause (destatis 2025), während es vor der Pandemie nur jeder zehnte war. Die nachfolgenden Ausführungen greifen jedoch auf Betriebsdaten des SOEP-LEE zurück. Danach bieten 46 % der Betriebe Homeoffice an, denen weitere 10,9 % mit Teleheimarbeit hinzuzuzählen sind.
Die Frage ist nun, ob und wie sich Betriebe mit Homeoffice von solchen ohne diese Möglichkeit in der Organisation der Arbeitszeiterfassung unterscheiden. Für Unterschiede könnte sprechen, dass außerstationäres Arbeiten andere Formen der Arbeitszeiterfassung erforderlich macht, beispielweise über eine Arbeitszeiterfassungs-App oder Chatbots, also vorrangig systemische Methoden. Zu vermuten ist ferner, dass Betriebe bei außerstationärem Arbeiten der Zeitkontrolle eine größere Bedeutung beimessen. Das könnte vor allem überall dort der Fall sein, wo die Arbeitsleistung weniger präzise quantifizierbar ist und deshalb die Zeitkontrolle als bedeutsamer angesehen wird (Abraham 2020). Aber auch Beschäftigte können an einem Nachweis ihrer geleisteten Arbeitszeit interessiert sein, um möglichen Vorwürfen unzureichenden zeitlichen Engagements vorzubeugen.
Der Vergleich beider Betriebstypen zeigt folgendes Bild: Zunächst einmal ist Arbeitszeiterfassung in Betrieben mit und ohne Homeoffice mit knapp 90 % ähnlich weit verbreitet. Es ist also zu vermuten, dass die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung der Einführung von Homeoffice nicht im Wege gestanden hat.
Bei der Methode der Zeiterfassung bestehen deutliche Unterschiede. In Betrieben mit Homeoffice sind systemische (52,2 %) Methoden häufiger anzutreffen als in Betrieben ohne (35,2 %) und umgekehrt ist bei Letzteren das händische Dokumentieren (53,7 %) gebräuchlicher als bei Homeoffice (35,4 %). Ein kleiner Teil der Betriebe nutzt beide Methoden. Bei der Frage, wer die Arbeitszeit erfasst, liegen die Anteilswerte zwischen Betrieben mit und ohne Homeoffice nicht allzu weit auseinander: In Ersteren delegieren die Arbeitgeber die Arbeitszeiterfassung etwas häufiger an die Beschäftigten (74,2 zu 66,1 %). Dieser Befund könnte mit Praktikabilitätsaspekten zu tun haben, aber auch mit guten Vertrauensverhältnissen zwischen Beschäftigten und Vorgesetzten oder aber auch mit dem Einsatz von Leistungskontrollen.
Nur eine Minderheit der Betriebe (31,8 %) hat spezielle Regelungen für die Zeiterfassung bei Homeoffice getroffen. Mit der Betriebsgröße steigt der Anteil der Betriebe, in denen dieser Sachverhalt geregelt ist; in Kleinstbetrieben mit bis zu zehn Beschäftigten sind es 27 % und knapp 58 % bei mehr als 251 Beschäftigten. Solche Regelungen findet man auch häufiger in Betrieben mit Betriebsrat (43,3 %) als in solchen ohne (27,7 %).
In diesem Unterschied schlägt sich der Betriebsgrößeneffekt nieder. Denn je größer der Betrieb, desto häufiger ist überhaupt ein Mitbestimmungsgremium etabliert, das eine entsprechende Vereinbarung mit dem Arbeitgeber abschließen kann (Hohendanner u. Kohaut 2024). Über die Inhalte der Reglungen über Zeiterfassung im Homeoffice ist bislang nichts bekannt.
Zeiterfassung und Effekte auf Dauer und Wohlbefinden
Die Erfassung der Arbeitszeit wirkt begrenzend auf die Dauer der Arbeitszeit und reduziert Mehrarbeit und Überstunden sowie den Grad der Arbeitsbelastungen, was wiederum gesundheitliche Gefährdungen mindert (Backhaus et al. 2021; Lott u. Ahlers 2021). Besonders ausgeprägt ist dieser Zusammenhang bei Beschäftigten mit Vereinbarungen zum Homeoffice. Lange Arbeitszeiten und verkürzte Ruhezeiten sind unter diesen Bedingungen seltener. Zudem fördert die Arbeitszeiterfassung die Möglichkeiten zur Erholung (Backhaus et al. 2021).
Ein weiterer positiver Effekt durch die Arbeitszeiterfassung beeinflusst die Gesundheit. Wie beschrieben, geht die Zeiterfassung in Betrieben mit Arbeitszeitkonten mit einem erhöhten Spielraum der Beschäftigten auf selbstbestimmte Zeitgestaltung einher. Die Zufriedenheit mit der Arbeitszeit, mit der Work-Life-Balance steigt (Backhaus u. Kötter 2024), Zeitzwänge und Zeitstress nehmen ab. Es ist also von positiven Effekten auf den Gesundheitsschutz auszugehen. Insofern wirkt die Arbeitszeiterfassung in mehrfacher Weise im Sinne des gesetzlich geforderten Arbeitsschutzes.
Fazit
Dieser Beitrag fasst empirische Befunde aus zwei aktuellen Untersuchungen zur Arbeitszeiterfassung zusammen. Er liefert Daten zu deren Verbreitung und betrieblicher Organisation. Für die weit überwiegende Mehrheit der Betriebe gehört die Erfassung der Arbeitszeit zur Alltagsroutine. In Kleinstbetrieben dominieren händische Methoden (Excel-Liste oder andere händische Aufzeichnung), systemische (Stempeluhr oder digitale Stempeluhr) dagegen in mittleren und größeren Betrieben. Insofern trifft der Vorschlag aus dem Bundesarbeitsministerium, die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung obligatorisch für alle Betriebe mit Ausnahme der Kleinstbetriebe zu machen, auf bereits vielfach bestehende organisatorische Voraussetzungen.
Die Arbeitszeiterfassung wirkt sich positiv aus auf die Dauer der Arbeitszeit und deren Gestaltung. Sie reduziert das Ausmaß an Überstunden, an überlangen Arbeitszeiten. Gerade in Betrieben mit der Möglichkeit zum Homeoffice sind lange Arbeitszeiten und verkürzte Ruhezeiten seltener als in solchen ohne. Arbeitsbelastungen und gesundheitliche Gefährdungen nehmen ab. Ferner lässt sich zeigen, dass die Arbeitszeiterfassung flexiblen Arbeitszeiten nicht im Wege steht. Mehr Betriebe mit als ohne Arbeitszeitkonten haben eine Arbeitszeiterfassung eingeführt. Zeitkonten sind ein Instrument flexibler Arbeitszeitgestaltung sowohl für Betriebe als auch Beschäftigte. Nach bisherigen Erfahrungen können sie Beschäftigten Möglichkeiten zu einer selbstbestimmteren Zeitgestaltung bieten, wodurch sich Zeitzwänge und Zeitstress abbauen lassen und die Work-Life-Balance verbessert wird.
Interessenkonflikt: Der Autor und seine Koautorin geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
Literatur
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Backhaus N, Kötter J: Arbeitszeiterfassung, Entgrenzung und Flexibilitätsmöglichkeiten für Beschäftigte: Ergebnisse der BAuA-Arbeitszeitbefragung 2023. baua:Bericht kompakt. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2024.
BAuA – Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Arbeitszeitreport Deutschland 2016. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2016.
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Online-Quellen
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https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw21-de-arbeitszeite…
Destatis (Statistisches Bundesamt): Erwerbstätige, die von zu Hause aus arbeiten, 2024
https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/…
EuGH: Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofs zum Urteil in der Rechtssache C-55/18, Nr. 61/19; 2019
https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2019-05/cp1900…
Gesamtmetall: Schriftliche Stellungnahme Gesamtmetall, Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e.V., 2023
https://www.bundestag.de/resource/blob/965914/f598486484d8d13c09ba3c5c3…